- SO 36
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Das SO36 (kurz: das SO [ˈɛso]) ist ein kollektiv organisierter Club in der Kreuzberger Oranienstraße, nahe dem Heinrichplatz in Berlin.
Das SO36 hat seinen Namen vom gleichnamigen historischen Postzustellbezirk Berlin SO 36.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Beim SO36 handelt es sich um eine traditionsreiche Halle, welche 1861 als Biergartenlokal eröffnet wurde. Ab ca. 1930 diente es als „Kino am Heinrichplatz“. Aufgrund von Kriegsschäden geschlossen, wurde es 1951 wiedereröffnet, nach dem Mauerbau aber endgültig geschlossen. Von Ende der 1960er Jahre bis in die 1970er hinein diente es als Atelier, zwischendurch als Supermarkt.
Punk und New Wave
Als Veranstaltungsort nahm das SO36 am 12./13. August 1978 mit dem zweitägigen „Mauerbaufestival“ (zum ironischen Gedenken an den Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961) unter der Leitung von Achim Schächtele seinen Betrieb auf. [1] Das Festival war eines der ersten großen NDW-Festivals, es gastierten unter anderem The Wall, Dub-Liners, Mittagspause, Male, S.Y.P.H., DIN A Testbild, Ffurs, Stukka Pilots und PVC [2]. Bereits nach wenigen Monaten allerdings drohte es in Konkurs zu gehen, da Schächtele erkrankte und wurde geschäftsführend übernommen von Martin Kippenberger und Andreas Rohe. Kippenberger versuchte einen Brückenschlag zwischen Punk und New Wave und Kunst, ähnlich wie er in Düsseldorf dem Ratinger Hof gelungen war, und lud neben konventionellen Punkbands auch avantgardistische Bands wie The Red Crayola, Suicide und Lydia Lunch ein. Der Spagat allerdings misslang, da das Konzept von der Kreuzberger Anarcho-Punk-Szene als „Konsumscheisse“ [3] bzw. „Schickeria-Kunst“ [4] ebenso kritisiert wurde wie die als zu hoch empfundenen Preise und Hausverbote gegen einzelne Punks. Die Kritik eskalierte schlussendlich in einem Überfall durch ein „Kommando gegen Konsumterror“ am 11. November 1979 während eines Konzertes der englischen Band Wire, bei dem die Eintrittskasse mit 2500 bis 4500 Mark geraubt wurde. Es wird vermutet, dass dieses Geld in die spätere Gründung eines eigenen Punk-Zentrums, dem KZ36, mit einfloss [5]. Nach diesem Überfall beendete Kippenberger sein Engagement.
Unter wechselnder Regie blieb es bis 1983 ein Zentrum der Punk- und Wave-Szene in Deutschland, es traten Bands wie Slime, Throbbing Gristle, Die Ärzte, Die Toten Hosen, Einstürzende Neubauten, Die tödliche Doris oder Dead Kennedys auf, 1982 fand hier das erste Berlin-Atonal-Festival statt.
1983 richtete ein türkischer Pächter kurzzeitig den Hochzeitssaal „Merhaba“ ein, im selben Jahr aber wurde das SO36 durch das Bauamt geschlossen.
1984 zog kurzfristig eine Ausstellung der Internationalen Bauausstellung („IBA 1984“) ein. Als in der Anhalter Straße das besetzte Kunst- und Kulturcentrum Kreuzberg (KuKuck) geräumt wurde, stürmten deren Sympathisanten die IBA-Ausstellung, warfen sie hinaus und besetzten das SO36. In den Folgejahren wurden sie vom Bezirksamt geduldet, das SO36 entwickelte sich zu einem Zentrum der Punk- und Rockszene. 1987 folgte die Räumung durch die Polizei, da sich die Konzerte mehrmals zu Straßenschlachten auf der Oranienstraße entwickelt hatten. Die Zeit von 1979 bis 1984 ist Gegenstand einer Dokumentation aus dem Jahr 1985 von Manfred Jelinski und Jörg Buttgereit „So war das S.O. 36“ [6], die 1997 auch als Video erschien [7].
Gegenwart
1990 wurde das SO36 renoviert und unter neuer Trägerschaft wieder als Veranstaltungssaal in Betrieb genommen.
Seit 2009 sieht sich das SO36 durch einen Nachbarschaftskonflikt in seiner Existenz bedroht. Um die daraus resultierende Auflage zur Lärmreduzierung erfüllen zu können soll eine Schallschutzmauer errichtet werden.[8] Da der Club jedoch nicht in der Lage ist die hierzu notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen finden im Rahmen der Kampagne "SO36 bald ohne SO36?" Verhandlungen mit dem Bezirk zur Kostenübernahme statt.
Regelmäßige Veranstaltungen
Heute finden regelmäßig Partys und Konzerte statt. Der Electric Ballroom zählte zu den beständigsten Techno-Veranstaltungen Berlins und die von Fatma Souad (Hakan Tandoğan) organisierte schwul-lesbische Oriental Party Gayhane (Musik: DJ Ipek) hat der schwul-lesbischen türkischen Szene in Deutschland einen entscheidenden Impuls gegeben.[9]
Seit 1998 findet zweimal monatlich das sogenannte "Super sexy Kiezbingo" statt. Moderiert wird das Bingo-Spiel von den Tunten Inge Borg und Gisela Sommer. Die Preise werden von den lokalen Gewerben gesponsert und der Erlös an politische oder wohltätige Einrichtungen und Organisationen gespendet.[10]
Einmal monatlich wird die Halle für einen nächtlichen Flohmarkt mit einer kostenlosen Sozialberatung zum Thema Hartz IV genutzt.
Filme
- Manfred Jelinski, 1985: So war das S.O.36 - Der Film [11]
Quellen
- ↑ Frank Apunkt Schneider: Als die Welt noch unterging – Von Punk zu NDW, S. 73 f., 2007, ISBN 3-931555-88-7
- ↑ Frank Apunkt Schneider: Als die Welt noch unterging – Von Punk zu NDW, S. 334, 2007, ISBN 3-931555-88-7
- ↑ Anonymes Flugblatt Destroy SO36, zitiert nach einer Reproduktion von Frank Apunkt Schneider: Als die Welt noch unterging – Von Punk zu NDW, S. 185, 2007, ISBN 3-931555-88-7
- ↑ Frank Apunkt Schneider: Als die Welt noch unterging – Von Punk zu NDW, S. 185, 2007, ISBN 3-931555-88-7
- ↑ Frank Apunkt Schneider: Als die Welt noch unterging – Von Punk zu NDW, S. 75, 2007, ISBN 3-931555-88-7
- ↑ Verleihinformation, IMDB-Eintrag
- ↑ die-beste-band-der-welt.de (Ärzte-Fanpage)
- ↑ Im SO 36 schlägt das wilde Herz des alten Kreuzberg Berliner Morgenpost vom 29. März 2009
- ↑ Prof Kira Kosnick, Beyond the Community – Queer Migrant Club Cultures in Metropolitan Spaces, Institute for Cultural Anthropology and European Ethnology, Sussex UK, 2005
- ↑ Super, Sexy, Bingo Berliner Zeitung vom 28. April 2007
- ↑ So war das S.O.36 In der Internet Movie Database
Weblinks
52.50027777777813.422222222222Koordinaten: 52° 30′ 1″ N, 13° 25′ 20″ O
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