Spule (Physik)

Spule (Physik)
Dieser Artikel konzentriert sich auf die Spule als elektronisches Bauteil mit einer Induktivität – ihre Anwendung als Aktor in Hubmagneten und ähnlichen Geräten wird unter Magnetspule behandelt.

Spulen sind in der Elektrotechnik einerseits Halbfabrikate (Wicklungen, Wickelgüter), die geeignet sind, ein Magnetfeld zu erzeugen oder zu detektieren und Teil einer technischen Induktivität sind, eines induktiven passiven Bauelementes wie z. B. eines Übertragers oder Transformators, Teil eines elektromechanischen Bauelementes wie z. B. eines Relais, Motors, Lautsprechers, Mikrofons oder Tonabnehmers oder Teil einer Bildröhre (Ablenkspule).

Andererseits sind Spulen induktive passive Bauelemente, die überwiegend im Bereich der Signalverarbeitung für frequenzbestimmende Kreise, z. B. in LC-Schwingkreisen, Tiefpässen oder Hochpässen in elektrischen und elektronischen Geräten eingesetzt werden.

Spulen bestehen aus mindestens einem Wickel eines Stromleiters aus Draht, Kupferlackdraht oder Hochfrequenzlitze, der mindestens eine Windung besitzt und meist auf einem Spulenträger gewickelt ist sowie überwiegend mit einem magnetisierbaren Kern versehen ist. Die Windungsanordnung, ihr Durchmesser, das Wickel- und das Kernmaterial legen den Wert der Induktivität und weitere Eigenschaften der Spule fest. Darüber hinaus sind auch spiralförmig angelegte Leiterbahnen auf Leiterplatten, die mit umschließenden Ferritkernen umgeben sind, „Spulen“ im Sinne eines induktiven passiven Bauelementes.

Spulen

Inhaltsverzeichnis

Aufbau, Bauteilbezeichnungen

Schaltzeichen für Spulen, links nach IEC 617-4 (1983), rechts nach DIN EN 60617-4 (1997))

Eine klassische Spule ist ein um einen festen Körper (Spulenkörper) gewickelter Draht. Dieser Körper muss nicht zwingend vorhanden sein. Fehlt der Wickelkörper oder ist er aus nichtmagnetischem Material, spricht man im mechanischen bzw. elektrischen Sinne von Luftspulen. Der Spulenkörper dient hier meist nur der mechanischen Stabilisation des Drahtes und hat im Gegensatz zum Spulenkern keinen magnetischen Einfluss.

Spulen gibt es auch in flacher Spiralform und mit rechteckigem oder beliebig anders geformtem Spulenquerschnitt. Sie können als spiralförmige Leiterbahn auch direkt auf einer Leiterplatte realisiert sein.

Spulen besitzen eine bestimmte Induktivität, diese Induktivität kann ihr eigentlicher Zweck (z. B. Drosselspulen, Filterspulen) oder nur sekundäre Eigenschaft sein (z. B. Transformatoren, Zugmagnete, Relaisspulen).

Bei Elektromotoren werden die Spulen als Wicklung und z. B. bei der Pupinspule als Bespulte Leitung bezeichnet.

Neben dem aufgewickelten Draht und dem Spulenkörper weist die Spule im Inneren oft einen (Spulen-)Kern (s. u.) auf, um die Induktivität zu erhöhen.

Das Wort Spule weist auf die Bauform hin (siehe Spule (Rolle)).

Funktionsweise

Eine Eigenschaft von Spulen ist deren Induktivität. Zur Steigerung der Induktivität wird der elektrische Leiter (Spulendraht) mit einer bestimmten Anzahl Windungen auf den Spulenkörper aufgebracht. Durch die magnetische Verkettung (Flussverkettung) der einzelnen Windungen untereinander, bedingt durch die räumlich nahe Anordnung der einzelnen Windungen, steigt die Induktivität von gewickelten Spulen im Quadrat mit der Windungsanzahl. Eine Verdoppelung der Windungszahl bei gleichen geometrischen Abmessungen bewirkt somit eine Vervierfachung der Induktivität.

