- Santorin-Eruption
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Als Minoische Eruption (auch Thera- oder Santorin-Eruption) wird der spätbronzezeitliche Ausbruch der ägäischen Vulkaninsel Thera (heute Santorin) bezeichnet, der im 17./16. Jahrhundert v. Chr. den minoischen Außenposten Akrotiri (moderner Name) begrub. Seine direkten Auswirkungen sind umstritten; die bis in die 60er Jahre des 20. Jh. oft vertretene Meinung, er habe den Untergang der Minoischen Kultur auf Kreta herbeigeführt[1], wird heute abgelehnt.[2] Die bei der Eruption ausgestoßenen Pyroklastika lassen sich in archäologischen Fundstellen im gesamten östlichen Mittelmeer finden und bieten so einen Fixpunkt in der Stratigraphie. Die exakte Datierung der Eruption ist unter Wissenschaftlern jedoch umstritten; zwischen den naturwissenschaftlich und den historiografisch ermittelten Daten liegen etwa 100 Jahre.
Inhaltsverzeichnis
Der Vulkan von Santorin
Der Vulkan von Santorin ist ein Ergebnis plattentektonischer Vorgänge. Er gehört zu einem vulkanischen Inselbogen in der südlichen Ägäis, über einer Subduktionszone, die durch den Zusammenprall der Afrikanischen mit der Eurasischen Platte entsteht.
Der Kern der Insel besteht aus metamorphen Gesteinen im Alter von etwa 200–40 Millionen Jahren. Sie sind heute an der Oberfläche nur noch an der höchsten Erhebung, dem Profitis Ilias (567 m) sichtbar, liegen aber an vier Stellen der südlichen Insel unter jüngeren Schichten. Der Rest der Insel besteht aus vulkanischem Gestein, das bei mindestens zwölf mittleren und größeren und weiteren kleineren Eruptionen seit dem Pleistozän, also in den letzten 1,8 Millionen Jahren, entstanden ist. Dabei handelt es sich weit überwiegend um pyroklastische Ablagerungen, es lassen sich jedoch durch das ganze Gebiet fünf Lavaströme nachweisen.[3] Altersbestimmungen der Gesteine lassen ein Intervall von 20.000 Jahren zwischen größeren und 5000 Jahren zwischen kleinen Ausbrüchen vermuten.[3]
Nach heutigem Wissensstand war die südliche Hälfte der heutigen Caldera schon in der Bronzezeit vorhanden, der damalige Vulkanschlot lag etwa unter den beiden damals noch nicht existenten kleinen Inseln Palea Kameni und Nea Kameni im Inneren des Inselrunds.
Umfang der Eruption
Der griechische Archäologe Spyridon Marinatos publizierte 1939 eine Theorie, nach der der Ausbruch des Thera-Vulkans zum Untergang der minoischen Kultur auf Kreta geführt habe.[1] Für Marinatos musste der Thera-Ausbruch dem des indonesischen Vulkans Krakatau geähnelt haben, der im Jahr 1883 rund 36.000 Menschen das Leben kostete. Neben einem Ascheregen, der in einem Umkreis von mehreren hundert Kilometern den Himmel verdunkelt hatte, war für ihn besonders die aus der Eruption resultierende Flutwelle eine wichtige Parallele. Mit bis zu 15 m Höhe hatte die vom Krakatau ausgelöste Welle 1883 die Küste der benachbarten Inseln überspült und zahlreiche Städte zerstört. Marinatos nahm eine ähnlich verheerende Überflutung der Küsten Kretas durch die Thera-Eruption an und vermutete darin die Ursache für den Untergang der Minoischen Kultur. Die Auswirkung einer Flutwelle auf die Ägäische Inselwelt wird auch heute noch diskutiert.[4] Allgemein wird jedoch nur eine geringfügige Zerstörung der Nordküste Kretas angenommen, da die archäologischen Überreste keinen Zerstörungshorizont zur fraglichen Zeit aufweisen. Zudem wird heute von einer wesentlichen schwächeren Eruption ausgegangen, als Marinatos sie annahm.
