Sowjetdeutsche

Sowjetdeutsche
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Der Begriff Russlanddeutsche (russ. Российские немцы , wiss. Transliteration Rossijskie nemcy) ist ein Sammelbegriff für die ethnisch deutsche bzw. deutschstämmige Minderheit in Russland. In der Regel werden auch die deutschstämmigen Einwohner der anderen ehemaligen Sowjetrepubliken als Russlanddeutsche bezeichnet. Die Bezeichnung Ukrainedeutsche, Kasachstandeutsche usw. ist unüblich und inkorrekt, denn der kulturelle Bezug zu den Staatsethnien der neuen postsowjetischen Republiken lässt sich bei den Betroffenen nicht feststellen. Fälschlicherweise werden die Russlanddeutschen gelegentlich auch als „Deutschrussen“ bezeichnet. Bis zum Ende der UdSSR waren zeitweise auch die Bezeichnungen Sowjetdeutsche bzw. Sowjetunion-Deutsche im Gebrauch.

Es handelt sich um eine regional ursprünglich sehr verteilte Gruppe (Wolgadeutsche, Wolhyniendeutsche, Krimdeutsche, Kaukasiendeutsche, Schwarzmeerdeutsche, Russlandmennoniten, Sibiriendeutsche und weitere) innerhalb des Russischen Zarenreiches. Einige von ihnen gründeten selbst in Sibirien und im Fernen Osten am Amur ihre Siedlungen. Überall im Reich entstanden deutsche Enklaven als autonome Gemeinden, mit Namen wie Mannheim, Josephsthal, oder Schönfeld. Deren gemeinschaftliches Leben wurde in traditioneller Art und Weise durchgeführt, bis hin zu eigenen Kirchen und Ratsversammlungen, die für die deutsche Ortsgemeinschaft bindend waren. Heute leben noch etwa 800.000 Russlanddeutsche in der Russischen Föderation (sinkende Tendenz), nach der letzten Volkszählung im Jahre 2002 ergab sich eine Gesamtzahl von 597.212 Deutschen, davon alleine 350.000 in Sibirien.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Hauptartikel: Geschichte der Russlanddeutschen

Bereits im 15. Jahrhundert gab es durch Handelsbeziehungen vereinzelt Deutsche in Russland, die sich vor allem in der Hauptstadt Moskau konzentrierten. Diese russifizierten sich entweder oder kehrten nach Beendigung ihrer Aufgabe (Bergbau, Militärwesen, Medizin, Wissenschaft) in ihr Heimatland zurück.

Die Gründe für die Einwanderung waren vielfältig. Für die pazifistischen Mennoniten war die Befreiung vom Kriegsdienst wesentlich, für viele andere die freie Zuteilung von Land und Religionsfreiheit, oder auch der Dienst am Hofe. Als erste rief Katharina II., die selbst aus dem Fürstentum Anhalt-Zerbst stammte, im Jahre 1763 deutsche Landsleute, meist Bauern, die vor allem aus dem Südwesten Deutschlands stammten, im großen Stil ins Land. Die Zarin beabsichtigte deutsche Bauern in Russland anzusiedeln, um das fruchtbare und brachliegende Land besser nutzbar machen zu können, die Agrarwirtschaft zu verbessern. Sie lockte mit Versprechungen wie Religions- und Steuerfreiheit zahlreiche Abenteurer und Bauern in ein hoch gepriesenes scheinbares Paradies. Hinzu kam die starke Population an Nomadenstämmen, die mit Bauernschaft nichts anfangen konnten und das Land nicht bewirtschaften wollten. Vorher gab es schon größere Gruppen in Moskau und Nordwestrussland (Nowgorod, Pskow, Sankt Petersburg). Die dadurch in Folge nach Russland gelockten Deutschen fanden eine völlig wilde Steppe vor, die sie in Kürze nutzbar machen mussten, um den harten Winter zu überstehen. Im Zuge dieser Pionierjahre starben Abertausende an den Folgen von Seuchen, Hunger und Kälte.

