Siebenbürgersächsisch

Siebenbürgersächsisch
Siebenbürgersächsisch

Gesprochen in

Rumänien, Deutschland, Österreich
Sprecher ca. 50.000
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache von -
Sprachcodes
ISO 639-1:

-

ISO 639-2:

gem (sonstige Germanische Sprachen)

Ehemaliges Verbreitungsgebiet des Sächsischen in Süd- und Nordsiebenbürgen, im Westen und Nordwesten Rumäniens (Banat, Sathmar) wurde Donau-Schwäbisch gesprochen

Siebenbürgersächsisch (Eigenbezeichnung: Saksesch, rum.: săseşte, ung.: erdélyi szász, Landlerisch: Soksisch) ist die Sprache der Siebenbürger Sachsen im heutigen Rumänien. Das Siebenbürgisch-Sächsische ist eine überwiegend moselfränkisch geprägte Reliktmundart, teilweise auf dem Entwicklungsstand des Mittelhochdeutschen. Es ist eine der ältesten noch erhaltenen deutschen Kolonistensprachen, die ab dem 12. Jahrhundert als Ausgleichsdialekt verschiedener Mundarten entstand und viele mittelalterliche Formen und Idiome konserviert hat, wobei die westmitteldeutschen Elemente deutlich überwiegen. Somit sind die nächstverwandten Dialekte das Ripuarische und das Luxemburgisch.

Durch den Kontakt mit Ungarn (Szeklern), Rumänen wurden über die Jahrhunderte auch teilweise Einflüsse aus diesen Sprachen aufgenommen. Stärkere Prägung jedoch hatte ab dem 16. Jahrhundert die Reformation und die Sprache der Lutherbibel, wodurch das Neuhochdeutsche zur Schriftsprache der Siebenbürger Sachsen wurde. In der gesprochenen Sprache, den privaten Domänen, dominierte allerdings stets der siebenbürgisch-sächsische Dialekt, sowohl in den Dörfern Siebenbürgens als auch in den urbanen Zentren wie Kronstadt, Hermannstadt, Schäßburg und Bistritz.

Durch die Auswanderung aus Siebenbürgen während des Zweiten Weltkrieges und nach Ende des Kommunismus leben von den einst 250.000 (1910) heute nur noch um die 17.000 Siebenbürger Sachsen in Rumänien, die jedoch die Sprache in ihren verschiedenen Ortsmundarten noch als Muttersprache sprechen. In Deutschland, Österreich, Kanada und den USA wird das Sächsische von den Ausgewanderten teilweise noch zu Hause oder bei Treffen von siebenbürgersächsischen Kulturvereinen gesprochen, aber nur selten eine aktive Kompetenz an die zweite und dritte Generation weitergegeben, wodurch es durchaus zu den bedrohten Sprachen zu zählen ist.

Siebenbürgersächsisch ist nicht zu verwechseln mit den Sprachen anderer deutscher Minderheiten in Rumänien, wie den Sathmarer- und Banater Schwaben, den Landlern und den Bukowinadeutschen, die jeweils eine andere Geschichte und einen eigenen Dialekt oder Sprache haben.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Name

Das Siebenbürgersächsisch ist im Hochmittelalter als Ausgleichsdialekt verschiedener Siedlergruppen entstanden. Früher wurde in der Forschung vermutet, dass die Siebenbürger Sachsen in einer geschlossenen Einwanderung aus einer bestimmten deutschsprachigen Region gekommen sind, was jedoch widerlegt wurde. Dennoch spielte eine Siedlergruppe aus Niederlothringen die entscheidende Rolle bei der Ausformung der Sprache.[1] Diese stießen in Siebenbürgen auf bereits früher eingewanderte, aber weniger zahlreiche bairische und niederdeutsche Siedler. Man nimmt an, dass der Prozess der Sprachangleichung mehrere Generationen gedauert hat. Dabei passten sich die kleineren Siedlergruppen weitgehend den moselfränkischen Sprachformen an, wodurch im Siebenbürgersächsisch eindeutig die westmitteldeutschen Formen dominieren. Genaue Aussagen zu diesem Angleichsprozess sind jedoch nur bedingt möglich, da nur wenige nicht-lateinische Texte überliefert sind.

Der älteste Text in einer dem heutigen Siebenbürgersächsisch nahe stehende Form ist erst aus dem Barock überliefert. Darunter eine von Johannes Tröster stammende Beschreibung Siebenbürgens unter dem Titel Alt- und Neue-Teutsche Dacia welche Textbeispiele des Siebenbürgersächsisch enthält. [2] Ab dieser Zeit ist das Siebenbürgersächsisch gut dokumentiert, wenn gleich es später, besonders ab dem 19. Jahrhundert, in der Schrift weitgehend vom Neuhochdeutschen verdrängt wurde.