Marinatos nahm ferner an, dass die heute halbmondförmige Insel vor dem Ausbruch mit den ihr gegenüberliegenden Inseln Therasia und Aspronisi verbunden war und der mit Wasser gefüllte Krater noch nicht existierte. Moderne Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Inselgruppe bereits in minoischer Zeit annähernd ihre heutige Form hatte, die sie bereits durch die Kap-Riva-Eruption etwa 21000 v. Chr. erhielt.[2] Das von Marinatos angenommene Ausmaß der Eruption – er vermutete die vierfache Menge an Tephra (80-120 km³) im Vergleich zum Krakatau-Ausbruch (20-30 km³), was einer Eruption der Stärke 7 auf dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI) entsprechen würde – wurde deshalb im Laufe der Jahre nach unten korrigiert. Da auch die Dicke der Ascheschichten auf den Nachbarinseln Marinatos' Annahme nicht bestätigte,[5] nahm man eine kleinere Eruption (30 km³) der Stärke VEI 6 an. Auch eine Pollenanalyse von Sedimentschichten vor und nach dem Thera-Ausbruch deuten auf minimale Veränderungen der regionalen Vegetation und somit eine verhältnismäßig kleine Eruption hin.[6] In jüngster Zeit wurden jedoch Ascheschichten gefunden, die auf Grund ihrer Dicke als Hinweis auf eine etwa doppelt so starke Eruption (60-70 km³) verstanden werden.[7] Die Frage nach dem Umfang des Thera-Ausbruchs muss daher vorerst unbeantwortet bleiben.
Phasen der Eruption
Der Ausbruch wird heute in vier größere Phasen eingeteilt[8]. Ihm gingen einige Erdbeben voran. Die Bewohner verließen daraufhin die Insel und hatten genügend Zeit, ihre Wertsachen mitzunehmen. Bei den Ausgrabungen der Stadt Akrotiri wurden weder Leichen noch Schmuck oder aufwändige Werkzeuge gefunden. Kurz nach den Erdbeben wurde Akrotiri offenbar wieder aufgesucht und damit begonnen, unzerstörte Pithoi (Vorratsbehälter) und Möbelstücke zu bergen, einsturzgefährdete Wände niederzureißen und Baumaterialien für eine Wiederverwendung zu sortieren.[9]
Die Bergungsoperation wurde jedoch abgebrochen, die Helfer flohen erneut und ließen die schon bereitgestellten Vorratsbehälter und Möbel zurück. Als Ursache gilt der erste Fall von Pyroklastika. Es handelte sich nur um geringe Mengen von vulkanischen Aschen und Lapilli aus einem Schlot fast genau im Zentrum der Insel. Danach trat eine Pause ein. Da auf einigen Mauerstümpfen in Akrotiri Grasbüschel nachgewiesen wurden, wird über eine Ruhezeit von mehreren Monaten spekuliert.
Der erste Ausstoß von Bimsstein
Die erste Phase des eigentlichen Ausbruchs bestand aus einer plinianischen Eruption von leichtem Bimsstein und Aschen. Die Ablagerung geschah mit ca. 3 cm/min, die maximale Dicke der Schicht beträgt 7 m. Wo sich die Aschen unter steilen Hängen sammelten, können 11 m erreicht werden. Der Ausstoß begann mit weißem Material und wechselte zu rosa, in das zunehmend Gesteinsbrocken in leuchtend gelben, orangen und roten Tönen eingelagert sind. Die Farben stammen von den zunehmenden Temperaturen des Gesteins beim Auftreffen am Boden beziehungsweise auf vorherigen Schichten.