Die Zeit der russischen Revolution

Zu Zeiten der ersten russischen Revolution durch die Bolschewiki kam es zu Ausschreitungen der russischen Bevölkerung gegenüber den Russlanddeutschen. Die Deutschen, die in der Gunst der Monarchie standen und im Laufe der Generationen als Großgrundbesitzer oftmals zu Wohlstand gekommen waren, wurden mitunter zur Zielscheibe politischer Aggressionen der Bauernaufstände. Zudem waren Russifizierungsmaßnahmen veranlasst worden, um den immer mehr aufkeimenden Neid gegen die meist deutschen Großbauern zu stoppen und anderskulturelle Gruppen zu assimilieren. Aus ethischem und volksbewusstem Widerstand heraus versuchten die russlanddeutschen Siedlungen um so mehr die traditionellen Sitten und Bräuche zu bewahren, was noch heute bei den älteren Heimkehrern sichtbar und an deren Sprache hörbar ist. Es kam daher unter diesen Bewegungen kaum zu Mischehen. Viele kehrten daher auch nach 1905 in ihre alte Heimat zurück oder wanderten in die USA, nach Südamerika und England aus, wo sie sich mehr Autonomie und ethnische Freiheit versprachen.

1914 lebten im Zarenreich (einschließlich Russisch-Polen) noch rund 2,4 Millionen Russlanddeutsche, allerdings war die Lage gespannt. Der Zar verbot – aus politisch-diplomatischen Gründen – endgültig die Benutzung der deutschen Sprache, und es folgten weitere Repressalien, die diskriminierende Tendenzen gegenüber Russlanddeutschen immer mehr sichtbar machten. Nach dem Sturz der Monarchie kam es zur ersten geballten Vernichtungswut gegenüber deutschen Siedlern. Enteignungen, Ermordungen in Massakerform sowie Deportationen in sibirische Gulags vernichteten viele Russlanddeutsche, speziell die einst wohlhabenden Familien wurden oftmals im Rausch der Revolution komplett ausgerottet. Allein Zig-Tausende kamen zudem im russischen Winter als Obdachlose auf der Flucht um. Die Enteignungen hatten zur Folge, dass sich die in Freiheit lebenden Russlanddeutschen immer mehr Richtung Südosten bewegten, um in weniger politisch bewegten Zonen Unterschlupf zu finden. Andere, die überlebt hatten, wurden in den Dienst von russischen Kolchosen gestellt.

Deportationen unter Stalin

Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurden 1.209.430 Russlanddeutsche entsprechend Josef Stalins Erlass des Obersten Sowjets vom 28. August 1941 innerhalb weniger Wochen unter dem Vorwurf der Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Deutschland aus den europäischen Teilen der Sowjetunion nach Osten – vorwiegend nach Sibirien, Kasachstan und in den Ural – in sogenannte Sondersiedlungen deportiert. Letztendlich waren es Gulags, der russische Begriff für Straf- und Arbeitslager, die, ihrem architektonischem Aufbau nach, Konzentrationslagern glichen. Mehrere hunderttausend Russlanddeutsche – die nicht ermittelte Zahl schwankt um 700.000 – starben in dieser Zeit vor allem an schlechten Klima-, Nahrungs-, Arbeits-, Lebens- oder medizinischen Bedingungen. Nahezu zwei Drittel aller Russlanddeutschen überlebten diese Zeit nicht. Viele erfroren und starben an Unterversorgung. Andere flohen und versuchten Deutschland zu erreichen, um dem Tode zu entkommen.

