Saramago

Saramago
José Saramago

José Saramago (* 16. November 1922 als José de Sousa Saramago in Azinhaga, Portugal) ist ein portugiesischer Romancier, Lyriker, Essayist, Erzähler, Dramatiker und Tagebuchautor. 1998 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Seine Romane spielen in verschiedenen historischen Epochen Portugals, wobei es sich aber nicht um historische Romane im eigentlichen Sinne handelt. Im Mittelpunkt steht meist das Verhalten und Bemühen einzelner Personen oder Gruppen (meist Angehöriger der unteren Schichten), mit einer für sie feindlichen Umwelt bzw. Gesellschaft zurechtzukommen.

Saramago erzählt kraftvoll in einer klaren, detailreichen Form.

Seine Romane haben teilweise surrealistische und märchenhafte Züge, beispielsweise wenn in Die Stadt der Blinden nach und nach alle Einwohner einer Stadt von Blindheit geschlagen werden. Diese Situation bildet den Hintergrund für eine von großer psychologischen und soziologischen Kenntnis zeugenden Schilderung von allgemein-menschlichen Verhaltensweisen. So sind seine Protagonisten gleichzeitig individuelle Personen, die einen Entwicklungsprozess durchlaufen, als auch Charaktermasken, die für bestimmte Personengruppen stehen.

Saramago ist bekennender Atheist und Kommunist; sein Roman Das Evangelium nach Jesus Christus wurde von der katholischen Kirche als blasphemisch eingestuft und führte dazu, dass die portugiesische Regierung die Nominierung für den Europäischen Kulturpreis zurückzog.

Obwohl sich Saramago als Pessimist bezeichnet und trotz mancher an Kafka erinnernden Situationen in seinen Romanen, sind in seinen Texten immer auch Hoffnung, tief wurzelnder Glaube an das Gute im Menschen und in der Welt sowie Appelle an die Humanität zu finden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1922 wurde Saramago in dem kleinen Dorf Azinhaga im Kreis Golegã in der späteren portugiesischen Provinz Ribatejo geboren. Seine Eltern José de Sousa und Maria da Piedade und deren Familien waren Landarbeiterfamilien in den Latifundien der Großgrundbesitzer. José de Sousa, wie sein Vater, wäre heute sein Name, hätte nicht der Standesbeamte auf eigene Initiative den Cognomen Saramago, durch den die Familie seines Vaters im Dorf bekannt war, seinem Namen hinzugefügt. Saramago ist der Ackerrettich, eine wilde Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler und diente den Armen in Portugal als Nahrung, ähnlich der wilden Rauke in früheren Zeiten in Deutschland. Erst als Saramago sieben Jahre alt war und in der Grundschule einen Ausweis vorlegen musste, bemerkte die Familie, dass sein voller Name José de Sousa Saramago lautete.

1924 zog die Familie nach Lissabon um, wo der Vater als Polizist arbeitete.

Trotz exzellenter Zeugnisse konnte Saramagos Familie sich den Besuch eines Gymnasiums für ihn nicht leisten. Als einzige Möglichkeit blieb ihm, auf eine technische Fachschule zu gehen, er wurde Mechaniker und arbeitete 2 Jahre in einer KFZ-Werkstatt. Während des Besuches der technischen Fachschule kam er zum ersten Mal in Kontakt mit der portugiesischen Literatur. In den nächsten Jahren wurde Saramago ein eifriger Besucher der öffentlichen Bibliothek Lissabons, seine autodidaktischen Studien ermöglichten es ihm bald, in Verlagen und für Zeitungen zu arbeiten, bevor er 1976 freier Schriftsteller wurde.

Zum Zeitpunkt seiner Heirat mit Ilda Reis (1944) war Saramago Angestellter bei der previdência social, der portugiesischen Sozialwohlfahrt.

1947 wurde sowohl sein einziges Kind Violante geboren als auch seine erste Novelle unter dem Titel Terra do Pecado veröffentlicht. Er schrieb noch eine weitere (unveröffentlichte) Novelle. Beim Versuch, Weiteres zu schreiben, kam er zu dem Schluss "... dass ich nicht Lohnendes zu sagen habe". Bis 1966 veröffentlichte er daraufhin nichts mehr.

1949 wurde Saramago aus politischen Gründen entlassen. Ende der 1950er begann er, als Produzent für einen Verlag zu arbeiten, so dass er viele wichtige portugiesische Schriftsteller kennen lernte und sich mit einigen befreundete.

