Sandfly-fever

Sandfly-fever
Klassifikation nach ICD-10
A93.1 Pappatacifieber
Phlebotomus-Fieber
Sandfliegenfieber
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Das Phlebotomusfieber ist eine durch bestimmte Sandmücken (Gattung Phlebotomus) übertragene Virusinfektion des Menschen. Sie ist im gesamten Mittelmeerraum und vom Vorderen Orient über Afghanistan, Indien bis nach Südchina verbreitet. Die Erkrankung verläuft gutartig, selbst eine auftretende Meningoenzephalitis verschwindet ohne spezifische Therapie nach wenigen Tagen.
Der Krankheitserreger aus der Familie der Bunyaviridae tritt regional verschieden in drei unterschiedlichen Subtypen auf, so dass das Phlebotomusfieber unter vielen verschiedenen Bezeichnungen firmiert: Pappataci-Fieber (Papatasi-Fieber), Sandmückenfieber, Toskana-Fieber, Dalmatien-Fieber, Chitral-Fieber, Karimabad-Fieber oder Pick-Fieber. Die häufige Bezeichnung „Sandfliegenfieber“ (vom engl. sandfly fever) ist unkorrekt, da es sich nicht um Sandfliegen sondern -mücken handelt und mit dem englischen Ausdruck die Leishmaniose gemeint ist.

Inhaltsverzeichnis

Erreger und Überträger

Die Sandmücke Phlebotomus pappatasi während der Blutmahlzeit

Der Erreger des Phlebotomusfiebers ist das Sandmückenfiebervirus (Sandfly fever Naples virus, SFNV) aus der Gattung Phlebovirus der Familie Bunyaviridae. Die Spezies wird in die vier verschiedene Subtypen Karimabad-Virus (KARV), Sandmückenfiebervirus Sabin (SFNV-Sabin), Teheran-Virus (THEV) und Toskana-Virus (TOSV) unterteilt. Der Subtyp Toskana-Virus ist der weitaus häufigste Erreger und besitzt das größte Verbreitungsgebiet, während die anderen Subtypen lokal begrenzt auftreten. Innerhalb des Subtyps Toskana-Virus werden drei Serotypen unterschieden, die nach ihrem ursprünglichen Entdeckungsort Toskana (T), Sizilien (S) und Neapel (N) benannt sind; die Serotypen weisen ein geographisch unterschiedliches Verteilungsmuster auf (siehe Abbildung).

Das Virus wird durch verschiedene Sandmückenarten der Familie Psychodidae (Schmetterlingsmücken) während der Blutmahlzeit auf den Menschen übertragen. Häufige Arten, die in dieser Weise als Vektor des Erregers fungieren, sind Phlebotomus perniciosus, P. perfiliewi und P. pappatasi ; die letztere bevorzugt den Menschen als Hauptwirt.

Das natürliche Reservoir des Virus sind verschiedene Nagetiere und Fledermäuse, möglicherweise auch Schafe, Ziegen und Rinder. In diesen Tieren wurden auch nicht-humanpathogene Virusarten gefunden, die ebenfalls zur Gattung Phlebovirus gehören und serologisch sehr eng mit den humanpathogenen Viren des Phlebotomusfiebers verwandt sind. Durch eine Blutmahlzeit bei diesen Tieren gelangt das Virus in die Mückenpopulation, wo es nach etwa sechs Tagen der Infektion und Vermehrung im Insekt auf den Menschen übertragen werden kann. Die Viren können sich innerhalb der Mückenpopulation auch vertikal verbreiten, d.h. die Eier der Mücken sind bereits infiziert und die daraus schlüpfenden Larven tragen das Virus in sich (Transovarielle Infektion). Die Sandmücken sind daher Vektor für die Übertragung und teilweise auch Reservoirwirt zugleich.

Epidemiologie

Verbreitung des Phlebotomusfiebers und der drei Serotypen des Sandmückenfiebervirus: T (Serotyp Toskana), S (Sizilien), N (Neapel)

Eine jahreszeitliche Häufung des Phlebotomusfiebers ist im späten Frühjahr und Sommer zu beobachten, wenn auch die Vermehrung und Aktivität der Sandmücken am höchsten ist. In den Herbst- und Wintermonaten tritt die Erkrankung nicht in Erscheinung. Das Phlebotomusfieber ist im gesamten europäischen und nordafrikanischen Mittelmeerraum verbreitet, ebenfalls in Teilen Portugals, und des südlichen Alpenraums, im Nahen Osten, den Staaten am Roten Meer, der arabischen Halbinsel, Iran, Irak, Afghanistan, Pakistan, Nordindien, Bangladesch, Myanmar, Teilen des Himalaya (auch in Höhen bis 4000 m), Südtibet und der südwestchinesischen Provinz Yunnan. In diesen Endemiegebieten ist die einheimische erwachsene Bevölkerung durch mehrfache, inapparente Infektionen immun, wohingegen Kinder oder einreisende Touristen am Phlebotomusfieber erkranken können. Bei etwa 0,8 bis 1 % der Bevölkerung in Deutschland sind Antikörper gegen das Toskana-Virus nachweisbar.