Die Deutschen in den westlichen Gebieten der Ukraine entgingen zunächst diesem Schicksal. Sie wurden allerdings 1944 in den polnischen „Warthegau“ im Rahmen der „Heim-ins-Reich-Umsiedlung“ umgesiedelt. Anfang 1945 erfolgte von dort aus häufig Flucht vor der Roten Armee weiter nach Westen in das Gebiet der heutigen neuen Bundesländer und auch darüber hinaus (Niedersachsen bspw.). Diejenigen, die als Flüchtlinge der Hetzjagd Stalins entkommen waren und Deutschland erreicht hatten, wurden von den deutschen Behörden als Deutsche eingebürgert. Die Männer wurden daraufhin in die deutsche Wehrmacht oder Waffen-SS zwangseingezogen, was zur Folge hatte, dass sie am Kampf gegen die anrückende Rote Armee aktiv teilnehmen mussten und infolgedessen zahlreich starben. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges deportierte die UdSSR als Besatzungsmacht diese Deutschen als vorverurteilte Nationalsozialisten u.a. nach Sibirien und Zentralasien in Strafgefangenenlager. Russlanddeutsche aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurde auf Anordnung zurück in die UdSSR „repatriiert“, während die Teile, die sich in den westlichen Besatzungszonen befanden, häufig durch falsche Versprechungen der sowjetischen Verbindungsoffiziere („Kommt nach Hause – Eure Männer warten schon auf euch“) in die UdSSR zurückgelockt wurden.

Die aus Deutschland durch die sowjetrussischen Alliierten zurückdeportierten schon Eingebürgerten galten – im Gegensatz zu den russlanddeutschen Spätaussiedlern der heutigen Zeit, die lediglich auf Grund des Verwandtschaftsgrads nach Deutschland einreisen – nach bundesdeutschen Recht noch als Kriegsverschleppte. Sie erwartete in der Sowjetunion ein schwereres Los, galten sie doch als Verräter und Deserteure, die während des Krieges nach Deutschland zu den Nationalsozialisten übergelaufen seien. Während der jahrelangen Strafgefangenschaft mussten selbst die Kinder vieler Russlanddeutscher, bei tiefen Minusgraden in Minen, beim Gleisbau und im Steinabbau arbeiten. Viele wurden erschossen oder starben an den Folgen der Haftungshärte, ohne jegliche medizinische Versorgung. Ende der 1950er, in Zeiten des kalten Krieges und Feindkonzentration auf die USA, lockerte man die Handhabungen wieder. Es wurden dann Russlanddeutsche der Gulags in spezielle Ghettos umgesiedelt oder als kostenlose Arbeiter zu russischen Bauern vermittelt. Sie mussten sich regelmäßig bei der Miliz melden, besaßen also nur eine beschränkte Bewegungsfreiheit.

Beginn der Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland

Ende der 1960er-Jahre, nach einem Abkommen Willy Brandts mit der UdSSR über Heimkehrerberechtigung und Aussiedlerbestimmungen, begann langsam die Ausreise nach Deutschland. Meist mussten die Russlanddeutschen aber Jahre warten, bis ihnen die Ausreise gewährt und ermöglicht wurde, und durften weder Habe noch Geld mitnehmen. Für die Ortung der Russlanddeutschen in der UdSSR wurde das Deutsche Rote Kreuz als Meldezentrale und Suchorganisation genutzt und für die Familienzusammenführung eingesetzt, da viele westdeutsche Bürger ihre im Krieg verschleppte und verschollene Verwandtschaft erst einmal suchen lassen mussten. Die meisten siedelten nach Westdeutschland um, in die DDR nur wenige. Nach den Heimkehrerbestimmungen und dem Aussiedlergesetz stand fast allen deutschstämmigen Familien aus den Ostblockstaaten eine Umsiedlung ins geteilte Deutschland zu. Die von russischem Militär während und nach dem Kriege deportierten Russlanddeutschen wurden in Auffanglagern, nach dem Heimkehrergesetz registriert, erneut eingebürgert und mit einer Willkommensspende ihren in Westdeutschland lebenden Verwandten geografisch zugeteilt.

