Röntgendiagnostik

Röntgendiagnostik
Historisches Röntgengerät

Das Wort Röntgen (nach dem Physiker Wilhelm Conrad Röntgen) steht für den Prozess des Durchstrahlens eines Körpers mit Röntgenstrahlen unter Verwendung eines Röntgenstrahlers sowie die Darstellung der Durchdringung des Körpers, etwa mittels eines fluoreszierenden Schirms oder eines Bildverstärkers (Durchleuchtung). Die Bilder werden entweder auf geeignetem Filmmaterial (Radiografie), Phosphorplatten oder mittels elektronischer Sensoren, zum Beispiel CCDs (digitale Radiografie), sichtbar. Röntgen ist ein weit verbreitetes bildgebendes Verfahren. Stand der Technik ist Digitales Röntgen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Am 8. November 1895 entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg die unsichtbaren Strahlen.[1] Ausgehend von dieser Entdeckung entwickelte Carl Heinrich Florenz Müller gemeinsam mit Ärzten die erste wassergekühlte Anode.

Anwendungen

Medizin

Verschiedene Röntgenbilder für den medizinischen Gebrauch

In der Medizin dient das Röntgen zur Feststellung von Anomalien im Körper, die im Zusammenhang mit Symptomen, Zeichen und eventuell anderen Untersuchungen eine Diagnose ermöglichen (Röntgendiagnostik). Die unterschiedlich dichten Gewebe des menschlichen (oder tierischen) Körpers absorbieren die Röntgenstrahlen unterschiedlich stark, so dass man eine Abbildung des Körperinneren erreicht (Verschattung, Aufhellung und andere Röntgenzeichen). Das Verfahren wird zum Beispiel häufig bei Verdacht auf einen Knochenbruch angewendet: Zeigt das Röntgenbild eine Unterbrechung der Kontinuität des Knochens, ist der Verdacht bestätigt.

Für unterschiedliche Bereiche des Körpers werden unterschiedliche „Strahlenqualitäten“ benötigt, um unterschiedlich dichte Gewebe, wie z. B. Fettgewebe oder Knochen zu durchdringen. In der Röntgendiagnostik spricht man von weicher und harter Strahlung. Ausschlaggebend ist die Spannung in Kilovolt (kV), die der Röntgenröhre zugeführt wird. Je nach gewünschter Bildaussage wird die Röhrenspannung zwischen 38 und 120 kV gewählt. Bei weicher Strahlung (ca. 40 kV ) wird viel Strahlung vom Gewebe absorbiert. Dadurch werden auch feinste Gewebeunterschiede auf dem Röntgenfilm sichtbar gemacht. Dies ist der Fall bei der Mammografie (Röntgenuntersuchung der weiblichen Brust), jedoch ist die Strahlenbelastung des durchstrahlten Gewebes dadurch relativ hoch. Einige Ärzte vermuten, dass die Entstehung von Brustkrebs durch diese Form der Vorsorgeuntersuchung begünstigt wird. Harte Strahlung (über 100 kV) durchdringt Gewebe und Materialien (Gips und sogar Bleischürzen von geringerer Dicke) wesentlich leichter. Kontrastunterschiede werden stark abgemildert, wie z. B. bei Lungenaufnahmen (120 kV), bei denen sonst im Bereich der Rippen keine Beurteilung der Lungenstruktur möglich wäre.

Häufig werden dem Patienten bei oder vor der Röntgenuntersuchung Kontrastmittel verabreicht. Manche Strukturen, die sich normalerweise nicht abgrenzen lassen, können so hervorgehoben werden. Zum Teil lässt sich mit einem Kontrastmittel auch die Funktion eines Organsystems darstellen, so etwa in der Urografie. Je nach Fragestellung bieten sich verschiedene Substanzen und Darreichungsformen an.

In Deutschland können Patienten im Falle einer Röntgenuntersuchung vom behandelnden Arzt verlangen, Informationen wie Datum und bestrahlte Körperregion in einen Röntgenpass einzutragen oder sich einen solchen Pass ausstellen zu lassen.

