Ruqaya Al Ghasara

Ruqaya Al Ghasara

Ruqaya Al Ghasra (arabischرقية الغسرة‎ Ruqaya al-Ghasara, DMG Ruqaya al-Ġasara, auch Rakia Al-Gassra geschrieben; * 6. September 1982, Bani Jamra im Nördlichen Gouvernement) ist eine bahrainische Sprinterin.

Die Leichtathletin erregt besonderes Aufsehen durch das Tragen eines langärmeligen Shirts, einer langen Hose und eines dicht schließenden Hidschabs (Kopfbedeckung) bei sportlichen Wettkämpfen mit denen sie die sogenannte Aura ihres Körper gemäß islamischen Vorschriften so bedeckt, dass nur Hände und Gesicht freibleiben. Die fromme Schiitin[1] möchte mit ihrem Auftreten ihre Glaubensgenossinnen dazu anregen, Wettkampfsport zu betreiben, denn Frauensport sei in Bahrain und anderen Golfstaaten neu.[2] Der Präsident der Bahrain Athletics Association (BAA) bezeichnete sie als „Vorbild, besonders für junge Mädchen“. [3]

Ihr sportlicher Schwerpunkt liegt im 200-Meter-Lauf, sie startet aber auch über 60 m, 100 m und 400 m. Ihre persönlichen Bestzeiten liegen bei 11,12 Sek für 100 Meter (Mailand, 2. Juli 2008, arabischer Rekord) und 22,65 Sek für 200 Meter (Rom, 11. Juli 2008, arabischer Rekord).[4] Sie ist 1,70 m groß, wiegt 65 kg und hat Sport-Management studiert.[5]

Inhaltsverzeichnis

Laufbahn

Al Ghasra begann ihre sportliche Laufbahn als Basketballspielerin in ihrer Schulmannschaft, kam aber aufgrund ihrer Schnelligkeit mit 19 Jahren[6] zur Leichtathletik. Nachdem sie einige Schulmeisterschaften gewinnen konnte, brachte sie eine Lehrerin 2000 zur nationalen Bahrain Athletics Association, die wenig später ein Programm zur Unterstützung von weiblichen Jugendsportlern startete.[7] Bis dahin konnten sich Frauen in diesem Golfstaat nur in Mannschaftssportarten betätigen, da die Leichtathletikvereine für sie nicht zugänglich waren.[8] Im gleichen Jahr erreichte al-Ghasara bei den arabischen Jugendmeisterschaften in Damaskus einen sechsten Platz. [9]

Bei den 13. Panarabischen Leichtathletikmeisterschaften in Amman (Jordanien) errang al-Ghasara Gold über 100 m (11,61 s) und 200 m (24,09 s).[10] Bei der erstmals 2004 in Teheran ausgetragenen asiatischen Hallenmeisterschaft gewann sie Silbermedaillen über 60 m (7,48 s), 200 m (24,18 s) und 400 m (55,29 s). [11]

Bei der Leichtathletik-Hallenweltmeisterschaft 2004 in Budapest schied sie über 400 m schon im Vorlauf aus, obwohl sie mit 54,24 Sekunden einen bahrainischen Rekord aufstellte.

Al Ghasra erfüllte mit 11,39 s als erste Frau aus einem arabischen Land die olympische 100-m-Qualifikationsnorm,[7] (Qualifikationsgrenze 11.40 Sek[12]) war also nicht wie einige andere Teilnehmerinnen aus islamischen Staaten auf eine Wildcard des IOC angewiesen.[12][13] Mit 11,49 s schied sie bei den Olympischen Spielen in Athen schon im Vorlauf aus, wobei sie das Weiterkommen um 0,06 s verfehlte. Die 16jährige Danah al-Nasrallah aus Kuwait wurde im selben Vorrunden-Lauf mit dem Landesrekord von 13,92 s Letzte.[13]

2005 reichten ihr bei den Dritten Westasiatischen Spielen in Doha 12,28 s zum Sieg bei dem erstmals für Frauen ausgetragenen 100-Meter-Lauf.[14] Mit 24 Jahren errang sie bei den Asienspielen 2006 in Katar mit 23:19 s die Goldmedaille im 200-Meter-Lauf vor der Usbekin Guzel Khubbieva und der Sri-Lankerin Susanthika Jayasinghe, die Al Ghasra im 100-Meter-Lauf, wo sie nach einem Fehlstart 11,40 s erzielte, auf den Bronzerang verdrängt hatten.[15][6][16]