Mit dem historischen Volk der Sachsen hat das Siebenbürgersächsisch also keine direkten Berührungspunkte, ebenso nicht mit den heutigen Bundesländern Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, da die Kerngruppe aus dem fränkischsprachigen Niederlothringen stammte, also aus einer historischen Region die heute zwischen Deutschland, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden aufgeteilt ist. Die Namensgebung leitet sich viel mehr vom lateinischen Saxones in alten ungarischen Urkunden ab, womit im Mittelalter alle deutschsprachigen Siedler gemeint waren (siehe auch Siebenbürger Sachsen).

Die Eigenbezeichnung Saksesch ist ebenfalls erst in jüngerer Zeit entstanden. In den alten Bauerndialekten wurde die eigene Sprache einfach als detsch (deutsch) bezeichnet, während in Abgrenzung dazu das Deutsch der landfremden meist österreichischen Soldaten und Beamten in der Zeit als Siebenbürgen habsburgisch war moëseresch (soldatisch) genannt wurde.

Charakteristika

Auf Grund der historischen Siedlungsstruktur gliedert sich das Siebenbürgersächsisch in etwa 250 verschiedene Ortsdialekte. Die Siebenbürger Sachsen lebten nämlich nicht durchgehend in einem geschlossenen Siedlungsgebiet, sondern sächsische Siedlungen lagen neben ungarischen und rumänischen Orten und das nächste Sachsendorf lag oft einige Kilometer entfernt. Teilweise bestanden die Dörfer sogar aus zwei Ortsteilen, einem sächsischen und einem ungarischen oder einem sächsischen und einem rumänischen. So bildeten sich typische Ortsdialekte, die jedoch trotz Unterschiede in der Aussprache und im Vokabular gegenseitig weitestgehend verständlich waren (Mutual intelligibility).

Größere regionale Unterschiede bestanden nur zwischen dem nördlichen Siedlungsgebiet im Nösnerland (um Bistritz) und dem Reener Ländchen (um Sächsisch Regen) einerseits, sowie dem südlichen Gebiet um Hermannstadt und Mediasch, dem Burzenland (um Kronstadt), sowie dem Unterwald andererseits, wobei die südlichen Varietäten die sprecherreicheren waren und sind. Aus diesem Grund gibt es auch neben dem allgemein gehaltenen Siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch auch noch das Nordsiebenbürgisch-sächsische Wörterbuch.

Kennzeichnend für alle Dialekte sind allerdings folgende Merkmale:

  • Entgegen den hochdeutschen Lautungen ist die Zweite Lautverschiebung im Siebenbürgersächsischen nur teilweise realisiert. Während es wie in den hochdeutschen Varitäten „Wasser" (niederl.: water), „naß" (niederl.: nat) und „Zekt" (Zeit, niederl.: tijd) heißt, weisen andere Wörter die unverschobenen Formen auf, etwa: "det", bzw. „dat" (hochdeutsch: das) und „wat" (was), „genet" (jenes), „e gadet" (ein gutes) und „täschen" (hdt.: zwischen; niederl.: tussen).
  • In allen Mundarten ist das n und ch vor einem s verschwunden: „Gås" (Gans), „aser" (unser), „Fuß" (Fuchs), „Uëßelt" (Achsel).
  • Entgegen der mittelhochdeutsche Primärumlautregel wird im Siebenbürgersächsischen durchgehen ein /e/ gesprochen: „mät (mit), „Gräs (Gras), „Däsch" (Tisch), „Fäsch" (Fisch), „mäschen (mischen).
  • Wie das Moselfränkische bildet das Siebenbürgersächsisch Diphthonge, dort wo das Standarddeutsche kurze Vokale hat: „Iësch (Asche), „wiëschen" (waschen), „riëchts (rechts)

Stadtdialekte

Während die ländlichen Ortsdialekte für Personen die nur eine standarddeutsche Sprachkompetenz haben weitgehen unverständlich sind, haben sich im 19. und 20. Jahrhundert in den größeren Städten moderatere Formen des Siebenbürgersächsisch gebildet, die sowohl in der Aussprache als auch im Vokabular standarddeutsche Elemente aufgenommen haben. Besonders das Hermannstädter und das Kronstädter Sächsisch galten hier als vorbildhaft und wurden deshalb auch für Gedichte, Literatur und Liedertexte verwendet. Diese Formen genossen ein hohes Prestige und wurden im Gegensatz zu Deutschland auch von bürgerlichen Kreisen und der gebildeten Schicht gesprochen, vergleichbar mit der Sprachsituation im Elsass, Luxemburg und der Schweiz.