Wird der Spulendraht von einem sich zeitlich ändernden Strom durchflossen, so entsteht um den elektrischen Leiter ein sich zeitlich ändernder magnetischer Fluss. Jede Änderung des Stromes erzeugt an den Enden des elektrischen Leiters eine Selbstinduktionsspannung. Diese Spannung ist dabei so gerichtet, dass sie ihrer Ursache (dem Strom) entgegen wirkt (Lenzsche Regel). Eine Zunahme der Änderungsrate des Stromes führt zur Erhöhung der Spannung, die dem Strom entgegen wirkt. Der Proportionalitätsfaktor zwischen sich zeitlich änderndem Strom durch den Leiter und der dabei entstehenden Selbstinduktionsspannung wird als Induktivität bezeichnet.

Reale Spulen besitzen neben der Induktivität auch noch andere, im Regelfall unerwünschte elektrische Eigenschaften wie einen elektrischen Widerstand oder parasitäre Kapazitäten.

Soll ein Gebilde aus einem langen aufgewickelten Draht dagegen eine besonders geringe Induktivität haben, müssen diese Gebilde bifilar mit einem gegenläufigen Draht gewickelt werden. So heben sich die entgegengesetzt gerichteten magnetischen Flüsse nahezu auf. Dieses Verfahren wird beispielsweise für manche Drahtwiderstände angewendet, um Widerstände mit besonders geringer parasitärer Induktivität zu erhalten.

Magnetfeld und Stromfluss

Folgende Merksätze können benutzt werden, um festzustellen, welches Ende einer Spule bei einem durch sie fließenden Gleichstrom einen magnetischen Nord- und welches Ende einen Südpol bildet (als Stromrichtung ist die Technische Stromrichtung, d. h. vom Plus- zum Minus-Pol zu benutzen):

  • Schaut man auf ein Spulenende und wird dieses im Uhrzeigersinn vom elektrischen Strom umflossen, so entsteht dort ein magnetischer Südpol.
  • Schaut man auf ein Spulenende und wird dieses gegen den Uhrzeigersinn vom elektrischen Strom umflossen, so entsteht dort ein magnetischer Nordpol.

In Inneren einer schlanken Spule (Länge viel größer als Durchmesser) der Länge l mit n Windungen, in der ein elektrischer Strom I fließt, entsteht das Magnetfeld mit der Feldstärke H

H = I \cdot \frac{n}{l},

und die Flussdichte B ergibt sich mit der vom Spulenkern (s. u.) abhängigen Materialkonstanten μr und der magnetischen Feldkonstanten μ0 = 4 · π · 10−7 H/m zu

B\, =\mu_r \cdot \mu_0 \cdot H
=\mu_r \cdot \mu_0 \cdot I \cdot \frac{n}{l}.

Spulenkerne

Spulenkerne haben die Aufgabe, die Induktivität der Spule zu verstärken oder zu verringern. Die durch einen magnetischen Kern erreichte Erhöhung der Induktivität führt zu einer Verringerung der für einen bestimmten Induktivitätswert erforderlichen Windungszahl bzw. Leiterlänge und damit zur Verringerung des störenden elektrischen Widerstandes der Spule.

Kerne aus elektrischen Leitern wie Kupfer oder Aluminium, die durch Feldverdrängung die Induktivität verringern, werden zur Abstimmung von (Schwingkreis-)Spulen im Hochfrequenzbereich verwendet.

Spule mit Eisenkern

Wirbelströme im Eisenblock (oben) und in laminierten Blechen (unten)
Spule mit Schalenkern aus Pulver-Pressstoff

Wird in eine Spule ein Eisenkern eingesetzt, so wird durch dessen ferromagnetische Eigenschaften die Permeabilität und damit auch die magnetische Flussdichte in der Spule erhöht. Somit kommt man mit wesentlich weniger Windungen aus, um eine benötigte Induktivität zu erreichen. Ab einer bestimmten materialabhängigen Flussdichte tritt eine störende Sättigungsmagnetisierung des Kerns auf.

Weil das Eisen des Kerns ein elektrischer Leiter ist, wird darin in einer von Wechselstrom durchflossenen Spule ein unerwünschter Wirbelstrom induziert, der den Eisenkern erwärmt. Diesen Wirbelstrom kann man verringern, wenn der Kern nicht aus einem massiven Stück Eisen, sondern aus einem Stapel von Eisenblechen besteht. Diese müssen voneinander durch Lackschichten isoliert sein, um den Wirbelstrom zu unterbrechen. Bei sehr hohen Frequenzen genügt auch das nicht, deshalb wird die Spule mit elektrisch nichtleitendem Material wie beispielsweise Ferrit oder Pulver-Pressstoff gefüllt, um die Induktivität zu erhöhen.

