- Satanistisch
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Unter dem Begriff Satanismus werden mehrere geistige Strömungen zusammengefasst, die nicht unbedingt miteinander in Verbindung stehen. Der „traditionelle“ (theistische) Satanismus beinhaltet das Verehren von Gottheiten, während der sogenannte „moderne“ Satanismus einen atheistischen und rationalistischen Standpunkt vertritt. Der Begriff wurde nachweislich zum ersten Mal von Robert Southey als Schlagwort verwendet, welcher auf diese Weise seinen Gegner Lord Byron zu diskreditieren suchte. Lord Byrons Drama „Cain“ aus dem Jahr 1821 gilt als das erste satanistische Werk der Weltliteratur. Bereits im Jahr 1667 veröffentlichte John Milton die Dichtung „Paradise Lost“, in der erstmals in der Literaturgeschichte ein Satan beschrieben wird, der dem Menschen seine Potentiale bewusst machen soll, zu Wissen und Göttlichkeit zu gelangen. Später auftretende Erscheinungen des Satanismus sind ansatzweise die antichristlichen „Hellfire Clubs“ im Großbritannien des 18. Jahrhunderts.
Das wichtigste Motiv des religiösen Satanismus – die Vergöttlichung des Menschen („Deus est homo“) – findet ihren Ursprung in gnostischen Schlangenkulten der Antike (Ophiten). Sie schimmert durch 1 Mose 3, 5 mit „ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist“.
Für die Zuordnung einer Strömung zum Satanismus gilt in der Regel das Kriterium, dass die Figur Satans mehr oder weniger im Mittelpunkt steht. Anton Szandor LaVey als Schöpfer der 1966 von ihm gegründeten Church of Satan machte Satanismus als Erster öffentlich zu einem eigenständigen achristlichen Religionssystem. Seine „Satanische Bibel“ 1968 wurde inhaltlich in großen Teilen bereits von dem sozialdarwinistischen Autor Ragnar Redbeard („Might is Right!“, 1896) und dem britischen Magier Aleister Crowley („Equinox“) vorweggenommen.
Entgegen einer populären Auffassung wird Aleister Crowley, der sich von Satanismus distanzierte, von Religionswissenschaftlern wie Joachim Schmidt nicht als eigentlicher Satanist eingestuft. [1] Allerdings fand die thelemische Erklärung der Menschenrechte von Crowleys „Liber OZ“ in ihrer entmystifizierten Form gerade unter den Satanisten weite Verbreitung, die sich nicht auf die „Nine Satanic Statements“ der Church of Satan als ethische Grundlage beziehen. Von diesen Satanisten wird Crowley als Satanist betrachtet. Die Verbindung von Satanismus und Thelema wurde durch den britischen Schriftsteller Dennis Wheatley geprägt.
Für einen real existierenden Satanismus in Mittelalter und Frühneuzeit vor dem Hintergrund der zahlreichen Hexenverbrennungen dieser Epoche gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Forschung keinerlei Anhaltspunkte.
Inhaltsverzeichnis
Zur etymologischen Relevanz der Satansfigur
Der Begriff Satanismus bezieht sich etymologisch auf den Kulturraum der monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Allerdings geht die Idee einer dualistisch angelegten Welt, in der ein Kampf zwischen Gut und Böse ausgefochten wird, zurück auf ältere Religionen wie zum Beispiel den Zoroastrismus. Im Zentrum dieses Glaubens steht der Schöpfergott Ahura Mazda gegen Ahriman. Gnostische Strömungen übernahmen diesen Dualismus.
