Sexualassistentin

Sexualassistentin

Als Surrogatpartner (surrogatum = der Ersatz, Partizip Perfekt Passiv des lateinischen Verbes surrogare = sub-rogare = jemanden anstelle eines anderen auswählen) werden speziell tätige Prostituierte bezeichnet, die entweder als Sexualassistenten (umgangssprachlich auch Berührer) sexuelle Handlungen vornehmen mit Behinderten, oder im Rahmen einer Sexualtherapie als Ersatzpartner den eigentlichen Sexualpartner temporär ersetzen. In Abwandlung der klassischen Prostitution bieten Surrogatpartner dem Klienten vor allem seelische und emotionale Zuwendung bei der Vornahme sexueller Handlungen. Der Geschlechts- oder Oralverkehr wird hierbei nicht notwendigerweise praktiziert.

Beide Einsatzbereiche, für Behinderte oder im Rahmen einer Sexualtherapie sind vor allem in den USA und den Niederlanden üblich, in Deutschland allerdings nicht staatlich anerkannt.

Inhaltsverzeichnis

Sexualassistenz

Behinderten Menschen fällt der Zugang zu partnerschaftlicher Sexualität, wie sie unter nichtbehinderten Menschen stattfindet, oft schwerer. Da das Pflegepersonal durch die Abhängigkeitsstellung des Behinderten diesem nicht sexuell assistieren darf und die weit überwiegende Mehrzahl der Pflegekräfte den Bereich der Sexualität ihrer Klienten als Tabu empfindet, haben sich als Sonderformen der Prostitution die Sexualassistenz und die Sexualbegleitung etabliert.

Sexualbegleiter ermöglichen ihren Kunden, die dazu selbst nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ein erotisch-sinnliches Erlebnis durch Berühren, Halten, Streicheln, in den Arm nehmen. Dabei geht es um Nähe und Geborgenheit, um Beziehung und Kontakt, um Liebe und Wärme, aber auch um Zärtlichkeit, Lust, Sex und sexuelle Befriedigung. Sexualbegleitung kann Behinderten auch helfen, erste sexuelle Erfahrungen zu machen. Sie wird manchmal auch als Ergänzung zu bestehenden Beziehungen genutzt. Oftmals bieten Sexualbegleiter gar keinen Geschlechts- oder Oralverkehr und Zungenküsse an. Stattdessen arbeiten sie vor allem mit Petting und vertiefen die zärtliche Begegnung gegebenenfalls bis zum Höhepunkt des Klienten. Oftmals assistieren sie dem Behinderten dabei, sich selbst zu befriedigen.

Der Kontakt kommt meist über Angehörige oder Pflegepersonal zustande, die die Bedürfnisse des Menschen erkennen, ihm aber selbst nicht helfen können, wollen oder dürfen (ist für eigenes Personal in vielen Hausordnungen mit Hinweis auf sexuellen Missbrauch ausgeschlossen). Diese spezielle Form der Qualitätsprostitution, welche sich besonders einfühlsam und zielgruppengerecht darstellt, wirbt in ihrer Außenwirkung völlig ohne sprachliche Anzüglichkeiten, Vulgarismen oder pornografische Abbildungen.

Pro Familia (Deutschland) führt dazu in einer Expertise Sexuelle Assistenz für Frauen und Männer mit Behinderung aus (Zitat):

