- Somali-Clans
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Das Clansystem der Somali ist die gesellschaftliche Organisationsform des Volkes der Somali und spielt eine bedeutende Rolle in der Kultur und Politik Somalias und umliegender Somali-Gebiete. Dabei gehört jeder Somali über seine väterliche Abstammungslinie (patrilinear) einem Stamm oder Clan (im Somali reer genannt) an, der wiederum Teil eines größeren Clans ist etc. Alle Clans gehören letztlich fünf oder sechs großen Clanfamilien (qaabiil) an, die sich auf einen gemeinsamen Stammvater zurückführen. Somit handelt es sich bei den Somali um eine segmentäre Gesellschaft.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Die großen Clanfamilien (qaabiil) sind die Hawiye (25 % der Bevölkerung), Isaaq (22 %), Darod (20 %), Rahanweyn/Reewin oder Digil-Mirifle (17 % bzw. 3 %) und Dir (7 %). Dabei werden die Digil und die Mirifle zum Teil auch als zwei verschiedene Clans betrachtet, sodass es je nach Auffassung fünf oder sechs Clanfamilien gibt. Neben diesen großen Clanfamilien gibt es kleinere Gruppen wie die Yibir und Madhibaan, die auf bestimmte Berufe begrenzt sind. Auch ethnische Minderheiten in Somalia wie die Benadiri und die „somalischen Bantu“ haben das Clansystem der Somali zum Teil als ihre gesellschaftliche Organisationsform übernommen.
Die Clanzugehörigkeit wird patrilinear vererbt (tol). Sie ist anhand des Namens einer Person ersichtlich; auf den eigenen Namen folgt bei Männern wie bei Frauen der Name des Vaters, des Großvaters usw. Somali-Kinder lernen die Abfolge ihrer Vorväter über Dutzende Generationen hinweg auswendig.
Ihrer eigenen Überlieferung zufolge sollen alle Somali von Hill abstammen, der ein Nachkomme von Abu Talib, einem Onkel Mohammeds, gewesen sei. Hills Nachfahre Samaale sei der gemeinsame Vorfahre der Dir, Isaaq, Darod und Hawiye, während aus Sab, einem anderen Nachfahren, die Rahanweyn/Digil-Mirifle hervorgegangen seien: Die mehrheitlich nomadisch lebenden Samaal-Clans gelten als „echte Somali“ mit reinerer arabischer Abstammung, während die mehrheitlich sesshaft lebenden Sab wegen Vermischung mit Schwarzafrikanern und Galla (Oromo) genealogisch unrein (lineally impure) sein sollen. Sie werden von Teilen der Samaal als nicht gleichberechtigt betrachtet und unterliegen traditionell einer gesellschaftlichen Benachteiligung.
Kleinste politische Einheiten sind die Gruppen, die das für Verbrechen fällige Blutgeld (Arabisch diya, Somali mag für „Blut“[1]) gemeinsam bezahlen oder erhalten. Diese Gruppen werden reer („Leute aus“, „Nachkommen von“) genannt und umfassen jeweils bis zu Hunderten von Familien oder einige Hundert bis Tausend Männer. Wenn ein Mitglied eines solchen Clans ein Verbrechen begangen hat, beteiligen sich die übrigen Mitglieder im Rahmen einer Kollektivhaftung an der Zahlung der diya.
Gemeinsame Merkmale aller Somali-Clans sind Sprache (Somali), Religion (sunnitischer Islam) und Kultur, mit gewissen Unterschieden.
Ursprünge
Das Clansystem wurde wahrscheinlich von der Arabischen Halbinsel her eingeführt und von der patrilinearen Stammesgesellschaft der Araber beeinflusst. Die vormalige Gesellschaftsform der Somali war möglicherweise matrilinear organisiert.[2]
Politik und Konfliktpotenzial
Die Clans sind traditionell akephal, haben also kein Oberhaupt mit größeren Machtbefugnissen und kaum Hierarchien und Verwaltungsstrukturen. Die Ältesten sind Respekts- und Autoritätspersönlichkeiten, die in Versammlungen (shir) über Angelegenheiten des Clans wie Blutgeldzahlung oder Kriegserklärung beraten und konsensmäßig entscheiden. Diese Versammlungen sind keine permanenten Institutionen, sondern werden nach Bedarf einberufen; bei größeren Konflikten können eine Art Sonderkomitees (Guurti) gebildet werden.
Innerhalb der Somali-Gesellschaft gibt es heute unterschiedliche Positionen zum Clansystem. Im 20. Jahrhundert betrachteten vor allem Somali, die im Ausland ausgebildet worden waren, das Clansystem als rückständig und strebten seine Abschaffung an. Im Zuge nationalistischer Bestrebungen, alle Somali in einem Staat (Groß-Somalia) zu einen, wurde deren Gemeinsamkeit betont und Unterschiede zwischen Clans weniger beachtet. Die Somali Youth League als erste politische Partei Somalias, die in den Jahren nach der Unabhängigkeit die Politik des Landes dominierte, gab etwa die Clanzugehörigkeit ihrer Führungsmitglieder nicht bekannt. Auch der Diktator Siad Barre erklärte im Rahmen seines „wissenschaftlichen Sozialismus“ die Clans zu gesellschaftlichen Klassen, die es zu überwinden gelte. Bisweilen reichte die Erwähnung von Clans aus, um verhaftet zu werden, was jedoch nicht verhinderte, dass das Clansystem im Alltagsleben weiterhin bedeutend war. Barre nutzte später das Clansystem zu seinen Gunsten, indem er Clans gegeneinander aufbrachte und sich auf bestimmte Clans als Machtbasis abstützte.
