- Sagrada Familia
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Temple Expiatori de la Sagrada Família (dt.: Sühnekirche der Heiligen Familie) (oft nur Sagrada Família genannt) ist die Bezeichnung einer großen römisch-katholischen Basilika in Barcelona. Die ursprünglich im neukatalanischen Stil von Antoni Gaudí entworfene Kirche wurde 1882 begonnen, jedoch bis heute nicht vollendet.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Das Gotteshaus liegt nördlich der Altstadt im Stadtteil Eixample. Es nimmt zusammen mit der Baustelle einen ganzen 17 822,25 Quadratmeter messenden Straßenblock in diesem schachbrettartigen Gebiet ein. Im Süden grenzt das Grundstück an die Carrer de Mallorca, im Norden an die Carrer de Provença, im Westen an die Carrer de Sardenya und im Osten an die Carrer de Marina.
Beschreibung
Äußeres Erscheinungsbild
Die Sagrada Família hat einen kreuzförmigen Grundriss. Das fünfschiffige Hauptschiff zeigt gen Süden und misst bis zur Apsis am nördlichen Ende etwa 90 Meter. Es ist 15 Meter breit. Das kürzere Querschiff erreicht eine Länge von 60 Metern und eine Breite von 7,5 Metern. Es ist dreischiffig. Um fast die gesamte Kirche herum verläuft ein Kreuzgang. Er beherbergt eine Kapelle, die Mariä Aufnahme in den Himmel geweiht ist.
Überall an der Kirche finden sich komplexe Verzierungen und dekorative Elemente, wie etwa spindelartige Türme die einer Sandburg gleichen und deren Dächer von geometrischen Formen gekrönt sind, die vom Kubismus beeinflusst scheinen.
Fassaden
Momentan (August 2007) besitzt Sagrada Família zwei prunkvolle Zierfassaden. Diese befinden sich an beiden Enden des Querhauses.
Im Osten liegt die so genannte Geburtsfassade, welche noch zu Lebzeiten Gaudís fertiggestellt wurde. Sie zeigt in äußerster Detailgenauigkeit die Geburt Jesu und weist den klassischen Stil des katalanischen Architekten auf.
Die Westfassade, Passionsfassade genannt, wurde nach Gaudís Tod begonnen und ist noch unvollendet. Sie unterscheidet sich von ihrem Gegenstück dahingehend, dass sie kaum Verzierungen enthält und mit klaren, geometrischen Linien und großen Figuren sehr übersichtlich aufgebaut ist. Sie wird von sechs schrägen Säulen gestützt und hat drei Portale.
Die Hauptfassade der Basilika soll einmal nach Süden zeigen. Diese Fassade der Herrlichkeit wurde jedoch noch nicht begonnen. Laut den Planungen soll sie 21 Säulen und zwei eigene Kapellen besitzen, eine den Heiligen Sakramenten geweihte und ein Baptisterium. Elf Portale werden das Betreten der Kapellen, des Kreuzganges und natürlich auch der eigentlichen Kirche ermöglichen.
Türme
Im vollendeten Zustand soll die Sagrada Família insgesamt 18 Türme besitzen.
Zwölf werden den Aposteln geweiht. Je vier von ihnen überragen mit einer Höhe von 90 Metern bis 112 Metern eine der drei Fassaden. Alle Türme, deren Form an den Krummstab der Bischöfe erinnern soll, besitzen lange senkrechte Scharten. Filigran gearbeitete farbenfrohe Spitzen, welche mit Tieren oder sakralen Symbolen und Sprüchen geschmückt sind und tragen ein kleines goldenes Kreuz mit dem Namen des jeweiligen Apostels. Einige der Türme sind sogar über schmale Steinbrücken miteinander verbunden.
Vier weitere Türme sollen den Evangelisten geweiht werden.
Die zwei übrigen Türme werden Maria (125 Meter hoch) und Jesus Christus geweiht werden. Letzterer wird der Hauptturm der Basilika und soll gemäß den Planungen alle anderen überragen. Er wird sich etwa über der Vierung erheben und mit einer kalkulierten Höhe von 170 Metern der höchste Kirchturm der Welt sein.
Innenraum
Der Innenraum besitzt eine sehr große Gewölbehöhe und wird von steinernen Säulen dominiert. Diese sollen an Bäume erinnern und an ihren oberen Enden Verzweigungen, wie Baumstämme sich in Äste aufteilen. Zudem ist ein Blätterdach angedeutet. Im Februar 2007 befand sich außerdem schon eine kleine provisorische Kanzel im Kirchenschiff.