„Es gibt erkennbare Professionalisierungsbestrebungen und Stimmen, die nur diejenigen als SexualbegleiterInnen bezeichnen wollen, die - einem geschützten Berufsbild vergleichbar – über eine spezielle Ausbildung und fachliche Qualifikation verfügen. WALTER z. B. definiert Sexualbegleitung als ‚aktive Assistenz, bei der die AssistenzgeberInnen über pädagogische und/oder pflegerische Kompetenzen verfügen, als grundlegende Basisqualifikation einer professionellen Sexualassistenz.‘ Neben dieser Basisqualifikation erachtet er eine Schulung oder Ausbildung zur professionellen SexualbegleiterIn für erforderlich. Auch für BANNASCH ist kennzeichnendes Merkmal der Sexualbegleitung, dass diese ‚einer qualifizierten Ausbildung durch Sexualwissenschaftler und Lehrkräfte für Pflegeberufe bedarf sowie einer permanenten Supervision.‘ Die Sexualbegleiterin müsse psychologisch, physiologisch und pflegerisch geschult sein, um verantwortungsvoll mit behinderten Menschen umgehen zu können. Das Institut zur Selbstbestimmung Behinderter (ISBB) in Trebel bietet eine Ausbildung zur Sexualbegleitung mit dem Zertifikat ISBB an und nennt als mögliche Vorqualifikation der zukünftigen SexualbegleiterInnen ebenfalls deren Ausbildung in einem pädagogischen Beruf, Heilberuf oder Berufserfahrung als Prostituierte.“

Passive Sexualassistenz

Diese beinhaltet das Besorgen von sexuellen Artikeln (Kondom, Vibrator, Sexfilm, etc.), Sexualberatung, Herstellen von Kontakten (Partner, Sexualbegleiter, Prostituierte), vorbereitende Tätigkeiten (Transport zu einer Prostituierten, Entkleiden eines Paares für den Geschlechtsverkehr), Schutz vor Fremdbestimmung und struktureller Gewalt. Sie beinhaltet auch Handlungen wie Streicheln, Massieren, Umarmen, Halten, Liebkosen und Küssen.

Aktive Sexualassistenz

Diese beinhaltet sexuelle Massage, Handbefriedigung und Geschlechtsverkehr. Einige Sexualbegleiter beschränken sich auf Zärtlichkeit und Handbefriedigung und schließen Zungenkuss, Oralsex und Geschlechtsverkehr aus. Dabei geht es insbesondere um Hilfe zur Selbsthilfe, also um Selbstbefriedigung, Sexual- und Kontaktberatung. Der Begriff der Prostitution wird von den Ausübenden vermieden.

Abgrenzung der Surrogatpartner

Die Sexualassistenz unterscheidet sich gegenüber der therapeutischen Surrogatpartnerschaft und der Sexualbegleitung dadurch, dass die Sexualassistenz keine emotionalen Störungen mit Krankheitswert behandelt und auch in der Regel nicht therapeutisch geschult ist. Ein nicht ärztlicher Sexualtherapeut, der selbst als Surrogatpartner sexuelle Assistenz leistet, befasst sich in der Regel nicht mit behinderten sondern mit seelisch beeinträchtigten Patienten. Ärztlichen Therapeuten ist es allerdings verboten, selbst sexuelle Kontakte mit Abhängigen einzugehen, so dass hier Co-Therapeuten die Surrogattherapie vornehmen.

Ursprung und Entwicklung

In Deutschland wurde in den 60er und 70er Jahren eine Zeitlang Surrogattherapie durch den Münchner Sexualwissenschaftler Götz Kockott durchgeführt. Im Zuge der zunehmenden Angst vor AIDS hat sich diese Therapieform jedoch nicht etabliert und wird nun, über den Umweg aus den USA, in Europa wieder bekannter. Im Bereich der Behinderten-Assistenz hat Nina de Vries 1994 in Holland Pionierarbeit geleistet und von da nach Deutschland und in die Schweiz getragen.

In Österreich startete 2006 ein Forschungsprojekt zum Thema Sexualassistenz.

In Dänemark sind alle Betreuer verpflichtet, sich auch um die sexuellen Bedürfnisse eines Pflegebefohlenen zu kümmern und erforderlichenfalls Unterstützung zu organisieren.

In der Schweiz hatte die Behindertenorganisation Pro Infirmis 2003 den ersten Ausbildungsgang geplant. Harter Widerstand in der Öffentlichkeit, verbunden mit Spendenrückgang, führte zur Gründung der Fachstelle Behinderung und Sexualität, die 2004 die Ausbildung unter der neuen Bezeichnung „SexualassistentInnen“ aufnahm.

