- Speiche (Fahrrad)
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Speichen verbinden seit der Bronzezeit Naben mit Felgen zu einem Rad. Beim neuzeitlichen Rad werden die Speichen ausschließlich auf Zug belastet und stabilisieren so die Felge. Dieses Zusammenspiel führt zu ansonsten unerreichbarem Leichtbau.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die ersten Speichenräder tauchen in etwa mit dem bronzezeitlichen Gebrauch der Karre als Streitwagen im Orient auf. Sie ersetzen die bis dahin üblichen schweren Scheibenräder. Die Speichenräder erlangen schnell auch im Kult Bedeutung und das Vierspeichenrad ist die klassische Form des Kultwagenrades. Das älteste erhaltene Exemplar eines bronzenen Rades mit vier Speichen stammt in Europa aus der Schweizer Siedlung Cortaillod. Es hat 47 cm Durchmesser, eine Nabenlänge von 37 cm und wog um die 10 kg. Real belastbar waren dagegen erst Räder mit sechs oder mehr Speichen, wie sie auf manchen ägyptischen Fresken abgebildet sind. Mit der Verbesserung der Holzverarbeitungstechniken tauchten dann auch hölzerne Speichen auf, die in Mitteleuropa z. B. für Gespannfuhrwerke noch heute in Gebrauch sind.
Fahrrad
Speichen gibt es in verschiedenen Durchmessern und mit unterschiedlich geformten Querschnitten. Am gebräuchlichsten sind Speichen mit kreisrundem Querschnitt von 1,8 mm, 2,0 mm (Standard) und 2,34 mm Durchmesser. Der um 95° abgebogene Speichenbogen endet in einem dickeren Speichenkopf, dessen Form dem Kopf einer Linsensenkkopfschraube ähnelt; dieser Kopf hält die Speiche in einer entsprechend gesenkten Bohrung des Nabenflansches.
Glatte Speichen haben - abgesehen vom Gewindeteil und vom Speichenkopf - überall gleichen Durchmesser. Für hochwertige Speichenlaufräder werden Eindickend- (ED), Doppeldickend- (DD) und 3D-Speichen angeboten. Bei ED-Speichen ist der Kopfteil dicker, bei DD-Speichen sind ein längerer Bereich in der Nähe des Kopfes und in der Nähe des Gewindes dicker, haben aber unter einander denselben Durchmesser. 3D-Speichen sind DD-Speichen mit unterschiedlichem Durchmesser im Kopf- und im Gewindebereich, wobei - wegen der dort besonders hohen Beanspruchung - der Speichenbogen am dicksten ausgeführt wird. Die derzeit - 2008 - leichtesten handelsüblichen Stahlspeichen haben im Bogen und Gewinde 1,8 mm Durchmesser und verjüngen sich in der Mitte auf 1,5 mm.
Eine Variante der verjüngten Speiche ist die Flachspeiche (auch Messer-, Säbel-, Aerospeiche), die einen geringeren Luftwiderstand und keinen kreisförmigen Querschnitt hat.
Kopfspeichen vermeiden den stark beanspruchten Speichenbogen, sie verlaufen gerade und erfordern somit einen besonders gestalteten Nabenflansch.
Z-Speichen haben anstelle des Kopfes ein Z-förmig gebogenes Ende, das in die Nabenflanschbohrung eingehängt werden kann, ohne dass die Speiche vom Gewindeteil aus eingefädelt werden muss: ein Vorteil bei Pannen unterwegs, vor allem bei Hinterrädern mit großen Kettenritzeln.
Eine weitere Sonderbauform stellen die Wellenspeichen dar, deren leicht wellenförmig ausgebildeter Mittelteil eine federnde Wirkung bewirken soll.
Die Gewinde von Fahrradspeichen sind zur Vermeidung von Bruchkerben aufgewalzt, nicht geschnitten.
Speichenlaufräder haben standardmäßig 36 Speichen, die sich 3-fach kreuzen. Je nach Durchmesser von Felge und Flansch der Nabe wird auch die 1-, 2- und 4-fache Kreuzung angewandt. Radiale Einspeichung ohne Kreuzung bietet eine etwas höhere Seitensteifigkeit (und durch die kürzeren Speichen auch das geringste Gewicht), belastet den Nabenflansch jedoch höher. Dort, wo Antriebs- oder Bremsdrehmomente übertragen werden, sind tangentiale Einspeichungen mit Überkreuzung zwingend notwendig.
