- Sonderschutz-Fahrzeug
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Als Sonderschutzfahrzeuge werden PKW oder Nutzfahrzeuge bezeichnet, welche durch eine integrierte Panzerung die Insassen und/oder das Ladegut vor äußeren Angriffen schützen sollen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bereits im Jahre 1928 bot Mercedes-Benz die ersten Sonderschutzfahrzeuge an. Der erste vollständig gepanzerte Mercedes wurde 1930 an den japanischen Kaiser Hirohito ausgeliefert. Neben den Sonderschutzfahrzeugen der Markenhersteller werden auch von anderen Unternehmen Umbauten derartiger Fahrzeuge angeboten. Durch diese Unternehmen werden auch solche Fahrzeuge verändert, die ab Werk nicht als Sonderschutzfahrzeug erhältlich sind. Der Aufwand hierfür ist hoch, da die Serienfahrzeuge vor dem Umbau nahezu vollständig demontiert werden müssen.
Widerstandsklassen
Sonderschutzfahrzeuge werden in verschiedene Widerstands- bzw. Beschussklassen unterteilt. Hierbei wird jedoch nicht die Widerstandsfähigkeit des gesamten Fahrzeuges, sondern die Widerstandsfähigkeit der verschiedenen eingesetzten Werkstoffe ermittelt.
Die Widerstandsklassen werden nach DIN und Euronorm danach zertifiziert, welcher Schusswaffeneinwirkung die Panzerung widersteht. Für durchsichtige Materialien (Verglasung) gilt EN 1063. EN 1522 und EN 1523 definieren die Eigenschaften für die undurchsichtigen Materialien der übrigen Karosserieteile. Die Zertifizierung des Fahrzeuges in die jeweilige Widerstandsklasse erfolgt in Deutschland durch das Beschussamt in Ulm [1]. Die Klassen werden von B1 bis B7 für Karosserieteile und analog dazu mit BR1 bis BR7 für Verglasung unterteilt.
Widerstandsklasse Kaliber Schussentfernung Einschlagsgeschwindigkeit Waffenart B1 .22 LR 10 Meter 360 m/s Kurzwaffe B2 9 mm Parabellum 5 Meter 400 m/s Kurzwaffe B3 .357 Magnum 5 Meter 430 m/s Kurzwaffe B4 .44 Magnum 5 Meter 440 m/s Kurzwaffe B5 5,56 x 45 mm NATO 10 Meter 950 m/s Gewehr B6 7,62 x 51 mm NATO Weichkern 10 Meter 830 m/s Gewehr B7 7,62 x 51 mm NATO Hartkern 10 Meter 830 m/s Gewehr Die üblicherweise eingesetzten Widerstandsklassen sind B4 und B6/B7. Der Schrägstrich bei der Angabe für die sog. Schwerpanzer bedeutet, dass die Karosserie der Beschussklasse B7 und die Verglasung der Beschussklasse BR6 entspricht.
Neben Angriffen mit Schusswaffen schützen solche Fahrzeuge die Insassen auch vor Attacken mit Sprengstoffen, Äxten, Brechstangen und Brandbomben (Molotowcocktails).
Zielgruppe
Fahrzeuge der höchsten Widerstandsklasse
Das Angebot von Sonderschutzfahrzeugen der höchsten Widerstandsklasse B6/B7 richtet sich hauptsächlich an Sicherheitsbehörden wie das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter, welche für den Schutz der Verfassungsorgane und deren ausländische Gäste zuständig sind. Zunehmend gehören auch Manager, Prominente und Privatpersonen zur Zielgruppe.[2]
Mehrere deutsche Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, vorwiegend geländetaugliche Fahrzeuge in der Schutzstufe B6/B7 zu panzern. Diese werden von Behörden, Unternehmen und Hilfsorganisationen in Krisengebieten eingesetzt.
Gerüchte, Fahrzeuge der höchsten Widerstandsklasse seien von Privatpersonen nicht käuflich zu erwerben, lassen sich nicht mit Quellen belegen. Auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt sind derartige Fahrzeuge in ansehnlicher Stückzahl für jedermann verfügbar. So befindet sich beispielsweise heute das ehemalige Dienstfahrzeug von Hans-Dietrich Genscher in den Händen eines privaten Sammlers. [3]
Details und Produktionszahlen dieser Fahrzeuge werden von den Herstellern zumeist geheim gehalten. Dies dient einerseits dem Schutz der Kunden und soll andererseits den Mitbewerbern keine Vorteile verschaffen.