Rechtliche Situation in Deutschland

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist im Artikel 2 GG garantiert. Hier steht dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Schutz vor Missbrauch gegenüber. Einerseits soll das Pflegepersonal den Klienten ein lebenswertes Leben ermöglichen, andererseits besteht die Gefahr, dass das Pflegepersonal missbräuchlich oder in guter Absicht Grenzen überschreitet. Ein weiteres Problem ist strukturelle Gewalt, also unerlaubte Begrenzung von Selbstbestimmung, beispielsweise durch Hausordnungen in Pflegeeinrichtungen (Besuchsverbot), durch soziale Kontrolle, oder mangelnde Intimität durch fehlende Einzelzimmer oder Ausweichräume (Liebeszimmer).

Passive Sexualassistenz ist also jederzeit möglich (solange nicht der Jugendschutz dagegen steht). § 174 StGB a und c stellt aber „Mißbrauch des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses“ unter Strafe. Aktive Sexualassistenz ist dem Pflegepersonal dadurch praktisch untersagt. Oft hilft Pflegepersonal den Klienten heimlich oder verschleiert (Intimwaschung, Baden, eincremen). Für Menschen, die ansonsten keine Betreuungsbeziehung mit dem Betroffenen haben, gilt diese Beschränkung nicht. Deshalb werden Sexualassistenten eingesetzt. Die Tätigkeit ist als gewerbsmäßige sexuelle Dienstleistung in § 120 OWiG geregelt. Eine Kostenübernahme ist bis jetzt (2006) nur möglich bei Menschen, die beispielsweise wegen einer Lähmung nicht zur Selbstbefriedigung in der Lage sind[1].

Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

Ausblick

Sexualität von und mit Behinderten oder als therapeutisches Instrument an sich ist nach wie vor ein Tabu-Thema. Sowohl in der Gesellschaft, als auch unter ärztlichen Therapeuten in den Pflegeeinrichtungen und beim Pflegepersonal. Nicht zuletzt verhindert die juristische Situation in einigen Ländern eine schnellere Entwicklung. In der Schweiz gibt es derzeit eine Öffnung des Ausbildungsangebotes in Richtung Geschlechtsverkehr und auch für homosexuelle Klienten.

Sexualtherapie

Medizinische Indikationen

Eine Surrogatpartnerschaft ist angezeigt, wenn ein somatisch (körperlich) gesunder Klient einen gestörten Zugang zur eigenen oder zur gemeinsamen Sexualität mit dem Partner aufzeigt. Mit Ausnahme somatischer Funktionsstörungen haben die meisten Beeinträchtigungen eines befriedigenden Sexuallebens psychische Gründe. Vor allem die erektile Dysfunktion (Potenzstörungen) aufgrund von Beeinträchtigungen der Sexualität durch Konflikte im Alltag, verzögerte oder zu frühe Orgasmen des Mannes (Ejaculatio praecox), Erektionsstörungen oder ausbleibender Orgasmus (Anorgasmie), der Verlust oder die generelle Verminderung der sexuellen Lust (Appetenzstörung und Frigidität) sind dann kaum zu therapieren, wenn kein eigener Sexualpartner (mehr) zur Verfügung steht, um die besprochenen Veränderungen umzusetzen.

Häufig bildet sich beim Patienten dadurch ein Teufelskreis derart, dass seine Störung überhaupt erst die Aufnahme einer tragfähigen intimen Beziehung verhindert, was wiederum dazu führt, dass supportive Behandlungsformen nicht greifen. Zeigt die medizinische Anamnese ein solches Problem auf, kann ein Surrogatpartner die Therapie unterstützen. Allerdings können Sexualstörungen klassisch therapeutisch nur bis zu einem gewissen Grad erfasst werden. Tiefenpsychologische Verfahren werden einer funktionalen Störung des Sexualverhaltens selten gerecht.

