- Sonno-joi
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Sonnō jōi (jap. 尊皇攘夷 oder 尊王攘夷) war eine japanische politische Philosophie und soziale Bewegung mit Ursprung im Neokonfuzianismus. In den 1850ern/1860ern wurde es zum politischem Slogan einer Bewegung, die das Tokugawa-Shōgunat beseitigen wollte. Sonnō jōi besitzt die Bedeutung „Verehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren”, wird aber oft auch mit „Respektiert den Kaiser, vertreibt die Barbaren” übersetzt.
Der Slogan (chin. 尊王攘夷, zunwáng rǎngyí) hatte seinen Ursprung in Herzog Huan von Qi († 643), einem chinesischen Herrscher aus der Zeit der Frühlings- und Herbstannalen. Während dieser Zeit verlor der Zhou-Hof die Kontrolle über die anderen Feudalstaaten und Barbareneinfälle waren häufig. Herzog Huan benutzte diesen Slogan, um die anderen Feudalstaaten zu überzeugen, den Zhou-Hof zu respektieren, obwohl er effektiv dazu führte, dass Herzog Huan zum Hegemon über andere Feudalstaaten wurde.
In Japan kann der Ursprung dieser Philosophie in das 17. Jahrhunderte auf Werke der konfuzianischen Gelehrten Yamazaki Anzai und Yamaga Sokō zurückgeführt werden, die die Unantastbarkeit des japanischen Kaiserhauses und dessen Überlegenheit über die Herrschaftshäuser anderer Staaten behandelten. Diese Ideen wurden von dem Kokugaku-Gelehrten Motoori Norinaga und Takenouchi Shikibu zur Theorie des absoluten Gehorsams gegenüber dem Tennō (尊皇論, Sonnōron) weiterentwickelt, mit der Implikation, gegenüber dem herrschenden Tokugawa-Shogunat weniger loyal zu sein.
Der Mitogaku-Gelehrte Aizawa Seishisai popularisierte 1825 den Begriff sonnō jōi mit seinem Werk Shinron. Sonnō wurde hier als die Verehrung des Kaisers durch das Tokugawa-Shōgunat und jōi als Verfolgung des Christentums angesehen.
Mit dem erhöhten Einfall ausländischer Schiffe in japanischen Gewässer im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert wurde die Abschließung des Landes zusehends in Frage gestellt. Jōi wandelte sich in eine Gegenreaktion zum Vertrag von Kanagawa, der 1854 Japan für den Außenhandel öffnete. Unter der militärischen Bedrohung von Commodore Matthew Perrys „Schwarzen Schiffen“ wurde der Vertrag unter Zwang unterzeichnet und vehement von der Mehrzahl der Samurai abgelehnt. Die Tatsache, dass das Shōgunat trotz des Willens des Kaiserhofs machtlos gegenüber den Fremden war, wurde von Yoshida Shoin und anderen Führern der Anti-Tokugawa-Bewegung als Beweis genommen, dass der sonnō-Teil der Philosophie nicht funktionierte und dass das Shōgunat durch eine Regierung ersetzt werden müsse, die den Willen des Kaisers besser durchsetzen konnte.
Der Slogan wurde damit als Kampfschrei von den rebellierenden Han Chōshū und Satsuma übernommen. Nicht überraschend sympathisierte der Kaiserliche Hof in Kyōto mit der Bewegung. Kaiser Kōmei persönlich stimmte diesen Bewegungen zu und brach mit der jahrhundertelangen kaiserlichen Tradition, keine aktive Rolle in Staatsangelegenheiten zu spielen. Als sich die Gelegenheit bot, wetterte er gegen die Verträge und versuchte auf die Thronfolge des Shōgunats Einfluss zu nehmen. Sein Wirken gipfelte in dem im März 1863 erlassenen „Kaiserlichen Befehl zur Vertreibung der Barbaren“ (攘夷勅命, jōi chokumei). Obwohl das Shōgunat nicht die Absicht hatte, diesen Befehl auszuführen, wurden durch den Befehl zahlreiche Übergriffe gegen das Shōgunat selbst und gegen Ausländer ausgelöst: der bekannteste war der Namamugi-Zwischenfall, bei dem wegen des Todes des englischen Händlers Charles Lennox Richardson die Tokugawa-Regierung eine Wiedergutmachung von 100.000 britischen Pfund zahlen musste. Andere Zwischenfälle waren der Beschuss ausländischer Schiffe in Shimonoseki in Chōshū, die mit dem Bombardement von Shimonoseki beantwortet wurden. Aufgrund dessen ermordeten herrenlose Samurai (Rōnin) Shōgunatsbeamte und Ausländer.
Dies war der Höhepunkt der Sonnō-jōi-Bewegung, da die westlichen Staaten mit horrenden Reparationsforderungen und dem Beschuss der Hauptstadt von Satsuma Kagoshima antworteten. Da diese Zwischenfälle deutlich zeigten, dass Japan dem Westen gegenüber militärisch klar unterlegen war, begannen die rebellierenden Provinzen von ihrer fremdenfeindlichen Position abzurücken und mit den ausländischen Mächten zu kooperieren. In der Folge wurden umfangreiche Handelskontakte zu Frankreich und England aufgebaut. Diese wurden zum Aufbau von schlagkräftigen Armeen genutzt, mit deren Hilfe schließlich in der Meiji-Restauration das Shōgunat gestürzt wurde.
Es sollte angemerkt werden, dass der Slogan niemals wirklich Regierungs- oder gar Rebellenpolitik war, da – trotz aller Polemik – Satsuma im Besonderen ein großer Handelspartner für den Westen war, von dem diese Provinz Gewehre, Artillerie, Schiffe und andere Technologie kaufte.
Nach der symbolischen Wiederherstellung der Macht (Meiji-Restauration) des Meiji-tennō wurde der Slogan stillschweigend fallen gelassen und durch einen anderen ersetzt: Fukoku kyōhei (富国強兵, dt. reiches Land, starkes Militär). Er wurde die Parole von Japans besonders erfolgreicher Meiji-Zeit und legte die Saat für Japans militaristische Expansionspolitik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Quellen
- Paul Akamatsu: Meiji 1868. Revolution and Counter-Revolution in Japan. Harper & Row, New York 1972 (Original: Meiji 1868. Révolution et contre-révolution au Japon. Calmann-Lévy, Paris 1968)
- W. G. Beasley: The Meiji Restoration. Stanford University Press, Stanford 1972
- Albert M. Craig: Chōshū in the Meiji Restoration. Harvard University Press, Cambridge 1961
- Marius B. Jansen, Gilbert Rozman (Hrsg.): Japan in Transition. From Tokugawa to Meiji. Princeton University Press, Princeton 1986, ISBN 0-691-05459-2
- Marius B. Jansen: The Making of Modern Japan. The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge 2000, ISBN 0-674-00334-9
- Ryotaro Shiba: The Last Shogun. The Life of Tokugawa Yoshinobu. Kodansha, New York 1998, ISBN 1568362463
Literatur
Auf diese Parole wird besonders eingegangen in James Clavells Roman: Gai-Jin. Goldmann, München 2003, 3-4423-5993-7 (Original: Gai-jin. Hodder & Stoughton, Sevenoaks 1993, ISBN 0340581263)
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