- Slovik
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Edward Donald „Eddie“ Slovik (* 18. Februar 1920 in Detroit; † 31. Januar 1945 bei Sainte-Marie-aux-Mines, Frankreich) war der einzige US-amerikanische Soldat im Zweiten Weltkrieg, den die US Army wegen Fahnenflucht hinrichtete. Obwohl die US Army im Zweiten Weltkrieg 21.049 Soldaten wegen Fahnenflucht verurteilte, davon 49 zum Tode, vollstreckte man nur das Urteil gegen Slovik. Er war der erste aus diesem Grund exekutierte Soldat seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865). Seitdem hat es beim US-amerikanischen Militär keine weiteren Hinrichtungen wegen Desertion gegeben.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend und Militärzeit
Sloviks Vorfahren waren Zuwanderer aus Polen. Manche Quellen behaupten, er sei geistig behindert gewesen, doch gibt es keinen konkreten Beweis dafür. Als er zum ersten Mal gemustert wurde, klassifizierte das Militär ihn als „4-F“, d. h. als dienstunfähig, u. a. weil er schon öfter verhaftet worden war. Seine Karriere als Kleinkrimineller hatte früh begonnen: Schon mit zwölf Jahren wurde er von der Polizei erwischt, als er und einige Freunde in eine Gießerei einbrachen, um Messingstücke zu stehlen. Im Zeitraum von 1932 bis 1937 wurde er mehrmals wegen kleinerer Diebstähle, Einbrüche und öffentlicher Ruhestörung festgenommen. Im Oktober 1937 ging er ins Gefängnis; elf Monate später entließ man ihn auf Bewährung. Kaum vier Monate danach ging er wieder ins Gefängnis. Er hatte diesmal mit zwei Freunden ein Auto gestohlen, und die Polizei fand ihn betrunken am Steuer, nachdem er mit dem Fahrzeug einen Unfall hatte.
Im April 1942 wurde Slovik wieder auf Bewährung entlassen. Die USA hatten vier Monate zuvor den Krieg gegen die Achsenmächte erklärt, und wegen der angelaufenen Rüstungsindustrie sank die Arbeitslosigkeit schnell. Slovik bekam eine Stelle bei der Montella Plumbing Company (einer Klempnerei) in Dearborn, wo er seine Ehefrau Antoinette Wisniewski kennen lernte. Am 7. November 1942 heirateten sie und zogen in die Wohnung ihrer Eltern, vermutlich wegen des Wohnungsmangels. Im November 1943 wurde Slovik einberufen. Das Militär hatte inzwischen die Tauglichkeitsstandards stark gesenkt, und er galt nicht mehr als „4-F“, sondern als „1-A“ – vollkommen dienstfähig. Die US Army schickte ihn am 24. Januar 1944 für die Grundausbildung nach Camp Wolters in Texas. Ende August hatte er die Ausbildung beendet. Anschließend schickte die US Army ihn mit einem Truppenschiff nach Frankreich, wo er am 20. August 1944 – vier Monate vor der deutschen Ardennenoffensive – eintraf.
In Frankreich gehörte Slovik zu einer von zwölf Verstärkungen, die mit der G-Kompanie des 109. US-Infanterieregiments kämpfen sollten; dieses Regiment gehörte zur 28. US-Infanteriedivision. Als die Verstärkungen auf dem Weg zu ihrer neuen Einheit waren, verirrten sie sich im Durcheinander eines Artillerieangriffs. Am frühen Morgen des folgenden Tags begegneten Slovik und ein zweiter Soldat, John Tankey, einer kanadischen Einheit, bei der sie sechs Wochen lang „inoffiziell“ in einer Abteilung blieben. Tankey schrieb dem 109. Regiment eine Nachricht und erklärte die Abwesenheit der zwei Soldaten. Als Slovik und sein Kamerad am 7. Oktober 1944 zu den US-amerikanischen Streitkräften zurückkehrten, wurden sie weder angezeigt noch bestraft.
Am 8. Oktober 1944 teilte Slovik dem Kommandeur seiner Kompanie, Captain Ralph Grotte, mit, dass er „zu viel Angst hätte“, um in einer Schützenkompanie zu kämpfen. Er bat um die Versetzung zu einer beliebigen Einheit hinter der Front. Grotte lehnte Sloviks Gesuch ab und warnte den Soldaten vor einem Desertionsversuch. Kurz danach teilte man Slovik einem Zug der Kompanie zu. Am folgenden Tag ging er zu einem Militärpolizisten und legte ein Geständnis ab. Er sagte, er würde „wieder weglaufen“, wenn man ihn an die Front schickte. Man brachte ihn vor Lieutenant Colonel Ross Henbest. Der bot Slovik die Chance an, sein Geständnis ohne negative Konsequenzen zu widerrufen und das Protokoll zu zerreißen. Slovik weigerte sich und schrieb eine zweite Notiz, in der er wiederholte, er begreife vollständig seine Handlungen und die daraus resultierenden Konsequenzen.
