Sprecher des Repräsentantenhauses (Vereinigte Staaten)

Sprecher des Repräsentantenhauses (Vereinigte Staaten)
Nancy Pelosi, derzeitige Sprecherin des Repräsentantenhauses

Der Sprecher des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten (amtl. Speaker of the United States House of Representatives) ist der Vorsitzende des amerikanischen Repräsentantenhauses, einer Kammer des Kongresses.

Seit dem 4. Januar 2007 ist Nancy Pelosi Speaker des Kongresses. Sie ist damit die erste Frau, welche dieses Amt bekleidet.

Das Amt des Sprechers wird durch die Verfassung der Vereinigten Staaten definiert, die 1789 in Kraft trat. Der Sprecher wird durch das Repräsentantenhaus gewählt und ist dessen ranghöchster Vertreter. Obwohl es nicht von der Verfassung verlangt wird, ist der Sprecher aus praktischen Gründen immer ein Abgeordneter der Mehrheitspartei und hält den höchsten Rang innerhalb der Partei inne. Der Sprecher sitzt dabei nicht direkt den Debatten vor, sondern delegiert diese Aufgabe an andere Abgeordnete. Neben den Aufgaben, die aus dem Vorsitz des Plenums und der Partei erwachsen, hat er auch eine Reihe verwaltungstechnischer und prozeduraler Funktionen und muss auch seinen eigenen Wahlkreis vertreten.

Dem Sprecher des Repräsentantenhauses stehen im Senat der Vizepräsident und der Präsident Pro Tempore als Vorsitzende gegenüber.

In der Nachfolge des Präsidenten kommt der Sprecher an zweiter Stelle direkt nach dem Vizepräsidenten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Henry Clay benutzte seinen Einfluss als Sprecher, die von ihm unterstützten Vorlagen durchzusetzen.

Das Amt des Sprechers wird im ersten Artikel der Verfassung der Vereinigten Staaten erwähnt. Der erste Sprecher war Frederick Muhlenberg, der in der konstituierenden Sitzung des Repräsentantenhauses 1789 gewählt wurde. Das Amt hatte bis zur Amtszeit Henry Clays (1811-1814, 1815-1820 und 1823-1825) wenig Einfluss. Im Unterschied zu vielen seiner Vorgänger nahm Clay an Debatten teil und benutzte seinen Einfluss, um Beschlüsse, die er unterstützte, durchzusetzen (so zum Beispiel die Kriegserklärung zum Britisch-Amerikanischen Krieg sowie Gesetze zur Förderung des "American Systems", einer protektionistischen Alternative zu den klassischen Formen der Volkswirtschaft). Als keiner der Kandidaten in der Präsidentschaftswahl 1824 eine absolute Mehrheit erreichte und das Repräsentantenhaus abstimmen musste, unterstützte Clay John Quincy Adams statt Andrew Jackson und ermöglichte damit dessen Sieg.

Mit Clays Rückzug aus der Politik 1825 verringerte sich die Machtfülle des Sprechers wieder. Gleichzeitig wurden die Wahlen zum Sprecher kontroverser. Mit dem Beginn des Sezessionskriegs nominierten verschiedene Splittergruppen innerhalb des Repräsentantenhaus ihre eigenen Kandidaten, was es schwer machte, in den Wahlgängen die notwendige absolute Mehrheit zu erlangen. Sowohl 1855 als auch 1859 dauerten die Wahlgänge zum Beispiel mehr als zwei Monate, bis sich das Plenum einigte. Die Amtszeit des Sprechers war auch meist relativ kurz. Von 1839 bis 1863 bekleideten zum Beispiel zehn verschiedene Abgeordnete das Amt.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts erlangte das Amt wieder zunehmend Macht und Einfluss. Eine der wichtigsten Machtquellen war hierbei der Vorsitz des Regelauschusses, seit der Reorganisation des Ausschusssystems 1880 einer der machtvollsten ständigen Ausschüsse im Repräsentantenhaus. Außerdem nahmen Sprecher bedeutende Führungsrollen in der Partei an; so zum Beispiel Samuel J. Randall, John Griffin Carlisle und Charles F. Scrip für die Demokraten und James G. Blaine, Thomas Brackett Reed und Joseph Gurney Cannon für die Republikaner.

Joseph Gurney Cannon wird oft als einflussreichster Sprecher in der Geschichte des Repräsentantenhauses angesehen.

