- Spear Spiele
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Spear-Spiele war ein Spielehersteller, der Produktionsstandorte in Deutschland (Nürnberg - bis 1984) und Großbritannien (Enfield - bis 1997) unterhielt. Sein Markenzeichen war zunächst eine liegende Lanze mit den Initialen "J.W.S & S", später "Spear-Spiel" oder "Spear-Spiele" und "SPEAR'S GAMES", wobei der Markenbestandteil "Spiele" in verschiedenen Sprachen verwendet wurde.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Gründungszeit
Jacob Wolf Spear (1832 - 1893), geboren als Jacob Wolf Spier, der bei seiner vorübergehenden Auswanderung nach Amerika seinen Namen anglisierte, gründete 1879 in Fürth ein "Import- und Exportgeschäft mit Kurzwaren", das als Ausgangspunkt der Spielefabrikation betrachtet werden kann. Nachdem J.W. Spears Söhne Raphael und Joseph 1884 und 1885 in das Unternehmen eingetreten waren, firmierte es unter dem Namen "J.W. Spear & Söhne", mit dem es Weltgeltung erlangen sollte. Zwar schieden die ältesten Söhne später aus dem Unternehmen wieder aus, dafür traten jedoch die jüngeren Söhne des Firmengründers, Karl und Wilhelm, als Teilhaber in die Firma ein. Sie führten auch nach dem Freitod des Firmengründers das Unternehmen fort.
Aufbau des Nürnberger Standorts
1898 verlegten die Inhaber den Firmensitz nach Nürnberg, wo im Mai 1899 in einem Fabrikneubau die Produktion aufgenommen wurde und von wo aus die einfallsreich gestalteten und in hoher Qualität verarbeiteten Spiele ihren Siegeszug auf dem deutschen und internationalen Markt antraten.
Errichtung einer Niederlassung in England
Nachdem bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine später wieder geschlossener Unternehmensniederlassung in London bestanden hatte, wurde 1930 erneut eine Tochtergesellschaft in Großbritannien, in Enfield, gegründet und nach seiner Emigration aus Deutschland vom Enkel des Firmengründers, Richard Spear (1897-1983), geführt. Dieser Schritt sicherte nach 1933 vielen Familienmitgliedern das persönliche Überleben und letztlich auch die unternehmerische Kontinuität des in den 1920 Jahren zum größten deutschen Spieleherstellers aufgestiegenen Unternehmens.
Zwangsverkauf des Unternehmens 1938
Der deutsche Unternehmenszweig des Spieleverlags musste 1938 aufgrund der Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes von den jüdischen Eigentümern zu einem Bruchteil seines Werts im Rahmen der sog. "Arisierung" zwangsverkauft werden, wobei nicht einmal der vom Arisierungs-Gutachter festgesetzte minimale Kaufpreis an die Familie Spear ausgezahlt wurde. Erwerber war Hanns Porst, der Begründers der Fotoladenkette Photo Porst. Der aufgrund behördlicher Anordnungen zur Abwicklung der Unternehmensübertragung und wohl auch aufgrund familiärer Rücksichten in Deutschland verbliebene Hermann Spear, der Bruder Richard Spears, wurde 1943 nach Auschwitz deportiert, wo er am 10. Juli 1943 getötet wurde.
Im arisierten Unternehmen wurden – wie in vielen anderen deutschen Spieleverlagen in jener Zeit auch – kriegshetzerische Spiele, wie "Kurs Ost-Nordost" (1939) sowie "U-Boote fahren gegen England" und "Bomben auf England" (beide 1940) entwickelt. Porst versuchte, ab 1940 den mit dem jüdischen Firmengründer verbundenen Markennamen "Spear" in einen Werbespruch umzuwandeln: "Spiele, aber richtig!", um die Herkunft des Unternehmens zu verschleiern.
Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg erreichten die Witwe Hermann Spears und Richard Spear die Rückgabe des teilweise kriegszerstörten Unternehmens in den Familienbesitz. Der Nürnberger Spielehersteller, der nun als Tochtergesellschaft des englischen Haupthauses fungierte, produzierte dann wieder auf beachtlichem Niveau, konnte jedoch die Marktbedeutung aus der Zeit vor 1933 nicht wieder erreichen. 1978 wurde die Firma in "Spear-Spiele GmbH" umgewandelt und schloss sich aufgrund wirtschaftlichen Drucks mit dem Spielehersteller L. Kleefeld & Co. zusammen. Die Produktion wurde am 31. Dezember 1984 am Nürnberger Standort eingestellt.
Das englische Unternehmen, das in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war, ging 1966 an die Börse, um das notwendige Kapital für die Erweiterung und Verbesserung der Produktions- und Absatzkapazitäten beschaffen zu können. 1970 erwarb Spear's das englische Unternehmen G. J. Hayter & Co. aus Bournemouth, das die auf dem englischen Markt begehrten Laubsäge-Puzzles (Victory Jigsaw Puzzles) herstellte, und produzierte die aus Sperrholz mit der Hand gesägten Puzzles bis 1988.
Schließlich wurde das Unternehmen selbst 1994 vom amerikanischen Unternehmen Mattel, dem weltgrößten Unternehmen der Spielwarenbranche, erworben, das den Mitbewerber Hasbro überboten hatte. Die Produktionsstätten in Enfield wurden geschlossen, das Warenzeichen "SPEAR'S-GAMES" wurde jedoch fortgeführt.
Das Nürnberger Spielzeugmuseum führte 1997 eine umfassende Ausstellung über die Spieleproduktion von J.W. Spear & Söhne sowie seine Firmengeschichte in Deutschland und England durch.
Erfolgreiche Spiele
Das sind beispielsweise folgende Spiele: Das 1920 erschienene Spiel "Auf und Ab! Lustiges Leiterspiel", was eine Adaption des Spiels "Snakes and Ladders" von 1892 des englischen Spielzeugherstellers Frederick Henry Ayres war und anstelle von Schlangen und Leitern Zirkusszenen zeigte und das in mehreren Sprachen ab 1929 hergestellte "Denk Fix!" (später bei Jumbo und Mattel). Ebenso als erfolgreich gelten die umsatzstarken Spiele das "Magnetische Angelspiel" oder die "Fliegenden Hüte". Neben klassischen Brettspielen, "Pferderennen", Reisespielen oder Spielen mit Basteleien ("Webstuhl", "Nähschule" oder "Flechtschule") wurde auch ein breitgefächertes Sortiment an Quartettspielen, wie "Mit der Graf Zeppelin um die Erde", "Weltflug" oder "Dichter-Quartett", angeboten.
Die meisten Spiele wurden in unterschiedlichen Ausstattungsvarianten angeboten, so dass sie für breiteste Käuferschichten attraktiv und erschwinglich waren.
Nachdem für die Märkte in Deutschland, Italien und einigen anderen europäischen Staaten ab 1953 zunächst die in Piding (bei Berchtesgaden) ansässige Firma "J. Schowanek" eine Lizenz für das heute weltbekannte Buchstabenlegespiel Scrabble erhalten hatte, konnte J.W. Spear & Söhne 1958 eine Übernahme der Lizenz erreichen. In der Folgezeit wurden Produktion und Vertrieb des Scrabble-Spiels ein entscheidendes Standbein für das Unternehmen.
Viele Prototypen der vertriebenen Spiele befinden sich heute in dem 1996 von Francis Spear gegründeten Spear's Games Archive (Spear's-Spiele-Archiv) im englischen Hertfordshire und können dort von Spiele-Liebhabern besichtigt werden.
Literatur
Helmut Schwarz, Marion Faber: Die Spielmacher. J.W. Spear & Söhne - Geschichte einer Spielefabrik. Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg Spielzeugmuseum 1997
Weblinks
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