Die Rolle des Hilfstherapeuten

Die Sexualtherapeuten Masters und Johnson setzen, anstatt analytisch vorzugehen, den Partner eines Klienten ohne manifeste Symptombildung als eine Art Hilfstherapeuten ein. Noch weitergehend verstehen die Vertreter einer systemischen Sicht die sexuelle Problematik des Klienten eher als eine Störung, die sich in der Beziehung des jeweiligen Paares selbst manifestiert, auch wenn nur bei einem Partner die manifeste Symptombildung vorliegt.

Die psychotherapeutische Arbeit ist demnach hier üblicherweise erfahrungsorientiert, so dass das Paar angeleitet wird, zu Hause den körperlich-sexuellen Umgang mit dem Partner, aber auch mit sich selbst nach bestimmten Regeln zu gestalten. Derartige Verhaltenstherapeutische Verfahren scheitern allerdings häufig daran, dass der Klient gar keinen eigenen Sexualpartner hat, mit dem er neue Sichtweisen der eigenen und der Sexualität des Gegenüber erarbeiten kann. Vor diesem Hintergrund haben einige Sexualtherapeuten und fachlich qualifizierte Prostituierte mit therapeutischer Kompetenz begonnen, die Rolle des Ersatzpartners für therapeutische Settings fachübergreifend zu instrumentalisieren.

Sexualtherapeutische Ansätze, die meist integrierend Methoden der Verhaltenstherapie, Kognitionstherapie und Psychoanalyse beinhalten, haben in den USA allerdings derzeit noch einen wesentlich höheren Stellenwert als in Deutschland. Ausgehend von der Überzeugung, dass die Therapie von Sexualproblemen nur dann erfolgreich sein kann, wenn sowohl erektile Dysfunktion als auch die Partnerschaft selbst behandelt werden, haben sich dort inzwischen weitreichende Therapieprogramme entwickelt.

Voraussetzungen

Da die psychischen Ursachen atraumatischer sexueller Störungen weitgehend geschlechtsneutral im jeweiligen Rollenverständnis und gesellschaftlichen Selbstwertgefühl begründet liegen, stellen emotionale Zuwendung und erwartungsfreie Begegnung für Klienten beiderlei Geschlechts die therapeutische Grundlage zur Surrogattherapie dar. In dieser Stimmung weitgehender Vertrauensbildung kann dem Klienten die eigene Sexualität eher gelingen, als müsste er, wie in einer normalen sexuellen Beziehung, gleichzeitig noch beziehungsrelevante Erwartungen, Erwartungen an die Fitness, Gedanken zur Empfängnisverhütung oder zum Wunschkind, in Bezug auf die Sozialisation des Geschlechtspartners oder die eigene Rolle als Partner, Ernährer oder Versorger erfüllen. Ebenso kann ein männlicher Surrogatpartner einer entsprechenden Anorgasmie bei weiblichen Klienten begegnen. Dadurch, dass soziologische und materielle Hintergedanken auf Seiten des Sexualpartners wegfallen und dass bestimmte Erwartungsvermutungen an einen perfekten Körper oder eine bestimmte Ausdauer während des Aktes erst gar nicht gestellt werden und der Klient nicht zuletzt weiß, dass sein Surrogatpartner, anders als eine reguläre Prostituierte sich auch menschlich auf ihn einlässt, kann dem eigentlichen Problem der gestörten Sexualität besser begegnet werden.

Eine Sexualtherapie, bei der einem Klienten dadurch die Angst vorm Geschlechtsverkehr genommen wird, dass ein „Surrogat“ eingesetzt wird, ersetzt den eigentlichen Wunschpartner körperlich durch eine Vertretung. Eine solche Therapie kann nur wirken, wenn das therapeutische Setting zu Beginn der Behandlung beide Seiten klar in ihre temporäre emotionale Rolle als Sexualpartner verortet. Der Surrogattherapie wird vor allem aus Unkenntnis über diese gesprächstherapeutische Vor- und Nachbereitung vorgeworfen, die Prostitution im klassischen Sinn zu fördern. Tatsächlich stehen der Geschlechtsakt selbst und Sexualpraktiken an sich nicht im Mittelpunkt der Arbeit eines therapeutischen Surrogatpartners. Vielmehr erfüllt er die Rolle eines einfühlsamen Begleiters, der erst einmal die eigentliche Bereitschaft zur eigenen Sexualität beim Klienten aufbaut und ggf. vorhandene affektive Störungen supportiv löst.