Systemlaufräder, die von einem Hersteller komplett gefertigt werden, verwenden oft deutlich weniger Speichen. Die Stabilität wird durch entsprechend höhere Vorspannung der Speichen unter Verwendung besonders geeigneter Felgen erreicht.
Speichen werden aus Edelstahl, Stahl, Aluminium, Titan und Karbon gefertigt. Stahlspeichen werden verzinkt, vernickelt oder verchromt. Hochwertige Stahlspeichen weisen eine Zugfestigkeit von 1200 N/mm² und mehr auf.
Zugbelastung der Speichen
Bei heutigen Fahrrädern werden Speichen ausschließlich auf Zug belastet. Im Gegensatz zur naheliegenden Druckbelastung verformt sich das Rad bei Druck minimal, so dass der Abstand von der 12-Uhr-Position auf der Felge zur Nabe kleiner ist als der Abstand von der 3-Uhr-Position auf der Felge zur Nabe − kurz gesagt wird das Rad leicht eiförmig. Dadurch wirken Zugkräfte auf die horizontal liegenden Speichen, die eine Verformung des Rades verhindern. Druckkräfte auf die unteren vertikalen Speichen bleiben aus, da diese nicht in Richtung der Felge arretiert sind und so lediglich etwas in sie einsinken würden.
Durch die ausschließliche Zugbelastung der Speichen sind auch sogenannte Notspeichen, die aus einer festen Kordel bestehen und unterwegs eingesetzt werden können, möglich.
Speichenlänge
Vor dem Aufbau eines Laufrades muss die nötige Speichenlänge ermittelt werden, wobei folgende Formel genutzt werden kann:
Dabei ist
im Bogenmaß bzw.
im Gradmaß
Die Parameter sind wie folgt:
L → Speichenlänge
Dw → Felgenwirkdurchmesser (Abstand der Speichennippelenden an zwei gegenüberliegenden Felgenlöchern)
d → Lochkreisdurchmesser der Speichenlöcher im Flansch
a → Distanz Speichenflansch zur Nabenmitte
nk → Anzahl Speichenkreuzungen
ns → Anzahl Speichen pro Flansch
ds → Speichenlochdurchmesser
Kraftrad
Technisch gilt grundsätzlich alles oben Stehende auch für Drahtspeichenräder an Krafträdern und Automobilen. In der DIN-Norm 74371 Teil 1 waren bis Juli 2006 abgewinkelte Speichen für Krafträder mit den Gewinden M 5, M 4, M 3,5 und M 3 als glatte Speiche und als Eindickend-Speiche (ED) genormt, früher auch als Doppeldickend-Speiche und in empfohlenen Standard-Längen. In der Norm wurde ein Biegewinkel von 95° empfohlen. Die Normausgabe vom Dezember 1957 empfiehlt als Werkstoff Stahl mit einer Zugfestigkeit von 1000 bis 1400 N/mm². Bei Motorradkonstruktionen sind auch nicht-abgewinkelte Drahtspeichen verwendet worden.
Automobil
Bei Drahtspeichenrädern an Automobilen kommen auch andere Biegewinkel als 95° vor, bei einigen Konstruktionen werden Speichen auch in mehr als 2 Ebenen je Rad angeordnet.
Literatur
- Michael Gressmann, Franz Beck, Rüdiger Bellersheim: Fachkunde Fahrradtechnik. 1. Auflage, Verlag Europa Lehrmittel, Haan-Gruiten, 2006, ISBN 3-8085-2291-7
- Fritz Winkler, Siegfried Rauch: Fahrradtechnik Instandsetzung, Konstruktion, Fertigung. 10. Auflage, BVA Bielefelder Verlagsanstalt GmbH & Co. KG, Bielefeld, 1999, ISBN 3-87073-131-1
- Rob van der Plas: Die Fahrradwerkstatt - Reparatur und Wartung Schritt für Schritt. 1. Auflage, BVA Bielefelder Verlaganstalt, Bielefeld, 1995, ISBN 3-87073-147-8
Weblinks
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