- Saifnitzer Wasserscheide
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Das Kanaltal (italienisch: Val Canale, slowenisch: Kanalska dolina, furlanisch: Val Cjanâl) ist ein zu Italien gehörendes, 23 km langes Tal im Dreiländereck Italien-Österreich-Slowenien mit dem Zentrum Tarvis. Das Kanaltal trennt die Karnischen von den Julischen Alpen und den Karawanken. Es grenzt im Norden an Österreich, im Osten an Slowenien und geht im Süden in das Canal del Ferro (Fella- / oder Eisental) über. Der westliche Teil entwässert über die Fella in die Adria, bei Camporosso liegt auf einer Höhe von 805 m s.l.m. die unscheinbare Saifnitzer Wasserscheide zur Gailitz hin.
Der Name Kanaltal hat seine Wurzeln im friulanischen Wort „Chianâl" oder „Cjanâl", welches für schlauchartige Täler (Berggräben) steht.
Das Kanaltal im nördlichen Friaul ist eine für den Alpenraum einzigartige Region. Alle drei großen europäischen Sprachfamilien - Germanen, Romanen und Slawen - treffen hier direkt aufeinander. Eine Konstellation, die in Europa sonst nirgends zu finden ist. Österreicher, Slowenen, Friaulaner und Italiener leben hier seit Jahrhunderten zusammen. Das bunte ethnische Mosaik zieht sich quer durch die Familien.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Nach der Auflösung des Herzogtums Kärnten im frühen Spätmittelalter gehörte das Kanaltal zum Bistum Bamberg, später zu Habsburg. Noch im Jahre 1910 hat es praktisch keine italienischen Einwohner im Kanaltal gegeben. Das Gebiet war bis 1918 mancherorts mehrheitlich slowenisch, mancherorts mehrheitlich deutsch besiedelt und gehörte innerhalb des Kaisertums Österreich bzw. von Österreich-Ungarn zu Kärnten. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde es durch den Vertrags von Saint-Germain zusammen mit dem Tal von Fusine sowie dem Bergbauort Raibl Italien zugesprochen und gehört heute zur Region Friaul-Julisch Venetien.
Auswanderung
Die „Richtlinien für die Rückwanderung der Reichsdeutschen und Abwanderung der Volksdeutschen aus Südtirol in das Deutsche Reich“ vom 21. Oktober 1939 fand auch auf die Volksdeutschen des „gemischtsprachigen Territoriums von Tarvis (Provinz Udine)“ Anwendung.
Während in Südtirol circa 30 % das Land verließen, betrug der Prozentsatz der Abgewanderten im Kanaltal etwa 71 %.
Von 5.700 Auswanderern sprachen in etwa 5.600 deutsch und 100 slowenisch. So kam es dazu, dass über 80 % der deutschsprachigen Kanaltaler umgesiedelt wurden, während die slowenischsprachigen Kanaltaler nur unerhebliche Abwanderungsverluste erlitten (etwa 2 %).
Die meisten Umgesiedelten kamen nach Kärnten: 2.700 nach Villach, 1.500 nach Klagenfurt, 500 nach Sankt Veit an der Glan, Feldkirchen und Friesach. Ins steirische Knittelfeld kamen auch 500 und weitere 500 wurden in sonstige Orte umgesiedelt. Zurück blieben ca. 2.500 bodenständige Kanaltaler. Davon waren etwa ein Drittel Deutschsprachige und zwei Drittel Slowenischsprachige. Nur ca. 20 von 5.700 ausgewanderten Kanaltalern kamen nach dem 2. Weltkrieg wieder ins Kanaltal zurück, obwohl das Optantendekret von 1948 den umgesiedelten Kanaltalern die Möglichkeit bot, in die Heimat zurückzukehren und wieder die italienische Staatsbürgerschaft zu erwerben.
Die heutige deutsch- und slowenischsprachige Minderheit geht im wesentlichen auf die nicht ausgesiedelten Kanaltaler zurück: Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 8.000 wird ihr Anteil mit 20 Prozent angegeben.[1]
Sprachen
Die deutsch oder slowenisch sprechenden Kanaltaler sprechen ihre Muttersprache nicht in der jeweiligen Schriftsprache. Das Deutsche wird als Oberkärntnerisch der Villacher Gegend, das Slowenische als Gailtaler Dialekt (Zilja) gesprochen. Italienisch ist die offizielle Landessprache und Tarvis das Zentrum der Italienischsprachigen.
Mehrsprachige Aufschriften haben nicht ausschließlich mit dem Bemühen um die Volksgruppen zu tun. Auch der Einkaufstourismus der österreichischen und slowenischen Nachbarn wird berücksichtigt. Die rein deutschsprachigen Schulen (Goggau, Tarvis, Malborgeth, Pontafel) und slowenisch-/deutschsprachigen (Saifnitz, Uggowitz, Leopoldskirchen) des 19. Jahrhunderts sind Vergangenheit. Während des Faschismus gab es nur Italienisch als Unterrichtssprache. Nach 1945 genehmigte man einigen Volksschulen den Deutschunterricht als Freigegenstand am Nachmittag. 1973 wurde der zunächst auf einheimische Kinder beschränkte Deutschunterricht auf alle schulpflichtigen Kinder erweitert. Mittlerweile wird Deutsch allen Kindern im Vormittagsunterricht angeboten (1 - 2 Wochenstunden). In Ugovizza findet seit 1982 slowenischer Nachmittagsunterricht statt.