Diese Asienspiele waren die ersten, bei den bahrainische Leichtathletinnen eine Medaille gewannen. Während jedoch die eingebürgerte, aus Äthiopien stammende Mittelstreckenläuferin Maryam Yusuf Jamal die für ihre Sportart typische Kleidung trug, war Al Ghasra wie auch einige Athletinnen anderer Nationen so gekleidet, wie es der kulturellen Tradition ihrer Heimat entsprach. Al Ghasra sagte nach ihrem Sieg in einem Interview, das Tragen von Kleidung nach traditionellen Vorschriften beflügele sie und sei keine Behinderung.[2]

Aufgrund eines Muskelfaserrisses, den sich al-Ghasara im Juli 2007 im linken Oberschenkel zuzog, konnte sie die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2007 im August in Ōsaka und den Asiatische Hallenspielen im Oktober in Macau nicht bestreiten.[17][18]

Bei der Zweiten Asiatischen Hallenmeisterschaft im Februar 2008 in Doha errang die genesene Al Ghasra Goldmedaillen über 60 m (7,40 s)[19] und 400 m (53,28 s).[20]

Auftritt bei Olympia

Obwohl sie auch über 100 m qualifiziert war, kündigte sie vor den Olympischen Spielen in Peking an, sich auf den 200-Meter-Lauf zu beschränken, bei dem sie eine Medaille anstrebte.[21] Sowohl im Vorlauf wie auch im Viertelfinale war sie mit 22,81 s und 22,76 s Erste, im Halbfinale jedoch schied sie als Sechste mit 22,72 s aus.[22]

Bei der Eröffnungsfeier zogen erstmals Frauen als Flaggenträger für Golfstaaten ein, außer Al Ghasra die Iranerin Homa Hosseini und Sheikha Maitha Almaktoum aus den Vereinigte Arabischen Emiraten.[4][23]

Zu den Sommerspielen haben weitere Teilnehmerinnen angekündigt, moderne Sportanzüge mit der traditionellen muslimischen Kleiderordnung zu kombinieren.[24] Al Ghasra trägt in Peking als Sportkleidung einen Hijjod der australischen Designerin Aheda Zanetti, die durch ihren islamkonformen Schwimmanzug Burkini, den sie für ihr Textilunternehmen Ahiida entworfen hatte, bekannt wurde.[25][26] Der Hijjod ist ein haubenförmiger Hidschab (das Wort ist zusammengesetzt aus den englischen Wörtern für Schleier, Hijab, und Haube, Hood), der Haar und Nacken bedeckt.[27][28] [29] Zuvor trug sie Kleidung des Sportartikelherstellers Nike.[30][31] Nike produzierte 2005 auch für das Projekt Together for Girls, in Zusammenarbeit mit der UNHCR, spezielle Volleyball-Trikots für muslimische Frauen in somalischen Flüchtlingslagern in Kenia.[32][33]

Auch Cathy Freeman trug bei ihrem Olympiasieg 2000 (400-Meter) einen Ganzkörperanzug (Swift Suit) von Nike – allerdings einzig zu dem Zweck, ihre Aerodynamik zu optimieren.

Musliminnen bei Olympischen Spielen

Der Iran sandte 1964 erstmals Frauen zu den Olympischen Spielen.[34] Die Badminton-Spielerin Susi Susanti war 1992 die erste Sportlerin, die eine Goldmedaille für Indonesien, das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung, gewann. 1984 gewann die Marokkanerin Nawal El Moutawakel als erste muslimische Frau in der Leichtathletik olympisches Gold, und zwar im 400-Meter-Hürdenlauf. Die Algerierin Hassiba Boulmerka, die 1992 Olympiasiegerin im 1500-Meter-Lauf wurde, sah sich nach Vorwürfen islamistischer Fundamentalisten, sie sei bei Wettkämpfen mit nackten Beinen viel zu freizügig angezogen, gezwungen, nach Europa umzuziehen und dort zu trainieren. 1996 gewann die Syrerin Ghada Shouaa Gold im Siebenkampf. Die iranischen Sportschützinnen Lida Fariman (Barcelona 1992, Atlanta 1996) und Manijeh Kazemi (Sydney 2000) trugen bei ihren Olympiateilnahmen Hidschab und Tschador.[35]

