- Sol invictus
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Sol ist der antike römische Sonnengott, bekannt vor allem in seiner späten Erscheinungsform (seit dem 2. Jahrhundert n. Chr.) als Sol Invictus (lateinisch der unbesiegte Sonnengott, oft ungenau übersetzt als der unbesiegbare Sonnengott). Sol entspricht zwar dem griechischen Helios, mit dem er auch ikonographisch Übereinstimmungen zeigt, aber er ist nicht aus der griechischen Religion übernommen, sondern einheimischen Ursprungs.
Inhaltsverzeichnis
Republikanische Zeit
In Rom bestand schon in republikanischer Zeit ein anscheinend sehr alter Sonnenkult, der angeblich auf die Zeit der Stadtgründung durch Romulus zurückging und von dem sagenhaften Sabinerkönig Titus Tatius eingeführt worden war. Der altrömische Sonnengott wurde Sol Indiges genannt und zusammen mit der Mondgottheit Luna verehrt; die beiden waren eng verbunden und hatten im Circus Maximus einen gemeinsamen Tempel, wo ihr gemeinsamer Festtag am 28. August begangen wurde. Daneben hatte Sol Indiges einen eigenen Tempel auf dem Quirinal, wo ihm am 8. und 9. August gehuldigt wurde. Er gehörte seiner Beliebtheit nach zu den Gottheiten geringeren Ranges. In Göttermythen kommt Sol nicht vor; auch Helios tritt in der griechischen Mythologie nicht als Persönlichkeit hervor. Erst seit der Endphase der römischen Republik nahm die Popularität des Sonnengottes zu.
Frühe Kaiserzeit
Die Sonne bringt mit ihrem Licht alles an den Tag, und so bleibt dem Sonnengott nichts verborgen. Helios ist allerschauend, daher allwissend und Zeuge von Freveltaten. Diese Eigenschaft zeichnet auch Sol aus, und so erhielt er schon im 1. Jahrhundert n. Chr. eine neue und sehr wichtige Aufgabe, nämlich den Kaiser vor Gefahren zu schützen. Die Aufdeckung der Pisonischen Verschwörung gegen Kaiser Nero wurde auf die Hilfe des Sol zurückgeführt, der dafür ein besonderes Dankopfer erhielt. Kaiser Vespasian weihte dem Gott 75 n. Chr. eine riesige Statue. So entwickelte sich Sol zum Schutzgott der Herrscher. Unter Trajan und Hadrian erschien er auf Kaisermünzen. Die Bezeichnung Sol Invictus ist für ihn inschriftlich erstmals 158 auf einem Altar bezeugt (Soli Invicto Deo); unabhängig davon kam sie aber als Beiname des Mithras – Sol Invictus Mithras – schon im 1. Jahrhundert n. Chr. vor.
Westlicher und östlicher Sonnenkult
Unabhängig vom römischen Sol und griechischen Helios gab es in Syrien in der Stadt Emesa einen uralten einheimischen Kult des Sonnengotts Elagabal, dem die örtliche Bevölkerung anscheinend leidenschaftlich ergeben war. Die Kaiserin Julia Domna, die Gemahlin des Kaisers Septimius Severus (193–211) und Mutter seines Nachfolgers Caracalla (211–217), war Tochter eines Elagabal-Priesters von Emesa. Unter den Kaisern aus der Dynastie der Severer nahm die Verehrung des Sol Invictus zu. Julia Domnas Großneffe Kaiser Elagabal (218–222) war Elagabal-Priester und führte den Elagabal-Kult in Rom als Staatsreligion ein. So kam es vorübergehend zu einer Vermischung mit dem bereits bestehenden Kult des Sol Invictus (die Bezeichnung Invictus Sol Elagabalus ist inschriftlich bezeugt). Die Römer lehnten jedoch den syrischen Kult ab, und mit der Ermordung Kaiser Elagabals 222 verschwand er aus Rom. Der einheimische Sol-Kult blieb bestehen.