Deutschland nimmt beim Röntgen einen Spitzenplatz ein: etwa 1,3 Röntgenaufnahmen und 2 mSv pro Einwohner und Jahr. Auf diese Strahlenbelastung lassen sich theoretisch 1,5 % der jährlichen Krebsfälle zurückführen.[2] Ärzte unterschätzen laut Heyer die Strahlenbelastung bei der Computertomographie: Diese machten im Jahr 2003 gut 6 % aller Röntgenuntersuchungen aus, waren aber für mehr als 50% der medizinischen Röntgenstrahlung verantwortlich [3] Beispiel: Bei der Koronaruntersuchung mittels Computertomographie (CT) erkaufen sich Patienten die erhöhte Sensitivität mit einem gesteigerten Krebsrisiko. So errechneten amerikanische Wissenschaftler, dass bei Zwanzigjährigen eine von 143 mittels Koronar-CT untersuchten Frauen im Laufe ihres Lebens infolge dieser Angiographie-Strahlung an Krebs erkrankt, aber nur einer von 686 gleich alten Männern. Die CT-Angiographie der Koronarien scheint vor allem bei Frauen und jungen Menschen das Krebsrisiko nicht unerheblich zu erhöhen.[4]

Unter welchen Voraussetzungen ein Arzt für Hautschäden wegen einer röntgenärztlichen Untersuchung haftet, ist Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Jena.[5]

Materialprüfung

Weitere Anwendungen findet man beim Röntgen in der Werkstoffprüfung. Durch Röntgen kann man im Verlauf der Durchstrahlungsprüfung Objekte auf Risse und Hohlräume im Innern untersuchen. Dies geschieht mit sogenannten Röntgenrefraktionsanlagen, meist mit einem Belastungsmechanismus zum leichten Öffnen der Mikrorisse (engl. crazes). BAM-Prospekt

Qualitätssicherung

Immer häufiger verlangen große Handelsketten von den Nahrungsmittelherstellern eine bessere Detektion von Fremdkörpern zur Erhöhung der Produktqualität. Nachdem der Metalldetektor in den letzten Jahren das Mittel der Wahl war, kommen jetzt immer häufiger Röntgensysteme zum Einsatz. Diese Röntgensysteme bestehen zum einen aus dem bekannten Röntgensystem (Röhre/Kollimator und Empfänger) sowie aus einer weitentwickelten computergestützten Bildverarbeitung mit Aussteuergerät. Das heißt, das Röntgenbild des jeweiligen Nahrungsmittels wird hinsichtlich möglicher Verunreinigungen (Kontaminationen) mittels spezieller Computerprogramme untersucht. Sollte die Röntgenbildanalyse ergeben, dass ein Nahrungsmittel verunreinigt ist, so wird dem angeschlossenen Aussteuergerät umgehend mitgeteilt, dass dieses Nahrungsmittel auszusteuern ist. Es landet im Abfallbehälter.

Allerdings sind gerade zu Beginn des Einsatzes solcher Röntgensysteme in der Nahrungsmittelindustrie Hürden zu überwinden. Die Angst vor einer Belastung durch mögliche Strahlung ist oft groß und bedarf einer Aufklärung. Abgesehen von Röntgensystemen, die Nahrungsmittel bestrahlen, um sie haltbarer zu machen, ist die Röntgenuntersuchung hinsichtlich möglicher Kontaminationen absolut ohne jegliche Wirkung auf das Nahrungsmittel selbst. Das Röntgen hat hier weder eine haltbarmachende noch eine zerstörende Wirkung. Was bleibt, ist die Sicherheit des Röntgensystems für den Anwender. Da Röntgen in Deutschland gemäß der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen genehmigungspflichtig ist, sind die Hürden für mögliche Verletzungen sehr hoch. Letzten Endes hängt die jeweilige Sicherheit von dem Betreiber selbst und dem erworbenen System ab. Vergessen sollte man jedoch nicht, dass das medizinische Röntgen und Flugreisen (in normaler Höhe) temporär weit größere Belastungen mit sich bringen, als es bei einem Röntgensystem zur Qualitätssicherung der Fall ist. Wer sich in feuchten Kellern von Häusern oder in Wasserwerken aufhält, bekommt in der Regel höhere Ausschläge auf dem Messgerät (Dosimeter) als vor dem eingeschalteten Röntgensystem. Sie kommt aus dem Erdboden wie auch aus dem Weltraum zu uns und wird mitgemessen.