Die Energie dieser Phase gilt als eher gering. Das Material wurde von vulkanischen Gasen ausgestoßen; anfangs war noch kein Wasser in den Schlot eingedrungen. Die Dauer dieser Phase wird auf zwischen einer und acht Stunden geschätzt. Erst in den obersten Lagen der ersten Phase mischen sich Pyroklastische Ströme in die lockeren Ablagerungen. Die Lava hatte Kontakt zum Meerwasser bekommen.
Pyroklastische Ströme
Als durch aufbrechende Risse im Gestein Meerwasser in den Vulkanschlot gelangen konnte und verdampfte, kam es zu einer Phreatomagmatischen Explosion mit vervielfachter Energie des Ausbruchs. Der Vulkan konnte jetzt wesentlich schwereres Material ausstoßen, dessen Ablagerungen aber auch viel ungleichmäßiger verteilt sind.
Die zweite Phase begann mit der Eruption von runden Lapilli mit rund 10 mm Durchmesser, vermischt mit Aschen und wenigen größeren Brocken. Ablagerungen dieser Eruption erreichen eine Dicke von 5,90 m auf Thirasia im Westen und nur ca. 10 cm ganz im Osten der Insel. Darauf folgt eine Schicht von nur 1–18 cm weißer Asche und eine weitere dicke Lage zwischen 6 m im Westen und 15 cm im Osten und Südosten. Diese zweite Lage ist aus Lapilli mit eingelagerten vulkanischen Bomben zusammengesetzt, deren Größe von einigen Zentimetern bis zu Blöcken mit 5 m Durchmesser reicht. Die Blöcke bestehen überwiegend aus schwarzer, glatter Lava, die auch für frühere Vulkanausbrüche auf Santorin, etwa am Skaros-Felsen typisch war.
Die zweite Phase dauerte etwa eine Stunde. Der Vulkanschlot riss in südlicher Richtung auf, wie aus der Orientierung einiger Ablagerungen geschlossen werden kann.
Phreatomagmatische Ablagerungen
In der dritten Phase des Ausbruchs fand der größte Ausstoß vulkanischen Materials statt. Die Pyroklastika flossen als kontinuierlicher Strom und rissen Gesteinsbrocken gewaltiger Größe mit. Die Blöcke erreichten in dieser Phase Durchmesser von 20 m, typisch sind 0,5–2 m. Sie bestehen aus porphyrischem Dazit und zum kleinen Teil aus mit Obsidian vergleichbarem Material.
Die Blöcke sind eingebettet in Ascheströme, Flüsse von Lapilli und gegen Ende auch Ströme von Schlamm aus Bimsstein mit hohem Wasseranteil. An einigen Stellen im Südosten der Insel erreichen die Ablagerungen der dritten Phase eine Dicke von 55 m.
Der Schlot verlagerte sich in dieser Phase wieder nach Norden. Das eindringende Seewasser vermischte sich mit dem vulkanischen Material und bildete nach einer Interpretation eine ungeheure Masse an Lahar genanntem, heißem Schlamm. Er soll die bis zu 400 m hohen Wände der Caldera überströmt haben.[10] Dabei wurde so viel Material ausgestoßen, dass der entstandene Hohlraum einstürzte und die Insel über ihm zusammenbrach. Dadurch bildete sich die Nordhälfte der heutigen Caldera. Auf der Außenseite der Insel flossen die vulkanischen Ströme ins Meer und erweiterten sie um flache Küstenebenen.
Ignimbrit, Lahar- und Schuttströme
Mit der vierten Phase endete der Ausbruch. Sie ist vielgestaltig. Der Auswurf von Ignimbrit-Brocken wechselte sich ab mit Lahar-Flüssen, Ascheströmen und gewaltigen Schuttmengen. Möglicherweise kam es dazwischen auch zum Ausstoß von Aschewolken. Die meisten Materialmengen flossen zu den Rändern der Insel ab: während an der Caldera nur rund 1 m-dicke Schichten der vierten Phase zugerechnet werden, bilden sie außen je nach Geländeprofil Schwemmfächer von bis zu 40 m Dicke.