Frauenrechtlerinnen kritisieren am somalischen Clansystem, dass es ausschließlich über die Männer funktioniere und Frauen praktisch keine politische Rolle darin hätten. So gründete die Friedensaktivistin und Frauenrechtlerin Asha Haji Elmi die Bewegung Sixth Clan, um die Bedeutung der Frauen als „sechster Clan“ hervorzuheben.
Traditionell kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Clans um Wasser- und Weiderechte sowie um das für Verbrechen fällige Blutgeld. Solche Konflikte können sich zu Fehden über Generationen hinweg auswachsen. Hierbei konnten kleinere, militärisch schwächere Clans Allianzen (heer oder xeer) mit stärkeren Clans eingehen, wobei sie zeremoniell „adoptiert“ wurden und die Vorfahren des anderen Clans zu ihren eigenen erklärten (sheegat). Dies kam bei allen Clans vor, besonders häufig bei den Rahanweyn in Südwestsomalia, die auf diese Weise auch Galla (Oromo) und Schwarzafrikaner (Jarir oder „somalische Bantu“) in ihre Reihen aufnahmen. Solche Allianzen wechselten jedoch oft, und Verrat aus strategischen Gründen kam nicht selten vor.
Die Clan-Ältesten sind dafür zuständig, bei Streitigkeiten innerhalb und zwischen Clans zu vermitteln. Für die Kriegsführung galten bestimmte Regeln und Ehrenkodizes, die es etwa verboten, Frauen und Kinder anzugreifen, Kleinvieh und Hausrat – die für das Überleben notwendig waren – zu plündern oder Wasserstellen zu zerstören. Diese Regeln wurden jedoch im Bürgerkrieg in Somalia vielfach gebrochen. Zu einem erhöhten Konfliktpotenzial trug auch bei, dass in der Kolonialzeit die traditionelle Rolle der Ältesten verändert worden war (zum Teil wurde ihr Einfluss geschwächt, zum Teil wurden sie mit zuvor nicht vorhandenen Machtbefugnissen ausgestattet) und dass modernere Waffen eingeführt wurden.
Im Bürgerkrieg bildeten Clans oft die Machtbasis für Kriegsparteien und Kriegsherren (Warlords). Der Krieg veränderte auch in verschiedenen Fällen die politischen Beziehungen zwischen Clans. So sind die Hawiye, die in der heftig umkämpften Landeshauptstadt Mogadischu dominieren, heute bis auf niedrige Ebenen von Unter-Unter-Unterclans verfeindet. Hingegen kam es in Nordostsomalia (Puntland) zu einer Einigung der Harti, die zuvor kaum als diese gemeinsame Gruppe, sondern vielmehr als Majerteen, Dolbohanta und Warsangeli agiert hatten[3].
Übersicht der Clans und Subclans
Folgende Tabelle bietet einen (unvollständigen) Überblick über die wichtigsten Clans. Neben den aufgelisteten Clans gibt es diverse kleinere Clans, und die genannten Clans sind in weitere Stufen von Unterclans etc. unterteilt.
Darod - Harti
- Dolbohanta (Dhulbahante)
- Majerteen (Majeerteen, Midjertén, Migiurtini)
- Warsangeli (Warsangali, Warsengeli)
- Marehan (Mareexaan)
- Ogadeni (Ugaadeen)
- Awrtable
- Leelkase
Dir Hawiye - Abgal (Alternativschreibung Abgaal)
- Ajuran (Ajuuraan, Ujuuraan)
- Degodia
- Habar Gidir (Habre Gedir, Habar Gedir, Habr Gidr)
- Sacad
- Ayr (Cayr)
- Saleeban
- Hawadle (Xawaadle)
- Murursade
- (Shiikhaal) (Sheekaal)
- (Gaaljecel)
- (Dagoodiye)
- (Baadicade)
- (Jiidle)
Isaaq - Eidagalla
- Habar Awal
- Habar Toljaala (Habar Tol Jaalo)
- Habar Yunis
Rahanweyn (Rahanwein, Rahanwayn, Rahanwiin, Reewin, auch Digil-Mirifle; manchmals als zwei verschiedene Clans aufgefasst)
- Digil
- Mirifle
Quellen
- Countrystudies.us über Clansystem und Konflikte (engl.)
- Mark Bradbury: Becoming Somaliland, 2008, ISBN 978-1847013101 (insbesondere S. 9–19) (engl.)
Einzelnachweise:
- ↑ Bradbury 2008 (S. 16)
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – Coastal Towns
- ↑ Bradbury 2008 (S. 130)
- Harti
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