- Schutzgeld
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Die Schutzgelderpressung gehört zu den Haupteinnahmequellen der organisierten Kriminalität, beispielsweise der Mafia oder der Yakuza, hat sich mittlerweile aber auch auf alle Arten von (auch kleineren) kriminellen Vereinigungen ausgeweitet. Sie richtet sich vor allem gegen Ladenbesitzer und kleine Geschäftsleute, die in der Regel nicht in der Lage sind, größere wirtschaftliche Einbußen dauerhaft zu tragen oder entsprechende Abwehrmaßnahmen einzuleiten bzw. vorzuhalten.
Inhaltsverzeichnis
Ablauf
Bei der Schutzgelderpressung wird dem Opfer von einem organisierten Verbrechersyndikat "Schutz" im Gegenzug zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme angeboten. Dies kann auch verdeckt über das Anbieten einer überteuerten "Dienstleistung" geschehen. In der größten Zahl der Fälle reduziert sich die Schutzgelderpressung auf die blanke Androhung von physischer Gewalt gegen Angestellte, Inhaber, Familienmitglieder oder das Betriebsvermögen.
Zahlt das Opfer den verlangten Betrag, wird es im Idealfall nicht mehr behelligt, weigert sich das Opfer zu zahlen, finden in der Regel die Drohungen ihre massive Anwendung. Allerdings ist erfahrungsgemäß die Zahlung einer derart erpressten Summe keinerlei Garantie für irgendetwas, sondern ist im Gegenteil der Auftakt einer immer intensiveren Ausbeutung und Bedrohung bis hin zum wirtschaftlichen Ruin des Unternehmens.
Gelegentlich wird, im Rahmen der oben erwähnten Dienstleistung, tatsächlich zum Beispiel ein Wachschutz, Veranstaltungsschutz oder eine Alarmaufschaltung mit Notruf geboten. Vielerorts sind Fälle bekannt, in denen diese Dienstleistungen und Anbieter tatsächlich qualitative Arbeit leisten und die "offiziellen" Verträge erfüllen.
Allerdings beginnt hier eine diffuse Grauzone, da das Zustandekommen der Verträge eben oft durch den erwähnten direkten oder indirekten Einsatz von Drohungen und Druck begleitet wird. Die "Auftraggeber", also die Opfer einer solchen Erpressung, haben somit nicht die Wahl, ob ein solcher Vertrag überhaupt zustande kommen soll, noch können sie wesentliche Konditionen wie Vertragsdauer, Preise, Leistungsumfang usw. bestimmen.
Bekannt geworden sind auch Fälle, in denen Selbstständige mittels massiver Bedrohung gezwungen wurden, gegen ihren Willen zusätzliches Personal zu beschäftigen und branchenunangemessen zu bezahlen. In einigen Fällen wurden Scheinarbeitsverträge erstellt und Löhne für nicht existentes Personal bezahlt.
Strafrecht
Die Schutzgelderpressung als solche ist kein einzelner Straftatbestand im Sinne des Strafgesetzbuches. Es handelt sich dabei vielmehr um komplexe kriminelle Handlungen, die in unterschiedlichen Begehungsweisen verschiedene Straftatbestände beinhalten. Dazu gehören u.a. Straftaten wie Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Nötigung, Körperverletzung oder auch räuberische Erpressung.
Auswirkungen
Schutzgeld hat daher für Betroffene eine ähnliche Wirkung wie Steuern. Auch Konzepte wie allgemeine Besteuerung und Steuerprogression finden sich bei ausgedehnten Schutzgeld-Systemen wieder. Nach Erhebungen sollen beispielsweise auf Sizilien 70% der Unternehmen Schutzgeld zahlen, was für die Allgemeinheit des Schutzgeldes spricht - letztendlich hat Schutzgelderpressung eine erhebliche und vor allem dauerhafte Auswirkung sowohl auf die Unternehmen als auch die beteiligten Opfer. Neben der am Ende oftmals vernichteten wirtschaftlichen Existenz schwächt sie durch kontinuierliche und erhebliche Wertabschöpfung den Wirtschaftskreislauf erheblich, verändert das bestehende, selbstregulierende Gleichgewicht des Marktes und setzt die Opfer unter einen erheblichen, weil andauernden und lebensbedrohlichen psychischen Druck. Die Kontinuität der Bedrohung ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zu anderen, nur situativ auftretenden Verbrechensformen.
