Springprozession

Springprozession

Die Echternacher Springprozession ist eine religiöse Prozession, die jedes Jahr am Dienstag nach Pfingsten in Echternach in Luxemburg stattfindet. Die Teilnehmer "springen" zu Polkamelodien in Reihen durch die Straßen der Stadt Echternach, bis zum Grab des Heiligen Willibrord in der Echternacher Basilika.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Kolorierte Postkarte (um 1900) mit einem Gemälde aus dem Jahr 1553: Willibrord und die Springprozession.

Die heutige Form der Springprozession geht aufs 19. Jahrhundert zurück. Jedoch lassen sich Quellen ihrer Entstehung bis ins Spätmittelalter zurückverfolgen.

Die älteste Quelle ist die des Abtes Thiofrid († 1110), der eine Pilgerprozession zum Grab des Heiligen Willibrord beschrieb, jedoch war hierbei noch keine Rede von einem Tanz bzw. dem "Springen". Im Mittelalter mussten die Gemeinden, welche zur Echternacher Abtei gehörten, in der Pfingstwoche ihren Zehnten für die Kirche abführen. Dies wurde Bannprozession genannt. 1497 werden in einer Quelle "Springenheiligen" erwähnt. Die erste bildliche Darstellung der Springprozession geht auf das Jahr 1604 zurück.

Wie es zum Tanzen oder Springen kam, ist heute nicht vollständig geklärt. Der Heilige Willibrord, ebenso Johannes der Täufer und der Heilige Vitus, waren Heilige, die bei Nervenkrankheiten, Krämpfen oder Epilepsie angerufen wurden. Ausdrücke wie zum Beispiel "Echternacher Krankheit" oder auch "Krankheit des Heiligen Johannes" wurden häufig mit der Springprozession in Verbindung gebracht. Man kann daher annehmen, dass Kranke an der Prozession teilnahmen, oder sich die Gläubigen in der Prozession wie Kranke bewegt haben, um eben diese Krankheiten nicht zu bekommen. Eine andere Theorie nimmt an, dass sich die Springprozession aus einer zivilisierten Form der Flagellantenprozession entwickelt hat, welche im 14. Jahrhundert als ein Hilfsmittel gegen die Pest verbreitet waren.

Im 18. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Aufklärung, wurde das Springen von weltlicher und von geistlicher Seite immer mehr kritisiert. Die einen hielten es für einen Ausdruck von Obskurantismus und Aberglaube, die anderen bedauerten die Entgleisungen, wenn die Gläubigen zu sehr in Ekstase gerieten. 1777 hat der Erzbischof von Trier die Springprozession verboten, weil diese "nicht vernünftig " sei. Auch Joseph II. hat 1786 alle Prozessionen verbieten lassen, hob dieses Verbot bald darauf aber wieder auf, wahrscheinlich, weil sich sowieso niemand daran hielt. Durch die Französische Revolution und die damit folgende französische Besatzung wurde die Prozession wiederum verboten. Unter Napoléon wurde sie 1801 dann wieder erlaubt. Nun erhielten auch Frauen das Recht, daran teilzunehmen.

1825 sollte die Springprozession einem Dekret Wilhelms I. zufolge vom Dienstag nach Pfingsten auf den Pfingstsonntag selbst verlegt werden, um so keinen Arbeitstag zu verlieren. Der Großherzog hatte damit anscheinend nicht viel Erfolg, denn 1830 wurde das Dekret wieder aufgehoben. Die einzige Periode der jüngeren Geschichte, in der die Prozession nicht stattfinden konnte, war die Zeit der deutschen Besatzung 1940-1944 während des Zweiten Weltkriegs.

Die Springprozession heute

Heute wird die Prozession vom Willibrordus-Bauverein organisiert, der auch die Reihenfolge der Pilger- und Musikgruppen, den Prozessionsweg, usw. festlegt.

Der Tanzschritt ist nirgendwo festgeschrieben. Die ersten Filmaufnahmen der Prozession belegen, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Pilger einige Schritte vor, dann wieder zurück gesprungen sind. Sehr häufig waren es drei Schritte vor und zwei zurück. Diese Regelung, die immer für ein regelrechtes Chaos sorgte, wurde 1947 definitiv abgeschafft. Seither springt man nur noch mit seitlichen Schritten vorwärts, abwechselnd nach links und nach rechts. Das Ganze, indem man bei jedem Schritt kurz auf dem jeweiligen Fuß verweilt, um dann mit dem anderen Fuß zum nächsten Schritt ansetzt, immer im Takt des Prozessionsmarsches.

Die Prozession beginnt im Hof der ehemaligen Echternacher Benediktinerabtei, dabei stellen sich jeweils fünf Pilger in einer Reihe auf, jeder hält sich an seinem Nachbarn mit Hilfe eines weißen Taschentuchs. Üblicherweise sind die Pilger mit weißem Hemd oder T-Shirt und blauer bzw. schwarzer Hose gekleidet. Gesprungen wird im Rhythmus einer traditionellen Polka-Weise. Diese wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Partitur festgehalten, ist jedoch älteren Ursprungs. Pilgergruppen wechseln sich mit Musikgruppen, darunter viele Musikvereine aus ganz Luxemburg und dem nahen Grenzgebiet, ab. Die Prozession verläuft vom Abteihof zur Sauergasse, vorbei an der Peter-und-Paul-Kirche über den Marktplatz, hin zur Bahnhofstraße, bis sie an der Basilika, und damit am Grab Willibrords ankommt.

Die Motivation, an der Prozession teilzunehmen, ist sowohl eine religiöse, als auch aus Traditionsbewusstsein. 14.000 bis 16.000 Pilger beteiligen sich alljährlich an der Prozession. Darunter sind 10.000 bis 12.000 Springer. Die Pilger kommen aus ganz Luxemburg, aber auch aus den Niederlanden und Deutschland, vor allem aus den grenznahen Orten der Eifel. Für viele Schüler Echternacher Schulen ist es nach wie vor etwas Besonderes, an der Prozession teilzunehmen. Auch kommen zum Beispiel viele Pilger auf einer Fußwallfahrt aus Prüm und Waxweiler.

In der Literatur wurde die Springprozession unter anderem erwähnt von Guillaume Appolinaire und Clara Viebig (Das Kreuz im Venn, Berlin 1908).

Literatur

  • Alex Langini: La Procession dansante d’Echternach: Son origine et son histoire. SIT Echternach, 1977.
  • Frank Wilhelm: "Mysteriös, einmalig und bunt". In : Voilà Luxembourg Nr. 4 (April 1992), S. 90-101.
  • Paul Krack: Relicts of dancing mania: The dancing procession of Echternach. in: Neurology, Dec 1999; 53: 2169.

Filme und Dokumentarfilme

  • Les danseurs d'Echternach (1947) von Evy Friedrich

Weblinks


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