Azadirachta indica

Azadirachta indica
Niembaum
Niembaum (Azadirachta indica)

Niembaum (Azadirachta indica)

Systematik
Klasse: Dreifurchenpollen-
Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Unterklasse: Rosenähnliche (Rosidae)
Ordnung: Seifenbaumartige (Sapindales)
Familie: Mahagonigewächse (Meliaceae)
Gattung: Azadirachta
Art: Niembaum
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Azadirachta
A. Juss.
Wissenschaftlicher Name der Art
Azadirachta indica
A. Juss.

Der Niembaum (Azadirachta indica, Syn.: Melia azadirachta L., Antelaea azadirachta (L.) Adelb.), auch Niem, Neem, Margosa, (Nimtree, Indian-lilac (engl.), margosier (fr.) genannt, ist eine der zwei Arten der Gattung Azadirachta.[1] Die andere Art heißt Azadirachta excelsa.[1]

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Ursprünglich stammt der Niem aus Indien, Pakistan und Burma. Der Niem ist auf tropisches und subtropisches Klima angewiesen. Durch den Menschen wurde der Baum auch auf dem asiatischen, dem afrikanischen, dem amerikanischen und dem australischen Kontinent sowie auf den Inseln im Pazifik heimisch. Den Niem trifft man hauptsächlich in den flachen und ariden Gegenden der Tropen und Subtropen an. Im Gebirge ist er selten.

Beschreibung

Der Niem ist ein schnellwachsender, (meist) immergrüner Baum, der durchschnittlich Wuchshöhen von 15 bis 20 Metern – unter günstigen Bedingungen bis zu 40 Meter – erreicht. Er kann bis zu 200 Jahre alt werden. Unter ungünstigen Bedingungen verliert der Baum seine Blätter, um sich vor Austrocknung zu schützen. Die Äste sind weitverzweigt, die Baumkrone ist rund bis oval mit dichtem Blattwuchs. Bei freistehenden Bäumen kann der Durchmesser der Krone durchaus seiner Höhe entsprechen. Der Stamm ist im Allgemeinen relativ kurz und selten höher als dreieinhalb Meter. An der ersten Verzweigung ist die Rinde hart und zwischen weißlichgrau bis rötlichbraun gefärbt. Die äußeren Holzschichten sind hell, die inneren rötlich. Wenn die inneren Holzschichten mit Luft in Berührung kommen, färben sie sich rötlichbraun. Das Wurzelsystem besteht aus einer starken Hauptwurzel, die doppelt so tief in das Erdreich reichen kann wie der Baum hoch ist, sowie einem verzweigten Wurzelsystem.

Die unpaarigen gefiederten Laubblätter sind insgesamt 20 bis 40 cm lang und bestehen aus 31 mittel- bis dunkelgrünen Teilblättern, die jeweils 3 bis 8 cm lang sind. Der Blattstiel ist relativ kurz, junge Blätter haben oft eine rötliche bis purpurne Färbung.

Jeder Baum entwickelt sowohl männliche als auch weibliche Blüten. 150 bis 250 Blüten befinden sich an einer, bis zu 25 cm langen, Rispe, die bis zu drei mal verästelt ist. Die weißen und wohlriechenden Blüten sind 5 bis 6 mm lang und haben einen Durchmesser von 8 bis 11 mm.

Früchte

Bereits nach vier Jahren trägt ein Baum Früchte. Nach zehn Jahren liefert er 40 bis 50 kg Früchte und erreicht damit seinen vollen Fruchtertrag.[2].

Die unbehaarte Frucht ist eine olivenähnliche Steinfrucht, die oval bis kugelförmig sein kann. Wenn sie reif ist, ist sie 1,4 bis 2,8 cm lang und 1 bis 1,5 cm im Durchmesser. Die Fruchthaut ist dünn, das Fruchtfleisch gelblichweiß und bitter-süß im Geschmack. Die Frucht enthält einen, in seltenen Fällen auch mehrere Samen. Werden die Früchte von Tieren gefressen, scheiden sie die unverdaulichen Kerne meist wieder aus. Die Samen überstehen den Verdauungstrakt der Tiere problemlos und keimen nach dem Ausscheiden.