Zeitweilig bestand in der Forschung die Ansicht, Sol Invictus sei im Gegensatz zu Sol Indiges eine aus dem Orient eingeführte Gottheit und seinem Ursprung nach mit Elagabal gleichzusetzen. Später ist man aber aus guten Gründen zur heute herrschenden Überzeugung gelangt, dass Sol Invictus der alte römische Sol ist. Der Elagabal-Kult zeigt besondere markante Merkmale, die unrömisch sind und mit Sol nichts zu tun haben. Eine gewisse Vermischung von Sol und Elagabal wurde nur von Elagabal-Anhängern betrieben. Ein Unterschied besteht auch darin, dass der Elagabal-Kult sich nicht mit dem Kaiserkult vermischte, was beim Sol-Kult der Fall war. Schon Caracalla wurde inschriftlich als Sol Invictus Imperator bezeichnet; Kaiser Elagabal hingegen nannte sich nie Elagabal, diesen Namen erhielt er von Gegnern erst nach seinem Tod.
Sol Invictus als Reichsgott
Kaiser Aurelian besiegte 272 bei Emesa das Heer der palmyrenischen Herrscherin Zenobia und begab sich dann in den dortigen Elagabal-Tempel, um dem Gott für Hilfe in der Schlacht zu danken. Er betrachtete den Sonnengott fortan als seinen persönlichen Schutzherrn (auf Münzen: conservator Augusti, "Bewahrer des Kaisers"), wobei er nicht eine spezielle lokale Erscheinungsform des Sonnenkults im Sinn hatte. Zwei Jahre später erhob er Sol zum Herrn des Römischen Reichs (dominus imperii Romani), richtete für ihn einen Staatskult ein und baute ihm einen Tempel auf dem campus Agrippae, der zum Campus Martius gehörte. Der Tempel wurde Ende des Jahres 274 eingeweiht, wohl zum Geburtstag des Invictus (dies natalis Invicti), der Wintersonnenwende, die im späten 3. Jahrhundert auf den 25. Dezember des Julianischen Kalenders fiel. So wurde dieser Tag zum staatlichen Festtag des Sonnengottes. Alle vier Jahre wurden ihm zu Ehren Wettkämpfe abgehalten. Seine Priester stammten aus den vornehmsten Familien Roms. Mit dem neuen Staatskult knüpfte Aurelian an die bestehende einheimische Sol-Verehrung an und nicht an den fremden Elagabal-Kult, setzte aber mit der Verbindung zur kaiserlichen Siegesmacht ein neues Thema. Der neue Staatskult wurde allgemein positiv aufgenommen; offenbar entsprach er einem Bedürfnis der Zeit.
Sol galt vielfach als höchster und mächtigster Gott, seine Verehrung trug damit oft henotheistische Züge. Daneben war damals im Reich der orientalische Kult des Mithras populär, besonders unter den Soldaten. Er wurde aber nie Staatsreligion und ist nicht mit der Sol-Verehrung verschmolzen, sondern wurde stets als etwas anderes betrachtet, obwohl die Mithras-Anhänger ebenso wie die Elagabal-Anhänger ihren Gott auch Sol Invictus nannten.
Die folgenden Kaiser setzten die von Aurelian begründete Tradition mit unterschiedlichem Nachdruck fort. Unter Kaiser Diokletian und seinem Mitherrscher Maximian standen zwar Jupiter und Hercules im Vordergrund, doch wurden weiterhin Sol-Münzen geprägt.