Verkehrsverbindungen
Durch das Kanaltal verläuft eine wichtige Bahn- und Straßenverbindung (Eisenbahn: Pontebbana; Autobahn von Villach nach Udine) von Österreich nach Italien; seit der EU-Osterweiterung verläuft hier eine der Haupttransportachsen Mitteleuropas von Rom, Bologna und Venedig nach Wien, Prag und Budapest.
Ab dem 19. Jahrhundert war die moderne Verkehrserschließung von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung: Der Bau der Eisenbahn Laibach–Tarvis wurde 1872 vollendet (1966 wurde die grenzüberschreitende Teilstrecke Jesenice (Aßling)–Tarvis stillgelegt); die Eisenbahnlinie Villach–Tarvis wurde 1873 fertiggestellt und Tarvis–Udine 1879. Der Autobahnbau von 1973 bis 1986 mit der Errichtung von 49 Brücken und 18 Tunnels belastete das Tal zusätzlich. Der Bau der Hochleistungseisenbahn „Pontebbana“ von Udine bis zur österreichischen Grenze (94 km) mit 13 Tunnels (Gesamtlänge 46 km, das sind 48 % der Strecke) wurde im Jahr 2000 abgeschlossen.
An der Grenze Italien–Österreich bestehen seit In-Kraft-Treten des Schengen-Vertrags keine Grenzkontrollen mehr, am 21. Dezember 2007 wurden sie auch an der Grenze Italien–Slowenien aufgelassen.
Museo della Foresta
1988 wurde das Waldmuseum eröffnet, das an der A23 Udine-Tarvis liegt. Es hat den Wald um Tarvis, der 24.000 Hektar Fläche einnimmt, zum Thema. Umgeben ist das Museum von einem botanischen Garten, der die typischen Pflanzen dieser Region beherbergt.
Orte im Kanaltal
Die Ortschaften des Kanaltales sind von Osten nach Westen:
- Fusine in Valromana (Weißenfels)
- Coccau (Goggau)
- Rutte Grande (Groß-Greuth) und Umgebung
- Cave del Predil (Raibl)
- Tarvisio (Tarvis)
- Camporosso (Saifnitz)
- Valbruna (Wolfsbach)
- Ugovizza (Uggowitz)
- Malborghetto (Malborgeth)
- Bagni di Lusnizza (Lussnitz) und Santa Caterina (St.Kathrein)
- Laglesie San Leopoldo (Leopoldskirchen)
- Pontebba (Pontafel). Durch Pontebba verlief bis 1918 die Staatsgrenze zwischen Österreich und Italien.
Literatur
- Marko Simić: Auf den Spuren der Isonzofront, Mohorjeva Hermagoras, Klagenfurt-Laibach-Wien 2004; ISBN 3-85013-884-4
- Karl Migglautsch, Ingomar Pust: Das Kanaltal und seine Geschichte, edition k3, Annenheim 1995, Herausgeber: Kanaltaler Kulturverein; ISBN 3-901088-04-0
- Mario Gariup: Le opzioni per il 3° Reich, Val Canale 1939
- Hans Messner: Friaul Julisch Venetien, Universitätsverlag Carinthia Klagenfurt, 1990; ISBN 3-85378-350-3
- Gerhard Pilgram, Wilhelm Berger und Gerhard Maurer: Kärnten. Unten durch, Drava Verlag Klagenfurt/Celovec, 1998; ISBN 3-85435-301-4
- Vavti, Stefanie (2005, Dezember). "Wir sind Kanaltaler!" – Regionale und lokale Identitäten im viersprachigen Valcanale in Italien [67 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 7(1), Art. 34. Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/1-06/06-1-34-d.htm, abgerufen am 5. März 2007
- Attisani, Francesco u.a.: Una strada - tre confini. La storia, l'ambiente, gli itinerari turistici del Tarvisiano e dei suoi dintorni.Udine, Giovanni Aviani Editore, 1986
- Luis Thomas Prader (Aufsatz auf Südtirol Online).Als Grenzland schon immer wichtig - das Kanaltal. Verfügbar über: http://www.stol.it/nachrichten/artikel.asp?KatId=bg&ArtId=1228&RelArtId=1207, abgerufen am 12. Juni 2007
- Kurt Strasser, Harald Waitzbauer: Über die Grenzen nach Triest. Wanderungen zwischen Karnischen Alpen und Adriatischem Meer. Wien-Köln-Weimar 1999
- G. Pilgram, W. Berger, W. Koroschitz, A. Pilgram-Ribitsch: Die letzten Täler Wandern und Einkehren in Friaul. Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec 2008, ISBN 978-3-85435-532-8
Weblinks
Film
- Hans Schabus: "Val Canale"
Quellen
- ↑ Provincia di Udine/Provincie di Udin: Le Comunità Germanofone Del Friuli-Venezia Giulia, in Italienisch, abgerufen am 9. Dezember 2007
46.50217222222213.425291666667Koordinaten: 46° 30′ 7,82″ N, 13° 25′ 31,05″ O
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