Der Posten wurde abermals während der Amtszeit des Republikaners Thomas Brackett Reeds (1889-1891, 1895-1899) bedeutend erweitert. "Zar Reed", wie ihn seine Gegner nannten, hatte zum Ziel, die Sperrmöglichkeiten der Minderheit stark zu verringern, insbesondere die Taktik des "verschwindenen Quorum". Indem sie sich weigerte, an einer Abstimmung teilzunehmen, konnte die Minderheit sicherstellen, dass die Beschlussfähigkeit nicht gegeben war und die Vorlage daher nicht angenommen werden konnte. Reed erklärte nun, dass die Beschlussfähigkeit durch die Anwesenheit der Abgeordneten und nicht durch ihre Teilnahme an der Abstimmung bestimmt ist. Durch diese und andere Interpretationen der Geschäftsordnung stellte Reed sicher, dass die Demokraten die Agenda der Republikaner nicht aufhalten konnten.

Die Machtfülle im Amt des Sprechers erreichte mit dem Republikaner Joseph Gurney Cannon (1903-1911) den Höhepunkt. Cannon beeinflusste das Gesetzgebungsverfahren auf außergewöhnliche Weise: Er legte die Tagesordnung der Sitzungen fest, legte fest, welche Abgeordneten in welchen Ausschüssen arbeiteten, ernannte die Ausschussvorsitzenden, saß dem Regelausschuss vor und bestimmte, in welchem Ausschuss Vorlagen bearbeitet wurden. Er benutzte seine umfangreichen Befugnisse, um sicherzustellen, dass jede Vorlage der Republikaner verabschiedet wurde. Im Jahre 1910 setzten die Demokraten und einige unzufriedene Republikaner diesen Praktiken ein Ende. Sie erreichten, dass der Sprecher nicht mehr allein die Ausschussmitglieder festlegen konnte und auch nicht mehr dem Regelausschuss vorsaß. Die meisten dieser Einschränkungen dauerten aber nur 15 Jahre, bis Nicholas Longworth Sprecher wurde.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts bekleidete einer der einflussreichsten Demokraten, Sam Rayburn das Amt des Sprechers. Rayburn hatte mit 17 Jahren die längste Amtszeit in der Geschichte des Repräsentantenhauses (1940-1947, 1949-1953 und 1955-1961). Er benutzte seinen Vorsitz zum Einfluss auf viele Gesetzesvorlangen und arbeitete im Hintergrund mit vielen Ausschüssen. Er half auch sicherzustellen, dass wichtige, von den Präsidenten Franklin D. Roosevelt und Harry S. Truman unterstützte Gesetzespakete das Repräsentantenhaus passierten.

Wahl

Die Verfassung bestimmt nur, dass das Repräsentantenhaus einen Sprecher und andere Amtsträger wählen soll. Der Sprecher wird nach jeder Wahl zum Repräsentantenhaus für die Dauer der Legislaturperiode, also für zwei Jahre gewählt. Die Geschäftsordnung schreibt seit 1995 vor, dass ein Sprecher nur zu vier Amtsperioden gewählt werden darf.

Zu Beginn einer neuen Legislaturperiode im Kongress (im Januar jedes ungeraden Jahres) sitzt der Clerk dem Plenum bis zur vollendeten Wahl des Sprechers vor. Vor der Wahl nominieren die Fraktionen der beiden Parteien einen Kandidaten für das Amt, deren Entscheidung wird vom Fraktionsvorsitzenden in einer Rede verkündet. Anschließend fragt der Clerk alphabetisch jeden Abgeordneten für seine Stimme. Ursprünglich wurde der Sprecher geheim gewählt, die offene Wahl ist seit 1839 vorgeschrieben. Abgeordnete sind bei ihrer Wahl nicht auf die Nominierten beschränkt und können im Prinzip für eine beliebige Person stimmen. Allerdings hätte so ein Schritt Konsequenzen von der Partei, der der Abgeordnete angehört. Daher stimmen Abgeordnete selten nicht für den Kandidaten ihrer Partei.

Nachdem alle Abgeordnete gewählt haben, verkündet der Clerk das Ergebnis. Um gewählt zu werden, muss ein Kandidat die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen. Wenn kein Kandidat die absolute Mehrheit bekommt, werden weitere Wahlgänge durchgeführt, bis ein Sprecher gewählt ist. Normalerweise reicht aber aufgrund der üblichen Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus ein Wahlgang aus und ist damit am ersten Sitzungstag erledigt. Nachdem der neue Sprecher vom Clerk verkündet wird, nimmt der dienstälteste Abgeordnete dem neuen Sprecher den Amtseid ab. Dieselbe Prozedur wird beim Todesfall oder Rücktritt des Sprechers angewendet.