Bei traumatisch bedingten Sexualstörungen ist regelmäßig eine entsprechend längere gesprächstherapeutische Vorphase angezeigt. Der Surrogatpartner spricht mit dem Klienten ausführlich über seine Empfindungen und arbeitet gegebenenfalls in Bezug auf die Trauma-Behandlung mit einem Psychotherapeuten zusammen. Idealerweise ist er selbst darin geschult z. B. mit Nondirektiver Gesprächsführung zu arbeiten. Nach einer Zusammenkunft mit einem Surrogatpartner folgt bei Belastungspatienten je nach angezeigter Diagnose eine gesprächstherapeutische Einheit und die Aufforderung auch selbst neue Sexualpartner zu finden.

Frequenz und Dauer der Begegnungen mit einem Surrogatpartner schwanken stark. Eine einmalige Behandlung wird hierbei ebenso die Ausnahme darstellen, wie eine vergleichsweise langjährige Therapie, wie im Bereich der Psychoanalyse üblich. Da in Europa nur wissenschaftlich anerkannte Verfahren auf Kosten der Krankenkasse durchgeführt werden können, werden Surrogartpartner im Rahmen einer Psychotherapie hier allenfalls als privat finanzierte Co-Therapeuten eingesetzt.

Der Therapeut als Surrogat

Aufgrund von gesetzlichen und standesrechtlichen Bestimmungen können und wollen ärztliche Therapeuten auf keinen Fall selbst als Ersatzpartner handeln. Psychologisch ausgebildete Prostituierte, die sich zum Sexualtherapeuten weiterbilden und z. B. eine Zulassung zur Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktiker) erwerben, können in ihrer therapeutischen Arbeit ohne Einschränkung und mit übereinstimmender Willenserklärung zwischen Patient und Behandler selbst als Surrogat tätig werden.

Abgrenzung anderer Formen

Tantra oder Neotantra legt den Schwerpunkt der Arbeit auf energetische Aspekte mit spirituellem und esoterischem Hintergrund. Zwar werden hier auch Surrogatpartner eingesetzt, hauptsächlich aber aus dem Bestreben heraus, die eigene Sexualität weniger egoistisch oder gebunden an Erwartungen einem einzigen Partner gegenüber neu zu erleben. Der Unterschied zum Partnertausch im Swingerclub besteht wiederum darin, dass meditativ und kontemplativ mit dem Ziel gearbeitet wird, die eigene Sexualität als Quelle der Kraft zur Verbindung mit Gott oder der Welt zu begreifen. Dazu werden so genannte Chakren aktiviert (siehe Kundalini) und es wird im Gegensatz zur Sexualassistenz und Surrogatpartnerschaften nicht das Ziel verfolgt, einen möglichen Höhepunkt zu erzielen oder die Folgen einer Behinderung zu überwinden. Es wird angestrebt, die sexuelle Energie im Vorfeld zu transformieren. Ein Höhepunkt wird teilweise sogar als Hindernis empfunden, aber nicht dogmatisch abgelehnt.