Fahrzeuge der mittleren Widerstandsklasse
Die Zielgruppe für Sonderschutzfahrzeuge der mittleren Widerstandsklasse B4 stellen Personen dar, die sich in Gebieten mit Gefährdungen durch kriminelle Angriffe (beispielsweise Carjacking, Kidnapping oder Raubüberfälle) bewegen.
Auch werden Sonderschutzfahrzeuge von Sicherheitsunternehmen zum Transport von Wertgegenständen eingesetzt. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind so genannte Geldtransporter. Solche Fahrzeuge werden bei der Bestellung mit den den jeweiligen Anforderungen entsprechenden Widerstandsklassen ausgerüstet.
Sonderschutzfahrzeuge ab Werk
- Audi A6 Security, lieferbar in Widerstandsklasse B4
- Audi A8 Security, lieferbar in Widerstandsklasse B6/B7
- BMW 330i Security, lieferbar in Widerstandsklasse B4
- BMW 550i Security, lieferbar in Widerstandsklasse B4
- BMW X5 Security und Security Plus, lieferbar in Widerstandsklasse B4 bzw. B6 [4]
- BMW 760Li High Security, lieferbar in Widerstandsklasse B6/B7
- Jaguar XJ Sovereign Security, lieferbar in allen Widerstandsklassen, meist jedoch B7/B7
- Kombat T-98, nur in Widerstandsklasse B7 erhältlich
- Mercedes-Benz W211 E-Guard, lieferbar in Widerstandsklasse B4
- Mercedes-Benz W221 S-Guard, lieferbar in Widerstandsklasse B6/B7, auch als Pullman Guard Langversion erhältlich.[5]
- Mercedes-Benz W463 G-Guard, lieferbar in Widerstandsklasse B6/B7 und B7/B7
- Range Rover, lieferbar in vier unterschiedlichen Widerstandsklassen
- VW Passat Protect, lieferbar in Widerstandsklasse B4
- Maybach 62 lieferbar in der Widerstandsklasse B4
- Bentley-alle Modelle lieferbar in den Widerstandsklassen B1 bis B6
Sonderausstattungen
Sonderschutzfahrzeuge werden oft mit zusätzlichen Sonderausstattungen ausgerüstet, die für herkömmliche Fahrzeuge selten lieferbar sind. Dazu gehören unter anderem interne Feuerlöschanlagen, Gegensprechanlagen nach außen (so genannte Intercom-Anlagen), schusssichere Reifen mit Notlaufeigenschaft, GPS-Ortungssystem, explosionssicherer Tank, Außenluftfilteranlagen gegen Gasangriffe und vieles mehr.
GPS-Ortungssystem
Selbst weitgehende Panzerung bietet keinen ausreichenden Schutz vor unbefugtem Zugriff. 2004 wurde dem DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp der Dienstwagen gestohlen. Der Wagen konnte trotz Fahndung der Polizei und diverser Ortungsversuche über das im Fahrzeug eingebaute GPS-System nicht ausfindig gemacht werden. Ein Sprecher von DaimlerChrysler bestätigte lediglich, „dass ein gepanzerter Mercedes aus dem Fuhrpark gestohlen wurde“. Angesichts dieser Peinlichkeit war aus der Konzernzentrale keine weitere Stellungnahme zu vernehmen.
Auch der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth war einst aus der Garage ihres Chauffeurs der Dienstwagen gestohlen worden. In diesem Fall allerdings konnte das Fahrzeug einen Tag später über das Ortungssystem in einem Frankfurter Parkhaus ausfindig gemacht werden.[6]
Fernbedienung
Ein gepanzerter Wagen muss sofort einsatzbereit sein können. Da beim Ausstieg der zu schützenden Person aus selbigem Wagen zumeist auch Fahrer und Begleiter das Fahrzeug verlassen, ergibt sich die Notwendigkeit, in Gefahrensituationen jegliche Verzögerung beim Verlassen eines Gefahrenortes zu vermeiden. So gibt es die Sonderfunktion Fernstarter. Noch bevor die zugangsberechtigten Personen das Fahrzeug erreicht haben, kann der Motor des Fahrzeuges mittels Fernbedienung gestartet werden. Vorsichtige Fahrer starten das Fahrzeug mit Hilfe dieser Funktion auch im Normalfall aus der Ferne. So besteht keine Gefahr, im Fahrzeug während des Motorstartes von einer eventuell zuvor in Abwesenheit installierten Autobombe erfasst zu werden.
