Römische Villa

Römische Villa

Eine Villa (lat.) bezeichnete ursprünglich ein meist freistehendes repräsentatives Einfamilienhaus auf dem Land, immer ergänzt um eine Gartenfläche. Seit dem 18. Jahrhundert entstanden zunehmend auch Villen in vorstädtischen Lagen.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Der Begriff „Villa“ steht ursprünglich für ein vornehmes Haus auf dem Lande. Im Gegensatz zu Bauernhöfen dienten Villen allerdings nur selten landwirtschaftlichen Zwecken, und deren Besitzer hatten ihren Hauptwohnsitz häufig in einem Stadthaus. Die italienischen Villen der Antike und Renaissance bildeten als Landsitze des Stadtadels ein Pendant zu deren Stadtpalästen. Die Villenkultur hat seit der Antike ihre Tradition. Bereits Plinius der Jüngere (61-113 n. Chr.) zog das zurückgezogene Leben auf dem Lande dem Stadtgeschehen vor.

Eine Villa gilt als Ausdruck repräsentativer Wohnkultur und verfeinerter Lebensart, der Begriff ist entsprechend positiv besetzt. Daher wird der Ausdruck „Villa“ oft auch als Synonym für andere Gebäudeformen verwendet: So werden Herrenhäuser als Mittelpunkt von landwirtschaftlichen Gütern oder kleinere Schlösser nicht selten als Villa bezeichnet. In jüngerer Zeit wird der Begriff in der Werbesprache irreführend auch für freistehende Mehrfamilienhäuser mit gehobener Ausstattung verwandt.

Daneben bezeichnet „Villa“ im Wortgebrauch aber – wie auch das deutsche „Gut“ – das ganze Landgut, und aus dem Wort bilden sich die späteren romanischen Ortsnamen auf Ville (frz.), Villa (span., pt.).

Kretisch-Minoische Kultur

Ein großes, prunkvoll ausgestattetes Landhaus der minoischen Kultur, das einem hohen Würdenträger oder einem reichen Bewohner gehörte, wird als Villa bezeichnet.

Römisches Reich

Auf den Gütern der reichen Römer hieß das nach städtischer Art gebaute, später meist mit verschwenderischem Luxus ausgestattete und für alle Jahreszeiten eingerichtete Herrenhaus Villa urbana (städtische Villa) oder, wenn es in der Nähe der Stadt gelegen war, Villa suburbana (Vorstadtvilla). An diese reihte sich die Villa rustica (ländliche Villa), welche die oft sehr zahlreichen Wirtschaftsgebäude, Gemüse-, Obst-, Oliven- und Weingärten in sich schloss. Durch besondere Pracht ausgezeichnete Villen waren die des Lucullus, Augustus, Pompeius, Cicero, Hortensius Hortalus, Plinius, Caligula, Nero, Hadrian etc. und die keinem Eigentümer zuzuordnende Villa Romana del Casale auf Sizilien. Gewöhnlich hatte ein reicher Römer mehrere Villen.

Mittelalter

Zur Zeit der Karolinger hießen Villae regiae die königlichen Meiereien oder Domänen, auf denen häufig die Könige ihren Aufenthalt nahmen. In ihrer Wirtschaftsstruktur sind die königlichen Güter mehr oder minder mit der eines kleinen Dorfes vergleichbar.

Renaissance und Barock

Der römische Villenbau wurde seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts von den Italienern aufgenommen und in denselben Abarten gepflegt. Seine höchste Blüte erreichte er in der Renaissance- und Barockzeit, und die berühmtesten Architekten wetteiferten miteinander um die reizvollsten Villenanlagen.

1452 schrieb Leon Battista Alberti in seinen 10 Büchern über die Architektur ein ausführliches Kapitel über Herrenhäuser. Andrea Palladio wurde zu einem der bekanntesten Villenbaumeister, seine Villa Almerico bei Vicenza, bekannt als La Rotonda, ist die idealtypische Realisierung einer Villa der Renaissance.

Weitere künstlerisch oder geschichtlich bedeutende italienische Villen sind die Mediceische Villa Careggi bei Florenz, die Villa Farnesina von Baldassare Peruzzi, Villa Madama von Raffael, Villa Lante von Giulio Romano, Villa Borghese, Villa Mattei, Villa Medici und Villa Albani in und bei Rom, die Villa d'Este bei Tivoli, die Villa Aldobrandini und Villa Mondragone bei Frascati, die Villa Doria bei Genua und die Villa Maser bei Treviso.

19. Jahrhundert

Villa Gerloff in Braunschweig

Mit zunehmendem Wohlstand weiterer Kreise des Bürgertums stieg die Nachfrage nach repräsentativem Wohnraum rapide an. Die Nachfrage nach Villen, die sowohl den höchsten Status als Wohnraum genossen wie auch mit ihren großen Wohnflächen genügend Platz für ausgedehnte Familien und umfangreiches Personal boten, schoss in die Höhe. In der Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte der Villenbau eine solche Ausdehnung, dass in vielen größeren Städten Vororte entstanden, die ausschließlich aus Villen bestanden. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung wurden ab Mitte des Jahrhunderts ganze sogenannte Villenkolonien auf dem Reißbrett entworfen. Dabei wurden neben der Villenbebauung auch repräsentative Platzanlagen, Alleen, Einkaufsbereiche und Parks in passendem Stil mit angelegt.