Die Gesteinsbrocken der vierten Phase sind kleiner als zuvor, die maximale Größe übersteigt 2 m nicht mehr. Auch lässt sich nachweisen, dass an zwei Stellen im Süden Lahar-Ströme wieder in die Caldera zurückflossen. Die Energie der Eruption muss also deutlich abgenommen haben. McCoy/Heiken gehen davon aus, dass erst jetzt, ganz zum Ende des Ausbruchs, der Ring der Insel zusammenbrach und der nordwestliche Kanal zwischen der Hauptinsel und Thirasia entstand, sowie das Gestein im Süden Thirasias einstürzte. Nur das Felseiland Aspronisi, Überrest einer früheren Eruption, blieb stehen.
Bedeutung und Datierung
Die Ablagerung theräischer Tephra im nahezu gesamten östlichen Mittelmeer – von Nichoria in Messenien[11] über Anatolien[12] und das Schwarze Meer[13] bis zum Nildelta[14] – bietet einen einmaligen Fixpunkt für die Synchronisation verschiedener relativer Chronologien aus diesen Regionen. Gleichzeitig wird dadurch praktisch die gesamte absolute Chronologie der Späten Bronzezeit von der Datierung dieser Eruption abhängig, weshalb verständlicherweise die Frage nach der Datierung der Minoischen Eruption zu den am heftigsten umstrittenen in der heutigen archäologischen Forschung gehört. Insbesondere seit den 1980ern führten zahlreiche Untersuchungen mit verschiedensten Methoden im Wesentlichen zu einer Aufteilung der Meinungen in zwei Lager: auf der einen Seite die Vertreter der „späten Datierung“ (1530–1520 v. Chr.) und dementsprechend der „kurzen Chronologie“,[15] auf der anderen die der „frühen Datierung“ (1628–1620 v. Chr.) und der „langen Chronologie“.[16] Bemerkenswert ist zudem, dass die „Fronten“ nicht zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, sondern quer durch alle Lager verlaufen. Die Debatte, die zum großen Teil in hochkarätigen Wissenschaftsmagazinen wie Nature und Science geführt wird, erfuhr bislang jedoch keine definitive Antwort.
Archäologisch-historiografische Methode
Marinatos datierte die Minoische Eruption ursprünglich grob auf 1500 v. Chr. ± 50 Jahre, da er diesen Zeitraum auch für den Untergang der Minoer auf Kreta annahm.[1] Obwohl Ausgrabungen der folgenden Jahrzehnte zeigten, dass die minoische Kultur nicht plötzlich, sondern erst ab ca. 1450 v. Chr. in einen Zeitraum von wahrscheinlich mehreren Jahrzehnten unterging, erwies sich die Datierung an das Ende des 16. Jahrhunderts v. Chr. aus archäologischer Sicht als die wahrscheinlichste. Denn zwischenzeitlich wurden auf Kreta Funde gemacht (z.B. weiterentwickelte Vasenmalerei-Stile), die einerseits auf Santorin nicht mehr vorkommen, andererseits aber eindeutig vor dem Zusammenbruch der minoischen Kultur datieren.
Die relative Chronologie der minoischen Kultur, die bereits von Arthur Evans ausgearbeitet und seitdem immer weiter verfeinert wurde, wurden zuletzt u. a. 1989 von Peter Warren und Vronwy Hankey mit der recht gesicherten, absoluten Chronologie Ägyptens verknüpft.[15] Demnach steht die Phase „Mittelminoisch III“ (MM III) mit der Hyksoszeit, die Phase „Spätminoisch IA“ (SM IA) mit dem Ende der Zweiten Zwischenzeit und „Spätminoisch IB“ (SM IB) mit der Zeit von Hatschepsut und Thutmosis III. in Verbindung. Die Minoische Eruption – in diesem Punkt ist sich die Archäologie sicher – fand etwa 30 Jahre vor Ende der Phase SM IA statt. Aus archäologischer Sicht ergibt dies einen Zeitraum von 1530–1500 v. Chr. für die Eruption.