Die Apsis besteht aus sieben kleinen Seitenkapellen, welche der Freude und der Trauer gewidmet sind. Zudem sollen auf jeder Seite noch je zwei Sakristeien errichtet werden. Die Fenster in diesem Bereich weisen erneut Naturmotive auf. Unter der Apsis liegt die Krypta der Basilika. Sie misst etwa 120 Quadratmeter und beinhaltet sieben Kapellen. In der Heiliger-Christ-Kapelle liegt Antoni Gaudí begraben und in der Verge del Carme-Kapelle Josep Maria Bocabella i Verdaguer.
Statik
Bei der Anfertigung der Statik wandte Gaudí eine zum damaligen Zeitpunkt fast vergessene Technik an: Er fertigte das Tragwerk aus Schnüren und hängte das gesamte Bauwerk kopfüber auf. Weil die Schnüre biegeschlaff sind, wirkt in ihnen kein Biegemoment. Das Modell unterscheidet sich vom Original nur durch den Richtungssinn der Belastung und eignet sich deshalb, eine Form zu finden, die nur auf Druck und nicht auf Biegung beansprucht wird (siehe auch Katenoide und Stützlinie). So hat er es durch gezielte Längenanpassungen vermocht, sehr schnell und effektiv ein ausgewogenes Bauwerk zu konstruieren. Diese Methode war in der Gotik bei der Konstruktion großer Bauwerke üblich.
Je nach Verwendung und Aufgabe der Elemente sind zudem die verwendeten Steine verschieden hart, es gibt eher weiche Steine für Verzierungen und sehr harte Gesteine für tragende Elemente.
Stil und Einflüsse
Die Sagrada Família verbindet wie alle Kirchen mit sehr langer Bauzeit verschiedene Architekturstile. Konzipiert und entworfen wurde sie noch von Gaudís Vorgänger im neukatalanischen Stil, einer Variante der Neugotik. Gaudí entwickelte das Konzept im Stil des Modernisme weiter. Inzwischen treten vor allem bei der Passionsfassade auch Elemente der Moderne hervor.
Der Bau wurde von der persönlichen Spiritualität des Architekten beeinflusst. Er betrachtete dabei die Natur als seine hauptsächliche Lehrmeisterin. Davon abgesehen bestimmt wie bei all seinen Bauten die Funktionalität die Entwürfe.
Galerie
Baugeschichte
Vorgeschichte
Die Idee für den Bau zu Ehren der Heiligen Familie in Barcelona kam zuerst von José María Bocabella y Verdaguer, einem ansässigen Besitzer einer religiösen Buchhandlung und Verfasser christlicher Schriften. Er war von einer Italienreise zurückgekehrt und zeigte sich beeindruckt ob der großen Kirchen. Er beschloss, selber in seiner Stadt eine große nur durch Spenden finanzierte Votivkirche (andere Quellen sprechen von einer Sühnekirche) erbauen zu lassen. Als Architekten wählte er Francisco del Villar, den offiziellen Architekten der Diözese aus.
1882 bis 1926
Die Grundsteinlegung erfolgte am 19. März 1882, dem Gedenktag des heiligen Josef, im damals noch fast völlig unbebauten Stadtteil Eixample. Die Pläne des Architekten passten sich dem dortigen Stadtbild an: Er hatte eine schlichte Kirche in damals beliebten Stilen ohne große Besonderheiten entworfen. Doch nur ein Jahr nach Baubeginn kam es zum Zerwürfnis zwischen der Bauleitung und del Villar, so dass dieser zurücktreten musste. Die Verantwortung wurde auf Antoni Gaudí übertragen, der die Pläne grundlegend umgestaltete. Statt einem Bau des Historismus entstand eine Schöpfung, deren Grundriss, Raumaufteilung und die große Linienführung auf die Gotik anspielen.
Gaudí sollte 43 Jahre an der Kirche arbeiten. Auf die Unmöglichkeit einer baldigen Fertigstellung angesprochen, antwortete Gaudí:
- „Mein Kunde hat keine Eile.“
Damit spielte er sowohl auf die Baudirektion als auch auf Gott an.
Nachdem schon im Jahr 1891 eine erste Messe unter freiem Himmel in der Baustelle abgehalten wurde, konnten 1893 die Apsis und die Krypta vollendet werden. Wenig später begann der Bau der Geburtsfassade.
Von den drei Fassaden fing Gaudi mit der Arbeit an der östlichen, Geburtsfassade, an. Vor seinem Tod 1926 konnte jedoch nur der eine Turm dieser Fassade (dem Hl. Barnabas gewidmet) vollendet werden. Der Architekt hatte die Türme zuerst eckig bauen lassen, entschied sich dann jedoch um und ließ die eckige Form in einer Galerie enden. Oberhalb dieser wurden die Türme in runder Form weitergebaut. Das misslungene untere Stück versteckte Gaudí hinter vier 14 Meter hohen Apostelstatuen.