Die ersten Heimkehrer waren meist Familienangehörige der nach dem Krieg in Deutschland verbliebenen Russlanddeutschen, die viel Energie aufwandten, um ihre Angehörigen zu finden. Erst in den 1980er Jahren und vor allem nach der Selbstauflösung der Sowjetunion 1991 wuchs auch die Zahl der nach Deutschland zurückreisenden Aussiedler an und betrug jahrelang um 200.000 pro Jahr, wobei seit Mitte der 1990er Jahre mehr und mehr auch nichtdeutsche Familienangehörige mit nach Deutschland kamen, die noch Deutschstämmigkeit zweiten Grades nachweisen konnten und dadurch als Aussiedler galten. Dieser Strom ist nicht auf die Aktivitäten der schon zuvor in Deutschland lebenden Russlanddeutschen zurückzuführen. Die Gründe hierfür liegen sicherlich meist in der wirtschaftlichen und politischen Irritation, der starken Armut und den immer mehr wachsenden innerrussischen Konflikten nach Zerfall der UdSSR.

Für einen großen Teil der älteren Russlanddeutschen war die Ausreise nach Deutschland das für sie wichtigste Ereignis in ihrem Leben. Während einige Jugendliche nur widerwillig ihre Eltern begleiteten, war die Übersiedlung für viele Ältere die Verwirklichung eines Lebenstraumes nach langer Heimatsuche, ständiger Vertreibung und gefühlter Entwurzelung. Sie haben sich bis ins hohe Alter traditionell überlieferte deutsche Sitten und Bräuche bewahrt. Viele der älteren Russlanddeutschen hatten zudem wegen ihrer Herkunft schreckliche Misshandlungen und Diskriminierungen in der UdSSR überlebt und viele Familienmitglieder in den Straflagern Sibiriens verloren – bis sie sich in Deutschland sicher fühlen durften. Viele Deutsche aus der Ukraine hatten auch ihre Einbürgerungsurkunden oder die ihrer Eltern und Großeltern aus der Zeit, in der sie im Wartheland angesiedelt waren (1942 bis 1944), gehütet und über die Sowjetzeit hinweggerettet. Mit diesen Urkunden war der Nachweis, Deutscher zu sein, leichter möglich; ebenso durch Angabe der Einbürgerung während der Kriegszeit, oder dem Nachweis der Verwandtschaft. Sogar über 90-Jährige reisten aus, die sich im Land ihrer Vorväter begraben wissen wollten.

Spätaussiedler der 1990er Jahre

Der Zuzug der Russlanddeutschen als Spätaussiedler in den 90er-Jahren führte örtlich zu Problemen, da einige Gemeinden in Niedersachsen (Molbergen, Werlte, Belm), Baden-Württemberg, Hessen (Mittelzentren Allendorf/Battenberg/Frankenberg) und Bayern (Ingolstadt, Waldkraiburg, Neugablonz) weit überproportional betroffen waren. Der Grund hierfür war, dass sich ganze Dörfer an einem bestimmten Ort in Deutschland wieder ansiedelten und dort der Anteil der Russlanddeutschen an der Bevölkerung auf bis zu 30% stieg. Dies führte teils zu Integrationsproblemen und erheblichen finanziellen Belastungen der Kommunen durch Sozialleistungen. Vereinzelt kam es durch den Aussiedlerstrom der letzten Jahre zu Sprachbarrieren, die in den 1970ern noch nicht vorhanden waren. Eine gleichmäßigere geografische Verteilung war aber schwer zu erreichen, weil eine strikte Zuweisung des Wohnsitzes dem Grundgesetz widerspräche und viele Russlanddeutsche in wirtschaftlich stärkeren Regionen bleiben wollten, um ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern.

Neben Problemen und Erfolgen der Integration gingen von der Einwanderung der Russlanddeutschen und ihrer Familien auch andere Impulse aus. Wirtschaftlich gesehen war der Zuzug von Spätaussiedlern ein positiver Impuls in einigen Gegenden, in denen es an jungen Menschen mangelte. Die Konsum- und Bautätigkeit in diesen Gegenden wurde ebenfalls durch den Zuzug unterstützt.

