70-+-x-Regel

70-+-x-Regel

Die 72er-Regel ist ein Begriff aus der Finanzmathematik. Die Regel, tatsächlich nur eine Abschätzung, gibt an, nach wie vielen Jahren eine Kapitalanlage sich im Nennwert verdoppelt. Die Inflationsrate ist dabei nicht berücksichtigt. Dazu teilt man 72 durch die Prozentzahl des jährlichen Zinssatzes des angelegten Betrages, daher auch der Name dieser Regel.
Die Formel für die Abschätzung der Verdopplungszeit lautet:

t \approx \frac{72}{p} (t in Jahren).

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

Ein Betrag, angelegt zu einem jährlichen Zinssatz von 8 % (p\, %), wird sich nach etwa \tfrac{72}{8} Jahren verdoppeln, also nach etwa 9 Jahren (t).

Ein anderes Beispiel kommt aus dem Bereich Bevölkerungswachstum. Eine Bevölkerung verdoppelt sich bei einem Wachstum von beispielsweise 4 % nach ungefähr \tfrac{72}{4} Jahren, also nach näherungsweise 18 Jahren.

Etwas genauer ausgerechnet bedeutet das, dass sich die Bevölkerung alle 18 Jahre ver-2,0258165facht.

Herleitung

Im Folgenden bezeichnet p den Zinssatz, also beispielsweise p = 6 bzw. p\, % = 6\, %\,, wenn der Zinssatz 6 % beträgt. Weiter bezeichnet t die Zeit in Jahren bis zur Verdopplung.

Wenn man den Logarithmus auf die einfache Zinseszinsformel anwendet, ergibt sich, dass die Anzahl der Jahre n bis zur Verdopplung gleich \tfrac{\ln(2)}{\ln(1 + p\, %)} ist. Weil \!\ \ln(1 + x) für betragsmäßig kleine x gegen x konvergiert (siehe Taylor-Reihe), ergibt sich angenähert die Formel t \approx \tfrac{\ln(2)}{p\, %}\,. Mit \ln(2)\approx 0{,}6931 folglich t \approx \tfrac{69{,}3}{p}\,.

Hier spricht man von der 69er-Regel oder 70er-Regel. Man sieht auch, dass es sich hier um eine Näherung für kleine Zinssätze handelt. Für Zinssätze jenseits der 5 % unterschätzt die 69er-Regel die benötigte Zeit, man muss folglich den Zähler vergrößern. Als Faustwert hat sich hier die 72 bewährt, auch weil 72 viele kleine Teiler aufweist (72 = 2^3 \cdot 3^2)\,.

Als Alternative zu diesem Faustwert kann die „Grundzahl“ 70 um eine Korrekturgröße x ergänzt werden (70-plus-x-Regel, bisher noch nicht veröffentlicht):

t \approx \frac{70 + x}{p}\ \mathrm{mit}\ x = \frac{p - 2}{3}\,.

Bei p\, % = 8\, %\,, also x = \tfrac{8 - 2}{3} = \bold 2\,; ergibt es t \approx \tfrac{70 + x}{p} = \tfrac{70 + 2}{8} = 9\, a\,.

Bei p\, % < 8\, % ergibt sich jeweils eine kleinere Zahl, z. B.:

p\, % = 5\, %:\ \frac{(5 - 2)}{3} = \bold{1} \Rightarrow t \approx \bold{71} : 5 = 14{,}2\, a\,;
p\, % = 2\, %:\ \frac{2 - 2}{3} = \bold{0} \Rightarrow t \approx \bold{70} : 2 = 35\, a\,;
p\, % = 1\, %:\ \frac{1 - 2}{3} = \bold{- 0,33} \Rightarrow t \approx \bold{69{,}67} = 69{,}67\, a\,.

bei p\, % > 8\, % jeweils eine größere, z. B.:

p\, % = 11\, %:\ \frac{11 - 2}{3} = \bold{3} \Rightarrow t \approx \bold{73} : 11 = 6{,}64\, a\,;
p\, % = 14\, %:\ \frac{14 - 2}{3} = \bold{4} \Rightarrow t \approx \bold{74} : 14 = 5{,}29\, a\,;
p\, % = 17\, %:\ \frac{17 - 2}{3} = \bold{5} \Rightarrow t \approx \bold{75} : 17 = 4{,}41\, a\,;
p\, % = 20\, %:\ \frac{20 - 2}{3} = \bold{6} \Rightarrow t \approx \bold{76} : 20 = 3{,}80\, a\,.

