Shanghaier Kugelfisch-Abkommen

Shanghaier Kugelfisch-Abkommen

Das Shanghaier Kugelfisch-Abkommen ist eine fiktive internationale Übereinkunft, die von der Partei „Die Grünen“ 1985 in die Koalitionsvereinbarung zur Bildung der ersten rot-grünen Landesregierung in Hessen aufgenommen wurde.

Im Dezember 1985 einigten sich die SPD und die Grünen in Hessen auf die Bildung der ersten rot-grünen Koalition auf Landesebene. Ministerpräsident wurde der SPD-Politiker Holger Börner, Umweltminister der Grüne Joschka Fischer, der erste grüne Landesminister in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Grundlage der Regierungsarbeit war eine zwischen den Parteien ausgehandelte Koalitionsvereinbarung. In einer nächtlichen Verhandlungsrunde wurde auf Wunsch der Grünen ein Passus aufgenommen, der den Beitritt Hessens zum Shanghaier Kugelfisch-Abkommen von 1974 vorsah.

Fugu in einem Restaurant-Aquarium in Nagoya, Japan

Hintergrund des Abkommens war nach Darstellung der Grünen eine wohlbekannte Tatsache: Der als Delikatesse geschätzte Fugu-Kugelfisch hat viele hochgiftige Körperteile. Zum Schutz der Verbraucher darf der Fisch deshalb nur von besonders geschulten Köchen zubereitet werden, die meistens aus Asien stammten. Diese Köche erhielten aber immer nur befristete Aufenthaltsgenehmigungen, was zu Problemen in den Restaurants führte, die Kugelfisch als Spezialität anboten. Das Shanghaier Kugelfisch-Abkommen sollte für Abhilfe sorgen, indem es für die Köche Aufenthaltssonderregelungen vorsah.

Da Kugelfische in Deutschland nicht zubereitet werden dürfen, war sowohl diese Tatsache als auch das Kugelfisch-Abkommen selbst eine freie Erfindung der Grünen in der Tradition der Spaßguerilla. Gleichwohl bemerkten zunächst weder die SPD-Vertreter noch die zur Prüfung berufenen Juristen oder die Massenmedien den Scherz, so dass er Eingang in die förmliche Koalitionsvereinbarung (S. 108) fand.

Nach Angaben der hessischen Grünen[1] erhielt Joschka Fischer Jahre später, als der Streich längst aufgedeckt war, einen handgeschriebenen Brief seines einstigen Koalitionspartners Holger Börner, der inzwischen Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung geworden war und von einer Reise nach Shanghai schrieb: „Bin auf den Spuren des Kugelfisch-Abkommens. Viele Grüße“. Später soll laut derselben Quelle Oskar Lafontaine kurz vor Abschluss der ersten rot-grünen Koalition auf Bundesebene (1998) erklärt haben, mit ihm werde es auf keinen Fall ein Kugelfisch-Abkommen geben.[1]

Einzelnachweise

  1. a b Das Shanghaier Kugelfisch-Abkommen. In: Fraktionsgrün, Informationsblatt der Landtagsfraktion Hessen von Bündnis 90/Die Grünen, Nr. 1, Mai 2004, S. 4

Weitere Quellen


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