Ab 1955 arbeitete er auch Teilzeit als Übersetzer.

1966 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband Os Poemas Possíveis, 1970 seinen zweiten Provavelmente Alegria.

1967/1968 arbeitete er zusätzlich als Literaturkritiker; die gesammelten Kritiken wurden dann auch 1971 (Deste Mundo e do Outro) und 1973 (A Bagagem do Viajante: crónicas) als Bücher publiziert.

Im Jahre 1969 schloss er sich der damals verbotenen Kommunistischen Partei Portugals an, in der er indessen immer eine kritische Haltung einnahm.

Nach der Scheidung von seiner Frau (1970) ging er eine Beziehung mit der portugiesischen Schriftstellerin Isabel da Nóbrega ein, die bis 1986 andauern sollte.

Nach der Nelkenrevolution 1974 schien Portugal eine kurze Zeit zum Kommunismus zu tendieren. Von April bis November 1975 arbeitete Saramago als stellvertretender Leiter der Tageszeitung Diário de Nóticias. Nach einer gescheiterten Rebellion kommunistischer Truppenteile ging das bürgerliche Lager als Sieger aus der Revolution hervor; Saramago verlor seinen Posten; ohne Hoffnung auf eine Anstellung entschied er sich, sich ganz der Literatur zu widmen.

1980 hatte er seinen nationalen Durchbruch mit dem Roman „Hoffnung im Alentejo“ (port. Levantado do Chão, 1980). Darin beschreibt er die Geschichte der Landarbeiter des Alentejo, ihr entbehrungsreiches und eintöniges Leben, wie sie aufbegehren gegen feudale Herrschaftsstrukturen, die sich über 500 Jahre hinweg kaum verändert hatten. Die Besetzungen der Latifundien durch die Landarbeiter nach der Nelkenrevolution bilden den hoffnungsvollen Schlusspunkt der klerikalfaschistischen Diktatur: von nun an besteht die Hoffnung nicht mehr geknechtet, sondern tatsächlich „vom Boden erhoben“ (levantado do chão) zu leben.

1982 erzielte er seinen internationalen Durchbruch mit dem blasphemisch-humoristischen Liebesroman "Das Memorial" (Memorial do Convento, 1982), der im Portugal des achtzehnten Jahrhunderts spielt und den Bau des Klosters von Mafra aus der Sicht des kleinen Mannes beschreibt. Es ist ein bitter-ironischer, facettenreicher und vieldeutiger Text, der gleichzeitig eine historische, soziale und individuelle Perspektive enthält. Das Buch inspirierte den italienischen Komponisten Azio Corghi zur Oper Blimunda, die 1990 in der Mailänder Scala uraufgeführt wurde. Der große Erfolg dieser beiden Romane bei den Lesern ermöglichte ihm die finanzielle Unabhängigkeit als Schriftsteller.

In der Folge erschienen verschiedene Gedichte, Novellen, Romane und Dramen.

Saramago sprach sich 1986 gegen den Beitritt Spaniens und Portugals zur EU aus.

1988 heiratete Saramago die spanische Journalistin Pilar del Río.

1991 veröffentlichte Saramago das Buch Das Evangelium nach Jesus Christus. Die katholische Kirche erklärte den Roman für blasphemisch. Als der damalige Kulturstaatssekretär der konservativen Regierung, Pedro Santana Lopes, 1992 den Namen Saramagos von der Liste der Kandidaten für den Europäischen Literaturpreis strich und so seinem neuen Roman die Teilnahme verweigerte, verlegten Saramago und seine Frau als Protest ihren Wohnsitz auf die kanarische Insel Lanzarote.

Saramago kandidierte bei den Europawahlen 2004 für die Kommunistische Partei Portugals, allerdings auf einem aussichtslosen Listenplatz.

Saramago erhielt viele portugiesische und internationale Literaturpreise, so 1995 den Prémio Camões und 1998 den Nobelpreis für Literatur. Er besitzt Ehrendoktortitel der Universitäten von Turin (Italien), Universität Sevilla und Polytechnische Universität Valencia (Spanien), Universität Manchester (Großbritannien) und Universität Coimbra (Portugal).