Zugleich gibt es jedoch auch Archäologen, die sich für die frühe Datierung der Minoischen Eruption aussprechen. Etwa Wolf-Dietrich Niemeier, der Ausgräber des Palastes von Tell Kabri in Palästina, der darauf verweist, dass eine Türschwelle in dem 1600 v. Chr. zerstörten Gebäude völlig derjenigen entspricht, die in Akrotiri freigelegt wurde.[17] Ebenso wiesen die Wandmalereien deutliche stilistische Verbindungen zu den Fresken auf Thera auf.[18] Niemeier befürwortet daher die „lange Chronologie“ und eine Verschiebung des Endes von SM IA von 1500 auf 1600. Da dies aber zur Folge hätte, dass neben der minoischen auch die sichergeglaubte ägyptische Chronologie grundlegend revidiert werden müsste – und damit alle davon abhängigen Chronologien im vorderen Orient und ganz Europa –, sprachen sich führende Ägyptologen, bspw. Manfred Bietak, entschieden dagegen aus.[19]
Da sich in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. die politischen Verhältnisse in Ägypten und Mesopotamien im Umbruch befanden, gibt es kein eindeutiges schriftliches Zeugnis der Katastrophe, mit dem eine historiografische Datumsbestimmung möglich wäre. Umstritten ist eine ägyptische Inschrift, die sog. „Unwetter-Stele“ des Ahmose.[20] Diese – auch formal – höchst ungewöhnliche Schilderung einer Naturkatastrophe berichtet von ungeheurem Tosen und tagelanger Finsternis in ganz Ägypten, was sehr an typische Begleiterscheinungen eines schweren Vulkanausbruchs erinnert, insbesondere des Krakatau-Ausbruchs von 1883. Der Zeitpunkt der Katastrophe liegt zwischen dem 11. und dem 22. Regierungsjahr des Ahmose, also 1539–1528 v. Chr. (nach Beckerath[21]) bzw. 1519–1508 v. Chr. (nach Schneider[22]).
Sollte das beschriebene „Unwetter“ durch die minoische Eruption ausgelöst worden sein, bietet sich hiermit eine Datierung aus historiografischer Sicht. Es gibt allerdings auch die Ansicht, dass jenes „Unwetter“ vielmehr symbolisch als Zustand der Verwüstung in Ägypten nach Ende der Hyksoszeit zu interpretieren ist.[23] Zumindest konnte die Archäologie bislang keine Spur der Minoischen Eruption (in Form einer Ascheschicht) während der Regierungszeit des Ahmose in Avaris oder anderen Orten Unterägyptens nachweisen.
Naturwissenschaftliche Methoden
Die „klassische“ Datierung der Minoischen Eruption in das späte 16. Jahrhundert v. Chr. wurde erstmals 1987 in Frage gestellt, als die Auswertung von Eisbohrkernen aus Grönland ergab, dass die einzige größere Vulkaneruption der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. nicht um 1500 sondern 1645 v. Chr. (± 20 Jahre) stattfand.[24] Der Säurepeak, der in Schichten aus dieser Zeit gefunden wurde, konnte zwar nicht eindeutig mit Thera in Verbindung gebracht werden, wurde aber aufgrund der Vermutung, dass es im 2. Jahrtausend v. Chr. keine weitere große Eruption gegeben habe, als „most likely candidate for the Minoan eruption“ genommen.[24] Die Annahme, dass die Minoische Eruption groß genug war, um säurehaltige Rückstände sogar auf Grönland zu hinterlassen, basierte auf Marinatos' ursprünglicher Theorie eines mit Tambora vergleichbaren Ausbruchs.[1] Ein Ausbruch dieser Größe musste allerdings ebenso kurzfristige Veränderungen des Klimas nach sich ziehen, einen sogenannten Vulkanischen Winter, wie es ihn auch beim größten bekannten Ausbruch in historischer Zeit – Tambora im Jahr 1815 – gegeben hatte (siehe Jahr ohne Sommer).
