- Site specific theatre
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Begründung:Will Artikel werden. Zudem mit nur gut 8000 Googletreffern für ein englisches Wort arg wenig Treffer. TF? --WB 11:57, 29. Apr. 2009 (CEST)
Site specific theatre oder auch site specific performance ist ein auch mittlerweile im Deutschen gebräuchlicher Fachbegriff, der für theatrale Aktionen und Interaktionen im öffentlichen Raum steht. Es handelt sich dabei um einen Teilbereich der so genannten Site Specific Art.
Inhaltsverzeichnis
Einführung in den Begriff
Wörtlich übersetzt heisst der Begriff „ortsspezifisches Theater“ oder eben „ortsspezifische Performance“, was auf die besondere Rolle des (öffentlichen) Raums als Mitspieler hindeutet. Mit dem Begriff sind Formen der Aktionskunst gemeint, die sich auf einen spezifischen Ort beziehen, die neue (urbane) Räume schaffen und/oder Räume für eine bestimmte Zeitspanne verwandeln. Die Straße gibt Raum für Ausstellung, Inszenierung, Interaktion, Veränderung und Alltagsforschung. Besonders hervorzuheben ist das Verhältnis von Bühne und Publikum und zwischen Zuschauern und Akteuren in öffentlichen Räumen. Eine Aktivierung des Publikums (im Öffentlichen) bewirkt eine Transformation der Verhältnisse von Produzent und Rezipient. Die Rollen, die im klassischen Theater eindeutig festgelegt sind, beginnen sich aufzulösen. Ziel des site specific theatre ist es, eine eingefahrene Vorstellung von Theater und Aufführung in Frage zu stellen und die Stadt für künstlerische Reflexion zu öffnen. Durch die künstlerische Aktion kann die Stadt als Bühne zu einem neuen öffentlichen Raum von Begegnungen werden. Das normale Leben als Aufführung wahrzunehmen, eröffnet einen ebenso neuen Blick auf die eigene Stadt wie auch auf die eigene Position in diesem Spiel. Kunst im und mit urbanem Raum involviert den Städter anders als im Theaterraum - Realität und Fiktion treffen aufeinander. Dieses Eingreifen in bestehende Situationen macht die Kunst auf und mit der Straße so reiz- und auch wirkungsvoll. Es handelt sich also um eine „Kunst des Öffentlichen“. Zeitgenössische KünstlerInnen formulieren mit ihrer künstlerischen Arbeit eine kritische Stellungnahme zum Zustand öffentlicher, städtischer Räume.
Beispiele für site specific theatre
Aktuelle Beispiele für site specific theatre bzw. performances sind:
- "Nights in this city" (1995) von Forced Entertainment
- „Bitte liebt Österreich! Erste europäische Koalitionswoche“ (2000) am Wiener Opernplatz (Christoph Schlingensief)
- „insightout“ (2001) im Rahmen von „urban life“ von Oliver Hangl
- „Show room 1“ (2003) von Katharina Oberlik
- "Radioballett" (2003) am Hamburger Hauptbahnhof von Ligna
- „Super Night Shot“ (2003) und „Saving the world“ (2008) von Gob Squad (engl.-dt Theater- und Performance-Kollektiv)
- „Cargo Sofia-X“ (2006) und "Call Cutta" (2008) von Rimini Protokoll.
- „Performing Crime - Archiv des Verbrechens“ (2008) von lunatiks produktion
Die Entwicklung der Kunstform
Der Begriff site-specific entstand zuerst im Kontext der bildenden Kunst. Im 20. Jahrhundert wurde die Reflexion über die Rahmen- und Diskursbedingungen von Kunst zunehmend wichtiger. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelt sich ein neues Selbstverständnis von Kunst. Eine eigenständige Performancekunst entsteht dann später in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts mit der Hinwendung zu performativen Strategien in nahezu allen Kunstsparten wie Musik, Literatur, Tanz, Theater und Bildender Kunst.
Historische Entwicklung
In der Minimal-art der 60er Jahre geht es Künstlern wie beispielsweise Marcel Duchamp (1887-1968) um eine Analyse und Dekonstruktion des Ausstellungsraums und seiner Bedingungen. Duchamp hat mit seinen Ready-mades und objets trouvés den Mechanismus der Institution Kunst aufgezeigt. Er trägt mit Alltagsobjekten, die er in dem sakralen weißen Raum ausstellt, den Alltag in die Institution Kunstmuseum. Ausgehend vom Ausstellungsraum als einem Ort der Auseinandersetzung der Kunst mit dem Raum lässt sich dann über das Verlassen des White Cube die Entwicklung hin zu einer ortsspezifischen beziehungsweise ortsbezogenen performativen Kunst im sozialen Raum beschreiben.
Unter dem Namen der Land-art, die ebenfalls ortsbezogen, allerdings in der Natur arbeitet, thematisierte beispielsweise Robert Smithson (1938-1973) kritisch den Ausstellungsraum und benutzt als erster Begriffe wie Site und Non-Site. In seiner Arbeit „six stops on a section“ von 1968 befasst sich Smithson mit physischen tatsächlichen Orten in der Natur, was prägnant ist für die Form der Land-art. Er bezeichnet diese tatsächlichen Orte als Sites und stellt sie im Galerieraum aus, wodurch sie Non-Sites -Arbeiten werden.
