B152

B152
152
Roll-out des Turbinenstrahl-Passagierflugzeuges "152/I V-1" am 1. Mai 1958
Typ: Verkehrsflugzeug
Entwurfsland: DDR DDR
Hersteller: VEB Flugzeugwerke Dresden
Erstflug: 4. Dezember 1958
Stückzahl: 3
Roll-out des Turbinenstrahl-Passagierflugzeuges "152/I V-1" am 1. Mai 1958
152er Prototypen 152/I V1 und 152/II V4

Die 152 bzw. Flugzeug 152 oder Baade 152, benannt nach ihrem Konstrukteur Brunolf Baade, war in den 1950er Jahren das erste entwickelte deutsche Passagierstrahlflugzeug und das wichtigste Projekt des Flugzeugbaus in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Gefertigt wurde es vom VEB Flugzeugwerke Dresden (FWD). Nach der Herstellung von vier Prototypen und dem Beginn der Serienproduktion wurde das Projekt jedoch 1961 aufgrund des Ausbleibens von Bestellungen aus der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern, mangelnder wirtschaftlicher Effizienz sowie fehlenden Absatzmöglichkeiten eingestellt. Das Flugzeug ist zum Teil auch als Baade B-152, Dresden 152, Typ 152, VEB 152 oder VL-DDR 152 bekannt. Die manchmal in der Literatur verwendete Bezeichnung BB-152 oder BB 152 für Baade/Bonin ist historisch nicht korrekt und wurde ebenfalls nie offiziell verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Anfänge

Eine Gruppe von deutschen Flugzeugingenieuren (unter anderem ehemalige Junkers-Mitarbeiter), die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion zwangsrekrutiert worden waren, hatte schon im Jahre 1953 in Sawjelowo, nördlich von Moskau, ein zweistrahliges Bombenflugzeug mit der Bezeichnung (EF) 150 (die spätere Alexejew 150) entwickelt und unter der Bezeichnung Projekt 15.2 mit der Entwicklung eines Strahlverkehrsflugzeugs begonnen. Die erste Version des neuen Flugzeugs entstand dabei im Grunde durch eine geometrische Vergrößerung des (EF) 150.

Nach ihrer Rückkehr in die 1949 gegründete DDR setzten sie die Arbeiten in der Flugzeugwerft Dresden fort und verbesserten die Entwürfe der 15.2 nach neuen Erkenntnissen. Das neue Flugzeug erhielt daraufhin bereits im Jahre 1955 die Bezeichnung 152. Diese symbolisierte den letzten Entwicklungsschritt der Junkers-Flugzeugfamilie, die mit den „Entwicklungsflugzeugen“ (EF) wie der genannten EF 150 ihren Schlusspunkt fand. Als Chefkonstrukteur wurde Prof. Brunolf Baade eingesetzt, der zuvor eine Entwicklungsabteilung bei Junkers in Dessau geleitet hatte. Das Projekt des DDR-Flugzeugbaus, dessen Aushängeschild die 152 war, hatte vor allem zu Beginn unter technischen Problemen und dem dadurch bedingten Verzögerungen des Programms zu leiden.

Baubeginn und Erprobung

152/II in den geplanten Farben der Interflug

Nach großen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Materialien und durch Verzögerungen beim Bau der Strahltriebwerke vom Typ Pirna 014 konnte das erste deutsche Düsenverkehrsflugzeug am 30. April 1958 in Anwesenheit des SED-Chefs Walter Ulbricht in Dresden-Klotzsche vorgestellt werden. Besonders markant waren bei den ersten Prototypen die Bugverglasung für den Navigator sowie das Tandemfahrwerk mit Stützrädern, die in Gondeln an den Flügelenden eingeklappt werden konnten. Die Hauptfahrwerke in Tandem-Anordnung befanden sich direkt unter der Mittelachse des Rumpfes (siehe zum Vergleich Boeing B-47 und Boeing B-52), daher waren gegen seitliches Kippen Stützräder erforderlich. Das Tandemfahrwerk erwies sich für eine Verkehrsmaschine als ungünstig, die späteren Maschinen 152/II wurden mit Kombitriebwerken (Düsenantrieb mit integriertem Fahrwerk) ausgerüstet. Da sich die Verfügbarkeit der vorgesehenen Triebwerke verzögert hatte, wurden in die erste Versuchsmaschine sowjetische Triebwerke vom Typ Tumanski RD-9B eingesetzt.