Seit Ende der 1990er Jahre nimmt die Anzahl der Einreisenden von Jahr zu Jahr stark ab, so dass der Aussiedlerstrom nach Deutschland in den nächsten Jahren vermutlich ganz versiegen wird.

Heutige Situation in Russland

Am 1. Juli 1991 wurde der 1938 aufgelöste deutsche Nationalkreis Halbstadt (Nekrassowo) im Altai wiedergegründet, am 18. Februar 1992 erfolgte die Gründung des deutschen Nationalkreis Asowo (bei Omsk). Bei Saratow und Wolgograd sollen weitere Nationalkreise oder -bezirke (Okrugs) gegründet werden. In der Nähe von Uljanowsk an der Wolga wurde ebenfalls Anfang der 90er-Jahre der deutsche Dorfsowjet (Dorfrat) von Bogdaschkino gegründet. Die Zukunft dieser autonomen Gebilde auf unterster Stufe ist jedoch fraglich, weil die alteingesessene deutschstämmige Bevölkerung auch von dort mehrheitlich bereits ausgewandert ist.

In folgenden Regionen leben auch heute noch deutschstämmige Minderheiten:

Die im Altai lebenden Deutschen sind zum größten Teil ausgewandert, dennoch gibt es auch hier wieder einen deutschen Nationalkreis.

Prozentual gesehen machen die Deutschen heutzutage rund 0,41 % der gesamten Bevölkerung Russlands aus. In Sibirien leben proportional mehr Deutsche als in anderen Regionen, mehr als 350.000 Russlanddeutsche.

Eingliederung in Deutschland

Die russlanddeutschen Personengruppen brachten auch ihre russischen Familienangehörigen mit. Überwog zu Beginn der Einwanderungswelle bis Anfang der 90er-Jahre der deutsche Anteil in den Familien, so überwiegt inzwischen der russische Anteil ohne oder mit nur geringen Kenntnissen der deutschen Sprache.

In manchen deutschen Städten sind mittlerweile eigene russische Stadtviertel und demzufolge russischsprachige Kulturbereiche entstanden. Mehrere eigenständige russischsprachige Zeitungen, z. B. die Tageszeitung Rheinskaja Gazeta oder die Wochenzeitschrift Russkaja Germanija erscheinen heute in Deutschland. Der hohe Bevölkerungsanteil und die mangelhafte Integrationsmöglichkeit – besonders der jungen Männer – wegen der oft fehlenden Deutschkenntnisse und Konfrontation mit einer für sie fremden Kultur machen die gesellschaftliche Integration der in diesen Vierteln lebenden Menschen schwierig.

Eine deutsch-russische Mischsprache, die manchmal unter diesen Einwanderergruppen gesprochen wird, ist derzeit im Entstehen begriffen.

Daneben hat sich jedoch auch eine kaum beachtete, zahlenmäßig aber weitaus größere russlanddeutsche Mittelschicht entwickelt. Die Angehörigen dieser Gruppe, die bis Anfang/Mitte der 90er-Jahre nach Deutschland aussiedelten, werden jedoch in der Gesellschaft aufgrund ihrer deutschen Namen nicht mehr als Russlanddeutsche identifiziert. So gibt es heute (2006) an deutschen Universitäten nicht wenige russlanddeutsche Studenten, die allgemein akzentfreies Deutsch sprechen, da sie entweder noch vor der Einschulung nach Deutschland kamen oder sogar bereits dort geboren wurden. Gerade diese Nicht-Wahrnehmung der gut integrierten Mehrzahl verzerrt das Bild der Russlanddeutschen zu Unrecht insgesamt ins Negative, da einige isolierte (meist männliche) Personen mit der gesamten Gruppe gleichgesetzt werden. Aus diesem Grund bekennen sich einige gut integrierte Russlanddeutsche nicht zu ihrer Herkunft, da sie fürchten, so wie die schlecht integrierten Aussiedler aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland als „die Russen“ bezeichnet zu werden, nachdem ihre Eltern in ihrer Heimat immer „die Deutschen“ waren. Doch es gibt auch Ausnahmen. Auch Prominente, wie z. B. die deutsche Sängerin Julia Neigel, die Anfang der 1970er mit ihren kriegsverschleppten Eltern aus Sibirien in die Bundesrepublik heimkehrte, bekennen sich unbedarft und angstfrei öffentlich zu ihrer Herkunft und repräsentieren ein positives, neues Selbstbewusstsein der russlanddeutschen Bevölkerung.