Werke

Lyrik

  • Os Poemas Possíveis. Portugália Ed. 1966, Ed. Caminho, 1982
  • Provavelmente Alegria. Livros Horizonte 1970, Ed. Caminho, 1985
  • O Ano de 1993. Ed. Futura 1975, Ed. Caminho, 1987

Zeitgeschichte

  • Deste Mundo e do Outro. Ed Arcádia 1971, Ed Caminho, 1985
  • A Bagagem do Viajante: crónicas. Ed. Futura 1973, Ed. Caminho, 1986
  • As Opiniões que o DL teve. Seara NovaEd. Futura, 1974
  • Os Apontamentos: crónicas política. Seara Nova, 1976, Ed. Caminho, 1990

Tagebücher

  • Cadernos de Lanzarote I. 1994
  • Cadernos de Lanzarote II. 1995
  • Cadernos de Lanzarote III. 1996
  • Cadernos de Lanzarote IV. 1997
  • Cadernos de Lanzarote V. 1998

Reisebeschreibungen

  • Viagem a Portugal. Círculo de Leitores 1981, Ed. Caminho, 1984
    (deutsch: Die portugiesische Reise. ISBN 3-498-06350-2)

Dramen

  • A Noite. Ed. Caminho, 1979
    (deutsch: Die Nacht. ISBN 978-3-940627-00-1)
  • Que Farei Com Este Livro?. Ed. Caminho, 1980
  • A Segunda Vida de Francisco de Assis. Ed. Caminho, 1987
  • In Nomine Dei. Ed. Caminho, 1993
  • Don Giovanni ou o Dissoluto Absolvido. Ed. Caminho, 2005

Romane und Novellen

  • Terra do Pecado. Minverva, 1947
  • Manual de Pintura e Caligrafia. Moraes Ed. 1977, Ed. Caminho, 1984
    (deutsch: Handbuch der Malerei und Kalligraphie. ISBN 349922304X)
  • Objecto Quase. Moraes Ed.1978, Ed. Caminho, 1984
    (deutsch: Der Stuhl und andere Dinge. ISBN 3499223015)
  • Poética dos Cinco Sentidos - O Ouvido. 1979
  • Levantado do Chão. Ed. Caminho, 1980
    (deutsch: Hoffnung im Alentejo. ISBN 3499223023)
  • Memorial do Convento. Ed. Caminho, 1982, Círculo de Leitores, 1984
    (deutsch: Das Memorial. ISBN 3499223031)
  • O Ano da Morte de Ricardo Reis. Ed. Caminho, 1984
    (deutsch: Das Todesjahr des Ricardo Reis. ISBN 3499223082)
  • A Jangada de Pedra. Ed. Caminho 1986, Círculo de Leitores, 1987
    (deutsch: Das steinerne Floß. ISBN 3499223058)
  • História do Cerco de Lisboa. Ed. Caminho, 1989
    (deutsch: Geschichte der Belagerung von Lissabon. ISBN 3499223074)
  • O Evangelho Segundo Jesus Cristo. Ed. Caminho, 1991
    (deutsch: Das Evangelium nach Jesus Christus. ISBN 3499223066)
  • Ensaio sobre a Cegueira. Ed. Caminho, 1995
    (deutsch: Die Stadt der Blinden. ISBN 3499231816, ISBN 3499224674, ISBN 3498063189)
  • Todos os Nomes. Ed. Caminho, 1997
    (deutsch: Alle Namen. ISBN 3499233827, ISBN 3499229218, ISBN 3498063324)
  • O Conto da Ilha Desconhecida. Assírio&Alvim, 1997
    (deutsch: Die Geschichte von der unbekannten Insel. ISBN 3498063359, zweisprachige Ausgabe ISBN 3925203982)
  • A Caverna. Ed. Caminho, 2000
    (deutsch: Das Zentrum. ISBN 3499233304, ISBN 3498063510)
  • O Homem Duplicado. Ed. Caminho, 2002
    (deutsch: Der Doppelgänger. ISBN 3498063731, ISBN 3499235986)
  • Ensaio sobre a lucidez. Ed. Caminho, 2004
    (deutsch: Die Stadt der Sehenden. ISBN 3-498-06384-7, ISBN 3-499-24082-3)
  • As intermitências da morte. Ed. Caminho, 2005
    (deutsch: Eine Zeit ohne Tod. ISBN 3-498-06389-8)
  • As Pequenas Memórias. Ed. Caminho, 2006 ISBN 972-21-1831-5
    (deutsch:Kleine Erinnerungen. ISBN 978-3-498-06399-3)
  • A viagem do elefante. Ed. Caminho, 2008 ISBN 978-972-21-2017-3

Weblinks

José Saramago in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database


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