Dennoch hatten auch diese Stadtdialekte einen beträchtlichen linguistischen Abstand zum Standarddeutschen und es wurde scharf zwischen dem Siebenbürgersächsisch und dem Standarddeutsch unterschieden. Ein Gespräch wurde entweder in der einen Varietät oder in der anderen geführt, nicht aber auf einem Varietätenkontinuum hin- und hergewechselt, wie dies in Österreich und Bayern oft der Fall ist. Die Muttersprache war dabei für beinahe alle Sachsen der Dialekt während die Kinder das Hochdeutsche in der Schule erst wie eine Fremdsprache erlernen mussten. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es deshalb auch in der evangelischen Kirche, der die Sachsen mit großer Mehrheit angehören, üblich, Siebenbürgersächsisch zu predigen und zu singen. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Hochdeutsch als "Verkündigungssprache" eingeführt.

Mehrsprachigkeit

Neben dieser bereits zwischen Siebenbürgersächsisch und Hochdeutsch bestehenden Diglossiesituation, hatten und haben viele Siebenbürger Sachsen auch noch Kompetenz sowohl im Rumänischen als oft auch im Ungarischen. Diese Mehrsprachigkeit beschränkte sich auch nicht auf gebildete Kreise, denn fast jeder Sachse hatte direkten Umgang mit rumänisch- oder ungarischsprachigen Nachbarn, Arbeitskollegen, Handwerkern, Bauern und Händler. Während bis 1918, als Siebenbürgen zur ungarischen Reichshälfte Österreich-Ungarns gehörte, klar Ungarisch die Sprache mit dem höheren Prestige war, so wurde dies danach immer mehr das Rumänische. Heute sprechen beinahe alle in Rumänien lebenden Siebenbürger Sachsen fließend Rumänisch, während die Ungarischkompetenz mittlerweile stark zurückgegangen ist und sich fast nur noch bei älteren oder hochbetagten Personen feststellen läßt. Allerdings ist teilweise ein deutliches Gefälle in der Rumänischkompetenz zwischen Menschen die noch vor Ende des Zweiten Weltkrieges Rumänisch gelernt haben und denen die es später erlernten bzw. zwischen Personen auf Dörfern mit hohem Anteil von Siebenbürger Sachsen und denen aus Ortschaften mit kleinem Anteil deutschsprachiger Personen erkennbar.

Kodifizierung

Entgegen den meisten deutschen Regionalsprachen hat das Siebenbürgersächsisch eine standardisierte Kodifizierung, also ein eigene Rechtschreibung, die schon seit 1907 vom damals in Straßburg erschienen Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch vorgegeben wird.[3] Diese Verschriftlichungsform ähnelt sehr der luxemburgischen Schreibweise, besonders was die Konventionen zur Verschriftlichung der unterschiedlichen Vokale und Diphthonge betrifft. Es ist eine unverbindliche Empfehlung an die Schreiber, die ihre persönliche Schreibweise noch an ihren jeweiligen Ortsdialekt anpassen können. Zum Zweck der einfacheren Lesbarkeit richten sich jedoch die meisten Publikationen auf Siebenbürgersächsisch nach dieser Rechtschreibung.

Da in Luxemburg auch Lehrbücher zum Erlernen der Sprache herausgegeben werden, wird auf Grund der großen Ähnlichkeit der beiden Sprachen Personen die sich für das Siebenbürgersächsisch interessieren oft sogar empfohlen, die ersten Kenntnisse aus diesen luxemburgischen Büchern zu lernen, da es solche Lehrmaterialen für das Siebenbürgersächsisch nicht gibt.

Die in den Wörterbuchartikeln aufgeführten Beispiele aus der Urkundensprache und die Belegsätze in der Mundart sind sprach- und kulturhistorisch von hohem Interesse. Teilweise werden sie auch als Dokumentation eines im Untergang begriffenen Dialekts betrachtet.

Literatur auf Siebenbürgersächsisch

Weblinks und Sprachbeispiele

Einzelnachweise

  1. Armbruster, Adolf, 1971: Zur Herkunftsgeschichte der Siebenbürger Sachsen. Forschungen zur Volks- und Landeskunde. Hrsg. von der Akademie der sozialen und politischen Wissenschaften der Sozialistischen Republik Rumänien. Bd. 14. Nr. 1. Bukarest, 98-115. (zitiert nach Waltraut Schuller)
  2. Siebenbürgische Zeitung: Papstgeschichte von 1667 für Gundelsheim ersteigert
  3. Sibiweb: Die Mundart der Siebenbürger Sachsen - Hilfen zu Rechtschreibung und Aussprache (von Udo-Jürgen Weber)

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