Standortbedingungen

Der Niem ist berühmt für seine Unempfindlichkeit gegenüber Trockenheit. Er kann in Gegenden mit einem durchschnittlichen Jahresniederschlag von 400 bis 1200 mm gut überleben und kommt auch in Gegenden mit geringerem Niederschlag vor, dann ist er jedoch abhängig vom Grundwasser. Der Niem kann in vielen Bodentypen wachsen, bevorzugt jedoch sandige Böden mit einem pH-Wert von 6,2-7,0. Staunässe verträgt der Baum nicht. Stehen die Wurzeln zu lange im Wasser, geht der Niem sehr schnell ein. Die optimalen Jahresdurchschnittstemperaturen sind 31 °C bis 32 °C. Höhere Temperaturen toleriert der Baum, Temperaturen unter 4 °C sind nicht gut für den Niem: er verliert seine Blätter und geht ein. Dagegen hält der Baum Temperaturen über 50 °C sehr gut aus.[2]

Inhaltsstoffe

Niemöl

Obwohl der Baum seit Jahrzehnten untersucht wird, sind viele seiner Wirkstoffe noch nicht vollständig erforscht. Niem enthält über 100 verschiedene chemische Inhaltsstoffe, die sich zudem noch unterschiedlichst im Stamm, der Rinde den Blättern und Früchten zusammensetzen. Diese Inhaltsstoffe sind so kompliziert, dass es von vielen nur ungefähre Näherungswerte der Strukturformeln gibt. Ein besonders wichtiger Inhaltsstoff ist Azadirachtin. Dieser Bestandteil wird aus dem Niemöl gewonnen, welches man aus den Samen presst. Die synthetische Herstellung von Azadirachtin gelang nach über 20 Jahren Forschung erstmals 2007 durch ein britisches Team um Steven Ley, Professor für Organische Chemie an der Universität Cambridge.[3]

Weitere wichtige Inhaltsstoffe sind Salannin, Meliantriol, Nimbin und Nimbidin. Es gibt noch viele andere Wirkstoffe, die sehr wirksam sind, obwohl man sie nur in kleinsten Mengen nachweisen kann.

Verwendung

Junger Niembaum

Azadirachtin ähnelt in seiner Wirkung dem Hormon Ecdyson. Es hindert Schadinsekten daran, sich zu vermehren und Kulturpflanzen zu fressen. Zudem wirkt es gegen verschiedene Nematoden.

Salannin hat eine abstoßende Wirkung auf Insekten und schützt Nutzpflanzen sehr effektiv vor Insektenfraß.

Meliantriol wirkt ähnlich abschreckend auf Insekten, wie Salannin und stoppt selbst Wanderheuschrecken.

Nimbin und Nimbidin sind wirksam gegen Viren.[2]

Niem-Produkte wirken antibakteriell, antiviral, als Insektizid, Fungizid, Spermizid und Dünger. Den Indern sind die Vorzüge des Niem bereits seit Jahrtausenden bekannt, viele Extrakte des Baums sind in der Medizin des Ayurveda in Verwendung.[2]

Von indischen Ärzten werden Niem-Produkte seit 2000 Jahren gegen Anämie, Bluthochdruck, Hepatitis, Geschwüre, Lepra, Nesselsucht, Schilddrüsenerkrankungen und Verdauungsstörungen eingesetzt. Niem wird als Mittel gegen Kopfläuse und in der Zahn- und Mundhygiene genutzt und soll bei Diabetes mellitus und Krebs helfen sowie den Cholesterinspiegel reduzieren.[2]

In vielen westlichen Industrieländern entstanden besonders in Krankenhäusern, Bakterien mit einer Resistenz gegen Antibiotika, durch übermäßigen Einsatz dieser Medikamente. Mit wissenschaftlichen Versuchen wurde nachgewiesen, dass Niembaumöl bei Typhus, Hauterkrankungen, Geschwüren und Abszessen erfolgreich half, bei denen die zuvor eingesetzten Antibiotika versagten.

