- Schnapsmatrize
-
Die Hektographie (griechisch; etwa: "Verhundertfachung", wörtl.: Hundertschreibung; auch: Hektografie, ähnlich: Kilograph oder Kilograf) ist ein veraltetes Umdruckverfahren zur Vervielfältigung von Schriftstücken ohne Anwendung einer Presse, sondern mittels einer abfärbenden Vorlage, der Matrize.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen
Bei der Hektographie wird eine spezielle Druckfarbe von einem Farbblatt oder Farbband – z. B. durch Schreibmaschinenanschlag – auf ein meist mit einer besonderen Gelatinemischung beschichtetes Papier übertragen. Von dieser ähnlich wie beim Offsetdruck gefertigten seitenverkehrten Matrize, die bei den meisten Geräten auf eine kurbelbetriebene Walze aufgespannt wird, lassen sich durch Befeuchten mit einem farblösenden Mittel (z. B. Alkohol/Spiritus) eine – allerdings recht begrenzte, nämlich tatsächlich auf wenige hundert beschränkte – Anzahl Kopien herstellen. Um die Farbübertragung auf die Matrize bei der Schreibmaschinenbeschriftung zu verbessern, wurde in der Regel eine harte Folie (z. B. aus Kunststoff) zwischen diese und die Walze gelegt.
Anwendungen
Die relativ preiswerten Hektographen (auch Umdrucker oder umgangssprachlich Nudelmaschinen) erlaubten es z. B. auch Schülern und Studenten, ohne Inanspruchnahme der Dienstleistungen einer Druckerei Flugblätter und Zeitungen herzustellen (1970 kosteten einfache, leicht transportable Geräte etwa 130 DM). Im Büro wie auch in Schule und Lehre spielte das Verfahren eine große Rolle, da es die bei weitem günstigste Möglichkeit zur Herstellung von Kopien war. Für Menschen im Widerstand war die Hektographie im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert oft die einzige Möglichkeit, Druckerzeugnisse in nennenswerter Anzahl zu verbreiten. Auch die Mitglieder der Weißen Rose vervielfältigten ihre Manifeste und Aufrufe mit einem Hektographen, dessen Besitz während der NS-Diktatur für Privatleute verboten war. In Westdeutschland waren Hektographen an Schulen bis Anfang der 90er Jahre weit verbreitet, bis sie zunehmend durch die inzwischen billig gewordenen Fotokopiergeräte ersetzt wurden.
Hektographien zeichnen sich allerdings durch ein ausgesprochen minderwertiges Druckbild aus (keineswegs vergleichbar mit der Xerographie oder dem heutigen Tintenstrahl- bzw. Laserdruck), das zudem oft nicht rein schwarz, sondern wie bei einem Tintenstift violett war und das durch Verwaschung mit zunehmender Auflage immer schlechter wurde. Um diesen Effekt zu mildern, gab es ein spezielles gestrichenes Hektographiepapier. Zudem blichen Hektographien leicht aus. Grafiken waren mangels der Möglichkeit zur Rasterung lediglich als Strichzeichnungen möglich. Die Matrizen waren in der Regel nur einmal verwendbar; Fehler konnte man nicht korrigieren. Außerdem haftete frischen Hektographien ein hartnäckiger Ethanolgeruch an, der wohlriechend war und Schulkinder regelmäßig zum "Schnüffeln" verführte.
Funktionsweise und Verfahren
Der Hektograph besteht im wesentlichen aus einer elastischen Platte (Buchdruckwalzenmasse), auf welche die mit einer sehr ergiebigen Anilintinte angefertigte Schrift übertragen wird.
Legt man dann ein Blatt Papier auf die Platte und übt einen mäßigen Druck aus, so wird eine hinreichende Menge Farbstoff an das Papier abgegeben, um eine sehr deutliche Kopie zu liefern. Es bleibt aber so viel Farbstoff auf der Platte übrig, um nacheinander und ohne weitere Manipulationen eine größere Anzahl von Kopien anfertigen zu können.
Die Masse zu der Platte wird nach der Patentschrift (1879, Kwaisser und Husak) aus einem Teil Gelatine, vier Teilen Glycerin von 30 °Bé und zwei Teilen Wasser bei mäßiger Wärme zusammengeschmolzen.
Wartha schmilzt 100 Gramm feinste Gelatine mit 400-500 cm³ frisch gefälltem und noch feuchtem schwefelsauren Baryt im Wasserbad, setzt unter Umrühren 100 Gramm Dextrin und - je nach der Konzentration - 1000-1200 Gramm Glycerin hinzu, lässt unter zeitweiligem Umrühren abkühlen und gießt die noch gut fließende Masse in einen flachen Blechkasten, in welchem sie erstarrt.
Die zu benutzenden Tinten bestehen aus einem Teil Methylanilinviolett, sieben Teilen destilliertem Wasser und einem Teil Alkohol oder aus zwei Teilen essigsaurem Rosanilin (Anilinrot), zehn Teilen Wasser und einem Teil Alkohol.