Die Formel für die Abschätzung der Verdopplungszeit t lautet demnach:

t \approx \frac{70 +\frac{p - 2}{3}}{p}

oder etwas kürzer:

t \approx \frac{69 + \frac{1}{3}}{p} + \frac{1}{3}\,.

Die so ermittelten Verdopplungszeiten entsprechen auch bei sehr niedrigen oder hohen Prozentsätzen ziemlich genau den tatsächlichen Werten (siehe auch die Tabelle unten).

Vergleich von Abschätzung und tatsächlichem Wert

Die folgende Tabelle vergleicht die Abschätzungen gemäß der ‚72er-, der 70er-, der 69er- und der 70-plus-x-Regel‘ mit den tatsächlichen Werten für typische Zinssätze. Dabei fällt auf, dass die Abweichung der letzten Abschätzung vom tatsächlichen Wert erstaunlich gering ist: Sie bleibt selbst für Zinssätze von 1 % bis 40 % bzw. 50 % jährlich unter 0,0067 bzw. 0,0105 Jahren, was weniger als 2,5 bzw. 4 Tagen entspricht.

Zinssatz p\, % Zeit bis zur Verdopplung t (in a) ‚72er-Regel‘ ‚70er-Regel‘ ‚69er-Regel‘ ‚70+x-Regel‘
0,25 % 277,605 288,000 280,000 277,200 277,667
0,5 % 138,976 144,000 140,000 138,600 139,000
1 % 69,661 72,000 70,000 69,300 69,667
2 % 35,003 36,000 35,000 34,650 35,000
3 % 23,450 24,000 23,333 23,100 23,444
4 % 17,673 18,000 17,500 17,325 17,667
5 % 14,207 14,400 14,000 13,860 14,200
6 % 11,896 12,000 11,667 11,550 11,889
7 % 10,245 10,286 10,000 9,900 10,238
8 % 9,006 9,000 8,750 8,663 9,000
9 % 8,043 8,000 7,778 7,700 8,037
10 % 7,273 7,200 7,000 6,930 7,267
11 % 6,642 6,545 6,364 6,300 6,636
12 % 6,116 6,000 5,833 5,775 6,111
15 % 4,959 4,800 4,667 4,620 4,956
18 % 4,188 4,000 3,889 3,850 4,185
20 % 3,802 3,600 3,500 3,465 3,800
25 % 3,106 2,880 2,800 2,772 3,107
30 % 2,642 2,400 2,333 2,310 2,644
40 % 2,060 1,800 1,750 1,733 2,067
50 % 1,710 1,440 1,400 1,386 1,720

Wer eine quasi-exakte Lösung des Problems sucht, ohne Logarithmen benutzen zu müssen, ist mit der oben bereits erwähnten Taylor-Reihe bestens bedient, wenn er die Entwicklung des Ausdrucks \ln (1 + \tfrac{p}{100})\,, abgekürzt \ln (1 + x) = x - \tfrac{x^2}{2} + \tfrac{x^3}{3} - \ldots\, für - 1 < x \ge 1\, nach dem dritten Glied abbricht, also \ldots = 0\, setzt. Der Ausdruck konvergiert für x-Werte, die betragsmäßig kleiner sind als 1, was Zinssätzen p zwischen - 100\,%\, (ausschließlich) und + 100\,%\, (einschließlich) entspricht. Damit ist die Zeit t in Jahren bis zur Verdopplung wegen 100 \cdot ln(2)=69{,}31471806 \ldots gegeben durch t = \tfrac{69{,}31471806 \ldots}{p - \tfrac{p^2}{200} + \tfrac{p^3}{30000} - \ldots}\,. Mit \ldots \approx 0\, ist folglich die quasi-exakte Lösung t \approx \tfrac{69{,}31471806}{p} \cdot (1 + \tfrac{p}{200}\ - \tfrac{p^2}{48000}), nachdem auch die Taylor-Entwicklung des Ausdrucks \tfrac{1}{1 - a x + b x^2 - \ldots} = 1 + a x + (a^2 - 2 b) \cdot \tfrac{x^2}{2} + \ldots\, nach dem dritten Glied abgebrochen wurde.