1926 bis heute
Gaudí starb im Jahre 1926 bei einem Unfall direkt vor der Sagrada Família. Danach wurden die Bauarbeiten immer wieder unterbrochen, doch 1935 konnten die Arbeiten an der „Geburtsfassade“ endgültig abgeschlossen werden. Im spanischen Bürgerkrieg gingen die ursprünglichen Baupläne verloren. Die späteren Architekten Francesc Quintana, Isidre Puig Boada, und Lluís Gari führten den Bau ab etwa 1950 dennoch fort und versuchten, sich so gut wie möglich an Gaudís auch mündlich überlieferte Ideen zu halten. 1976 wurden die vier Aposteltürme über der „Passionsfassade“ vollendet.
Mittels Darstellung im Computer hat man herausgefunden, dass es unmöglich ist, weithin industriell vorgefertigte Formen zu verwenden – nahezu jeder Stein muss noch speziell angepasst werden. Der Weiterbau bleibt daher schwierig und teuer.
Ein wichtiges Etappenziel des Baus ist die Weihe der Kirche, welche nach der Deckung des Mittelschiffs im Jahr 2008 hätte stattfinden sollen.[1] Fertigstellen will man die Basilika bis 2026, dem hundertsten Todesjahr Gaudís. Dann hätte der Bau insgesamt 144 Jahre gedauert. Ob dies zu erreichen ist, hängt aber vor allem von den eingehenden finanziellen Mitteln ab.
Heutige Situation
Gegenwärtig sind acht der 18 Türme der Kirche fertiggestellt. Es handelt sich um je vier Aposteltürme über den zwei fertigen Fassaden. Der Innenraum ist komplett von Wänden umschlossen und die Krypta und die Apsis sind vollendet. Zudem stehen bereits die meisten Säulen des eingewölbten Mittelschiffes, die in naher Zukunft das Dach tragen sollen, sodass erstmals ein geschlossener Messraum entsteht.
Probleme und Proteste
Immer wieder regte sich vereinzelter Protest gegen bestimmte Einzelheiten am Bau. So kam beispielsweise schon 1893 Kritik auf, als Gaudí entschied, als erste Fassade die östliche zu gestalten. Die Stadtverwaltung kritisierte dies scharf, da die westliche Seite eher zur Stadt zeige und deshalb, aufgrund der Publikumswirksamkeit, vordringlich errichtet werden müsse.
In den 1950er Jahren gab es eine Unterschriftenaktion, mit dem Ziel, den Bau zu stoppen. Unter anderen unterschrieben auch Le Corbusier und Walter Gropius, doch die Aktion scheiterte.
Über die Fortführung der Baumaßnahmen entbrannte in den 1990er Jahren erneut ein heftiger Streit. Eine Gruppe moderner Architekten und Stadtplaner um Oriol Bohigas vertrat die Auffassung, dass ein Weiterbau an der Sagrada Família geradezu verboten sei.
Finanzierung
Die Finanzierung der Bauarbeiten erfolgt noch immer, wie von José María Bocabella y Verdaguer erdacht, ausschließlich über Spenden und Zuwendungen von Stiftungen. Hauptgeldgeber sind konservative katholische Gruppen und Japaner. Jährlich stehen 22 Millionen Euro für den Bau zur Verfügung. Was nicht verbaut werden kann, wird gespendet.
Tourismus
Der unvollendete Bau hat sich bereits jetzt zu einem touristischen Magneten entwickelt. Die Zeitung El Periódico de Catalunya berichtet, dass im Jahre 2004 über zwei Millionen Besucher kamen, womit selbst der Prado und die Alhambra übertroffen werden. Den Touristen stehen ein Teil des Innenraumes sowie die Türme offen. Auf diese gelangt man mit zwei Fahrstühlen (die Turmbereiche sind nicht verbunden). Der Abstieg erfolgt zu Fuß über Treppen. Der linke Querarm der Kirche beherbergt außerdem das Museu Gaudí.
UNESCO Weltkulturerbe
Im Jahre 2005 wurden die Geburtsfassade und die Gruft der Sagrada Família als Erweiterung des Weltkulturerbes Arbeiten von Antoni Gaudí in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Siehe auch
Literatur
- Barcelona und Katalonien. Dorling Kindersley Verlag GmbH, München 2000, ISBN 3-928044-09-5, S. 74-75
- Robert Schediwy: Städtebilder – Reflexionen zum Wandel in Architektur und Urbanistik. Wien 2005, ISBN 3-8258-7755-8, S. 23 ff.
Weblinks
- www.sagradafamilia.org Offizielle Webseite der Sagrada Família
- La Sagrada Família de Barcelona auf der offiziellen Web für den Tourismus in Spanien (deutsch)
- detailliertes Bild bei gigapan.org
- „Architektur: Gaudís Geheimnis“, Süddeutsche Zeitung, 3. Oktober 2008
41.4036111111112.1744444444444Koordinaten: 41° 24′ 13″ N, 2° 10′ 28″ O
Einzelnachweise
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