Krankheitsbild

Die meisten Infektionen mit dem Toskana-Virus verlaufen ohne Krankheitssymptome, die Infektion hinterlässt auch ohne Erkrankung eine lebenslange Immunität für den jeweiligen Serotyp, eine Reinfektion mit einem weiteren der drei Serotypen ist möglich.
Nach einer Inkubationszeit von 3 bis 5 Tagen kommt es zu einem sehr plötzlichen Krankheitsbeginn mit hohem Fieber, schwerem Krankheitsgefühl und sehr starken Kopfschmerzen, die besonders an der Stirn und hinter den Augen (retrobulbär) wahrgenommen werden. Hinzu kommen Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Steifheitsgefühl in den Beinen und eventuell eine Rötung der Gesichtshaut. Die Symptomatik beginnt nach drei Tagen schwächer zu werden, in wenigen Fällen kommt es daraufhin zu einem kurzen Wiederanstieg des Fiebers bevor die Erkrankung endgültig abklingt. Ein Schwächegefühl bleibt oft für mehrere Wochen bestehen. Bei einer häufig hinzutretenden Meningoenzephalitis und serösen Meningitis (beim Serotyp Toskana in 2 bis 12 % der Fälle) treten stärkere neurologische Symptome auf wie Nackensteifigkeit (Meningismus), Eintrübung des Bewußtseins, Zittern, Lähmungen, Nystagmus und komatöse Zustände.

Diagnostik

Der Diagnose einer akuten Phlebotomusfieber-Erkrankung wird serologisch gesichert. Der Nachweis von IgG- und IgM-Antikörpern gegen das Toskana-Virus im Blutserum gilt ebenso wie die Serokonversion oder der 4fache Anstieg des IgG-Titers als beweisend für eine frische oder kürzliche Infektion. Im Labor wird hierzu der indirekte Immunfluoreszenztest oder Neutralisationstest verwendet. Die Antikörper sind prätestens 5 bis 8 Tage nach Erkrankungsbeginn nachweisbar. Der direkte Erregernachweis in der Zellkultur oder mittels PCR spielt in der klinischen Diagnostik kaum eine Rolle.

Therapie und Prophylaxe

Das Phlebotomusfieber wird nur symptomatisch therapiert, eine spezifische antivirale Therapie ist nicht erforderlich und steht auch nicht zur Verfügung. Eine medikamentöse Senkung des Fiebers und konsequente Schmerzbekämpfung reicht meist aus.

Da ein Impfstoff nicht verfügbar ist, beschränkt sich die Vorbeugung auf die Bekämpfung der infizierten Mückenpopulationen in den endemischen Gebieten und einem persönlichen Mückenschutz. Die Exposition gegenüber den Mücken kann durch Moskitonetze mit einer Maschenweite unter 2 mm und der Verwendung von Repellentien erreicht werden. Da die Sandmücken besonders nachts aktiv sind, ist ein Aufenthalt in Mückengebieten während dieser Zeiten zu vermeiden.

Meldepflicht

Die Erkrankung und der Nachweis des Erregers sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht meldepflichtig.

Quellen

  • W. Lang, Th. Löscher: Tropenmedizin in Klinik und Praxis, 3. Auflage Stuttgart 2000, S. 339f ISBN 3-13-785803-8
  • R. Marre, T. Mertens, M. Trautmann, E. Vanek: Klinische Infektiologie. München Jena 2000, S. 593 ISBN 3-437-21740-2
  • H. Hahn, D. Falke, S. H. E. Kaufmann, U. Ullmann: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 5. Aufl., Heidelberg 2005, S. 568 ISBN 3-540-21971-4
  • Th. Mertens, O. Haller, H.-D. Klenk (Hg.): Diagnostik und Therapie von Viruskrankheiten - Leitlinien der Gesellschaft für Virologie. 2. Aufl. München 2004 S. 279ff ISBN 3-437-21971-5
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