Skurril

Skurril

Skurrilität bezeichnet eine auffallend unkonventionelle oder seltsame Idee, Situation, Sache oder Verhaltensweise.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Skurrilität (ältere Schreibweise Scurrilität) leitet sich ab von lat. scurrilitas, die Possenreißerei und auch von scurra, der Stutzer, Spaßmacher, Possenreißer, der „gewöhnlich aus niederem Stande, um als Schmarozer am Tische ... Zutritt zu haben, durch plumpe Schmeichelei oder schlechte Witze ... zu belustigen suchte und dabei oft eine sehr verächtliche Rolle spielte“[1]). Entsprechend lautet das Adjektiv skurril (ältere Schreibweise scurril): possenreißermäßig, possenreißerisch, possenhaft. Vor 1900 war auch das Adjektiv skurrilisch (oder scurrilisch) gebräuchlich[2] wie in der Bezeichnung der Skurrilischen Briefe, die 1769 in Halle erschienen[3].

Heutige Bedeutung

Während Skurrilität früher nur für das Possenhafte und das Reißen von groben, plumpen Scherzen stand[4], wird es heute gleichgesetzt mit bizarrem, exzentrischem, verschrobenem, absonderlichem, kauzigem, eigenwilligem Verhalten, das als solches nur im Vergleich mit dem um es herum ablaufenden Normalen erkannt werden kann.
Weicht das skurrile Verhalten vom Normalverhalten zu weit ab – leidet also die betreffende Person und/oder ihre Umwelt unter diesem Verhalten, so ist – nach den Kriterien von Kurt Schneider – die Grenze zur Pathologie überschritten. Die Übergänge sind fließend.
Skurrilität per se ist nicht komisch oder lustig, da komisch oder lustig von verschiedenen Menschen sehr unterschiedlich empfunden wird. Da Skurrilität aber für den Beobachter meist mit einem Überraschungseffekt verbunden ist (Erkennen eines Andersseins), kann dieser, analog zur überraschenden Pointe eines Witzes, erst Aufmerksamkeit und dann einen automatischen Lachreflex auslösen.

Beispiele

Im Skurrilen, der gewollten oder ungewollten, meist harmlosen Abweichung vom Normalen, kann der Beobachter (je nachdem, was er als normal beurteilt) eine Vielzahl verschiedener Erfahrungen machen: reine Unterhaltung, Amüsement, Stimulation der Kreativität, Mitleid, Tragik/Tragikomik, Bitte um Aufmerksamkeit, Anerkennung, Zuwendung etc.