Ende des Sonnenkults
Kaiser Konstantin der Große war nach der Überwindung seines Gegners Maximian im Jahr 310 ein besonders eifriger Verehrer des Sol Invictus, den er anscheinend mit Apollo gleichsetzte. Zuvor hatte er insbesondere den Herkules-Kult betrieben. Er sah sich als irdischen Repräsentanten des Sonnengottes, unter dessen unablässigem Schutz er zu stehen glaubte. Seine Münzprägung lässt seine enge Verbindung mit dem Gott erkennen. Nach seinem Sieg über den Usurpator Maxentius in der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 verwendete Konstantin weiterhin solare Motive, ersetzte aber die traditionelle religiöse Terminologie durch eine unbestimmtere. So hob er auf seinem Triumphbogen den Sol Invictus noch bildlich hervor, nahm aber in der Inschrift des Bogens nicht namentlich auf ihn, sondern nur auf eine namenlose „Gottheit“ (divinitas) Bezug. Unter dieser Gottheit konnte Sol, aber auch die oberste Gottheit der neuplatonisch orientierten Philosophen oder der Gott der Christen verstanden werden. Nach dem Sieg über den Rivalen Licinius im Jahr 323 und der Erringung der Alleinherrschaft endete die Prägung von Sol-Münzen weitgehend - vereinzelt wurde sie bis 326 fortgesetzt (vgl. RIC 49). Das nun an der Schwelle des endgültigen Sieges stehende Christentum ließ sich trotz der Übernahme einiger Elemente nicht mit der Sonnenreligion verschmelzen, sondern forderte deren Beseitigung und setzte sich damit schließlich durch (siehe auch Spätantike). Eine vorübergehende Wiederbelebung des staatlichen Sonnenkults unter Kaiser Julian (361–363) konnte an dieser Entwicklung nichts ändern. Die Sonnenpriesterschaft bestand noch bis ins späte 4. Jahrhundert; 387 ist sie letztmals inschriftlich bezeugt. Spätestens seit dem Religionserlass Kaiser Theodosius' I. vom 8. November 392 war der Kult illegal. Dennoch gab es noch im 5. Jahrhundert zahlreiche Sol-Verehrer; der Kirchenvater Augustinus hat gegen sie gepredigt. Leo der Große tadelte um 450 die Angewohnheit vieler vermeintlicher Christen, die aufgehende Sonne anzubeten. Und in der syrischen Stadt Baalbek (Heliopolis), einer Hochburg der paganen Kulte, endete die öffentliche Sol-Verehrung im dortigen Haupttempel erst, nachdem dieses Heiligtum mit dem Kultbild des Sol 554 oder 555 durch einen Blitzschlag – also nach damaliger Sichtweise durch göttliche Einwirkung – zerstört worden war. Dennoch blieben die Sol-Anhänger dort noch mindestens bis 579 in der Mehrheit: Noch im späten 6. Jahrhundert gab es im römischen Syrien einen von Anhängern des Sol invictus Mithras getragenen organisierten Widerstand gegen die Christianisierung, der von Kaiser Tiberios I. gewaltsam beendet wurde.
Beziehung zum Christentum
Religionsgeschichtlich interessant ist die Übereinstimmung des Sol-Feiertags am 25. Dezember mit dem christlichen Weihnachtsfest. Der Tag der Geburt Christi ist unbekannt; die Festlegung auf den 25. Dezember erfolgte erst in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts, nach der Konstantinischen Wende (siehe Chronograph von 354). Früher waren rein spekulativ verschiedene andere Tage angenommen worden. Da das Geburtstagsfest des Sol Invictus im frühen 4. Jahrhundert allgemein bestens bekannt war, ist nicht zu bezweifeln, dass die Übereinstimmung des Datums von christlicher Seite gewollt war. Christus wurde metaphorisch oft mit der Sonne verglichen, zumal da die biblische Prophezeiung Aufgehen wird euch die Sonne der Gerechtigkeit (Mal 4,2 in der Vulgata = Mal 3,20 nach heutiger Verszählung) auf ihn bezogen wurde. Schon im Jahre 243 hatte Pseudo-Cyprian in seiner Schrift De pascha computus gerade diese Bibelstelle für die Berechnung von Christi Geburtstag herangezogen, wobei er aber auf den 28. März kam. Daher ist die Annahme sehr gut begründet, dass der Feiertag des Sol Invictus übernommen und „christianisiert“ worden ist. Diese These hat sich allgemein durchgesetzt.
Ikonographische Indizien aus christlichen Grabstätten der Zeit vor Konstantin dem Großen lassen erkennen, dass es damals noch weniger Berührungsängste gab als später: Abbildungen des personifizierten Sonnengottes kamen im 3. Jahrhundert gelegentlich in der künstlerischen Ausstattung christlicher Gräber vor, sie wurden somit damals zumindest von manchen Christen nicht als anstößig empfunden. Ob Christus dabei nicht nur in einem metaphorischen Sinn, sondern auch ontologisch mit Sol identifiziert wurde, ist unklar.
