Rückenmarkspunktion

Rückenmarkspunktion
Lumbalpunktion in sitzender Position nach Hautdesinfektion

Eine Lumbalpunktion (lat. Lumbus - Lende) ist eine Punktion des Duralsacks im Bereich der Lendenwirbel. Dabei wird eine Hohlnadel in den Lumbalkanal auf Höhe der Lende eingeführt und Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis) entnommen. Die Lumbalpunktion ist die häufigste Form der Liquorentnahme. Der Einstichort liegt zwischen den Dornfortsätzen des zweiten bis fünften Lendenwirbels, also deutlich tiefer als das untere Ende des Rückenmarkes.

Ist eine Lumbalpunktion - etwa bei Tumoren der Wirbelsäule - nicht möglich, kann Nervenwasser durch eine Subokzipitalpunktion (auch Zisternenpunktion; Punktion der Cisterna cerebello-medullaris; Einstich zwischen dem Hinterhauptsknochen und ersten Halswirbel) oder eine Ventrikelpunktion (Punktion der Hirnventrikel) entnommen werden.

Die ersten Lumbalpunktionen wurde 1891 von Heinrich Irenaeus Quincke in Kiel [1] und im selben Jahr von Walter Essex Wynter [2] durchgeführt.[3]

Inhaltsverzeichnis

Diagnostische Anwendung

Bei Verdacht auf entzündliche und maligne Erkrankungen der Hirnhäute oder des Gehirns (Meningitis, Enzephalitis, Neurolues, Multiple Sklerose, Meningeosis carcinomatosa u.a.) sowie bei anderen Erkrankungen können so wichtige Marker ermittelt werden. Beispiele sind der Nachweis von Bakterien, Tumorzellen, Leukozyten (erhöht bei Entzündungen/Infektionen), Glucose (erniedrigt bei bakteriellen Infektionen), Lactat, Blut oder freies Hämoglobin (nach Blutungen), Nachweis von Störungen der Blut-Hirn-Schranke (siehe Reiber-Schema) und oligoklonale Immunglobuline (z.B. bei Multipler Sklerose). Je nach Fragestellung werden die Proben ins Labor, in die Pathologie und/oder in die Mikrobiologie versandt.

Bereits makroskopisch lässt sich einiges ablesen. Ein normaler Liquor ist wasserklar, entzündlicher Liquor ist mehr oder weniger stark getrübt, ein roter oder rot tingierter Liquor ist bei frischen echten (beispielsweise bei Subarachnoidalblutungen) oder artefiziellen (durch die Punktion selbst verursachten) Blutungen zu beobachten, während nach älteren Blutungen u.U. eine gelbliche Verfärbung zu sehen ist.

Weiterhin kann eine Liquordruckmessung erfolgen. Hierzu wird an die Punktionskanüle ein steriles Schlauchsystem angeschlossen und mittels Lineal der hydrostatische Druck in cmH2O (Zentimeter Wassersäule) abgelesen.

Therapeutische Anwendung

Zwischen Gehirn und der peripheren Blutbahn gibt es eine Barriere (Blut-Hirn-Schranke), die beim gesunden Menschen für einige Medikamente nicht durchlässig ist. Deshalb werden in seltenen Fällen Medikamente (z.B. Chemotherapeutika) über die Rückenmark-Flüssigkeit appliziert. Diese wirken aufgrund der Liquorflußrichtung vor allem im Bereich des Rückenmarks.

Eine Liquorpunktion kann auch zur kurzfristigen Entlastung bei erhöhtem Liquordruck dienen, z.B. bei Hydrocephalus malresorptivus nach Subarachnoidalblutung.

Modifizierte Anwendung in der Anästhesie

Die Spinalanästhesie oder Lumbalanästhesie ist eine Form der Regionalanästhesie, bei der durch eine Punktion des Subarachnoidalraums mittels einer Führungskanüle eine Spinalkanüle eingeführt wird und über diese Lokalanästhetika injiziert werden können. Damit wird eine zeitweilige, umkehrbare Funktionshemmung von ausgewählten Nervensegmenten bewirkt. Sie führt (in der genannten Reihenfolge) zur Sympathikolyse, Schmerzfreiheit, Empfindungslosigkeit und Hemmung der aktiven Beweglichkeit in Teilen des Körpers. Als Anästhesieverfahren wird sie bei Operationen an der unteren Körperhälfte wie z.B. bei Kaiserschnitten oder Hüftgelenksoperationen angewendet und ersetzt dabei eine Vollnarkose.

Gegenanzeigen und Komplikationen

Patienten, bei denen der Verdacht auf eine Erhöhung des Hirndrucks besteht, dürfen nicht punktiert werden. Auch bei Patienten mit einer Störung der Blutgerinnung (beispielsweise aufgrund der Einnahme von Medikamenten, die die Blutgerinnung hemmen) ist eine Lumbalpunktion kontraindiziert. Der Vorgang der Punktion selbst ist meist nur wenig schmerzhaft. Auf eine lokale Betäubung wird daher häufig verzichtet. Die häufigste unerwünschte Nebenwirkung der Lumbalpunktion ist der postpunktionelle Kopfschmerz, der seltener auftritt, wenn atraumatische Punktionskanülen verwendet werden. Er tritt bei etwa 3–10 % der Patienten auf. Kennzeichnend für ihn ist, dass er in liegender Position abnimmt. Eine prophylaktische Bettruhe ist nicht wirksam.[4] Der postpunktionelle Kopfschmerz klingt nach einigen Tagen von selbst ab. Häufig kommen auch vorübergehende Schmerzen über der Punktionsstelle und ausstrahlende Schmerzen im Bereich des Gesäßes und der Hüfte vor. Schwerwiegendere Komplikationen wie Infektionen und Blutungen sind äußerst selten.

Einzelnachweise

  1. Quincke HI: Die Lumbalpunktion des Hydrocephalus. Berl Med Wochenschr 1891;28:929-33
  2. Wynter EW: Four cases of rubercular meningitis in which paracentesis was performed for the relief of fluid pressure. Lancet 1891;1:981-2
  3. Pearce JM: Walter Essex Wynter, Quincke, and lumbar puncture. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 1994 Feb;57(2):179.PMID 8126500
  4. H.-C. Diener, W. Hacke (Hrsg.):Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Thieme, Stuttgart 2005. ISBN 3131324120 Online-Version, zuletzt eingesehen am 27.04.2008

Weblinks


Gesundheitshinweis
Bitte beachte den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Rückenmarkspunktion — Rụ̈|cken|marks|punk|ti|on 〈f. 20〉 Entnahme von Flüssigkeit aus dem Rückenmark; oV Rückenmarkpunktion; Sy Spinalpunktion …   Universal-Lexikon

  • Rückenmarkpunktion — Rụ̈|cken|mark|punk|ti|on 〈f. 20〉 = Rückenmarkspunktion * * * Rụ̈|cken|mark|punk|ti|on, die (Med.): Punktion des Rückenmarks …   Universal-Lexikon

  • Spinalpunktion — Spi|nal|punk|ti|on 〈f. 20〉 = Rückenmarkspunktion * * * Spinalpunktion,   die Lumbalpunktion …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”