Judentum
„Satan“ (hebr. שטן) bedeutet „Anfeinder“, „Gegner“ und „Widersacher“. Seine Funktion im Buch Hiob gleicht der eines Staatsanwalts. Satan kann durchaus eine positive Rolle übernehmen. Seine theologisch untergeordnete Funktion wird dadurch sichtbar: Er handelt immer im Auftrag Gottes. Im Judentum ist Satan derjenige, der die Seite der Anklage am Richterstuhl Gottes vertritt (Sacharja 3). Diese Auffassung lebt weiter in der Person des Advocatus diaboli, der diese Funktion bei Verhandlungen am Stuhl Petri ausführt. Im Buch Ijob wird Satan als einer der Söhne Gottes bezeichnet, der in der Hierarchie der Engel so weit oben stand, dass er Zutritt zu Gottes Hofstaat hatte (Hiob 1,6ff). Eine polarisierende Deutung der Welt als ein Kampf Gut gegen Böse entstand später aus anderen religiösen Strömungen (persische und babylonische Religionen) in der jüdischen Kultur und war zunächst wenig bedeutsam. Theologisch relevant wurde sie mit dem aufkommenden Christentum.
Satan wurde erst in späteren jüdischen Mythologien wie dem (im nach Otto Eissfeldt als auf vor 63 v. Chr. datiertem)[2] apokryphen Äthiopischen Buch Henoch als gefallener Engel beschrieben, der sich zusammen mit seinen Anhängern gegen Gottes Willen auflehnt und zur Strafe auf die Erde verbannt wurde (1. Henoch 52, 3; 53, 6).
Christentum
Der Begriff des Teufels im Neuen Testament ist ursprünglich griechisch Διάβολος, Diàbolos, „der Verleumder, Durcheinanderwerfer, Verwirrer“, was sich von Διά-βαλλειν, dia-balläin, „durcheinanderwerfen“ herleitet, seltener die griechische Umschrift des hebräischen Wortes „Satan“ mit Σατανας, Satanás. Das Wort personifiziert das Böse in seiner religiösen Funktion des Versuchers, wie es beispielhaft das Bild der Schlange im Paradies darstellt (1. Mose 3, 1–15). Im Christentum wird der Teufel als Gegner und Widersacher (hebräisch: „Satan“) des christlichen Gottes angesehen. Während im Laufe der Jahrhunderte alle nichtchristlichen („heidnischen“) Religionen in Europa von den Christen verdrängt wurden, erhielt der Teufel eine Vielzahl von Beinamen und neuen Gesichtern, da man die alten Gottheiten zu Feinden Gottes erklärte: eine der bekannteren Darstellungen ist die des bocksbeinigen Hirtengottes Pan.
Aus Sicht des Christentums ist Satanismus eine Ideologie, die sich weder mit dem christlichen Glauben vereinbaren, noch auf ihm aufbauen lässt. Als satanistische Kritik am christlichen Glauben bleibt der Satanismus auf halbem Weg stehen, wo der Begriff Satan einfach mit dem Gottes ersetzt wurde. Die als wesentlich betrachtete Abkehr der Satanisten von christlichen Dogmen, sozusagen als zur Schau getragene Antithese des christlichen Glaubens, erscheint im Gegensatz zum Atheismus als merkwürdig inkonsequent.
Gnosis
In gnostischen Strömungen wurde Satan mit dem römischen Gott Luzifer, dem „Lichtbringer“, gleichgesetzt.
Islam
Dem Islam ist die Vorstellung vom Schaitan (arab.: الشيطن) synonym Iblis als Widersacher Gottes oder eine Art Kräfte-Gegenpols fremd. Das Prinzip Gut gegen Böse als Gegenkräfte ist hier nicht anwendbar. Denn nur Allah ist der absolut Mächtige, Schaitan ist einzig Versucher der Menschen, dem Allah eine Frist gesetzt hat. Schaitan ist nicht allmächtig, doch gefährlich für die Menschen, solange sie wanken und sich Allah nicht vertrauensvoll zuwenden („Denn der Satan sucht Uneinigkeit unter ihnen zu stiften, und der Satan ist ja ein offenbarer Feind der Menschen.“ 17. Sure, Koran, Übers. Assmann). Folglich gibt es im Islam in der Regel in keiner Form Sekten oder Glaubensrichtungen, die sich mit Satan auseinandersetzen. Nach der siebten Sure wurde Satan aus Feuer, Adam aus Ton geschaffen. Die Sure weist Satane (Im Plural!) den Ungläubigen zu, welche die Ungläubigen beschützen und zu Irrtümern verführen sollen. Die über Satan verhängte Todesstrafe, weil er im Paradies Adam und Eva verführte, wurde ausgesetzt und findet nach islamischer Vorstellung erst beim jüngsten Gericht statt. Die symbolische Steinigung Satans nach der Rückkehr vom Berg Arafat in Mina (östlich Mekkas) ist eins der traditionellen Rituale der islamischen Pilgerfahrt.