Modellprostitution (Escorts oder Callgirls, vermittelt in der Regel über eine Begleitagentur) versteht sich als Qualitätsprostitution mit mentaler und geschickt gespielter emotionaler Befassung. Sie umfasst neben dem Vollzug des Geschlechtsaktes vor allem niveauvolle geistreiche Konversation und die Kompetenz zum Angebot ausgefallener, auch umfangreicher Rollenspiele mit gesellschaftlichem Auftritt in der Öffentlichkeit. Prostituierte mit nur wenigen Kunden und akademischer Bildung, ausgeprägtem schauspielerischem Talent und breiter emotionaler Handlungsfähigkeit bieten hierbei zwar oft auch verhaltenstherapeutische Elemente, sind sich dessen selbst jedoch nicht immer bewusst, da sie ihrem Kunden eine Reflexionsfläche bieten, die sonst nur ein Therapeut zur Verfügung stellt. Nicht zuletzt steht auch in der Qualitätsprostitution der monetäre Aspekt für den Dienstleister im Vordergrund, während Surrogatpartner sich primär mit der seelischen Heilung des Klienten befassen und eben nicht eine emotionale Abhängigkeit vom Klienten aus finanziellen Motiven heraus zu begründen versuchen.

Ausbildung

Die Tätigkeit eines Surrogatpartners wird nicht staatlich ausgebildet oder von einem Träger der berufsbildenden Institutionen vermittelt. Eine Fortbildung und Supervision zur Sexualbegleitung für Behinderte wird seit 1997 (erstmals in Europa) in Trebel/Ostniedersachsen von dem systemisch ausgebildeten Dipl.-Psychologen Lothar Sandfort am Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter (ISBB) in Trebel angeboten. Die Methodik an sich weist zwar Parallelen zu seriösen Formen des Neotantra und der Körpertherapie auf, ist jedoch in Europa noch wenig bekannt.

2004 bildete die bekannte niederländische Sexualbegleiterin Nina de Vries vier Männer und sechs Frauen aus, sie tat dies im Auftrag der Fachstelle für Behinderung und Sexualität - gegen sexualisierte Gewalt, gegründet von Aiha Zemp (Basel). Weitere Seminare sind geplant (Stand 2006).

Die Ausbildung setzt eine stabile Persönlichkeit mit Lebenserfahrung voraus und beinhaltet die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität, der Beziehungsfähigkeit, dem Umgang mit eigenen Gefühlen und denen anderer, mit Nähe und Distanz, Helfer-Syndrom, und mit Behinderung, Krankheit, Alter und dem Umgang mit Betroffenen. Die Ausbildung beinhaltet viel Selbsterfahrung in der Gruppe.

Für Sexualtherapeuten gibt es zum einen ärztliche Fortbildungen, aber auch nicht-ärztliche Berufsfelder, z. B. für Heilpraktiker oder psychologische Berater. Psychologische Psychotherapeuten und Ärzte mit Fachausbildung in Psychotherapie haben sich allerdings berufsständisch verpflichtet, keine intime Beziehung mit einem Patienten einzugehen. Ein Verstoß gegen diese Standesregeln würde nach geltender Rechtsauffassung derzeit noch den Entzug der Kassenzulassung nach sich ziehen. Den Zugang zur Tätigkeit als Surrogatpartner haben somit primär Behandler aus dem Bereich des Tantra mit Heilpraktikerzulassung oder Prostituierte mit Studium der Psychologie oder entsprechend lebenspraktisch ausgebildeten Kompetenzen.

Ein Verband oder eine Berufsvertretung von Sexualassistenzen, SexualbegleiterInnen und Surrogatpartnern mit der Möglichkeit eines fachlichen Austausches oder einer Qualitätssicherung existiert derzeit (Stand 07/07) in Europa nicht. In Deutschland beschäftigen sich mehrere Wohlfahrtsverbände und Träger mit dem Thema.

Kritik

Die öffentliche Rezeption des Themas ist sehr gering. Die Sexualbegleitung sieht sich oft dem Vorwurf ausgesetzt, nur eine schöngeredete Form der Prostitution darzustellen, der eher etwas Perverses als etwas Positives beikommt. In der wissenschaftlichen Literatur stehen vor allem Missbrauchsszenarien von Therapeuten mit ihren Patienten zur Diskussion. Der Umgang mit dieser modifizierten Form der Prostitution wird zudem von weiten Teilen der Kirchen und konservativen Kreisen tabuisiert. Etablierte Psychologen als auch die Krankenkassen sehen das Thema hochkritisch. Es fehlt jeder gesicherte Nachweis zur Wirksamkeit von Surrogatpartnerschaften im sexualtherapeutischen Rahmen. Auf dieser Grundlage können entsprechende Angebote nur privat finanziert werden und werden von den Kassen nicht übernommen.