Situation in Italien
Bei der Entstehung der Mafia auf Sizilien mussten die Bauern für ihr Land Schutzgebühr an die gabelloti (Großgrundbesitzer) zahlen. Verweigerten sie diese pizzo bzw. pizzu (sizilianischer Dialektausdruck pizzu, Vogelschnabel. "fari vagnari a pizzu": den Schnabel eintauchen/befeuchten, auch "bagniusi u pizzu": den Schnabel baden) genannten Beträge, wurden ihre Ländereien zerstört. Cosa Nostra und andere Mafia-Organisationen verlangen noch immer diese Schutzgebühren. Dies tun sie längst nicht mehr von den Bauern, sondern von Geschäfts- und Ladenbesitzern.
Die römische Zeitung La Repubblica veröffentlichte eine Tarifliste, was sizilianische Geschäftsleute an die Mafia entrichten müssen[1]: Selbst kleine Ladenbesitzer zahlen demnach 500 bis 1.000 Euro pro Quartal, bessere Geschäfte wie etwa Juweliere müssen 3.000 Euro abgeben, große Läden 5.000 Euro. Ausgenommen sind Geschäftsleute, die Verwandte im Gefängnis haben, einen Trauerfall in der Familie zu beklagen oder einen Polizeibeamten oder Carabiniere unter den Verwandten haben. Das Problem wird unter den Geschäftsleuten totgeschwiegen. Fast alle bezahlen die Schutzgelder, aber keiner möchte es zugeben. In ganz Italien werden derzeit 160.000 Unternehmen und Geschäfte erpresst, gut dreimal so viel wie vor 20 Jahren. Die Mafia-Einnahmen haben sich verzehnfacht.[2]
Wie Betroffene berichten, läuft der Einstieg in die Schutzgelderpressung fast immer nach dem gleichen Muster ab. Meist beginnt es mit einem anonymen Telefonanruf, in dem sinngemäß der Ladengründer dazu ermahnt wird, sich Hilfe zu suchen. Wenige Tage später wird dann ein mehr oder weniger harmloser Anschlag auf den Laden begangen, indem beispielsweise das Türschloss mit Leim verklebt wird. Während Angst und Ratlosigkeit den Geschäftsmann beschleichen, raten erfahrene Kollegen, abzuwarten. Nach einigen weiteren Tagen steht dann ein Mann vor der Tür, der freundlich und unaufdringlich nach einer kleinen Spende verlangt und sie meistens auch bekommt.
Neben Drogenhandel gehört der „Pizzo“ somit zum „Kerngeschäft“. Der gesamte Mafia-Umsatz wird von der staatlichen Antimafia auf 100 Milliarden Euro geschätzt, was doppelt so viel ist wie der Autokonzern Fiat an Umsatz erwirtschaftet.[3] Nach Schätzungen bezahlen heute 70 Prozent der Unternehmer und Geschäftsleute auf Sizilien Schutzgeld (das sogenannte Pizzo). Allein auf Sizilien bringt das Schutzgeld der Mafia jährlich sieben Milliarden Euro, in Italien landesweit durch Schutzgeld und Erpressung 15,5 Milliarden ein (Stand: 2006).
Literatur
- Kerstin Buttà: Cosa Nostra, Cose mie, Projekte Verlag, ISBN 978-3-86634-650-5. In dem Roman werden insbesondere die Ängste beschrieben , die bei den Opfern ausgelöst werden.
Quellenangaben
- ↑ fehlende Quelle
- ↑ fehlende Quelle
- ↑ „Italiens größtes Unternehmen: Die Mafia GmbH“ auf www.tagesschau.de
Siehe auch
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