Ruskin

Ruskin
John Ruskin
John Ruskin 1874, fotografiert von Lewis Carroll

John Ruskin (* 8. Februar 1819 in London; † 20. Januar 1900 in Brantwood/Lancashire) war ein englischer Schriftsteller, Maler, Kunsthistoriker und Sozialphilosoph.

Leben

Den größten Teil seiner Kindheit verbrachte er in Croydon. Er verfasste 1843 bis 1860 eine mehrbändige Geschichte der modernen Malerei und lehrte ab 1869 in Oxford Kunstgeschichte. Als vielseitig gebildeter Kunsthistoriker und bedeutender Sozialreformer nahm er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine beherrschende Stellung im englischen Gesellschaftsleben ein. In vielen Schriften beschrieb er das Evangelium der Schönheit, worunter er eine Verschmelzung von Kunst, Politik und Wirtschaft verstand, die sich am Idealbild mittelalterlicher Kunst orientieren sollte.

In der zunehmenden Industrialisierung sah er die Gefahr einer Verkrüppelung sowohl menschlicher Tugenden als auch künstlerischer Schaffenskraft. Er trat für eine Wirtschaftsethik ein, in deren Mittelpunkt der Mensch stehen sollte und bei der handwerkliche Arbeit als schöpferischer Wert betrachtet werden sollte.

In seinen Vorstellungen zur Sozialreform unterbreitete er zahlreiche konkrete bedeutende Vorschläge, wie z.B. Gartenstädte und Arbeiterhochschulen. Als Maler und Zeichner trat Ruskin vor allem durch Architekturdarstellungen und Landschaftsstudien in Erscheinung.

In seinem mehrbändigen, ab 1843 erschienenen Werk Modern Painters verurteilt Ruskin, der stets ein präziser Beobachter (und selbst Zeichner) der Natur war, unter anderem die Landschaftsmalerei Claude Lorrains, denn gerade sie bilde die Natur nicht wahrhaftig ab. Der Vergleich der Landschaftsmaler in den Modern Painters ist vor allem eine Verteidigung des Malers J.M.W. Turner, von dem die Ruskins mehrere Gemälde besaßen.

Kapitelle. Aus: The Stones Of Venice

In zwei Leserbriefen an die „Times“ 1851 hatte er kurz nach dem `Skandal´ die Präraffaeliten verteidigt, ohne sie damals persönlich zu kennen. Er verglich ihre neue, genaue Malweise mit der seines verehrten Dürer (Truth of nature). Daraufhin wurde die Präraffaeliten in der Öffentlichkeit etwas milder beurteilt. Daraus entstand eine schwierige Freundschaft zu Rossetti und Millais, die hochdramatische Formen annahm. Ruskins Frau lässt sich von ihm scheiden, um Millais zu heiraten. Trotzdem schreibt Ruskin weiterhin sehr positiv über Millais. Ihn verband mit allen Präraffaeliten eine herzliche Freundschaft, bis auf Ford Madox Brown, der einen mürrischen, unverträglichen Charakter hatte und dessen Misserfolg sicher mit der Ablehnung Ruskins zu tun hat.

Mit den 1849 erschienen The Seven Lamps of Architecture und dem dreibändigen 1851 in London erschienenen Buch The Stones of Venice (dt. Die Steine von Venedig) leistete Ruskin wichtige Beiträge zur Architekturtheorie.

In seiner Essaysammlung The Seven Lamps of Architecture beschreibt Ruskin in nahezu poetischer Form aus seiner Sicht die Grundlagen der Architektur: Opfer, Wahrheit, Macht, Schönheit, Leben, Erinnerung und Gehorsam. Er legt damit Kriterien für die Güte von und den Umgang mit der Baukunst dar und beeinflusst so die englische Architektur maßgeblich.

The Stones of Venice ist von einer idealisierten Darstellung insbesondere der Gotik in Venedig einschließlich ihrer sozialen Begleitumstände geprägt. Anhand von sechs Eigenschaften wird versucht, die Gotik zu charakterisieren: 1. Roheit, 2. Veränderlichkeit, Abwechslung, 3. Naturalismus, 4. Sinn für das Groteske, 5. Starrheit, 6. Überfülle. Zudem beinhalten die Stones sowohl im Text- wie auch im Folioteil präzise Darstellungen und Beschreibungen venezianischer Architektur und Malerei (besonders von Tintoretto), die für baugeschichtliche Analysen bis heute von größtem Interesse sind.

Die Theorie und Praxis der Denkmalpflege prägte Ruskin maßgeblich. Wie bereits in den nicht-idealisierenden Darstellungen venezianischer Architektur in den Stones erkennbar wird, akzeptierte Ruskin das Denkmal in seiner überlieferten Gesamtheit einschließlich der Patina und forderte die Konservierung. Dies ist in Gegensatz zu der im 19. Jahrhundert weit verbreiteten Restaurierungstätigkeit zu sehen, deren bedeutendster Exponent Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc war und die besonders in Frankreich mittelalterliche Bauwerke in Formen wiederherstellte, die dem Originalbestand keineswegs entsprechen musste.

Ruskin war ab 1870 der erste Professor für Kunst (Slade Professor of Fine Art) an der Universität Oxford.


Ein Ruskin zugeschriebenes, aber bis heute nirgendwo nachgewiesenes Zitat hat es zu einer gewissen Popularität gebracht:

„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften. Es ist unklug, zuviel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld. Das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen etwas hinzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.“

Der 1907 eröffnete Ruskin Park in London, der sich zwischen Loughborough Junction (Brixton) und Denmark Hill erstreckt, ist nach John Ruskin benannt.

Literatur

  • John Ruskin. Werk und Wirkung. gta Verlag Zürich 2002. ISBN 978-3-85676-110-3.

Weblinks


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