Auch die Ersetzung des Sabbats durch die christliche Feier des Sonntags, der 321 von Konstantin dem Großen als verehrungswürdiger Tag der Sonne durch Erlass zum öffentlichen Ruhetag erklärt wurde, ist als Anlehnung an den Sonnenkult gedeutet worden. Diese These hat sich aber wegen chronologischer Schwierigkeiten nicht allgemein durchsetzen können, da die christliche Sonntagsfeier sehr alt ist und auf die jüdische Woche zurückgeht.
Die Frage nach Kontinuität zwischen Sol-Verehrung und christlichem Brauch spielt in unserer Zeit in Auseinandersetzungen um das Christentum eine Rolle. Für Christentumsgegner wie Karlheinz Deschner ist die Übereinstimmung des Weihnachtstags mit dem Festtag des Sol Invictus ein Argument für die Einschätzung des Christentums als synkretistisch, d.h. sie wollen zeigen, dass die frühen Christen Elemente älterer Religionen übernommen und miteinander verschmolzen haben und somit fremden Vorbildern folgten. Von christlicher Seite werden – abgesehen von Fundamentalisten – solche Beziehungen zu anderen Religionen nicht bestritten, sondern nur die daraus von den Gegnern abgeleiteten Folgerungen abgelehnt.
Ikonographie
Sol erscheint auf römischen Münzen erstmals ungefähr im späten 3. Jahrhundert v. Chr. mit strahlenbekränztem Haupt, ebenso wie schon auf weit älteren etruskischen Spiegeln. Eine Münze von 135 v. Chr. zeigt ihn auf dem mit vier Pferden bespannten Sonnenwagen (einer Quadriga). Diese Merkmale blieben auch in der Kaiserzeit wichtig.
Seit Kaiser Septimius Severus war es üblich, den strahlenbekränzten Gott mit erhobener rechter Hand und Peitsche in der Linken (weil er Wagenlenker war), seit Caracalla auch mit der Weltkugel in der Hand abzubilden. Durch die anthropomorphe Darstellung unterscheidet sich Sol Invictus von Elagabal, der nie in Menschengestalt erscheint. Der Sol Invictus Aurelians und seiner Nachfolger ist gewöhnlich (wie schon auf den Münzen seiner Vorgänger) ein bartloser Jüngling mit Strahlenkranz, nur mit einem Mantel bekleidet, die rechte Hand erhoben, in der Linken die Peitsche oder die Weltkugel. Der Gott wird unter Aurelian aber auch mit Peitsche in der einen und Weltkugel in der anderen Hand oder die Weltkugel dem Kaiser übergebend oder auch mit dem Viergespann gezeigt. Auf Münzen Aurelians ist der Gott wie ein Kaiser mit gefangenen Feinden zu seinen Füßen dargestellt. So zeigt sich auch ikonographisch die Verschmelzung von Kaiser- und Sonnenkult, die bis zum Ende der Sol-Verehrung andauerte. Konstantin der Große ließ sich augenfällig wie der Sonnengott abbilden. Sogar auf bildlichen Darstellungen seiner christlichen Nachfolger kam noch traditionelle Sol-Symbolik vor.
Unter Konstantin dem Großen erscheint Sol Invictus meist stehend oder im Brustbild, aber auch mit der Quadriga oder mit Gefangenen, zuweilen mit dem Kopf des Serapis.
Literatur
- Gaston H. Halsberghe: The cult of Sol Invictus, Leiden 1972 (wichtige Materialsammlung, aber überholter Forschungsstand)
- Steven E. Hijmans: The Sun which did not rise in the East; the Cult of Sol Invictus in the Light of Non-Literary Evidence, in: Babesch. Bulletin Antieke Beschaving 71 (1996), S. 115–150
- Martin Wallraff: Christus verus sol. Sonnenverehrung und Christentum in der Spätantike, Münster 2001, ISBN 3-402-08115-6. (Rezension bei H-Soz-u-Kult)
Weblinks
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