- Spinnenseide
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Ein Spinnennetz ist eine von Webspinnen (Araneae), aber auch den rezenten Arten der Gliederspinnen hergestellte Konstruktion, die vorwiegend dem Beutefang (fast immer Insekten) dient. Die Fäden des Spinnennetzes bestehen aus Spinnenseide, die in den Spinndrüsen synthetisiert und über Spinnwarzen und bzw. oder Spinnspulen ausgeschieden wird. Jede Webspinne lässt, um ihr Spinnennetz zu bauen, einen Blindfaden fallen, welcher sich an einem festen Gegenstand anhaftet. Danach webt die Webspinne ihr Netz. Nach erfolgreicher Suche baut jede Webspinne ihr Netz zurück, um es dann, nach einer gewissen Wartezeit, neu und etwas anders zu bauen. Webspinnen bauen manchmal in einer Nacht zwei bis drei neue Netze.
Inhaltsverzeichnis
Seidenproduktion und Fadentypen
Spinnapparat
Die Spinnwarzen mit den Spinndrüsen entstanden im Lauf der Evolution in den hinteren Segmenten der Gliedertiere und sind meist sehr beweglich. Mikroskopisch lassen sich Spinnspulen auf den Spinnwarzen erkennen. Die Spinnspulen sind die Ausgänge der im Hinterleib des Tieres gelegenen Spinndrüsen, von denen vier bis sechs Drüsentypen mit speziellen Aufgaben Seidentypen, Leim, Kokon, Fesselfäden etc. unterschieden werden können. Die Spinndrüsen können artspezifisch direkt eins zu eins den Spinnspulen zuzuordnen sein; die stabileren Grundfäden der Leimfäden oder der Fangwolle, bzw. die Fangwolle selbst, setzen sich aber meist aus mehreren zwei bis drei Einzelfäden zusammen bis zu zehntausende bei Fangwolle, die gebildet wird, in dem einzelne Spinndrüsen in mehreren Spinnspulen einer Spinnwarze oder auf dem Cribellum haben.
Spinnenseide
Spinnenseide besteht aus langkettigen Eiweißmolekülen (Proteine). Die in den Spinndrüsen produzierten Fäden sind durch die spezielle molekulare Anordnung der beteiligten Aminosäuren sehr zugfest und gleichzeitig hochelastisch. Spinnenseide ist, bezogen auf ihr Gewicht vier mal belastbarer als Stahl und kann um das dreifache ihrer Länge gedehnt werden ohne zu reißen. Deswegen vermag das Spinnennetz meist auch der Wucht des Aufpralls eines fliegenden Beuteinsekts zu widerstehen, ohne zu zerreißen. Die Spinnfäden sind leicht und wasserfest, besitzen aber dennoch ein hohes Wasseraufnahmevermögen, das mit dem von Wolle vergleichbar ist. Sie widerstehen mikrobiologischen Angriffen und sind dennoch biologisch abbaubar.
Fadentypen und Verwendung
Die verwendeten Fäden werden je nach Zweck verschieden in Durchmesser oder Zusammensetzung produziert und können vollständig oder teilweise adhäsiv ausgestaltet werden. In der Regel besteht ein Faden aus einer Vielzahl von Einzelfäden. Die Adhäsionskraft der Seide beruht auf Leim oder auf mikroskopisch feiner Wolle. Manche Arten verwenden ihre Fäden als Signalfäden und ergreifen ihre Beute aktiv, kleiden ihre Wohnhöhlen mit antibiotisch wirkender Seide aus und weben damit Kokons für ihren Nachwuchs oder Spermanetze, um die Fortpflanzung zu erleichtern, oder können ihre Beute fesseln und konservieren. Bei allen Spinnen dient der angeheftete Faden als Sicherungsleine, an der sich die Tiere bei Gefahr abseilen können. Insbesondere kleine Jungtiere und die Baldachinspinnen produzieren einen Flugfaden, der sie mittels Ballooning in die Lage versetzt, über lange Strecken (mehrere Kilometer) durch die Luft zu reisen und neue Lebensräume zu besiedeln.
