Simulanzien

Simulanzien
Dieser Artikel erläutert die technische Bedeutung des Begriffs Simulation; zu anderen Bedeutungen siehe Simulation (Begriffsklärung).
Fahr-Simulation 2008
Fahrzeugsimulator

Die Simulation oder Simulierung ist eine Vorgehensweise zur Analyse von Systemen, die für die theoretische oder formelmäßige Behandlung zu kompliziert sind. Dies ist überwiegend bei dynamischem Systemverhalten gegeben. Bei der Simulation werden Experimente an einem Modell durchgeführt, um Erkenntnisse über das reale System zu gewinnen. Im Zusammenhang mit Simulation spricht man von dem zu simulierenden System und von einem Simulator als Implementierung oder Realisierung eines Simulationsmodells. Letzteres stellt eine Abstraktion des zu simulierenden Systems dar (Struktur, Funktion, Verhalten). Der Ablauf des Simulators mit konkreten Werten (Parametrisation) wird als Simulationsexperiment bezeichnet. Dessen Ergebnisse können dann interpretiert und auf das zu simulierende System übertragen werden.

Deswegen besteht die Simulation erst einmal aus einer Modellfindung. Wird ein neues Modell entwickelt, spricht man von einer Modellierung. Ist ein vorhandenes Modell geeignet, um Aussagen über die zu lösende Problemstellung zu machen, müssen lediglich die Parameter des Modells entweder hinsichtlich der Istsituation oder einer gewünschten Zielsituation eingestellt und ggf. geeignet variiert werden. Das Modell, resp. die Simulationsergebnisse können dann für Rückschlüsse auf das Problem und seine Lösung genutzt werden. Daran können sich – sofern stochastische Prozesse simuliert wurden – statistische Auswertungen anschließen.

Die Methode der Simulation wird für viele Problemstellungen der Praxis eingesetzt. Bekannte Felder des Einsatzes von Simulationen sind Strömungssimulationen (z. B. FHP-Modell), Verkehrssimulationen (z. B. VISSIM), Wettervorhersage (siehe ECMWF).

Inhaltsverzeichnis

Unterteilung der Simulationsverfahren

Grundsätzlich muss man zwischen Simulationen mit und ohne Computer unterscheiden. Eine Simulation ist ein „Als ob“-Durchspielen von Prozessen; das kann man auch ohne Computer tun. Wenn heute von „Simulation“ die Rede ist, meint man allerdings fast immer Computersimulationen (Numerische Simulation).

Allerdings werden auch gelegentlich physikalische Experimente als Simulationen bezeichnet: Ein Auto-Crashtest beispielsweise ist eine Simulation für eine reale Verkehrssituation, in der ein Auto in einen Verkehrsunfall verwickelt ist. Dabei wird die Vorgeschichte des Unfalls, die Verkehrssituation und die genaue Beschaffenheit des Unfallgegners stark vereinfacht. Auch sind keine Personen in den simulierten Unfall verwickelt, stattdessen werden Crashtest-Dummies eingesetzt, die mit realen Menschen gewisse mechanische Eigenschaften gemeinsam haben. Ein Simulationsmodell hat also nur ganz bestimmte Aspekte mit einem realen Unfall gemeinsam. Welche Aspekte dies sind, hängt maßgeblich von der Fragestellung ab, die mit der Simulation beantwortet werden soll.

Ebenso in diese Kategorie fallen beispielsweise Versuche in Strömungswindkanälen. Hier können beispielsweise an einem maßstäblich verkleinertem Modell Aussagen über Luftwiderstand und Auftrieb von Flugzeugen gemacht werden.

Gründe für den Einsatz

Für den Einsatz von Simulationen kann es mehrere Gründe geben:

  • Eine Untersuchung am realen System wäre zu aufwändig, zu teuer, ethisch nicht vertretbar oder zu gefährlich. Beispiele:
    • Fahrsimulator (zu gefährlich in der Realität)
    • Flugsimulator zur Pilotenausbildung, Nachstellung kritischer Szenarien (Triebwerksausfall, Notlandung)
    • Crashtest (zu gefährlich oder zu aufwändig in der Realität)
    • Simulation von Fertigungsanlagen vor einem Umbau (mehrfacher Umbau der Anlage in der Realität wäre zu aufwändig und zu teuer)
    • Simulatoren in der chirurgischen Ausbildung (ein Training am Patienten ist in einigen Bereichen ethisch nicht vertretbar)
  • Das reale System existiert (noch) nicht. Beispiel: Windkanalexperimente mit Flugzeugmodellen, bevor das Flugzeug gefertigt wird
  • Das reale System lässt sich nicht direkt beobachten
  • Für Experimente kann ein Simulationsmodell wesentlich leichter modifiziert werden als das reale System. Beispiel: Modellbau in der Stadtplanung
  • Exakte Reproduzierbarkeit der Experimente
  • Gefahrlose und kostengünstige Ausbildung. Beispiel: Flugsimulation, Schießausbildung
  • Das reale System ist unverstanden oder sehr komplex. Beispiel: Bei der Auswertung wissenschaftlicher Experimente müssen die Ergebnisse per Simulation interpretierbar gemacht werden
  • Spiel und Spaß an simulierten Szenarien.
  • Methode in der Pädagogik. Beispiele: Rollenspiel, Simulationsspiele