In einigen Gebieten der Tropen hatte man Malaria bereits ausgerottet. Inzwischen tritt die Krankheit wieder verstärkt auf. Derzeit wird die Wirkung von Niempräparaten auf Malaria wissenschaftlich untersucht. In Indien setzt man diese Medizin seit Jahrhunderten erfolgreich ein. Während staatliche Entwicklungsorganisationen und große NGOs sich gegenüber Niembaumextrakten als Malariaprophylaxe bis zum Vorliegen umfassender klinische Studien zurückhaltend zeigen, konnten beispielsweise in Senegal private Initiativen schon Erfolge verzeichnen.[4]

Ebenso werden Niemprodukte in Indien seit Jahrhunderten als Spermizid und zur Abtreibung genutzt. Indische Forscher haben diese Wirkung bestätigt.[2]

Das Öl des Niembaums wird bei der Bekämpfung von Hausstaubmilben eingesetzt. Der Niembaumsamenöl-Extrakt macht die Nahrungsgrundlage der Milben (Hautschuppen) ungenießbar und stoppt gleichzeitig das Wachstum der Larven. Die Samen und das Niemöl werden in der Landwirtschaft und von Hobbygärtnern als Dünger sowie zur akuten oder prophylaktischen Bekämpfung von Insekten, Nematoden, Milben und Pilzen verwendet.

Aus Samenschrot und Wasser hergestellte Lösungen zum Gießen oder Spritzen gegen Schadinsekten sind weit verbreitet. Während man bei chemischen Spritzmitteln sehr schnell Resistenzen bei den Insekten zu beobachtet, sind bei Niemlösungen wegen ihrer Komplexität keine Resistenzen zu erwarten.[2]

Ökologische Bilanz

Niembaum mit Blüte

Der Niembaum wird erfolgreich in „Entwüstungs“-Projekten eingesetzt und hat einen hohen CO2-Durchsatz. Da der Baum sehr schnell wächst, hilft sein Anbau gegen die Abholzung der natürlichen Wälder. Das Holz des Niembaums ist ein sehr guter Brennstoff und wird als Feuerholz genutzt. Niembäume helfen gegen Bodenerosion und senken die Windgeschwindigkeit. Dabei spenden sie auch noch Schatten, kühlen die Umgebung und schützen die Bodenvegetation. Die Niemblätter sind als Viehfutter sehr beliebt. Das schont die übrige Vegetation. Die Rückstände aus der Niemölgewinnung sind ebenfalls sehr gut als Viehfutter geeignet. Dieser Presskuchen enthält viele Mineralien und Nährstoffe.[2]

Patentstreitigkeiten

Seit 1985 wurden von amerikanischen, japanischen und europäischen Firmen mehr als 90 Patente auf Wirkeigenschaften und Extraktionsverfahren angemeldet. Die amerikanische Firma W.R.Grace errichtete Produktionsstätten zur Niemverarbeitung in Indien und kaufte zudem indische Firmen auf. Dies führte zu Preissteigerung des Niemsamens von 11 auf über 100 US-Dollar je Tonne und hatte zur Folge, dass kleinere indische Firmen und arme Bauern nicht mehr in der Lage waren, Niemsamen anzukaufen. Wegen der zahlreichen Patente konnten unabhängige indische Firmen ihre Produkte auch nicht mehr nach Europa oder die USA exportieren, was zu bedeutenden Umsatzverlusten führte.[5]

Im Jahr 1993 wurde in Indien die „Neem Campaign“ gegründet, um gegen mutmaßlich zu Unrecht erteilte Patente vorzugehen.

Besonders das Patent EP 0 436 257 B1, das 1994 dem US-Landwirtschaftsministerium zusammen mit dem Unternehmen W.R.Grace vom Europäischen Patentamt in München erteilt wurde, hatte für Aufsehen gesorgt. Es betrifft ein „Verfahren zum Bekämpfen von Fungi an Pflanzen“ (Patentanspruch 1) bzw. ein „Verfahren zum Schützen von Pflanzen vor Pilzbefall“ (Patentanspruch 7), wobei beide Verfahren dadurch gekennzeichnet sind, „dass man die Fungi/ die Pflanze mit einer Neemölformulierung, enthaltend 0,1 bis 10 % eines hydrophobisch extrahierten Neemöls, das im wesentlichen frei von Azadirachtin ist, 0,005 bis 5,0 % emulgierendes Tensid und 0 bis 99 % Wasser kontaktiert“.