Eine Spinne zieht meistens einen Faden hinter sich her, und dieser kann sowohl der Absturzsicherung (von sich bewegenden Pflanzen) wie auch der Orientierung dienen. Der Seide können Pheromone und andere Substanzen beigemischt werden, die bei einigen Arten die Arterkennung ermöglichen und männlichen Spinnen für das Auffinden der paarungsbereiten Weibchen dient. Auch mechanisch wird die Seide zur Kommunikation eingesetzt. Die Männchen einiger radnetzbauender Arten können sich dem Weibchen nur nach Zupfsignalen am Netz nähern. Das Zupfen gehört zum Balzritual. An den Schwingungen des Netzes kann die Größe der Beute erkannt werden.
Die weibliche Gartenkreuzspinne produziert mit sechs Spinndrüsen sieben verschiedene Fadensorten.
- Stabile Fäden für Sicherungsfaden und das Netzgrundgerüst
- einfache Fäden für die nicht klebende Hilfsspirale beim Netzbau
- Klebefäden für Anheftungspunkte des Sicherungsfadens. Mit ihrer Hilfe heftet die Spinne ihren Faden an einer beliebigen Unterlage an.
- Feine Seide zum Einspinnen der Beute und für die weiche Innenauskleidung des Eikokons
- Zähe Seide für die äußere Umhüllung des Eikokons
- elastische Fäden für den Achsenfaden der Fangspirale
- Klebstoff für die Fangspirale. Beim Bau der Fangspirale trägt die Spinne den wasseranziehenden Klebstoff gleichmäßig auf den Achsenfaden der Fangspirale auf. Der Klebstoff nimmt dann Wasser aus der Umgebungsluft auf, quillt auf, und durch die Oberflächenspannung (so wird vermutet) bilden sich dann die Klebtröpfchen. Urtümlichere, cribellate Spinnen verwenden keinen Klebstoff, sondern feinste Wollgespinste, an denen die Beutetiere hängen bleiben. Diese Methode ist vor allem in trockenen Klimaten verbreitet, da die Wollfäden, im Gegensatz zu den Klebtröpfchen, auch bei geringer Luftfeuchte funktionstüchtig sind.
Netzformen
Den Netzen, bzw. den Konstruktionen aus Seide, gleich zu welchem Zweck, liegen unterschiedliche und sehr vielfältige Muster zu Grunde, die die unterschiedlichen Lebensweisen dieser außerordentlich vielfältigen Gruppe der Webspinnen ermöglicht. Die Bekannteste Netzform sind Gewebe der Radnetzspinnen, das prinzipiell aus verschiedenen Funktionsbereichen besteht: Fangnetz, Wohnraum/Versteck (Retrait), Hilfsfäden (Brückenfäden, Spannfäden, Stolperfäden, Signalfäden, Kommunikationsfäden etc.), sowie auch Eikokons, Spermanetze, Stabilemente, Tarnung, uvam.
Unregelmäßige Raumnetze
- Raumnetz der Zitterspinne
- Raumnetz der Kugelspinne (Theridion) mit senkrechten Fangfäden nach unten. Die mit Leimtröpfchen besetzten Fangfäden sollen Laufinsekten fangen. Bei Berührung können sich diese Fäden auch lösen und das Beutetier nach oben ziehen.
Trichternetze und verwandte Formen
- Trichternetze der Trichterspinnen (Agelena). Im relativ sicheren Trichter wartet die Spinne auf Beute.
- Signal- und Stolperfäden von in austapezierter Wohnröhre lauernden Falltürspinnen oder Gliederspinne (Liphistiidae)
- Fangschlauch der Tapezierspinnen (Atypidae)
Radnetze und Baldachinnetze
- Unregelmäßiges Radnetz der Rundkopfspinne (Stegodyphus)
- Teil-Radnetz der Zwergkreuzspinne (Theridiosoma).
- Regelmäßiges Radnetz. Die bekanntesten Spinnennetze, wie sie z.B. die Kreuzspinne baut.
- Baldachinnetz. Morgens durch den Besatz mit Tautropfen sichtbar, findet man die Baldachinnetze an den Halmen hoher Gräser der danach benannten Baldachinspinnen (Neriene). Die unregelmäßig verspannten Fäden sollen fliegende Insekten aus ihrer Bahn werfen.