Bemerkenswerte Wahlen

In der Geschichte des Repräsentantenhauses gab es mehrere kontroverse Sprecherwahlen. So zum Beispiel 1839, als die Wahl für zwei Wochen aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Repräsentantenwahl im Bundesstaat New Jersey verschoben werden musste. Die Bundesstaatsregierung konnte sich nicht einigen, ob die Demokraten oder die Whigs die Wahl gewonnen hatten. Die Situation war besonders prekär, da der Ausgang dieser Wahl aufgrund der Ergebnisse in den anderen Staaten bestimmen würde, welche Partei die Mehrheit hatte. Beide Parteien weigerten sich, die Wahlgänge anzuerkennen, in denen die New-Jersey-Abgeordneten der jeweiligen anderen Partei teilnahmen. Der Kompromiss war schließlich, die gesamte Delegation von der Abstimmung auszuschließen.

Ein anderer, etwas längerer Konflikt geschah 1855. Die zwei bedeutendsten Kandidaten waren der Republikaner Nathaniel Prentiss Banks und der Demokrat William Aiken. Allerdings gab es 19 andere Kandidaten, so dass jeder Wahlgang ohne klare Mehrheit ausfiel. Das Repräsentantenhaus konnte sich für zwei Monate nicht einigen, bis er schließlich beschloss, einmalig die Geschäftsordnung zu ändern. Damit war die Wahl des Sprechers mit einfacher Mehrheit möglich und Banks wurde beim 133. Wahlgang der neue Sprecher des Repräsentantenhaus.

Eine ähnliche Situation ereignete sich 1859, als die Wahl wieder zwei Monate dauerte. Jeder Wahlgang war mit Reden und Bemerkungen einiger Abgeordneten verbunden, die der Clerk aber nicht unterbinden wollte. Im 54. Wahlgang wurde schließlich William Pennington gewählt.

Die letzte Sprecherwahl, bei der mehr als einmal abgestimmt wurde, fand 1923 statt. Weder der Kandidat der Demokraten noch der der Republikaner konnte die absolute Mehrheit auf sich vereinigen, weil viele Abgeordnete der Progressiven Partei für andere Kandidaten stimmten. Die Republikaner boten als Kompromiss an, für die Progressiven einige Änderungen an der Geschäftsodrnung zu unterstützen, wenn sie für deren Kandidat Frederick H. Gillett stimmen würden.

Eine der letzten bemerkenswerten Wahlen fand 1999 statt. Newt Gingrich, der von vielen als verantwortlich für die Verluste der Republikaner bei der Repräsentantenwahl galt, kandididerte nicht noch einmal und gab sein Abgeordnetenmandat ab. Es wurde erwartet, dass Bob Livingston, den die republikanische Fraktion ohne Opposition nominierte, zum neuen Sprecher gewählt würde. Allerdings trat Livingston, der vorher einer der lautesten Kritiker Clintons während der Lewinsky-Affäre war, abrupt von seinem Mandat zurück, als seine eigene eheliche Untreue bekannt wurde. Entsprechend wurde Dennis Hastert zum Sprecher gewählt.

Rolle in der Partei

Der Sprecher ist der ranghöchste Abgeordnete der Mehrheitspartei, noch vor dem Mehrheitsführer. Der Sprecher ist dafür verantwortlich, dass die Gesetzesvorhaben seiner Partei vom Repräsentantenhaus verabschiedet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, benutzt der Sprecher seine Befugnisse, um zum Beispiel festzulegen, wann Vorlagen zur Debatte und Abstimmung kommen. Während der Sprecher also im Repräsentantenhaus wichtige parteipolitische Funktionen hat, trifft das auf den Präsidenten Pro Tempore im Senat so nicht zu.

Wenn der Sprecher und der Präsident derselben Partei angehören, spielt er gewöhnlich eine geringere Rolle in der Partei. Wenn der Sprecher und der Präsident aber gegnerischen Parteien angehören, vergrößert sich die öffentliche Aufmerksamkeit und der Einfluss des Sprechers sehr. Der Sprecher wird dann im Prinzip als Oppositionsführer angesehen. Aufgrund des amerikanischen Regierungssystems kann solch eine Machtkonstellation, auch als Divided government bekannt, die Reformvorschläge des Präsidenten zum Stillstand bringen. Eine Beispiele dafür sind Tip O'Neill (in Opposition zu Ronald Reagan) und Newt Gingrich (in besonders harter Opposition zu Bill Clinton) im Bereich der Innenpolitik.

Siehe auch

Quellen

  • Sprecher des Repräsentantenhauses in der englischen Wikipedia

Wikimedia Foundation.

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