Diese magnetischen Kernmaterialien weisen typischerweise einen Hysterese-Effekt auf, der zu elektrischen Verlusten führt, weil bei jeder Periode eines Wechselstroms der Kern ummagnetisiert werden muss. Außerdem kommt dadurch eine Verformung der Stromkurve mit zusätzlichen Spitzen in jeder Periode zustande, die bei manchen Anwendungen unwillkommen ist. Die Verluste, die durch Wirbelströme und Hysterese auftreten, nennt man Eisenverluste.

Auch wird das Einschaltverhalten der Induktivität wesentlich komplexer, weil, je nach Zustand des Kerns vor dem Einschalten, gar keine Magnetisierung besteht oder als Remanenz schon eine Magnetisierung besteht, die entweder der Strompolarität entsprechen oder auch entgegengesetzt sein kann und dann durch den Strom erst ummagnetisiert werden muss. Diese Effekte führen dazu, dass im Extremfall beim Einschalten Sicherungen ansprechen, obwohl nominell gar nicht zu viel Last angeschlossen ist. Bei Induktivitäten in Wechselstrom-Leistungsanwendungen muss also für den Einschaltfall besondere Vorsorge getroffen werden, siehe beispielsweise bei Trafoschaltrelais. Bei Kleinsignalanwendungen führen die Hystereseeffkte lediglich zu einer verminderten Güte des Bauteils.

Die Elementarmagnete im Eisenkern richten sich nach den Polen der Spule. Ist der Nordpol links, so sind die Nordpole der Elementarmagneten ebenfalls links. Die Feldlinien treten demnach am Nordpol aus und dringen am Südpol wieder in das Spuleninnere ein. Im Spuleninneren verlaufen die Feldlinien von Süd nach Nord. Bei einer langgestreckten Spule mit vielen Windungen ist das Magnetfeld im Inneren homogen, es ähnelt dem Magnetfeld zwischen den Schenkeln eines Hufeisenmagnet. Im Außenraum ähnelt das Spulenfeld dem eines Stabmagneten.

Kerne bei Hochfrequenzspulen

Meist wird für diesen Zweck ein Kern aus gepresstem magnetischem Pulver (Pulverkern) oder Ferrit verwendet. Zur Filterung hochfrequenter Störungen werden unter anderem Toroidspulen bzw. Ringkerndrosseln eingesetzt.

Bei abstimmbaren Spulen werden Ferritkerne mit einem Gewinde verwendet: durch Hinein- oder Herausschrauben kann die Induktivität einer solchen Spule erhöht bzw. vermindert werden. Wenn eine HF-Spule einen Kern aus Aluminium (oder einem anderen elektrisch leitfähigen Material) zum Abgleich hat, verringert das Hineindrehen des Kerns die Induktivität. Das kommt daher, dass der Kern wie eine kurzgeschlossene Sekundärwicklung eines Transformators wirkt. Ein tieferes Hineindrehen bewirkt eine Verdrängung des Magnetfeldes der Spule.

Hochfrequenzspulen

Kreuzwickelspule mit HF-Litze und trimmbarem Eisenkern für den Mittelwellenbereich

Mit zunehmender Frequenz werden die Ströme immer mehr an die Oberfläche des Drahtes verdrängt (Skineffekt). Die Drahtoberfläche entscheidet dann zunehmend über die Güte der Spule. Ab ca. 100 kHz verwendet man zur Verringerung der Verluste daher oft Hochfrequenzlitze als Wickelmaterial; sie besteht aus mehreren, voneinander isolierten feinen Drähten. Ab etwa 50 MHz werden die Spulen meist freitragend mit dickerem Draht ausgeführt. Eine versilberte Oberfläche kann die Verluste zusätzlich vermindern. Kerne für Hochfrequenzspulen bestehen aus einem ferromagnetischen, elektrisch nichtleitenden Material. Damit werden Wirbelströme im Kern verhindert. Auch mit der Bauform kann man eine Spule hochfrequenztauglich machen, indem man bei solchen mit hohen Windungszahlen (beispielsweise für den Mittelwellenbereich) parasitäre Kapazitäten durch besondere Wickelformen verringert (Waben-, Korbboden- oder Kreuzwickelspulen).

Spulen für Oszillatoren

Spulen in Oszillatoren sollen ihre Induktivität möglichst genau einhalten. Luftspulen können bei Erschütterung eine Frequenzmodulation verursachen. Sie werden deshalb auf einen Spulenkörper gewickelt, mit Lack oder Kleber fixiert oder ganz in Wachs eingebettet.

