Schandpfahl

Schandpfahl
Gotischer Pranger (frühes 16. Jahrhundert) auf dem Marktplatz von Schwäbisch Hall
Pranger am Ilmenauer Rathaus
Pranger vor dem Hauptportal des Bonner Münsters
am Pranger

Der Pranger, Schandpfahl oder Kaak war ein Strafwerkzeug in Form einer Säule, eines Holzpfostens oder einer Plattform, an denen ein Bestrafter gefesselt und öffentlich vorgeführt wurde. Zunächst Folter-Werkzeug und Stätte der Prügelstrafe (Stäupen), erlangten Pranger ab dem 13. Jahrhundert weite Verbreitung zur Vollstreckung von Ehrenstrafen. Der Pranger diente den Städten auch als äußeres Zeichen der Gerichtsbarkeit.

Die Strafe bestand vor allem in der öffentlichen Schande, welche der Verurteilte zu erdulden hatte und die vielfach ein „normales“ Weiterleben in der Gemeinschaft unmöglich machte oder sehr erschwerte. Auch war der Bestrafte den Schmähungen der Passanten ausgesetzt, die für ihn nicht ungefährlich waren. Auch das Bewerfen der betroffenen Person mit Gegenständen und das Prügeln waren üblich. In vielen Städten (z. B. Lübeck) war es jedoch untersagt, mit festen Gegenständen nach der Person im Pranger zu werfen.

Einer der letzten Fälle dürfte im Jahr 1853 in Berlin zu verzeichnen sein: Auf dem Höhepunkt der Reaktion in Preußen wurde auf dem Hausvogteiplatz noch eine Frau wegen Meineids an den Pranger gestellt: „… als es uns auffiel, dass sich vor der Hausvogtei eine neugierige Menschenschar unruhig vor etwas herumdrängte. Wir beschleunigten unsere Schritte und erblickten nun eine schon ziemlich bejahrte, korpulente Frau, mit den Händen rücklings an einen Pfahl gebunden, über dem zu lesen war: ‚Wegen Meineid‘. Man schrieb damals 1853. Es war also ein auf der Höhe der Reaktion gemachter Versuch, die mittelalterliche Strafe des Prangers wieder einzuführen. Als wir um zwölf Uhr auf dem Rückwege an derselben Stelle standen, war das uns Jungen natürlich sehr interessierende Schauspiel bereits von der Bildfläche verschwunden. Die Regierung hatte wohl eingesehen, dass sie nach 1848 so etwas den Berlinern nicht mehr bieten durfte.“[1]

Inhaltsverzeichnis

Bauformen

Es gibt verschiedene Bautypen des Prangers:

  • Ein Halseisen, das mit einer Kette am Rathaus, der Kirche oder einem sonstigen öffentlichen Gebäude befestigt ist.
  • Ein in den Boden eingelassener Holzpfahl mit einem Halseisen daran (Schandpfahl). In Frankreich hieß dieser Pfahl poteau, in den Niederlanden schandpaal.
  • Der Sitzpranger, ein Schandstuhl oder Schandesel, war ein hölzernes Gestell, welches auf einem öffentlichen Platz stand. Der Betroffene hatte darauf zu sitzen.
  • Ein Käfig, zum Stehen und Sitzen auf öffentlichen Plätzen. Ein solcher befindet sich noch heute auf dem Markt der Stadt Leutschau (Levoča) in der Slowakei und in Möhringen (Donau).
  • Auch der Lästerstein ist hierzu zu zählen.
  • In England und seinen ehemaligen Kolonien wird unterschieden zwischen dem permanent errichteten pillory (von lat. pila = Pfeiler, Säule) und den beweglichen und weniger demütigenden stocks, in denen Hände und Füße des Bestraften eingeklemmt wurden (vergleiche auch den deutschen Stock oder Fußblock).
  • Der pilori in Frankreich war ein permanent errichteter, kleiner Turm mit einem Ring aus Holz oder Eisen für Kopf und Arme, oft noch auf einer Drehscheibe befestigt, um den Bestraften nach allen Seiten ausstellen zu können.
  • In Portugal und seinen ehemaligen Kolonien sind mehrere pelourinhos erhalten, typischerweise auf dem Hauptplatz oder vor einer Kirche oder einem Palast (z. B. in Cidade Velha auf den Kapverden). In Salvador da Bahia, der früheren Kolonialhauptstadt Brasiliens, heißt heute die gesamte Altstadt pelourinho.
  • Im alten China, Japan und Korea ein quadratisches Holzbrett mit einer kreisrunden Öffnung für den Hals (Holzkragen, chin. ànsuǒ [項鎖], kor. kal [칼], jap. kubikase [首枷]). Es gab Ausführungen für nur einen Bestraften[2] oder auch für mehrere.[3] In Europa waren derartige Geräte als Halsgeige bekannt.

Die wohl verbreitetste Form des Prangers bestand in der Regel aus zwei parallel angeordneten Brettern, die durch Scharniere miteinander verbunden und am Ende eines starken Pfahles angebracht waren. In beiden Brettern waren Aussparungen für den Hals und, links und rechts davon, für die Handgelenke. Die geschlossenen Bretter fesselten nun den Straftäter um Hals und Hände. Derart ausgestattet wurde er dann auf öffentlichen Plätzen ausgestellt.

Berühmte Fälle

Eine der prominentesten Personen am Pranger war der englische Schriftsteller Daniel Defoe, der 1703 in London für seine Satiren an den Pranger gestellt wurde. Sein Gedicht Hymn to the Pillory (engl. Pranger) sprach dem Publikum jedoch derart aus dem Herzen, dass es ihn mit Blumen bewarf, statt mit dem üblichen Fallobst und Steinen, und auf seine Gesundheit trank.

Heute

Trotz der modernen Ächtung des Prangers existieren ähnliche Formen der öffentlichen Vorführung nach wie vor: In den Medien werden tatsächliche oder vermeintliche Straftäter (oft mit Bild oder Angabe des Namens) zur Schau gestellt. In den USA werden inzwischen offiziell von Behördenseite Listen von Straftätern (z. B. Vergewaltigern) mit vollem Namen, Anschrift und Foto veröffentlicht. Im Rahmen des sogenannten „Creative Sentencing“ mehren sich vor allem in den Vereinigten Staaten alternative Schuldsprüche, die unter anderem auch das öffentliche Anprangern der Verurteilten vorsehen.[4]

Siehe auch: Niedere Gerichtsbarkeit, Gesichtsverlust, Scham, Ehrenstrafe

Quellen

  • Entstehung des frühneuzeitlichen Europa. 1550–1648. Herausgegeben und verfasst von Richard van Dülmen, Fischer Weltgeschichte, Band 24 S.239, 9. Auflage, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2000.
  • Konrad Fuchs und Heribert Raab: Wörterbuch Geschichte. 12. Auflage, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2001.(S. 631)
  • Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Band 4 S.1196, Freiburg, Basel, Wien: Verlag Herder 1994.

Fußnoten

  1. Johannes E. S. Schmidt: Die Französische Domschule und das Französische Gymnasium zu Berlin. Schülererinnerungen 1848–1861. Herausgegeben und kommentiert von Rüdiger R. E. Fock. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-3478-0. S. 35
  2. Bild
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  4. Süddeutsche Zeitung: Strenge US-Richter: Schandlaufen vorm Supermarkt

Weblinks


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Synonyme:

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