Sicherheitsreifen
Sicherheitsreifen stellen ein System aus Felgen und Reifen dar, das selbst nach erfolgtem Anstoß (Fremdkörpereinwirkung) sowie nach Luftdruckverlust gewisse Notlaufeigenschaften besitzt. Mercedes-Benz bot diese Sicherheitstechnik Anfang der 1990er-Jahre unter dem Namen CTS-Reifen vorübergehend auch für Serienfahrzeuge an.
Sauerstoffversorgung/Filteranlage
Um Schutz vor Angriffen mit Reiz- oder Giftgasen bieten zu können, sind Anlagen erhältlich, die die dem Innenraum zugeführte Luft filtern oder eine eigenständige Sauerstoffversorgung über Druckflaschen ermöglichen. Dabei wird im Fahrzeug ein leichter Überdruck erzeugt, der keine Außenluft in das Fahrzeug eindringen lässt.
Anti-Kidnapping-Funktionen
Für den Fall von Kidnapping, bei dem das Opfer im eigenen Wagen entführt werden soll, existieren Einrichtungen, um den Wagen stillzulegen und die Türen zu verriegeln. Diese Maßnahmen können unbemerkt ausgelöst werden.
Notausgänge
Eine besondere Gefahr bei gepanzerten Fahrzeugen ist, dass man es in einem Notfall, z. B. nach einem Unfall, nicht mehr verlassen kann. Dies kann verschiedene Gründe haben, wie Verformung der Türen oder Ausfall der Elektronik für Schlösser und Fensterheber. Durch die Panzerung ist es jedoch nicht möglich, die Scheiben einzuschlagen und die Feuerwehr hätte erhebliche Mühe, das Dach zu demontieren. Einige Fahrzeuge haben deshalb elektrisch unabhängige hydraulische Fensterheber, die wegen des enormen Mehrgewichts der gepanzerten Scheiben ohnehin nötig sind. Zusätzlich ist bei manchen Fahrzeugen ein Notausstieg über den Kofferraum möglich.
Eine erst in den letzten Jahren aufgekommene Sicherheitseinrichtung bildet die per Fernzündung heraussprengbare Frontschutzscheibe. Um ein gepanzertes Fahrzeug auch nach einem Unfall auf unkonventionelle Weise zu verlassen zu können blieb als einziger Rettungsweg die Fenster. Da diese aber zu schwer sind, um sie nach einem Unfall (zumal in geschwächtem Gesundheitszustand) heraushebeln zu können, installierte man Sprengdrähte in den Fensterfassungen. Diese sollen gegebenenfalls den Fensterkorpus vom Rahmen lösen. Der Betätigungsschalter befindet sich zumeist unter einem kleinen (meist farblich abgesetzten) Klappdeckel.
Audi bietet mittlerweile als Rettungsmöglichkeit das Heraussprengen aller vier Türen über einen in der Mittelkonsole befindlichen Auslöseknopf an.
Verwendete Materialien
Die zur Panzerung verwendeten Materialien sind zumeist Stahl, Kunststoffe (z. B. Kevlar) und Panzerglas. Stahl wird eingesetzt, um die Wirkungskraft von Geschossen zu eliminieren, Kunststoffe sollen das Eindringen von Geschosssplittern verhindern.
Auch werden Kunstfasern, wie zum Beispiel Aramid (Kevlar), von Verbundwerkstoffen und auch spezielle Keramiken verwendet, da eine Gewichtsersparnis gegenüber den zur Panzerung verwendeten Sonderstählen möglich ist. Die verstärkte Verwendung dieser modernen Materialien in den neueren Sonderschutzfahrzeugen trägt auch dazu bei, die Modifikationen unauffälliger in die Fahrzeuge zu integrieren, um die Auffälligkeit solcherart ausgestatteter Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr möglichst gering zu halten.
Gewicht
Durch die Panzerung kann sich das Fahrzeuggewicht je nach Widerstandsklasse um 1000 Kilogramm oder mehr erhöhen. Eine einzige Fahrzeugtür wiegt oft mehr als 100 Kilogramm, zum leichteren Öffnen und Schließen sowie zum Heben und Senken der schwereren Panzerglasscheiben werden hier oft hydraulische Systeme eingesetzt.