- Leiternetz der Leiternetzspinnen (Scoloderus)
Sonderformen
- Das Wurfnetz der Wurfnetzspinnen. Die tropische Dinopis spinnt nur ein sehr kleines Netz, das sie zwischen den Vorderbeinen aufspannt und mit dem sie Insekten aus der Luft oder vom Boden „fischt“.
- Einzelner Fangfaden mit pheromonbesetzter Leimkugel der Bolaspinnen (Mastophora)
- Ein zusammengesetztes Band, wie von Miagrammopes, einer der tropischen Stockspinnen.
- Ein gespanntes Dreiecksnetz der Dreiecksspinnen (Hyptiotes).
Spinnen ohne Fangnetze
Nicht alle Spinnenarten bauen Netze. So lauern Springspinnen am Boden auf ihre Beute und stürzen sich mit einem Sprung auf die Insekten. Krabbenspinnen leben in Blüten, in ihrer Körperfärbung an die Blüte angepasst, und fangen so blütenbestäubende Insekten. Die bereits erwähnten Springspinnen und die Jagdspinnen nutzen ihre Seide zum Bau von Eikokons, für Sicherungsleine, zur Kommunikation und der Balz.
Künstliche Spinnenseide
Spinnenseide hat viele faszinierende und für die technische Anwendung interessante Eigenschaften. Entsprechend hoch sind die Bemühungen der Forschung, dem Geheimnis dieses Materials auf den Grund zu gehen, allerdings nur mit mäßigem Erfolg: bis heute ist das Geheimnis um die richtige Mischung der Proteine nicht gelöst. Entsprechend bleibt es bisher ein Traum der Ingenieure, Spinnenseide künstlich herzustellen. Nachfrage gibt es reichlich, von Konstrukteuren nicht nur der NASA, die Raketen- und Flugzeugteile aus solchem Material konstruieren wollen, bis hin zu Herstellern kugelsicherer Westen, die sich Westen ausmalen, die jedes Geschoss sicher abfangen und dabei so leicht sind wie normale Seidenhemden. Das Ziel scheint durch die Gentechnik näher zu rücken. Gentechnisch veränderte Mikroorganismen (beispielsweise E. coli), die die Erbinformation für das gewünschte Seidenprotein enthalten, können in Bioreaktoren angezogen werden und produzieren nach chemischer Induktion das gewünschte Rohprotein. Nach der Zellernte müssen die Seidenproteine lediglich von den Zelltrümmern und bakteriellen Proteinen abgetrennt werden. Solcherart hergestelltes Rohprotein kann zu Filmen, Folien, Kugeln und Kapseln verarbeitet werden. Lediglich die Herstellung von Seidenfäden ist zur Zeit technisch noch nicht möglich.[1]
Vor einigen Jahren meldete die Presse, dass es gelungen ist, Ziegen Spinnengene einzupflanzen und sie somit dazu zu bringen, in ihrer Milch Spinnenseide zu produzieren. Noch erfolgversprechender klingen die Bemühungen deutscher Forscher: sie pflanzten Spinnenseide-Gene in Kartoffeln ein und erhielten so Knollen, die ebenfalls Spinnenseideproteine produzierten.
Arzneikapseln aus künstlicher Spinnenseide
Es ist Wissenschaftlern gelungen Arzneiwirkstoffe mit künstlicher Spinnenseide zu verpacken und so den Transport der Wirkstoffe an die gewünschte Stelle zu gewährleisten. Diese Kapseln zeichnen sich durch Neutralität für das Immunsystem, durch hohe Elastizität, nahezu chemischer Resistenz und Immunität gegenüber osmotischem Druck aus. Die Freigabe des Wirkstoffes könnte durch Proteasen erfolgen (natürliche Enzyme bauen die Schutzhülle von außen ab).
Herstellung: Proteinmoleküle werden mit dem Wirkstoff in kleinen Wassertropfen gelöst. Diese Wassertröpfchen werden mit einem Öl ummantelt, dabei bildet sich eine Phasengrenze (Grenzfläche). Da die Proteine sowohl in polaren und unpolaren Medien lösbar sind, setzen diese sich an der Grenzfläche ab und bilden eine Beta-Faltblattstruktur, wie sie in Spinnenfäden vorkommt. Dieser Vorgang dauert nur wenige Sekunden.
Einzelnachweise
- ↑ Nachrichten aus der Chemie, 56, Mai 2008
Weblinks
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