Die beste Tinte ist eine möglichst konzentrierte wässrige Lösung des reinsten Methylvioletts oder eine konzentrierte Lösung von Eosin.
Man schreibt mit diesen Tinten auf Papier, legt letzteres mit der Schrift auf die Leimmasse und überträgt durch mäßigen Druck den ganzen Farbstoff auf den Leim. Die Kopien werden dann in der einfachsten Weise auf schwach befeuchtetem Papier hervorgebracht. Schließlich lässt sich die Schrift von der Leimplatte mit einem feuchten Schwamm entfernen.
Verwandte Verfahren und Apparate
Ähnliche Apparate sind der von Edison erfundene Mimeograph, sowie Autograph, Chromograph, Multigraph, Kilograph, Ormig (DDR-Synonym für Hektographie, auch im Westen vorkommend, nach der (West-)Berliner Ormig Organisationsmittel GmbH), Kopierpresse etc.
Gegenüber den mit höchst vergänglichen Anilintinten hergestellten Kopien bezeichnet die Kollographie von Jacobsen einen wirklichen Fortschritt. Nach diesem Verfahren schreibt man mit einer eigenartigen Kampeschetinte auf gut geleimtes Papier, überträgt die Schrift auf die Leimplatte und schwärzt sie mit Hilfe einer Walze mit Buchdruckerschwärze ein.
Letztere bleibt nur an den von der Schrift bedeckten Stellen der Leimplatte haften, falls diese zuerst genügend angefeuchtet worden war. Die Kopie wird auch hier durch einfaches Auflegen des Papiers und Ausübung eines mäßigen Druckes erhalten. Für jede neue Kopie muss die Schrift auf der Leimplatte von neuem eingeschwärzt werden, und so kann man bis 150 reine Umdrucke erhalten, von denen die letzten dieselbe Schwärze besitzen wie die ersten, während die hektographischen Kopien zuletzt schwächer ausfallen.
Überdies sind die kollographischen Drucke ebenso beständig wie Buch- oder Steindruck und können wie dieser einzeln unter Kreuzband zu ermäßigtem Porto versandt werden, was bei hektographischen Kopien nur in Quantitäten zulässig ist. Zur Reinigung der Leimplatten benutzt man Benzin und heißes Wasser, wenn man nicht vorzieht, dieselben umzuschmelzen.
Bei Zuccatos Trypograph schreibt man mit einem harten Stift auf ein eigens präpariertes Papier, welches man auf eine fein gerauhte eiserne Tafel legt. Das Papier erhält hierbei der Schrift entsprechende Reihen feiner Löchelchen und wird sozusagen in eine Schablone verwandelt. Diese wird jetzt in einem Apparat mit Druckrahmen befestigt, unter sie aber schiebt man jedes Mal den zu bedruckenden Bogen gewöhnlichen Papiers. Hierauf überfährt man die Schablone mit einem mit etwas Farbe getränkten Gummiwischer, wobei die Farbe durch die Löcher dringt und auf dem Papier eine Kopie der Schrift erzeugt. Eine einzige Schablone soll bis zu 7000 Abdrücke liefern können, die Herstellung aber so schnell fördern, dass man 400 Abdrücke in einer Stunde fertigen kann.
Eine spezielle Variante war die Hektographenrolle, die besonders an Bord von Frachtschiffen verwendet wurde, weil viele dort verwendete Dokumente von den Standard-Größen abwichen.
Eine andere Methode zur Herstellung der Druckmatrizen bedient sich eines thermischen Kopierverfahrens, hierzu werden spezielle Matrizensätze (Farbblatt und Matrizenpapier) angeboten. Diese erlaubten es, von einseitig schwarz gedruckten Originalen mittels eines Thermo-Kopierverfahrens beliebig viele gleiche Druckmatrizen herzustellen. Hierzu wurde das einseitig schwarz bedruckte Original im Kontakt durch den Thermokopierer gezogen. Dieser besteht aus einer angetriebenen Glaswalze, die durch einen Halogenstab von innen beheizt wird. Gummiwalzen führen das Original zusammen mit dem Matrizensatz über diese Walze, wobei sich die schwarze Schrift so stark erwärmt, dass die Farbschicht des Farbblattes schmilzt und die Farbe auf die Matrize übertragen wird. Die weißen Bereiche des Originals bleiben jedoch unter der Schmelztemperatur der Farbschicht. Das Trägerpapier dieser Thermokopie-Matrizen ist wesentlich dünner, worunter sowohl die Druckqualität als auch die Auflagengröße leidet. Derartige Matrizen werden heute noch von vielen Tattoo-Studios verwendet, um Zeichnungen auf die Haut zu übertragen.
Siehe auch
Weblinks
Wikimedia Foundation.