Der erste 35-minütige Versuchsflug mit dem Prototyp 152/I V1 mit der Registrierung DM-ZYA erfolgte am 4. Dezember 1958 mit der Besatzung Flugkapitän Willi Lehmann (Pilot), Kurt Bemme (Copilot) und Paul Heerling (Flugingenieur) an Bord. Der zweite Testflug wurde am 4. März 1959 mit der erstgebauten Maschine durchgeführt. Hierbei wurde kurzfristig entschieden, dass u. a. Film- und Fotoaufzeichnungen gefertigt werden, die das Flugzeug zeigten, wie es knapp über den Boden flog. Für dieses Flugmanöver war die Maschine noch nicht zugelassen. Der Flug endete nach 55 Minuten 5,7 Kilometer von der Landebahn entfernt bei Ottendorf-Okrilla mit einem Absturz. Die Besatzung überlebte nicht. Die Männer wurden in einer Gemeinschaftsgrabanlage auf dem Neuen Friedhof Klotzsche beigesetzt. Eine Untersuchung der Absturzursache sollte es nicht geben. Sie musste sich der Chefkonstrukteur Brunolf Baade erstreiten. Der Untersuchungsbericht wurde sofort vom Ministerium für Staatssicherheit eingezogen und Stillschweigen über den Inhalt angeordnet. Bis heute sind nur Teile des Untersuchungsberichtes bekannt.

Das Flugzeug stürzte aufgrund eines plötzlichen Ausfalls der Triebwerke ab, wahrscheinlich verursacht durch Probleme in der Treibstoffversorgung.

Zunächst wurden die Arbeiten an der Fertigstellung des zweiten Versuchsträgers 152/II V4 fortgesetzt. Dieser wurde als zweite Prototypreihe mit 152/II bezeichnet (die abgestürzte erste Version hieß fortan zur Unterscheidung 152/I) und besaß im Gegensatz zum ersten Prototyp keine Bugverglasung mehr. Der zweite Prototyp startete am 26. August (22 Minuten) und am 4. September 1960 (20 Minuten) unter der Kennung DM-ZYB mit den neuen Pirna 014-Triebwerken. Beide Flüge verliefen problemlos, es gab auch keinerlei Schwierigkeiten mit dem Kraftstoffsystem mehr.

Ein dritter Prototyp mit der Bezeichnung 152/II V5 (Kennung DM-ZYC) wurde fertiggestellt, jedoch nur noch am Boden für schnelle Rollversuche bis zu 160 km/h verwendet und entgegen der ursprünglichen Planung niemals geflogen.

Der vierte Prototyp, baugleich zum Modell 152/II V4, absolvierte ebenfalls nie einen Probeflug, da er nie fertiggestellt wurde.

Insgesamt wurden drei Prototypen fertiggestellt sowie einige Bruchzellen auf Basis der Prototypen zur statischen Erprobung.

Ende des Programms

Die Serienproduktion lief während der Erprobung mit 26 Maschinen an. Nicht nur der Absturz der V1, sondern auch vielfältige technische und organisatorische Probleme führten dazu, dass das Projekt immer weiter hinter den ursprünglichen Terminplänen zurück blieb.

Am 20. Juni 1961 erfolgte ein letzter Flug eines Triebwerks Pirna 014 an einem Erprobungsträger Iljuschin Il-28R, was allgemein als Schlusspunkt des 152-Entwicklungsprogramms angesehen wird. Die vorgesehene Musterzulassung sowie die Auslieferung an die Interflug hatten sich inzwischen um mehrere Jahre verzögert und waren für 1963 vorgesehen. Am 13. Juli 1961 beschloss der Ministerrat der DDR die Auflösung der Luftfahrtindustrie.

Bis auf einen unbedeutenden Rest wurde die Flugzeugindustrie der DDR zerschlagen[1]. Alle bereits in der Produktion befindlichen Maschinen vom Typ 152 wurden in einer Blitzaktion verschrottet. Neben einigen Bauteilen und Baugruppen aus der angelaufenen Serienfertigung konnte der Rumpf Nr. 11 erhalten und restauriert werden. Dieser wird heute in einer Seitenhalle des Flughafens Dresden aufbewahrt.

Am 31. Dezember 1961 erfolgte die offizielle Auflösung der Vereinigung Volkseigener Betriebe Flugzeugbau (VVB Flugzeugbau). Bereits am 1. Oktober 1961 wurde dem Betriebsteil Dresden, in dem die Flugzeuge gebaut wurden, der Name VEB Flugzeugwerft Dresden gegeben.

In den Werkhallen der Firma direkt am Flughafen Dresden-Klotzsche wurden in der Folgezeit Kartoffelerntemaschinen für die Landwirtschaft hergestellt. Später wurden aerodynamisch anspruchsvolle Sportgeräte, wie Renn-Bobs und Rennräder für die Nationalmannschaft der DDR und andere ausgewählte Kunden entwickelt und gebaut.

Seit dem Ende der 152-Produktion waren für die VEB Flugzeugwerft Dresden Reparatur und Wartung der Interflug-Linienflugzeuge des Typs Iljuschin Il-14P und die Wartung für über 2000 sowjetische Kampfflugzeuge der MiG-Serie (MiG-15, 17, 21, 23) und 300 Hubschrauber (Mi-2, 4, 8, 24) für die Luftstreitkräfte der NVA sowie Mitglieder des Warschauer Paktes die Hauptaktivitäten des Betriebes[2].