Insbesondere steht die in therapeutischen Umgebungen geltende Grundregel, sich niemals mit dem Patienten auf eine sexuelle Verbindung einzulassen, dem Ansatz der Surrogattherapie vollkommen entgegen. Die Befürchtung, sich nicht genügend dissoziieren zu können und auch die Abneigung, sich persönlich so weit einzubringen, stellt für die weit überwiegende Mehrheit der Sexualtherapeuten eine unüberwindbare persönliche Grenze dar. Hieraus entsteht eine sexualethische und grundsätzliche Kritik an dem Konzept als solches. Lösungen für dieses Problem haben eine enge Zusammenarbeit von Therapeuten, die keinen sexuellen Kontakt mit Ratsuchenden eingehen, und SurrogatpartnerInnen entstehen lassen (ISBB Trebel).

Es stellen sich weiterhin Fragen zum Umgang mit der Intimsphäre in Pflegeeinrichtungen bei der Vornahme sexueller Handlungen durch Dritte. Die meisten Pflegeeinrichtungen sind weder räumlich noch von Seiten der Mitarbeiterinformation durch die Pflegedienstleitung auf derartige Angebote eingerichtet und so werden Sexualassistenzen fast ausschließlich im privaten Rahmen gebucht.

Siehe auch

Literatur

  • Monika Krenner: Sexualbegleitung bei Menschen mit geistiger Behinderung, Marburg 2003, 140 Seiten. ISBN 3-8288-8541-1
  • J. Walter (Hrsg.): Sexualbegleitung und Sexualassistenz bei Menschen mit Behinderungen, Heidelberg 2004, ISBN 3825383148
  • Heinrich W. Ahlemeyer: Prostitutive Intimkommunikation. Zur Mikrosoziologie heterosexueller Prostitution. Thieme, 1996, ISBN 3-43227-171-9
  • Heinrich W. Ahlemeyer: Geldgesteuerte Intimkommunikation. Psychosozial-Verlag, Giessen 2002, ISBN 3-89806-088-8 [Unveränderte Neuauflage von Ahlemeyer 1996]
  • Reschke, Kranich: Sexuelle Gefühle und Phantasien in der Psychotherapie. Eine anonyme Fragebogenerhebung bei sächsischen PsychotherapeutInnen, in: Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis 1996 28 (2), 251-271
  • J. Walter (Hrsg.): Sexualbegleitung und Sexualassistenz bei Menschen mit Behinderungen, Heidelberg 2004
  • Jörg M. Fegert, M. Wolff (Hrsg.): Sexueller Missbrauch durch Professionelle in Institutionen, Prävention und Intervention, Ein Werkbuch, Votum Verlag, Münster 2002
  • K. M. Bachmann, W. Böker (Hrsg.): Sexueller Missbrauch in Psychotherapie und Psychiatrie, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle 1994
  • J. Zinsmeister: Mehrdimensionale Diskriminierung. Zugl. Dissertation. Baden-Baden, 2006
  • A. Bergmann: Das Rechtsverhältnis zwischen Dirne und Freier - das Prostitutionsgesetz aus zivilrechtlicher Sicht. In: JR 2003, S.270-276
  • W. Commander, K. Krott: Hand anlegen? In: Orientierung 2/2003 S.25
  • U. Krahmer, R. Richter: Heimgesetz. Lehr- und Praxiskommentar (LPK-HeimG), Baden-Baden 2003
  • M. Crossmker: Behind Locked Doors: Insititutional Sexual Abuse. Sexuality and Disability 9 (3), 1991 S. 167 ff.

Weblinks Deutschland

Weblinks International

Quellen

  1. Zur Kostenübernahme
Gesundheitshinweis
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