Bereits 1984 wurde bei der dendrochronologischen Untersuchung von langlebigen Kiefern in den kalifornischen White Mountains (siehe Bristlecone-Pines-Chronologie) eine solche Klimaanomalie festgestellt.[25] Ein ungewöhnlich schmaler Jahresring aus dem Jahr 1627 v. Chr. deutete darauf hin, dass in diesem Jahr ein extrem kalter Sommer herrschte. Der Rückschluss, dass dies die Folge der minoischen Eruption gewesen sein könnte, wurde 1984 allerdings noch nicht gezogen. Dies geschah erst 1988 – vor dem Hintergrund der grönländischen Eisbohrkernanalyse –, als bei einer Untersuchung irischer Eichen ebenfalls eine Abfolge ungewöhnlich schmaler Jahresringe beginnend 1628 v. Chr. festgestellt werden konnte.[26] Eine weitere Untersuchung im Jahr 1996, von Holzproben aus Anatolien, bei denen zwei überdurchschnittlich breite Jahresringe auf ungewöhnlich milde und feuchte Sommer hinwiesen, bestätigte die Klimaanomalie.[27] Zuletzt wurde im Jahr 2000 bei einer Untersuchung mehrerer Kiefernstämme aus einem Torfmoor in Schweden ein erneuter Hinweis auf eine Klimaveränderung gefunden.[28]
Problematisch ist an dieser Art der Datierung jedoch, dass die Klimaveränderung der 1620er v. Chr. keinesfalls zwingend eine Folge der minoischen Eruption sein muss. Ebenso gut könnte der Ausbruch eines anderen Vulkans dafür verantwortlich sein. Deshalb überrascht es nicht, dass es weitere „Kandidaten“ für die Klimaanomalie gibt. Im Jahr 1990 schlugen kanadische Forscher die Avellino-Eruption des Vesuv vor, die sie mittels Radiokohlenstoffdatierung auf 1660 v. Chr. (± 43 Jahre) datierten.[29] Des Weiteren wurden Eruptionen der nordamerikanischen Vulkane Mount St. Helens und Mount Aniakchak in das 17. Jahrhundert v. Chr. datiert.[30] Auch die Identifikation theräischer Tephra im Grönlandeis[24] ist nicht unumstritten geblieben. Eine Untersuchung anderer grönländischer Eisbohrkerne ergab nach der Analyse der säurehaltigen Rückstände im Eis, dass die 1987 festgestellte Schicht nicht von einem Ausbruch des Theravulkans stammte.[31] Eine jüngere Analyse von Partikeln aus vulkanischem Glas aus der grönländischen Eisschicht von 1645 v. Chr. ergab, dass sie von einem Ausbruch des Mount Aniakchak in Alaska stammt.[32]. Die 2006 gelungene Radiokohlenstoffdatierung eines in den Ascheschichten auf Thera gefundenen Olivenbaumastes ergab ein Alter von 1627-1600 v.Chr.[33] Diese Methode erlaubt jedoch keine Aussage darüber, welches Alter das Holz zum Zeitpunkt der Einlagerung in der Asche hatte, ob die Asche also möglicherweise deutlich jünger ist als der Olivenast.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die Zuordnung all dieser naturwissenschaftlichen Daten zur Minoischen Eruption bisher nicht eindeutig zu belegen ist. Als gesichert können bislang nur zwei Dinge gelten: zum einen, dass es in den 1620ern v. Chr. eine weltweite, mehrjährige Klimaveränderung gegeben hat, und zum anderen, dass es ziemlich exakt 1645 v. Chr. einen Ausbruch des Mount Aniakchak gab[32], der den ursprünglich der Minoischen Eruption zugeschriebenen[24] Säurepeak im grönländischen Eis verursachte. Um als Auslöser der 1620er Klimaveränderung gelten zu können, muss die Minoische Eruption jedoch etwa die Größe der Tambora-Eruption (120-150 km³) gehabt haben. Dafür sprechen zumindest in Ansätzen die neuen geologischen Erkenntnisse, die auf eine wesentlich größere Eruption als lange Zeit angenommen hinweisen[7], dagegen spricht jedoch, dass sich ihre Spuren bislang nicht im grönländischen Eis nachweisen ließen,[31] obwohl dies bei einer so großen Eruption zu erwarten wäre. Da aber für das 17. Jahrhundert v. Chr. außer der geografisch vergleichsweise nahe liegenden Mount Aniakchak-Eruption keine Spuren eines Vulkanausbruchs im Eis zu finden sind, wurde die Klimaveränderung der 1620er v. Chr. vermutlich nicht von einem vulkanischen, sondern einem astronomischen Ereignis ausgelöst.