Bei modernen Fahrzeugen wird der Gewichtsnachteil durch stärkere Motoren und angepasste Fahrwerke in Bezug auf das Fahrverhalten und die Fahrleistungen größtenteils kompensiert. Der damit einhergehende erhöhte Kraftstoffverbrauch spielt in der Zielgruppe dieser Fahrzeuge eine untergeordnete Rolle.
Sicherheit
Die Panzerung eines Sonderschutzfahrzeuges kann dessen Insassen keine absolute Sicherheit garantieren. Meist stellen Sonderschutzfahrzeuge auch nur einen Teil der Maßnahmen zum Schutze einer Person dar. Ein sehr wichtiger Bestandteil zum sicheren Transport ist das Fahrkönnen und -verhalten des Chauffeurs. Meist haben Führer eines Sonderschutzfahrzeuges eine Personenschutzausbildung und spezielle Fahrtrainings hinter sich. Häufig befinden sich noch weitere Personenschützer im Fahrzeug. Um die Sicherheit weiter zu erhöhen, werden oft Konvois gebildet, wobei die Begleitfahrzeuge meist nur Personenschützer oder auch Gepäck der Schutzperson transportieren. Bei hohen Ansprüchen handelt es sich auch bei den Begleitfahrzeugen um Sonderschutzfahrzeuge. So kann eine unverletzte Schutzperson zum Beispiel nach einem Unfall in ein gepanzertes Begleitfahrzeug wechseln. Auf Autobahnen werden Begleitfahrzeuge zum Abschirmen gegen überholende Fahrzeuge eingesetzt. Bei einem gezielten Angriff kann die Besatzung eines Begleitfahrzeuges die Angreifer bekämpfen, um dem Fahrzeug der Schutzperson eine schnellstmögliche Flucht zu ermöglichen.
Bei einem Sprengstoffattentat mit einer Hohlladung am 30. November 1989 starb der damalige Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen in einer Mercedes S-Klasse der Widerstandsklasse B6/B7, während sein Fahrer nur leicht verletzt wurde. Ein Fahrzeugteil drang in den Oberschenkel von Alfred Herrhausen ein und verletzte dessen Schlagader. Aufgrund der mangelhaften Koordination der Rettungsmaßnahmen verblutete Herrhausen. Am 20. April 1995 überlebte José María Aznar, zum damaligen Zeitpunkt noch Oppositionsführer in Spanien, einen ähnlichen Sprengstoffanschlag in einem Audi V8 der gleichen Widerstandsklasse mit leichten Verletzungen. Am 29. August 1995 wurde ein Anschlag auf den damaligen georgischen Staatspräsidenten Eduard Schewardnadse verübt. Die Attentäter verwendeten panzerbrechende Granaten des Typs RPG-7. Trotz zweier Treffer in der Motorhaube der gepanzerten B6/B7-S-Klasse gelang es dem Fahrer, das Fahrzeug aus der Gefahrenzone zu bringen. Schewardnadse, dessen Fahrer, sowie zwei seiner Leibwächter überlebten nahezu unverletzt.
Verwandte Themen
- Eine ähnliche Klassifikation der Sicherheit gilt bei beschusshemmenden Westen.
Weblinks
- Beschussamtsrichtlinien (PDF)
- stern.de Bericht über Sonderschutz-Fahrzeuge
- automobil-Magazin.de Audi A8 als Sonderschutzfahrzeug
- Bericht über Sonderschutzfahrzeuge im Spiegel
- Bericht über BMW High-Security-Training mit Sonderschutzfahrzeugen im Stern
Quellen
- ↑ Financial Times Deutschland, 27. Oktober 2006. Es erscheinen in der Presse auch Artikel, die diese Prüffunktion dem Bundeskriminalamt zuschreiben. Das Bundeskriminalamt prüft jedoch lediglich Fahrzeuge für den eigenen Bedarf.
- ↑ Manager-Magazin, 14. November 2005 http://www.manager-magazin.de/life/auto/0,2828,384324,00.html
- ↑ S-Klasse-Club, Bildbericht Jahrestreffen 2004 http://s-klasse-club.de/hv2004.html
- ↑ Auto Motor und Sport, 15. April 2009 (News) http://www.auto-motor-und-sport.de/news/bmw-x5-security-plus-mit-xdrive-allradsystem-suv-sicherheitsfahrzeug-der-widerstandsklasse-6-1164023.html
- ↑ Autobild.de: Luxus ganz sicher Mercedes S 600 Pullman Guard auf Pariser Motor Show vorgestellt
- ↑ Die Welt, 23. November 2004 http://www.welt.de/data/2004/11/23/364488.html
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