Sergej Grigor'evič Čebanov

Sergej Grigor'evič Čebanov

Sergei Grigorjewitsch Tschebanow (russisch Сергей Григорьевич Чебанов, wiss. Transliteration Sergej Grigor'evič Čebanov; * 1897 in Sankt Petersburg, † 1966 ebenda) war ein russischer Militärarzt und Linguist.

Leben

Als Soldat der Roten Armee studierte er um 1920 an der Militärisch-Medizinischen Akademie in Petrograd; dabei spezialisierte er sich auf Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Schon in dieser Zeit entwickelte er Interesse auch an der Linguistik. 1938 besuchte er die Militär-Medizinische Akademie in Leningrad. In den 40er Jahren promovierte er zum Doktor, habilitierte sich als Professor und stieg damit in den Dienstgrad eines Oberstleutnants auf. 1963 schied er aus dem Dienst aus.

Tschebanow hat als Linguist eine besondere Bedeutung für die Quantitative Linguistik. Er hielt Ende 1940 einige Vorträge über die Bedeutung der Poisson-Verteilung als Sprachgesetz und stieß damit auf heftigen Widerspruch von Linguisten. Erst 1947 konnte er auf Vermittlung des Mathematikers Andrei Kolmogorow seine Ideen über die Poisson-Verteilung als Gesetz der Verteilung von Wortlängen in einer Zeitschrift veröffentlichen. Es ist einer der frühen Versuche, für sprachliche Befunde ein mathematisch formuliertes Gesetz aufzustellen. Der Aachener Physiker Wilhelm Fucks machte – vermutlich ohne etwas von Tschebanow zu wissen – 1955 die gleiche Entdeckung noch einmal.

In der Quantitativen Linguistik spricht man deshalb unter anderem von der „Tschebanow-Fucksschen Verteilung“ bzw. von der „Tschebanow-Fucksschen-Funktion“[1]. (In der Fachliteratur in der Schreibung: "Čebanov-Fucks".) Verallgemeinerungen der Theorie in der späteren Entwicklung[2] haben dazu geführt, dass diese Begrifflichkeit inzwischen nicht mehr aufrecht erhalten wird. Dennoch ist festzustellen, dass Tschebanow einer der ersten war, der die moderne Quantitative Linguistik um den Vorschlag für ein mathematisch formuliertes Sprachgesetz bereichert hat. Er scheint überhaupt als erster ein Modell für die Verteilung von Wortlängen in Texten vorgeschlagen zu haben.

Literatur

  • Karl-Heinz Best, Sergej Viktorovič Čebanov: Biographische Notiz: Sergej Grigor‘evič Čebanov (1897–1966). In: Karl-Heinz Best (Hrsg.): Häufigkeitsverteilungen in Texten. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2001, S. 281-283. ISBN 3-933043-08-5
  • Sergej Viktorovič Čebanov: O podčinenii rečevych ukladov ‘indoevropejskoj’ gruppy zakonu Puassona. In: Doklady Akademii Nauk SSSR. Tom 55/2, 1947, S. 103-106. (= On conformity of language structures within the Indoeuropean family to Poisson’s law.)
  • Wilhelm Fucks: Theorie der Wortbildung. In: Mathematisch-Physikalische Semesterberichte. Bd. 4, 1955, S. 195-212.
  • Rüdiger Grotjahn: Ein statistisches Modell für die Verteilung der Wortlänge. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 1, 1982, S. 44-75.
  • Peter Grzybek: History and Methodology of Word Length Studies. The State of the Art. In: Peter Grzybek (ed.): Contributions to the Science of Text and Language: Word length studies and related issues. Springer, Dordrecht 2006, S. 15-90. ISBN 978-1-4020-4067-2
  • R.G. Piotrowski, K.B. Bektaev, & A.A. Piotrowskaja: Mathematische Linguistik. Brockmeyer, Bochum 1985. ISBN 3-88339-453-X
  • Juhan Tuldava: Probleme und Methoden der quantitativ-systemischen Lexikologie. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 1998. ISBN 3-88476-314-8 (Überarb. u. erg. Übers. des russ. Originals v. 1987).
  • Gejza Wimmer, Reinhard Köhler, Rüdiger Grotjahn, & Gabriel Altmann: Towards a Theory of Word Length Distribution. In: Journal of Quantitative Linguistics 1, 1994, S. 98-106.

Einzelnachweise

  1. Piotrowski, Bektaev & Piotrowskaja 1985: 256; Tuldava 1998: 101
  2. Grotjahn 1982; Wimmer, Köhler u.a. 1994

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