Heutzutage werden Simulationen mehr und mehr durch Computer realisiert, weil Computer ein ideales und sehr flexibles Umfeld für fast alle Arten der Simulation bieten (siehe auch Computersimulation).

Grenzen der Simulation

Jeglicher Form von Simulation sind auch Grenzen gesetzt, die man stets beachten muss. Die erste Grenze folgt aus der Begrenztheit der Mittel, d. h. der Endlichkeit von Energie (z. B. auch Rechenkapazität), Zeit und nicht zuletzt Geld. Eine Simulation muss also auch wirtschaftlich gesehen Sinn ergeben. Aufgrund dieser Einschränkungen muss ein Modell möglichst einfach sein. Das wiederum bedeutet, dass auch die verwendeten Modelle oft eine grobe Vereinfachung der Realität darstellen. Diese Vereinfachungen beeinträchtigen naturgemäß auch die Genauigkeit der Simulationsergebnisse. Die zweite Grenze folgt daraus: Ein Modell liefert nur in einem bestimmten Kontext Ergebnisse, die sich auf die Realität übertragen lassen. In anderen Parameterbereichen können die Resultate schlichtweg falsch sein. Daher ist die Verifikation der Modelle für den jeweiligen Anwendungsfall ein wichtiger Bestandteil der Simulationstechnik. Als mögliche weitere Grenzen seien Ungenauigkeiten der Ausgangsdaten (z. B. Messfehler), sowie subjektive Hindernisse (z. B. mangelnder Informationsfluss über Produktionsfehler) genannt.

Anwendungsbereiche der Simulation

Aus Anwendungssicht lassen sich folgende Simulationstypen unterscheiden:

  1. Technische Simulationen, z. B. Schaltungssimulationen, Festigkeitsberechnungen (FEM), Strömungssimulation (CFD) u.v.m.
  2. Wissenschaftliche Simulationen. Sie gibt es in fast allen Natur- und Gesellschaftswissenschaften:
    • Medizinische Simulation zur Ausbildung oder Weiterbildung
    • Meteorologische Simulation zur Wettervorhersage
    • Physikalische Simulation und astrophysikalische Simulation
    • Chemische Simulation
    • Biologische Simulationen, z. B. Simulation neuronaler Netze (siehe neuronales Netz, Waldwachstumssimulationen
    • Sozioökonomische Simulation, z. B. Multiagentensysteme
    • u.v.m.
  3. Unternehmenssimulation für die Aus- und Weiterbildung, z. B. Unternehmensplanspiel
  4. Spielsimulationen, z. B. Flugsimulationen, Rennsimulationen, Wirtschaftssimulationen

Literatur

  • F. E. Cellier: Continuous System Modeling. Springer, New York 1991 ISBN 0-387-97502-0
  • R. M. Fujimoto: Parallel and Distributed Simulation Systems. Wiley-Interscience, New York 1999, ISBN 0-471-18383-0
  • N. Gilbert, K. G. Troitzsch: Simulation for the Social Scientist. Open University Press 1999, ISBN 0-335-19744-2
  • S. Hartmann: The World as a Process: Simulations in the Natural and Social Sciences. In: R. Hegselmann et al. (Hrsg.): Modelling and Simulation in the Social Sciences from the Philosophy of Science Point of View. Kluwer, Dordrecht 1996, ISBN 0-7923-4125-2 (Theory and Decision Library) S. 77–100
  • R. Hegselmann et al. (Hrsg.): Modelling and Simulation in the Social Sciences from the Philosophy of Science Point of View. Kluwer, Dordrecht 1996, ISBN 0-7923-4125-2 (Theory and Decision Library)
  • VDI 3633 (Technische Richtlinie): Simulation von Logistik-, Materialfluß- und Produktionssystemen.
  • J. Wunderlich: Kostensimulation – Simulationsbasierte Wirtschaftlichkeitsregelung komplexer Produktionssysteme. Meisenbach, Bamberg 2002, ISBN 3-87525-179-2 (Dissertation)
  • B. P. Zeigler, H. Praehofer, T. G. Kim: Theory of Modeling and Simulation. 2. Ausgabe. Academic Press, San Diego 2000, ISBN 0-127-78455-1

Siehe auch

Weblinks


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