  • Biologie: Wissenschaftliche Namen in der Biologie und Medizin, wie z. B. die Benennung des sich von Schleimpilzen ernährenden Schwammkugelkäfers Agathidium rumsfeldi nach dem deutschstämmigen ehemaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld durch amerikanische Biologen mögen skurril anmuten, sind aber durch die Konvention der ICZN als offizieller Name anerkannt.
  • Ernährung: Menschen sind durch ihren Kulturraum an bestimmte Nahrungsmittel gewöhnt. Der Besuch eines Restaurants, das z. B. Gerichte aus Insekten[5] anbietet, mag einem normalen Europäer als skurril oder exzentrisch erscheinen, obwohl Insekten in weiten Teilen Südamerikas, Afrikas und Asiens zu den gängigen Nahrungsmitteln zählen und reich an Protein und arm an Cholesterin sind.
  • Eurovision Song Contest: Im Jahr 2006 gewann die finnische Hardrock Band Lordi diesen Contest in skurrilen Verkleidungen und mit für diese Veranstaltung untypischer Musik. Damit war aber das Skurrile in den Mittelpunkt des Normalen gerückt. Im Jahr 2007 siegte in Folge eine „normale“ Sängerin.
    Auch deutsche Teilnehmer versuchten sich mit skurrilen Auftritten: Guildo Horn erreichte 1998 mit (Piep, piep, piep) Guildo hat euch lieb (geschrieben von Raab) – in Verbindung mit seiner Bühnenshow – den 7. Platz; Stefan Raab sang 2000 Wadde Hadde Dudde Da? in der Sprache von Goethe, Lessing und Heine und belegte erfolgreich den 5. Platz. Texas Lightning waren, trotz Skurrilität (Deutsche auf einem europäischen Song Contest als amerikanische Cowboys verkleidet), 2006 weniger erfolgreich: nur der 15. Platz.
  • Fernsehserien: Besonders in Krimiserien ist die Mischung aus Spannung und Skurrilität sehr erfolgreich. Nach Miss Marple, Pater Brown und Columbo, sind heute Adelheid und ihre Mörder, Monk und Psych auf Verbrecherjagd. Selbst Serien, die ernst angelegt sind, z. B. CSI beschäftigen sich mehr und mehr mit der Aufklärung von skurrilen Fällen.
  • Fußball: Skurrile Tore werden z. B. mit Schüssen über den halben Platz hinweg erzielt oder wenn der Ball erst an der Latte, dann am Hinterkopf des Torwarts abprallt und schließlich im Netz landet. Besonders Torwarte, wie z. B. Sepp Maier (Entenfang), Petar Radenković (Strafraumausflüge) oder René Higuita (El Loco; der Bälle gelegentlich mit seinem Skorpion-Kick abwehrte), scheinen für skurriles Verhalten auf dem Platz prädestiniert zu sein.
    Die Skurrilität der Stürmer zeigt sich meist in nicht erzielten Toren (der Stürmer steht frei vor dem Tor und schafft es nicht – trotz mehrerer Versuche – den Ball einzuschiessen) oder in Toren, erzielt mit ungewöhnlichen Körperteilen (Knie, Hinterkopf, unterer Rücken etc.).
  • Geschäftsideen: Ein modernes, motorbetriebenes Frachtschiff auf Segelschiff auszurüsten, erscheint eine anachronistische, skurrile Idee zu sein. Dennoch erzielt ein deutsches Unternehmen mit diesem Geschäftsprinzip] Erfolge.
    Skurrile Kreativität in der Geschäftswelt scheint ein individuelles Phänomen zu sein: Ein auf ein Problem gezieltes Brainstorming einer Gruppe, die Ideen sammelt und dabei auch sehr skurrile Lösungen zur Vorlage bringt, hat sich als nicht sehr erfolgreich erwiesen (s. Brainstorming).
  • Humor: Die englische Gruppe Monty Python’s Flying Circus war durch ihren sehr skurrilen, englischen Humor wegbereitend. Deutsche Komiker, die besonders als skurril gelten sind Heinz Erhardt, Loriot, Insterburg & Co., Helge Schneider, Piet Klocke, Johann König und andere.
  • Massenmedien: Die Darstellung von Skurrilitäten in den Medien nimmt mehr und mehr zu[6]. Ein Grund dafür liegt darin, dass die Anzahl der Quellen (Zeitungen, Fernsehen, Radio, Internet) und der dort angebotenen Informationen stetig zunimmt und in dieser Reizüberflutung die normale Information meist untergeht. Neben dem Schockierenden (Tabubruch) und dem Sensationellen (Dramatik) ist nur das Skurrile (wenn auch nur trivial) ist in der Lage, kurzfristig die Aufmerksamkeit des Lesers/Zuhörers zu gewinnen.
  • Mode: Ein Mensch, der auf die skurrile Idee kommt, das Haus mit ungeschnürten Schuhen, einer verkehrt herum aufgesetzten Baseballkappe und Hosen zu verlassen, die einen nicht unerheblichen Teil seiner Unterwäsche preisgeben, kann – dem Zeitgeist entsprechend – später als normal akzeptiert werden und es kann sich daraus ein neuer Modetrend entwickeln.
  • Olympische Spiele: Bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom war die größte Skurrilität, dass der äthiopische Läufer Abebe Bikila den Marathonlauf barfuß gewann. Eine Normalität in seinem Land war eine Skurrilität in Europa.
    Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-Stadt trat der US-Amerikaner Dick Fosbury mit einer skurrilen (aber physikalisch ausgefeilten) Hochsprungtechnik an: Bogenförmiger Anlauf, Absprung rückwärts und Impulsgabe durch Hochreißen der abgewinkelten Beine. Das weltweite Lachen über seinen Fosbury-Flop erwiderte Fosbury, indem er die Goldmedaille im Hochsprung (mit 2 cm vor dem Zweitplazierten) gewann.
  • Physik: Besonders in der Quantenphysik[7] sind skurrile Bezeichnungen der Elementarteilchen, z. B. Quarks nicht unüblich. Auch die Eigenschaften (engl. flavors, wörtlich Geschmacksrichtungen) dieser Quarks werden u.a. mit strange (fremdartig) oder deren Quantenzahlen mit truth (Wahrheit) und beauty (Schönheit) bezeichnet, Begriffen, die einem absonderlichen, neuen Verständnis der Materie Ausdruck geben sollen.
    Auch dem Protagonisten der modernen Physik, Albert Einstein wird eine gewisse Skurrilität – verbunden mit Genialität – nicht abgesprochen, die sich z. B. in seinen Zitaten äussert.
  • Politik: Skurrilität in der Politik ist meist unbeabsichtigt. Dazu gehören z. B. (regelmäßige) Versprecher. Zu den deutschen Politikern die sich gelegentlich – gewollt oder ungewollt – skurril verhalten haben, gehören z. B. Herbert Wehner, Heinrich Lübke und Edmund Stoiber.
  • Tod: Skurrile Todesarten – von den Opfern selber unabsichtlich inszeniert – werden in den Darwin Awards dokumentiert.

Einzelnachweis

  1. F. A. Heinichen Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch. 6. Auflage. Teubner, Leipzig 1897.
  2. J. und. W. Grimm Deutsches Wörterbuch. Band 10.1, 1902.
  3. Meyers Konversations-Lexikon. Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien 1896, S. 259.
  4. Meyers Konversations-Lexikon. Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien 1897, S. 34.
  5. J. Hopkins: Strange foods: Skurrile Spezialitäten. Insekten, Quallen und andere Köstlichkeiten. Komet, Frechen 2001, ISBN 3-89836-106-3.
  6. S. Ganguin, U. Sander: Sensation, Skurrilität und Tabus in den Medien. Verlag für Sozialwissenschaftler, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-531-90107-7.
  7. Silvia Arroyo Camejo: Skurrile Quantenwelt. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-29720-8.

Weblinks


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