Satanismus in der Literatur
Anfänglich war Satanismus eine von England ausgehende literarische Strömung, die sich mit dem Bösen integrativ auseinandersetzte. Als Begründer gilt John Milton (1608–1674). Sein „Paradise Lost“ 1667 enthält den Satz „Lieber in der Hölle herrschen als im Himmel dienen“; engl.: “Better to reign in hell than to serve in heaven”. Die bekanntesten Vertreter sind der englische Dichter William Blake (1757-1827) und die französischen Dichter Marquis Donatien Alfonse Francois de Sade (1740–1814) und Charles Baudelaire (1821–1867). Baudelaires manichäische Haltung zum Bösen mit seiner Ästhetik des Hässlichen findet 1857 Ausdruck im Gedichtband „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“. Marquis Donatien Alfonse Francois de Sades Hauptwerk dieser Richtung „Les 120 Journées de Sodome ou l'École du Libertinage“ wurde erst 1904 herausgeben, aber bereits im Jahr 1785 verfasst. Lord Byron (1788–1824) griff diese Ideen wieder in England mit „Childe Harold's Pilgrimage“ 1812 und „Der Korsar“ 1814 auf. E.T.A. Hoffmann (1776–1822) als Hauptvertreter der sogenannten Schwarzen Romantik in Deutschland ist Autor des 1815/16 herausgegebenen fantastischen Romans „Die Elixiere des Teufels“. 1865 erregte Giosuè Carducci (1835–1907), der spätere italienische Literatur-Nobelpreisträger von 1906, mit seiner „Inno a Satana“ (Hymne an Satan) Aufsehen.
Satanismus in der Musik
Der Satanismus ist das Hauptthema der Stilrichtung des Black Metal. Die Fans allerdings sind häufig keine Satanisten, sondern trennen klar zwischen der Musik und dem Alltag.
Satanismus als Philosophie und Religion
Satanistische Ideologien und Weltanschauungen
In den meisten „modernen“ satanistischen Ideologien stehen (im Gegensatz zum „traditionellen“ Satanismus) die Anbetung oder Anrufung des Teufels, Satans, Luzifers oder von Dämonen, sowie magische Praktiken nicht im Vordergrund, zentral ist stattdessen die Förderung der eigenen Göttlichkeit, die zum Beispiel im Ausleben der Sexualität zum Ausdruck gebracht wird; Satan wird zumeist als Symbol für den Widerstand gegen religiöse Dogmen verstanden. Der Mensch wird zum Maß der Dinge und ist sein eigener Gesetzgeber, was sich in weltanschaulichem Sozialdarwinismus ausdrücken kann. Die Individualität steht im Vordergrund. Okkultismus und Satanismus sind in den meisten Fällen als getrennt zu betrachten.
Während Religionen/Philosophien wie das Christentum, der Islam oder der Buddhismus dem „Pfad der rechten Hand“ zugeordnet werden, bezeichnen sich satanistische Gruppierungen als dem „Pfad zur linken Hand“ zugehörig. Man unterscheidet zwei Richtungen: Beim Pfad der rechten Hand werden religiöse Gebote befolgt mit Zielen wie Verschmelzung oder Einswerden. Der Pfad zur linken Hand widmet sich „Vergöttlichung“ oder Apotheose und betrachtet das Bewusstsein individueller Existenz als besonderes Geschenk und Chance für die Entwicklung des menschlichen Potenzials. Dennoch sind nicht alle Richtungen, die dem linkshändigen Pfad zugerechnet werden, als satanistisch zu verstehen (vgl. Tantra).