Technische Daten

152/I

  • Erstflug: 4. Dezember 1958 (152/I V1, DM-ZYA)
  • Passagiere: 40 / 50 / 60
  • Spannweite: 26,3 m
  • Länge: 31,4 m
  • Höhe: 9,53 m
  • Startmasse: 43,6 t (60 Passagiere)
  • Reisegeschwindigkeit: 765 km/h
  • max. Reichweite: 2.020 km (40 P.)
  • Startstrecke:
  • Antrieb: 4 × Tumanski RD-9B mit je 30,9 kN Schub

152/II

  • Erstflug: 26. August 1960 (152/II V4, DM-ZYB)
  • Passagiere: 48 / 57 / 72
  • Spannweite: 26,3 m
  • Länge: 31,4 m
  • Höhe: 9,00 m
  • Startmasse: 46,5 t (72 P.)
  • Reisegeschwindigkeit: 800 km/h
  • max. Reichweite: 2.430 km (48 P.)
  • Startstrecke: 1.830 m
  • Antrieb: 4 × Pirna 014 mit je 32,3 kN Schub

Siehe auch

Literatur

Benannt sind Bücher und Fachzeitschriften, sowie Artikel zum Thema, welche in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden.

Bücher
  • Fliegerjahrbuch der DDR (Hrsg. Heinz A.F. Schmidt), (Jahrbücher 1958, 1959, 1960 und 1961), Berlin
  • Hans Ahner: Start frei zum Testflug, Berlin 1960
  • Holger Lorenz: Der Passagier-Jet "152", Marienberg 2003
  • Holger Lorenz: Kennzeichen "Junkers", Marienberg 2005
  • Klaus-Hermann Mewes: Pirna 014, Oberhaching 1997
  • Jürgen Michels/Jochen Werner: Luftfahrt Ost, Bonn 1994
  • Helmut Erfurth: Das große Buch der DDR-Luftfahrt, Zivile Luftfahrt 1945 bis 1990, GeraMond, München 2004, ISBN 3-7654-7216-6
  • Karl-Dieter Seifert: Weg und Absturz der Interflug, Berlin 1994, ISBN 3-89488-071-6; (Kapitel: Die eigene Industrie und ihre Produkte, S. 59-63)
Zeitschriften (und Einzelaufsätze)
  • Deutsche Flugtechnik Jahrgänge 1957-1961, Dresden
  • Flügel der Heimat Jahrgänge 1956-1960, Berlin
  • Aerosport Jahrgang 1960, Berlin
  • Flieger-Revue Sonderheft Nr. 1 DDR-Flugzeugbau, Berlin 1991
  • Flugwelt 11/1956 Ein neues Turbo-Verkehrsflugzeug
  • Flugwelt 2/1959 Flugzeugbau im Osten
  • Flugwelt 5/1961-11/1961 So kam es zum roten Stratojet( Entstanden unter Mitarbeit von Fritz Freytag)
  • Zwischen Mosaik und Einheit. Zeitschriften in der DDR.Liebster, ich werd Fliegerin(Autor: Thomas Kramer)
  • Modellbau & Basteln 3/1958 Die 152 (Autor: Peter Stache)
  • Urania-Universum 1959 Rollbahn frei für unsere 152 (Autor: Ulrich Queck)
  • Stolz erfüllt uns Flugzeugbauer (1958) (Autor: Walter Kunzel)
  • VDI-Nachrichten 18. August 1971 Baade B-152/Der vergessene Jet (Autor: Hans H. Werner)
  • Sächsische Zeitung 1990-1994: Verschiedene Artikel zum Thema Flugzeugbau in der DDR (Autor: Hans Ahner)
  • Aero International o.J.Metamorphose eines Bombers (Autor: Hans-Jürgen Becker)
  • Aerokurier 9/1990 Die 152 (Autor: Kurt Lamm)
  • Luftfahrt 7/1991 Baade B 152 (Autor: Karl Morgenstern)
  • Flugzeug 1/1992 Der vergessene Jet-Das erste deutsche Düsenverkehrsflugzeug (Autor: Frank Radzicki)
  • AeroSpace 3/1998 Die 152 (Autor: Karl Morgenstern)
  • Rainer W. During: DDR-Jet Typ 152. In: Flugzeug Classic. Nr. 2, 2001, ISSN 1617-0725. 


Themenzeitschriften
  • Heinz Hartlepp: Entwicklung des Turbostrahltriebwerks Pirna 014 und des Verkehrsflugzeuges 152, München 1991
  • Gerhard Barkleit/Heinz Hartlepp: Zur Geschichte der Luftfahrtindustrie in der DDR 1952-1961, Dresden 1995
  • Gerhard Barkleit: Die Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit beim Aufbau der Luftfahrtindustrie der DDR-Berichte und Studien, Dresden 1995

Einzelnachweise

  1. Erster deutscher Ziviljet Baade 152: Geschichte.aero
  2. Geschichte der Dresdner Flugzeugwerft: Webseite der Elbe Flugzeugwerke GmbH

Weblinks


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