Weshalb übrigens die 70-plus-x-Regel den tatsächlichen Wert so genau wiedergibt, erkennt man jetzt daran, dass das erste „Korrekturglied“ \tfrac{p}{200}\, nach dem Ausmultiplizieren der quasi-exakten Lösung auf das zweite Glied mit dem ungefähren Wert \tfrac{p}{3}\, im Zähler des so gewonnenen Ausdrucks t \approx \tfrac{69{,}31471806 + 69{,}31471806 \cdot {\tfrac{p}{200} - 69{,}31471806 \cdot \tfrac{p^2}{48000}}}{p} = \tfrac{69{,}31471806 + 0{,}3465735903 \cdot p - 0,001444056626 \cdot p^2}{p}\, führt bzw. auf den Summanden von etwa \tfrac{1}{3} im umgeschriebenen Ausdruck t \approx {\tfrac{69{,}31471806}{p} + 0{,}3465735903 - 0{,}001444056626 \cdot p}\,.

Siehe auch

  • Zinsrechnung (In diesem Artikel finden sich auch weitere Formeln zur Zinseszinsrechnung.)
  • Zinseszins
  • Rule of 72 – dieser Artikel in der englischsprachigen Wikipedia (mit Quellenangaben und Weblinks)

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Regel (Begriffsklärung) — Regel steht für: Regel, eine Norm oder Gesetzmäßigkeit die Monatsblutung der Frau eine Produktionsregel einer formalen Grammatik Regel ist der Familienname folgender Personen: Albert Regel (Johann Albert (von) Regel; 1845–1908), deutsch… …   Deutsch Wikipedia

  • regel — [ rəʒɛl ] n. m. • 1777; de regeler ♦ Gel, gelée qui survient après un dégel. Formation des névés par fonte de la neige et regel. Phys. Phénomène de regel, consistant, pour la glace qui a fondu sous l action d une pression, à se reformer aussitôt… …   Encyclopédie Universelle

  • Regel — Regel: »Richtschnur, Richtlinie, Norm, Vorschrift«: Das Substantiv mhd. regel‹e›, ahd. regula wurde zunächst in der Bedeutung »Ordensregel« als Klosterwort aus gleichbed. mlat. regula übernommen. Dies geht auf lat. regula »Richtholz; Richtschnur …   Das Herkunftswörterbuch

  • Regel — Sf std. (9. Jh.), mhd. regel(e), ahd. regula, regile Entlehnung. Entlehnt aus l. rēgula Maßstab, Richtschnur, Regel , dessen Vokal schon mittellateinisch gekürzt worden war. Weiter zu l. regere lenken, leiten . Verben: regeln, regulieren.… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Regel — Regel, 1) der Ausdruck für die Gleichförmigkeit u. Ordnung einer Mehrheit gleichartiger Fälle. Regelmäßig, was der R. entspricht; regelwidrig, was ihr zuwiderläuft. Beruht die R. nur auf der äußeren Beobachtung einer Mehrheit von Fällen, so… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Regel de tri — (v. lat. Regula de tribus), die Rechnungsart, durch welche zu drei gegebenen Größen die vierte Proportionale gefunden wird. Aufgaben, welche durch die R. d. t. gelöst werden sollen, zerfallen in einen bekannten Satz u. einen Fragsatz; die in… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Regel — Re gel (r? g?l), n. (Astron.) See {Rigel}. [1913 Webster] …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Regel duplex — (R. quinque u. R. septem), s. u. Zusammengesetzte Proportionsrechnung. R. falsi, so v.w. Falsirechnung …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Regel, güldene — Regel, güldene, der Mechanik: in demselben Verhältnis, in dem man bei einem System fest verbundener Punkte, z. B. bei einem Hebel, sobald Gleichgewicht stattfindet, an Kraft gewinnt, verliert man bei eintretender Bewegung an Geschwindigkeit und… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Regel [1] — Regel, das Gesetz im subjektiven Sinne genommen, insofern es als Richtschnur des eignen Verfahrens angesehen wird, daher es zwar Kunst und moralische, aber keine Naturregeln gibt …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Regel [2] — Regel, soviel wie Menstruation …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”