U. a. die Gewinnerin des Alternativen Nobelpreises Vandana Shiva erhob Einspruch gegen die Erteilung des Patents. Im Mai 2000 wurde, nach zweitägigen Verhandlungen im Einspruchsbeschwerdeverfahren vor der technischen Beschwerdekammer des EPA das Patent aufgrund fehlender „erfinderischen Tätigkeit“, neben der „Neuheit“ die wichtigste Patentierungsvoraussetzung, widerrufen. Die Beschwerdekammer befand, dass das im Patent beschriebene Verfahren zum Prioritätszeitpunkt (26. Dezember 1989) zwar neu sei, es aber angesichts der Tatsache, dass fungizide Wirkungen von Pflanzenölen vielfach bekannt seien, keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, bekannte Rezepturen auch auf bislang ungenutzte Pflanzen anzuwenden und so zu den patentierten Verfahren zu gelangen. Ein Votum gegen Patente auf Pflanzen an sich stellt diese Entscheidung jedoch nicht dar.

Inzwischen ist noch ein weiteres Patent auf Niem-Produkte vom europäischen Patentamt endgültig widerrufen worden (Stand 2005).

Siehe auch

Quellen

  1. a b Species in GRIN for genus. www.ars-grin.gov. Abgerufen am 2008-03-09.
  2. a b c d e f g h Heidelore Kluge, Verlag: Gesundheit unf Natur Niembaum, die Kraft der indischen Wunderpflanze, ISBN - 3-7787-3580-2
  3. Steven V. Ley: Synthesis and chemistry of the insect antifeedant azadirachtin In: Pure and Applied Chemistry. Band 66, Nr. 10/11, S. 2099–2102, IUPAC 1994 pdf
  4. http://www.youtube.com/watch?v=AiSLVNpPeI8&eurl=http://english.aljazeera.net/programmes/peopleandpower/2008/12/200812981318708792.html
  5. Bödeker et. al, S. 32

Literatur

deutsch

  • Ellen Norten und Jean Pütz (Hrsg.): Wunderbaum Niem – Medizin, Kosmetik, Pflanzenschutz aus der Natur. vgs Verlag, Köln 1997, ISBN 3802513223
  • Sebastian Bödeker, Oliver Moldenhauer und Benedikt Rubbel: Wissensallmende. VSA, Hamburg 2004, ISBN 3-89965-118-9, S. 32–33.
  • Heinrich Schmutterer: Niempräparate (Neem, Nim). In: Heinrich Schmutterer, Jürg Huber (Hrsg.): Natürliche Schädlingsbekämpfungsmittel. Ulmer Verlag, 2005, ISBN 3-8001-4754-8

englisch

  • Eric R. Boa: A guide to the identification of diseases and pests of neem. (Azadirachta indica). FAO Regional Office for Asia and the Pacific (RAPA), Bangkok, 1995
  • Alexander Wudtke (1995) Einsatz von NemAzal T/S gegen Materialschädlinge am Beispiel der Kleidermotte, Proc. of 5th Workshop „Practice Oriented Results on Use and Production of Neem-Ingredients and Pheromons“ in Wetzlar (http://freenet-homepage.de/humboldt), 274 S.
  • A. Wudtke (1997) Einsatz von Neem als Wachstumshemmer – Use of Neem as a growth inhibitor, in: Proc. of 5th Workshop „Practice Oriented Results on Use and Production of Neem-Ingredients and Pheromons“ in Wetzlar 1996, 175–176
  • Ruparao T. Gahukar: Neem in plant protection. Agri-Horticultural Publishing House, Nagpur, India 1995, ISBN 81-900392-0-2
  • Martin Jacobson (Hrsg.): The neem tree. CRC Press, Boca Raton, Fl. 1989, ISBN 0-8493-4101-9
  • Heinrich Schmutterer (Hrsg.): The neem tree Azadirachta indica (A. Juss.) and other meliaceous plants. Sources of unique natural products for integrated pest management, medicine, industry and other purposes. VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim 1995, ISBN 3-527-30054-6
  • Dina Tewari: Monograph on neem (Azadirachta indica A. Juss.). International Book Distributors, Dehra Dun, India 1992, ISBN 81-7089-1752
  • Noel D. Vietmeyer (Hrsg.): Neem. A tree for solving global problems; report of an ad hoc panel of the Board on Science and Technology for International Development, National Research Council. National Academy Press, Washington D.C. 1992, ISBN 0-309-04686-6
  • K Vijayalakshmi, K S Radha und Vandana Shiva: Neem. A User’s Manual. Centre for Indian Knowledge Systems, Chennai and Research Foundation for Science, Technology and Natural Resource Policy, New Delhi 1995.
  • Katharine Sanderson: Chemists synthesize a natural-born killer. In: Nature. Band 448, Nr. 7154, 2007, S. 630.

Weblinks


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