Der Start von Musliminnen mit Kleidung nach traditioneller islamischer Sitte bei Olympischen Spielen wird einerseits als Schritt hin zur Gleichberechtigung in islamischen Ländern betrachtet, [36][37] andererseits aber auch als Zeichen der Re-Islamisierung wahrgenommen. [38]

Weblinks

Video

Fußnoten

  1. Ein Sieg von Olympia 2008, RP Online, 25. August 2008
  2. a b coolrunning.com: No bother at all: Bahrain sprinter says Muslim dress makes her faster, coolrunning.com, 12. Dezember 2006
  3. Gulf Daily News: Ruqaya 'top role-model. 19. Februar 2008
  4. a b Gulf Daily News: Bahrain ready for opening show. 8. August 2008
  5. Gulf News: Veil no barrier, says Al Ghasara. 13. Dezember 2006
  6. a b Times of Oman: Sprinter debunks myth of hijab on track. 12. Dezember
  7. a b New York Times: Summer 2004 Games; Free at Last, Islamic Women Compete With Abandon. 21. August 2004
  8. IAAF: A first for Bahrain. 1. Juni 2007
  9. Gulf News: Breaking Free. 19. Mai 2007
  10. gbrathletics.com: Pan Arab Championships
  11. Asian Athletics Association: Asian Indoor Championchips
  12. a b Chicago Tribune (via The Muslim News): Muslim women show their options. 20. August 2004
  13. a b ESPN: Running into History. 25. September 2004
  14. Asian Athletics Association: West Asian Games
  15. Al Jazeera English: Glory for Al Ghasara. 11. Dezember 2006
  16. Athletenportrait von Ruqaya Al Ghasara auf der Website der Asienspiele 2006 (Internet Archive)
  17. Gulf Daily News: Ruqaya getting back on track…. 1. Dezember 2007
  18. Al Jazeera English: Olympic dreams for Al Ghasara. 18. Februar 2008
  19. Asian Athletics Association: Asian Indoor Athletics Championships 2008 – Results Day 1
  20. Asian Athletics Association: Asian Indoor Athletics Championships 2008 – Results Day 1
  21. Gulf Daily News: Ruqaya to carry flag at Games. 31. Juli 2008
  22. Gulf Daily News: Ruqaya’s dream run comes to an end. 21. August 2008
  23. The Washington Post: Let the Women Play. 14. August 2008
  24. The Straits Times: Veiled challenge to Beijing. 15. August 2008
  25. Gulf Daily News: Ruqaya to wear new Aussie outfit. 11. August 2008
  26. The West Australian: Bahrainian to run in Aust-designed Hijab. 15. August 2008
  27. Ahiida-Pressemitteilung: The Rise and Rise of the Hijood (PDF)
  28. Reuters: Aussie „burqini“ designer creates athletic veil. 18. August 2008
  29. Süddeutsche Zeitung: Islamkonforme Sportausrüstung. 19. August 2008
  30. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Kommentar Sport: Auf Tuchfühlung. 12. Dezember 2006
  31. ESPN: Nike swoosh raises debate 19. December 2006
  32. UNHCR: Designers on a mission: dressing refugee girls for sports. 6. Juli 2005
  33. The New York Times: Where Showing Skin Doesn't Sell, a New Style Is a Hit. 20. März 2006
  34. Women’s eNews: Muslim Sportswomen Gain Standing in Beijing. 7. August 2008
  35. Radio Free Europe: Olympics 2004: Muslim Women Athletes Move Ahead, But Don't Leave Faith Behind. Radio Free Europe, 2004
  36. Stern: Muslimische Frauen bei Olympia: Die mit dem Schleier starten. 26. August 2004
  37. The Washington Post: Unveiling the Olympics, wahingtonpost.com, 15. August 2008
  38. 3Sat: Wettkampf der Kulturen. Wie arabische Medien über die Olympischen Spiele berichten. 25. August 2004

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