Verhaftung und Hinrichtung
Daraufhin verhaftete man Slovik. Er wurde ins Militärgefängnis der Division gesperrt. Der Militärrichter der Division, Lieutenant Colonel Henry Summer, bot Slovik eine letzte Gelegenheit, zu seiner Einheit zurückzukehren. Hätte er dem zugestimmt, hätte man die Anklage ausgesetzt. Summer gab Slovik auch die Wahl, bei einem anderen Regiment zu kämpfen. Er lehnte beide Angebote ab und sagte: „Ich habe mich entschlossen. Ich nehme einen Militärprozess.“ Währenddessen war die Militärlage für die Alliierten kritisch geworden, denn die 28. Division plante einen Angriff auf den Hürtgenwald. Die meisten Soldaten wussten davon, und die zu erwartenden Verluste waren groß. Die Zahl der desertierenden Soldaten nahm zu; viele begingen auch kleinere Verbrechen, weil sie lieber ins Gefängnis gingen als an die Front.
Die US Army bezichtigte Slovik der Fahnenflucht, wohl mit der Absicht, ein Exempel zu schaffen. Der Prozess fand am 11. November 1944 statt und dauerte knapp 100 Minuten. Der Ankläger für die US Army, Captain John Green, legte dem Gericht die Zeugenaussagen vor, nach denen Slovik seine Absicht, „sich davonzumachen“, schon ausgedrückt hatte. Sloviks Verteidiger, Captain Edward Woods, verkündete, sein Mandant hätte die Entscheidung getroffen, keine Aussage zu machen. Die neun Geschworenen sprachen ihn schuldig und verurteilten ihn zum Tod. Der Kommandeur der Division, Major General Norman Cota, überprüfte das Urteil und hielt es für gesetzmäßig.
Am 9. Dezember schrieb Slovik einen Brief an General Eisenhower, den Oberbefehlshaber der Alliierten. Der verurteilte Soldat flehte um Nachsicht und Gnade. Eisenhower bestätigte am 23. Dezember 1944 den Hinrichtungsbefehl, so dass andere potentielle Deserteure abgeschreckt werden würden. Um 10:04 Uhr am 31. Januar 1945 vollstreckte man das Urteil in der Nähe von Sainte-Marie-aux-Mines, Frankreich, durch Erschießen.
Ursprünglich wurde sein Leichnam auf dem Oise-Aisne-Friedhof (Fère-en-Tardenois) in Frankreich beigesetzt. Auf diesem Friedhof lagen auch 94 andere US-Soldaten, die die US Army wegen schwerer Verbrechen, z. B. Mord und Vergewaltigung, hingerichtet hatte. Die Grabsteine trugen keine Namen, nur Zahlen. 1987 wurden Sloviks Überreste nach Michigan zurückgebracht und neben seiner 1979 verstorbenen Witwe Antoinette auf dem Woodmere-Friedhof in Detroit beigesetzt. Trotz der Bemühungen seiner Frau und anderer Menschen, Slovik begnadigen zu lassen, selbst auch nur posthum, haben bislang sieben US-Präsidenten die Gesuche abgelehnt. Jene, die sich für seine Rehabilitation einsetzten, behaupteten stets, Slovik sei nur deshalb zum geeigneten Sündenbock geworden, weil er bereits im Zivilleben mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war.
Folgen und literarische Aufarbeitung
Sloviks Geschichte bildete die Grundlage für ein 1954 veröffentlichtes Buch, „The Execution of Private Slovik“ (Die Hinrichtung des Soldaten Slovik), von William Bradford Huie, und für einen gleichnamigen Fernsehfilm. Im Film spielte Martin Sheen die Hauptrolle. Obwohl weder die US Army noch die US-Regierung den Fall weiter überprüften, schockierte die Exekution die US-amerikanische Öffentlichkeit genug, um eine gründliche Reform der Militärjustiz zu fordern. 1951 verabschiedete der US-Kongress das Uniform Code of Military Justice (UCMJ), ein Gesetzesbuch, das US-amerikanischen Militärangehörigen mehr Rechte zugestand und noch heute in Kraft ist.
Hans Magnus Enzensberger verarbeitete den Fall in seinem Buch „Politik und Verbrechen“, Frankfurt am Main 1964, unter dem Titel „Der arglose Deserteur. Rekonstruktion einer Hinrichtung“.
Weblinks
- Find a Grave: Eddie Slovik (engl.)
- The Execution of Pvt. Eddie Slovik (mit Fotos)
- Die traurige Geschichte von Private Eddie Slovik (engl.)
Personendaten NAME Slovik, Edward Donald ALTERNATIVNAMEN Slovik, Eddie KURZBESCHREIBUNG US-amerikanischer Soldat im 2. Weltkrieg, hingerichtet wegen Fahnenflucht GEBURTSDATUM 18. Februar 1920 GEBURTSORT Detroit, USA STERBEDATUM 31. Januar 1945 STERBEORT bei Sainte-Marie-aux-Mines, Frankreich
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