Soziokulturelle Auswirkungen
Es ist unklar, wie sich die Minoische Eruption direkt oder indirekt auf die Zivilisation der Minoer ausgewirkt hat, da sie weder schriftliche noch bildliche Darstellungen der Katastrophe hinterlassen haben. Die bereits erwähnten archäologischen Zeugnisse sprechen „nur“ gegen eine plötzliche Zerstörung der Minoischen Kultur durch die Eruption, mehr können sie jedoch nicht sagen. Ebenso sind die Auswirkungen auf das griechische Festland unklar, da die Eruption von der Mykenischen Kultur in den ab dem 15. Jahrhundert v. Chr. auftauchenden Linear B Tafeln nicht erwähnt wird. Bis auf die bereits genannte, umstrittene Stele des Pharao Ahmose[20] gibt es kein zeitgenössisches Zeugnis der Minoischen Eruption, das einen Rückschluss auf ihre Auswirkung erlaubt.
Unklar ist, ob die Minoische Eruption in später entstandenen Mythen reflektiert wurde. So wurden zahlreiche lokale, von Überschwemmungen berichtende Mythen – in der Regel der Kampf eines Gottes mit Poseidon, der im Zuge dessen das Land überflutet – sowie der Mythos der Deukalionflut als auf der Minoischen Eruption basierend ins Gespräch gebracht. Allerdings spricht keiner dieser Mythen explizit von einem Vulkanausbruch und kann daher nur über teils gewundene Interpretation sowie der Annahme einer katastrophalen Flut nach der Eruption mit Thera in Verbindung gebracht werden.
Ebenso wurde der in der Argonautensage vorkommende Talos, ein bronzener Riese der Kreta bewacht und feindliche Schiffe mit Felsbrocken bewirft, als Reflexion der Minoischen Eruption gedeutet.[34] Hennig geht davon aus, dass dieser Mythos in den Jahrzehnten unmittelbar vor der Eruption entstand, als der Inselvulkan mehr oder minder starke Tätigkeit zeigte.[35]
Der griechische Archäologe Angelos Galanopoulos vermutet die Eruption gar als Vorbild für den Untergang von Platons fiktivem Inselstaat Atlantis,[36] was jedoch in Anbetracht der spärlichen Zeugnisse recht unwahrscheinlich ist.
Literatur
- Christos Doumas: „The Minoan Eruption of the Santorini Volcano“, in: Antiquity 48, 1974, S. 110-115.
- Stefan Hiller: „Die Explosion des Vulkans von Thera“, in: Gymnasium 82, 1975, S. 32–74.