Diskrepanzen innerhalb der Völkergruppe lassen erwarten, dass ein kleiner Teil der russlanddeutschen Einwanderer isoliert in ärmlichen Stadtvierteln verbleiben wird. Der weitaus größte Teil dieser Einwanderergruppe wird dagegen in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren völlig in der deutschen Gesellschaft aufgehen. Die Tatsache, dass der Zuzug von Spätaussiedlern nach Deutschland seit 1995 von Jahr zu Jahr stark abgenommen hat (im Jahr 2005 wurden nur noch 35.396 Spätaussiedler aus den Ländern der GUS registriert), tut ihr Übriges.

Berühmte Russlanddeutsche

Literatur

  • Die Russlanddeutschen, hrsg. v. Alfred Eisfeld et al., Verlag Langen/Müller, 2. erw. und aktual. Auflage 1999, 252 S.,(ISBN 3784423825)
  • Bibliographie zur Geschichte und Kultur der Rußlanddeutschen, Bd. 2: Von 1917 bis 1998, hrsg. v. Detlef Brandes und Victor Dönninghaus, München : Oldenbourg 1999 (= Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte, Bd. 13), 988 S., ISBN 3-486-56134-0
  • In der Internet-Datenbank RussGUS werden mehrere tausend Publikationen nachgewiesen mit Bezug auf die Deutschen in Russland bzw. der UdSSR
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Informationen zur politischen Bildung (Heft 267)
  • Larissa Dyck, Heinrich Mehl (Hrg.): Mein Herz blieb in Rußland. Rußlanddeutsche erzählen aus ihrem Leben. Zeitgut Verlag Berlin 2008, ISBN 3-86614-145-9
  • Gerhard Wolter: Die Zone der totalen Ruhe. Die Rußlanddeutschen in den Kriegs und Nachkriegsjahren. W. Weber Verlag Augsburg (2003). (ISBN 3-9808647-0-7)
  • Reinhard Aulich: Keine Spur von Romantik. Das generationenübergreifende Schicksal der Rußlanddeutschen. Zu einer Studie von Hugo Eckert. In: Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, Nr. 423. Stuttgart [2005], S. 467-473 (ISBN 3-88099-428-5)
  • Birgit Griese: Zwei Generationen erzählen. Campus Verlag (2006). (ISBN 3593382113)
  • Christian Eyselein: Rußlanddeutsche Aussiedler verstehen. Praktisch-theologische Zugänge (2006). (ISBN 3374023797)
  • Hans Hecker: Die Deutschen im Russischen Reich, in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten. Verlag Wissenschaft und Politik. Aus der Reihe: Historische Landeskunde, Deutsche Geschichte im Osten Bd. 2, 2. unveränderte Aufl., Köln 1998, 151 Seiten, 16,- Euro. (ISBN 3-8046-8805-5)
  • Merle Hilbk: Die Chausee der Enthusiasten. Eine Reise durch das russische Deutschland, Aufbau-Verlag, Berlin 2008. (ISBN 978-3-351-02667-7)
  • Ferdinand Stoll: Kasachstandeutsche. Migrationsstrategien Kasachstandeutscher im Übergang von ethnischer zu transnationaler Migration – aus der Sicht von Kasachstan. ISBN 978-3-00-023812-3. Kisslegg 2007.

Siehe auch

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