Ein Röntgensystem kann metallische und nichtmetallische Kontaminationen detektieren, jedoch nicht alle. Röntgen ist zum heutigen Zeitpunkt (2005) die einzige Möglichkeit, um möglichst viele und unterschiedliche kleine Kontaminationen in Nahrungsmittel erkennen zu können. Die Annahme, das Produkt sei nach der Untersuchung zu 100 % kontaminationsfrei, ist jedoch falsch. Sicher ist, dass in den kommenden Jahren mittels besserer Technik das Detektionsvermögen noch weiter gesteigert werden kann. Man wird aber nie alles finden können. Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass je näher die „Röntgeneffekte“ von Kontaminationen und dem eigentlichen Produkt zusammenliegen, es dem bildverarbeitenden System auch umso schwerer fällt, zwischen beiden zu unterscheiden. In der sogenannten Hounsfield-Skala sind Röntgeneffekte unterschiedlichster Materialien aufgelistet. Je näher sich die jeweiligen Materialien in dieser Liste sind, umso schlechter vermag ein Röntgendetektor sie zu unterscheiden (Beispiel: Fleisch und Fett). Ist hingegen der Unterschied groß, wie z. B. zwischen einem Käsestück (verpackt oder unverpackt) und einem kleinen Stein oder Eisen- oder Aluminiumstück, so fällt es dem Röntgendetektor besonders leicht, die Verunreinigungen im Käse zu erkennen und auszusortieren.

Archäologie

In der Archäologie wird die Röntgenaufnahme beispielsweise zum Durchleuchten von Mumien genutzt, wenn deren Einbandagierung nicht zerstört werden soll. Ferner können kompliziert aufgebaute Funde wie Waffen, verzierte Ornamente oder unter Verschluss befindliche Objekte in Truhen ohne Öffnung untersucht werden.

Geologie und Mineralogie

Die chemische Analyse von Gesteinen und Mineralen ist mit Hilfe der Röntgenfluoreszenz-Analyse möglich. Durch Bestrahlung mit Röntgenstrahlen von ca. 50 kV werden die in einer Probe enthaltenen chemischen Elemente zu einer Fluoreszenz-Strahlung angeregt, deren Wellenlänge charakteristisch für das betreffende Element ist. Durch Messung der Wellenlänge dieser Strahlung können die Elemente qualitativ bestimmt werden. Durch Messung der Intensität und Vergleich mit einer Standardprobe bekannter Zusammensetzung kann auch eine quantitative Analyse durchgeführt werden. Die Methode ist im Gegensatz zu nasschemischen Analyseverfahren zerstörungsfrei, d. h. die Probe ist nach der Analyse unverändert und kann für andere Zwecke verwendet werden. Allerdings muss eine geologische Probe fein gemahlen und zu einer flachen Tablette (gewöhnlich mit einem Bindemittel) gepresst werden.

Maltechnik

Kurt Wehlte setzte erstmals die Röntgentechnik ein, um die verschiedenen Schichten des Bildaufbaus bei Gemälden sichtbar zu machen. Er gründete in Berlin die Röntgenbildstelle für Gemäldeuntersuchung.

Astronomie

Im Januar 2003 gelang amerikanischen und japanischen Astronomen erstmals das Röntgen der Gashülle des Saturnmondes Titan. Möglich wurde diese Aufnahme durch den ersten Titan-Transit des Krebsnebels seit Beginn der Beobachtung; die nächste Konjunktion dieser Art wird im Jahr 2267 erwartet. Auch senden bestimmte Himmelskörper wie z.B. Röntgenpulsare Röntgenstrahlung aus, durch deren Messung man Daten der Körper bestimmen kann.