Satanismus in Subkulturen
Vielen Subkulturen wird nachgesagt, ihre Szenegänger würden dem Satanismus frönen, wobei man sich darunter unwissentlich meistens Jugendsatanismus vorstellt. Dies ist jedoch in den allermeisten Fällen vollkommen falsch.
Die Gothic-Subkultur findet sich wohl am häufigsten mit diesem Vorurteil konfrontiert. Das Kokettieren der Goths mit satanischer und dunkler Ästhetik – Petruskreuze (das auf dem Kopf stehende Kreuz ist nicht zwangsläufig antichristlich), Pentagramme und andere okkulte Symbole als Schmuck, schwarze Gewänder, düstere Musik – wird als Ausdruck einer Geisteshaltung oder gar Bestätigung für kultische Aktivitäten überbewertet. Die Texte der Musik dieser Kultur geben hier mehr Aufschluss über eine introvertierte Gefühlswelt von Melancholie und Weltschmerz.
Auch die Metal-Subkultur bedient sich stellenweise satanistischer Symbole. Mit welcher Häufigkeit und Ernsthaftigkeit, hängt ausgesprochen stark davon ab, in welcher Subszene des Metal man sich bewegt. In den meisten Subszenen werden, entgegen allen Vorurteilen, tatsächlich nur sehr selten satanistische Symbole verwendet, und entsprechendes Gedankengut ist gar nicht präsent. In der Subszene des Death Metal ist eine antichristliche bis satanische Symbolik vereinzelt vorzufinden, was in erster Linie jedoch mit dem Ziel einer künstlerisch inspirierten (manchmal auch kommerziell kalkulierten) Provokation geschieht. In der Black-Metal-Szene ist satanische Symbolik stärker vertreten, doch auch nordisch-heidnische Einflüsse lassen sich dort häufiger ausmachen.
Satanistische Organisationen
Referenzen
- ↑ Joachim Schmidt: Satanismus: Die Religion des Ego - Die First Church of Satan und der Temple of Set, 1995 in „Connection“
- ↑ Otto Eissfeldt The Old Testament, Oxford 1974, S. 619
Literatur
Primärliteratur
- Frater Eremor: Im Kraftstrom des Satan-Set – Der Pfad der dunklen Einweihung. Second Sight Books
- Frank Lerch: Ouroboros Files. Lübeck 2002, ISBN 3-89094-353-5
- Ragnar Redbeard, Anton Szandor LaVey (Vorwort): Might is Right. Die Philosophie der Macht, Edition Esoterick, Siegburg 2004, ISBN 3-936830-15-0
- Anton Szandor LaVey: Die Satanische Bibel u. Rituale. ISBN 3-935684-05-3
Sekundärliteratur
- Gavin Baddeley: Lucifer Rising. London 1999, ISBN 0-85965-280-7
2001, ISBN 3-935684-02-9
- Stephen Flowers: Lords of the Left-Hand Path. Smithville, Texas 1997, ISBN 1-885972-08-3
- Andreas Huettl und P.-R. König: Satan – Jünger, Jäger und Justiz, 416 S., 65 Abb., Kreuzfeuer Verlag, 2006, [1], ISBN 3-937611-01-0
- A. Lecanu: Geschichte des Satans, 430 S., 1863, Reprintverlag Leipzig 2000
- Michael Moynihan, Didrik Soederlind: Lords of Chaos – Satanischer Metal – Der blutige Aufstieg aus dem Untergrund. ISBN 3-936878-00-5
- Elaine Pagels: Satans Ursprung, 386 S., Suhrkamp 1998.
- Joachim Schmidt: Satanismus – Mythos und Wirklichkeit. Marburg 2002, ISBN 3-927165-66-2,
Weblinks
- Berichte aus okkulten Organisationen – Phantasie oder Wirklichkeit
- Geht die Jugend zum Teufel? Jugendsatanismus – Mythos und Realität
- Jugendsatanismus – Zwischen Verharmlosung und Überbewertung
- Satanismus in Großbritannien
- Wiedererwachen germanischer Werte? Johannes Lohmann zu Satanismus und Black Metal
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