- Hans Lohmann: „Die Santorin-Katastrophe – ein archäologischer Mythos?“, in: Eckart Olshausen und Holger Sonnabend (Hgg.): Naturkatastrophen in der antiken Welt, Stuttgart 1998. ISBN 3-515-07252-7
- Sturt W. Manning: A Test of Time. The Volcano of Thera and Chronology and History of the Aegean and East Mediterranean in the Mid Second Millennium B.C, Oxford 1999. ISBN 1-900188-99-6
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Spyridon Marinatos: The Volcanic Destruction of Minoan Crete, in: Antiquity 13, 1939, S. 425-439.
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- ↑ a b Floyd W. McCoy & Grant Heiken, The Late-Bronze Age explosive eruption of Thera (Santorini), Greece – Regional and local effects, in: Volcanic Hazards and Disasters in Human Antiquity, Special Paper 345 of the Geological Society of America, Boulder 2000, S. 43–70. ISBN 0-8137-2345-0
- ↑ John Antonopoulos: The great Minoan eruption of Thera volcano and the ensuing tsunami in the Greek Archipelago, in: Natural Hazards 5, 1992, S. 153-168. doi:10.1007/BF00127003 ; Maria T. Pareschi et al.: Impact of the Minoan tsunami of Santorini: Simulated scenarios in the eastern Mediterranean, Geophysical Research Letters 33, 2006, L18607. doi:10.1029/2006GL027205.
- ↑ Christos Doumas et al.: Santorini tephra from Rhodes, in: Nature 287, 1980, S. 322-324. doi:10.1038/287322a0
- ↑ W. J. Eastwood et al.: The environmental impact of the Minoan eruption of Santorini (Thera): statistical analysis of palaeoecological data from Gölhisar, southwest Turkey, in: The Holocene 12, 2002, S. 431-444. doi:10.1191/0959683602hl557rp
- ↑ a b Floyd W. McCoy et al.: Modelling the Climatic Effects fo the LBA Eruption of Thera: New Calculations of Tephra Volumes May Suggest a Significantly Larger Eruption than Previously Reported, in: Proceedings of the Chapman Conference on Volcanism and the Earth’s Atmosphere, Am. Geophysical Union, Santorini, 2002, S. 21-22.
- ↑ Die Darstellung des Ablaufs folgt McCoy/Heiken 2000, soweit keine anderen Quellen angegeben sind.
- ↑ Clairy Palyvou: Akrotiri Thera – an architecture of affluence 3500 years old, INSTAP Academic Press, Philadelphia 2005, S. 11. ISBN 1-931534-14-4
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- ↑ Manfred Bietak (Hrsg.): Trade, Power and Cultural Exchange: Hyksos Egypt and the Eastern Mediterranean World 1800-1500 BC (= Ägypten und Levante 5), Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1995. ISBN 3-7001-2205-5
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- ↑ Peter I. Kuniholm et al.: Anatolian tree rings and the absolute chronology of the eastern Mediterranean, 2220–718 BC, in: Nature 381, 1996, S. 780-783. doi:10.1038/381780a0
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- ↑ Friedrich W.L., Kromer B., Friedrich M., Heinemeier J., Pfeiffer T., Talamo S. (2006): Santorini eruption radiocarbon dated to 1627-1600 BC. In: Science 312 (5773): 548-548; doi:10.1126/science.1125087
- ↑ J. Schoo: „Vulkanische und seismische Aktivität des ägäischen Meeresbeckens im Spiegel der griechischen Mythologie“, in: Mnemosyne Bd. 3/4, S. 257-294.
- ↑ R. Hennig: „Altgriechische Sagengestalten als Personifikation von Erdfeuern und vulkanischen Vorgängen“, in: Jahrbuch des deutschen archäologischen Instituts 54, 1939, S. 230-246.
- ↑ Angelos G. Galanopoulos, Edward Bacon: Die Wahrheit über Atlantis, Heyne Verlag, München 1980. ISBN 3-453-00654-2
Weblinks
36.34944444444425.399308333333Koordinaten: 36° 20′ 58″ N, 25° 23′ 57,5″ O
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