Im Laufe der nächsten Jahre gewinnt das Bewusstsein über die eigene Position innerhalb institutionalisierter Machtverhältnisse stark an Bedeutung. Konzept- und Kontextkünstler wie Daniel Buren (geb. 1938), Gordon Matta-Clark (1943-1978), Michael Asher (geb. 1943) und Richard Serra (geb. 1939) arbeiten in den 70er Jahren mit der Dekonstruktion des Ausstellungsraumes und formulieren damit eine Kritik an der Institution Museum. Sie zielen auf eine Verbindung von Innen- und Außenraum ab. Matta-Clark hat mit seiner Arbeit „Office Baroque“ von 1977 wohl am radikalsten eine solche Verbindung des eingeschlossenen Innenraums mit dem Außenraum des Ausstellungsraums umgesetzt, indem er die physischen Raumbegrenzungen im wörtlichen Sinne aufgebrochen hat.
Boris Archour (*1966 in Frankreich) wiederum arbeitet über Konzepte vonb Ordnung und Unordnung im städtischen Raum und entwickelt die Idee der "vergänglichen Skulptur" weiter ("Aligneur de Pigeons", 1996)
Indem Künstler wie Buren, Serra oder Archour aus der Institution heraustreten und den urbanen Raum in ihre Arbeit mit einbeziehen, integriert sich Kunst in die Gestaltung des öffentlichen Raumes. Die Bedeutung des Kunstobjekts offenbart sich dabei erst in seiner Ortsbezogenheit. Die Kunst im Öffentlichen Raum wird so zunehmend in den Dienst von Architektur und Stadtplanung gestellt. Dabei gilt:
„To remove the work is to destroy the work“
Das Prinzip einer Site-specificity meint in diesem Sinne die untrennbare Verbindung des Kunstobjekts mit seinem bestimmten Ort, nach einer Definition von Richard Serra.
Mit der rasanten Entwicklung von Technologie, dem Aufkommen von Massenmedien und der steigenden Fluktuation in den Großstädten der 80er und 90er Jahre wandelt sich die Position, dass eine ortsspezifische Kunst in untrennbarer Verbindung mit dem Ort stehen muss. Jetzt gilt das Interesse mehr und mehr dem sozialen Zusammenhang; die Funktion von Orten tritt hiermit an erste Stelle. Kontext-KünstlerInnen wie Andrea Fraser (geb. 1965), Renée Green (geb. 1959) und Christoph Schlingensief (geb. 1960) kritisieren nicht mehr die Institution, sondern das gesamte Betriebssystem Kunst. Christoph Schlingensief formulierte im Oktober 2003, dass „die Theater nur dazu da seien, uns davon abzuhalten, Sachen auf der Straße zu machen“. Er sucht in seinen Arbeiten explizit Konflikte zwischen den Systemen Politik, Kunst und Leben.
Insgesamt gewinnt das Performative im Laufe der Jahrzehnte in den Künsten an Bedeutung, aber auch in gesellschaftlichen Bereichen wie der Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur. Schlagwörter wie Einmaligkeit, Unwiederholbarkeit, Körperlichkeit und Flüchtigkeit gelten im Alltag wie in einer Performancekunst als Bestandteil von Körper- und Selbstinszenierungen. Performancekunst bezieht sich stark auf andere Künste und auf den Alltag und verbindet diese unterschiedlichen Elemente in einer theatralen Situation. Performance im öffentlichen Raum bedeutet, dass der Künstler ein hohes Maß an Kontrolle über den künstlerischen Prozess aufgibt, um eine Beteiligung des Zuschauers zu ermöglichen.
Abschliessend lässt sich sagen, dass im 20. Jahrhundert die Rolle der Partizipation als künstlerische Praxis eine entscheidende Rolle spielt, und zwar immer dort, wo es um die Selbstkritik der Kunst geht und um die Distanz der Kunst zum Leben und der Gesellschaft. Die Aktivierung des Publikums beabsichtigt die Transformation des Verhältnisses zwischen Produktion und Rezeption, die ein wichtiger Aspekt ist im Zusammenhang mit Bildender Kunst und deren Hin-Bewegung an andere Orte und im Zusammenhang mit szenischer Kunst auf der Straße, die zufällige Passanten zu spontanen Produzenten und Rezipienten macht.
Literatur
- Lehmann, Hans-Thies: Das neue Theater.Urbaner Raum, potentieller raum. -In: Theaterwissenschaftliche Beiträge 2000. Beilage Theater der Zeit 10/2000
- Babias, Marius/Könneke, Achim (Hrsg.): Die Kunst des Öffentlichen. Amsterdam; Dresden, Verlag der Kunst 1998
- Bittner, Regina: „Die Stadt als Event“, S. 15-24 In dies.(Hrsg.): Die Stadt als Event. Zur Konstruktion urbaner Erlebnisräume. Campus Verlag 2001,Frankfurt/ New York
- Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativen. Edition Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
- Kaye, Nick: site-specific art. Performance, place and documentation. London, New York. 2000
- Klein, Gabriele: Stadt.Szenen. Künstlerische Praktiken und theoretische Positionen. Passagen- Verlag, Wien, 2005b
- Klein, Gabriele/Sting, Wolfgang (Hg.): Performance. Postitionen zur zeitgenössischen Kunst. Transcript Verlag, Bielefeld 2005
- Kwon, Miwon: one place after another. Site specific art and locational identity. Cambridge, Massachusetts 2002
- Lange, Marie-Luise: Grenzüberschreitungen. Wege zur Performance. Königstein 2002
- Wentz, Martin (Hrsg): Stadt-Räume. Die Zukunft des Städtischen. Frankfurt, New York 1991
Weblinks
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