Der Villenbau ist dadurch zu einem besonderen Zweig der modernen Baukunst des 19. Jahrhunderts geworden. Als klassische Beispiele der Villa und des villenartigen Wohnhauses aus dem 19. Jahrhundert gelten Schloss Charlottenhof bei Potsdam von Schinkel, die Villa Berg in Stuttgart-Berg von Christian Friedrich von Leins, die Villa Carlotta am Comer See und die Villa Pallavicini-Durazzo in Pegli bei Genua.

Vorgärten, Veranden, offene Balkone, Erker und Türmchen in möglichst malerischer Komposition sind die charakteristischen Eigenheiten der städtischen Villen in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Als Villenkolonien sind bis heute beispielsweise Lichterfelde-West in Berlin (ab 1860, heute großflächig unter Denkmalschutz) und Marienthal in Hamburg (ab 1854) erhalten. Zum Ende des Jahrhunderts entstanden als neue Bauformen die „Doppelvilla“, die Elemente häufig in die Straßenfront eingebauter Stadtvillen mit der freistehenden Landvilla kombinierte, sowie die Mietvilla, die mit dem gleichen repräsentativen Anspruch der freistehenden Villa für zwei, selten mehr als zwei, Familien errichtet wurde und sich von der Villa durch ein separates Treppenhaus unterschied.

In der Abgrenzung der repräsentativeren Villa zum schlichter stilisierten Landhaus gibt es vielfältige Übergangsformen, die architekturhistorisch und denkmalpflegerisch als villenartiges Landhaus beziehungsweise landhausartige Villa beschrieben werden.

20. und 21. Jahrhundert

Eine moderne Villa in Alswede (Nordrhein-Westfalen), errichtet im Jahr 1999/2000
Eine Fabrikantenvilla in Königsee im Thüringer Wald, erbaut um 1900
Eine Villa im Kurviertel von Ilmenau (Thüringen), errichtet in der Kaiserzeit

Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erlebte der seit der Gründerzeit anhaltende Boom des bürgerlichen Villenbaus einen neuen Höhepunkt, um dann mit Ende des ersten Weltkriegs abrupt abzubrechen. Die letzten klassischen Bürgervillen wurden in deutschen und österreichischen Großstädten bis 1917 gebaut. Ab 1918 wurden die meisten Häuser der schlechten wirtschaftlichen Lage entsprechend kleinmaßstäblicher geplant, und in Anpassung an die veränderte politische Lage weniger repräsentativ ausgeführt. In den 1920er und 1930er Jahren setzte sich der neue Geschmack der Moderne durch, der geschmackliche Vorstellungen der neu aufsteigenden Gesellschaftsschichten aufgriff, die durch ihre Lebensrealität in weitgehend schmucklosen Umgebungen geprägt worden waren. Ein bekanntes Beispiel ist die Villa Savoye von Le Corbusier.

Die Villa als Bauform spielt nach Ende des Zweiten Weltkriegs lange Zeit eine nur mehr untergeordnete Rolle. Erst mit der „Wiederentdeckung“ der noch erhaltenen historischen Villen und dem daraufhin einsetzenden Renovierungsboom gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts erlebte die Villa eine neue Blüte. Eine Beschleunigung erfuhr der Boom durch die seit der Wende auch für „Westkapital“ wieder zugänglichen großen und vergleichsweise gut erhaltenen Villenviertel in Mitteldeutschland, der Region mit den meisten und größten Villenkolonien. Die Villenviertel zum Beispiel in Dresden, aber auch in und um Berlin erfuhren nunmehr stetig steigende Nachfrage, es wurden erstmals auch wieder Großvillen für private Bauherren erstellt. Als Durchbruch für eine Renaissance des Villenbaus gilt eine von Hans Kollhof im Jahr 2000 in klassizistischem Stil erbaute Villa in Berlin-Grunewald.

Vor dem Hintergrund des neuen Interesses an prestigeträchtigen Villen wird seit den 1990er Jahren in Deutschland das Wort Stadtvilla auch als werbende Umschreibung für repräsentativ gestaltete, freistehende Mehrfamilienhäuser genutzt.

Quellen

Literatur

  • Wolfgang Brönner: Die bürgerliche Villa in Deutschland 1830 - 1890, 2. Aufl., Worms 1994.
  • Reinhard Dauber: Aachener Villenarchitektur. Die Villa als Bauaufgabe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (zugl. Habil.-Schr. RWTH Aachen), Recklinghausen 1985.
  • Martin Kubelik: Zur typologischen Entwicklung der Quattrocento-Villa im Veneto = Ing. Diss. RWTH Aachen 1976, Bd. 1 und 2, Aachen 1976.
  • Bettina Nezval: Villen der Kaiserzeit. Sommerresidenzen in Baden, Wien 1993.
  • Wolfram Prinz u.a.: Studien zu den Anfängen des oberitalienischen Villenbaus, Frankfurt a. M. 1969.
  • Holger Reiners: Die Villa; DVA, 2006. Übersicht über spektakuläre Villenneubauten seit ca. 2000.

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