Strukturanalyse

Indem man die Beugung von Röntgenstrahlen beim Durchtritt durch eine Substanzprobe misst, lässt sich die Kristallstruktur von Substanzen aufklären. Moleküle können so visualisiert werden. Bei organischen Molekülen wie DNA, RNA und Proteinen lässt die Struktur Schlüsse auf die Funktion zu, daher greifen Molekularbiologen besonders oft auf die Röntgen-Strukturanalyse zurück. Die einzelnen Vorgänge bei diesem Verfahren werden in dem Artikel Kristallstrukturanalyse erläutert.

Neben der Röntgenbeugung kann auch Röntgenabsorption gemessen werden. Dies wird bei der Röntgenabsorptionsspektroskopie als Verfahren zur Strukturaufklärung verwendet. Die Methode ist nicht auf kristalline Proben beschränkt, allerdings ist sie nur für die Aufklärung von Nahstrukturen geeignet. Insbesondere im Bereich biologischer Proben wird die Röntgenabsorptionsspektroskopie zunehmend zur gezielten Aufklärung aktiver Zentren von Enzymen verwendet.

Sicherheit

Durchleuchtung eines Zuges in den USA zur Vermeidung von Menschenschmuggel

An manchen Kontrollpunkten wird die Röntgentechnik in Scannern angewendet, um zeitsparend aber wirksam Hohlräume oder Menschen zu durchleuchten.

Ferner wird das Röntgen auch bei der Delaborierung von Bomben zur Hilfe genommen; dies dient der Analyse.

Bildgebung

Um das Röntgenbild sichtbar zu machen, gibt es folgende Möglichkeiten:

Bildergalerie

Gefahren

Da die angewendeten Strahlendosen in der Röntgendiagnostik zwar sehr gering, aber doch potenziell schädlich für den Patienten und den Anwender sind, wird in der Radiologie besonderer Wert auf den Strahlenschutz gelegt.

Siehe auch

Quellen

  1. Philips Medical Systems DMC GmbH: Röntgenröhre "MRC"
  2. Amy Berrington de González, Sarah Darby: Risk of cancer from diagnostic X-rays: estimates for the UK and 14 other countries. In: Lancet. 363, Nr. 9406, 2004, S. 345-51 (doi:10.1016/S0140-6736(04)15433-0). 
  3. Heyer, C.M., S. Peters, S. Lemburg, V. Nicolas: Einschätzung der Strahlenbelastung radiologischer Thorax- Verfahren: Was ist Nichtradiologen bekannt?. In: RöFö. 179, Nr. 3, 2007, ISSN 1438-9029, S. 261–267.  zitiert nach . In: Der Allgemeinarzt: Fortbildung und Praxis für den Hausarzt. Nr. 8, 2007, ISSN 0172-7249, S. 18. 
  4. Andrew J. Einstein, Milena J. Henzlova, Sanjay Rajagopalan: Estimating Risk of Cancer Associated With Radiation Exposure From 64-Slice Computed Tomography Coronary Angiography. In: JAMA. 298, Nr. 3, 2007, S. 317-323 (Abstract). 
  5. Urteil vom Thüringer Oberlandesgericht in Jena vom Verkündet am 2006-07-12, Aktenzeichen: 4 U 705/05 (Der Senat befasst sich mit der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Arzt für Hautschäden anläßlich einer Röntgenuntersuchung haftet)

Literatur

  • E. C. Petri: Der Röntgenfilm. Eigenschaften und Verarbeitung. Halle: Fotokino 1960
  • Deutsches Röntgen-Museum (Hg.): "Die Augen des Professors. Wilhelm Conrad Röntgen - Eine Kurzbiografie". Berlin: Vergangenheitsverlag 2008

Weblinks


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