Wechselstromverhalten

Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung durch induktive Belastung
Verbraucherzählpfeilsystem: Strom- und Spannungspfeile zeigen im Bauelement in dieselbe Richtung

Wird eine Spule an Wechselspannung angelegt, so wechseln der Strom und das Magnetfeld ebenfalls periodisch ihre Richtung. Zwischen der Änderung des Spulenstromes i(t) und der Klemmenspannung u(t) besteht der Zusammenhang

u(t) = L \cdot \frac{\mathrm{d} i(t)}{\mathrm{d}t},

wobei t die Zeit und L die Selbstinduktivität der Spule ist. Hier sind Strom und Spannung, wie bei passiven Bauelementen üblich, im Verbraucherzählpfeilsystem angegeben.

In Schulliteratur ist ebenfalls der Begriff „Selbstinduktionsspannung“ mit der Bezeichnung u_i(t) = - L \cdot \frac{\mathrm{d}i(t)}{\mathrm{d}t}[1] geläufig. Das zugrundeliegende Modell ist jedoch nicht die Netzwerktheorie, sondern die allgemeiner gefasste Feldtheorie. Die induzierte Spannung bezeichnet das Kreisintegral des elektrischen Feldes entlang eines geschlossenen Weges, der die Spulenwicklungen enthält. Man spricht auch von der sogenannten Umlaufspannung ui(t), für die gilt:

 u_i(t) = \oint_{C} \vec{E} \cdot \mathrm{d} \vec{r} = - N \cdot \frac{\mathrm{d}\Phi(t)}{\mathrm{d}t}

Dabei wird wie in physikalischen Gleichungen üblich angenommen, dass die genannten Größen rechtshändig zueinander zugeordnet sind, d. h. die Richtungen von elektrischem Feld, Stromflussrichtung und Integrationsweg stehen wie in der Abbildung gezeigt rechtshändig zum magnetischen Feld.

Der Zusammenhang zwischen der induzierten Spannung ui(t) und der Klemmenspannung u(t) wird anhand der beigefügten Abbildung erläutert:

Zusammenhang von Selbstinduktionsspannung und Klemmenspannung

Integriert man das elektrische Feld  \vec E über den mit gestrichelten Linien eingezeichneten Weg, so addieren sich dabei die in den Spulenwicklungen auftretenden Spannungen mit der Klemmenspannung. Sofern man jedoch von einer ideal leitfähigen Spulenwicklung ausgeht, kann innerhalb des Leiters keine elektrische Spannung entstehen (Feldfreiheit im metallischen Leiter). Die induzierte Spannung - N \cdot \frac{\mathrm{d}\Phi(t)}{\mathrm{d}t} ist als Klemmenspannung zwischen den Spulenklemmen messbar. Die Richtung dieser Spannung entspricht dem gewählten Integrationsweg und verläuft im Beispiel von unten nach oben. Im Netzwerkmodell mit dem Verbraucherzählpfeilsystem ergibt sich ein positives Vorzeichen, da der Zählpfeil für die dort gewählte Klemmenspannung dem Integrationsweg entgegengesetzt von oben nach unten verläuft.

Da der Strom wegen des Energietransports in das magnetische Feld nur allmählich steigen bzw. fallen kann, folgt er dem Verlauf der Spannung stets mit zeitlicher Verzögerung; er ist phasenverschoben. Unter idealen Bedingungen (bei vernachlässigbar kleinem ohmschem Widerstand) eilt die Wechselspannung dem Strom um 90° voraus. Es besteht eine Trägheit der Spule gegen Stromänderungen. (Merksatz: „Bei Induktivitäten die Ströme sich verspäten“.)

Fließt Strom durch eine Spule, wird im Magnetfeld Energie gespeichert:

E_\mathrm{mag} = \tfrac{1}{2} L I^2

Rechnerisch folgt die Phasenverschiebung aus den Ableitungsregeln für trigonometrische Funktionen: Wird beispielsweise ein sinusförmiger Strom

i(t) = I_0 \cdot \sin(\omega t)

in die Spule eingeprägt, so ergibt sich die Spannung an der Spule durch mathematische Ableitung zu

u(t) = L \cdot \frac{\mathrm{d} i(t)}{\mathrm{d}t} = \omega L \cdot I_0 \cdot \cos(\omega t).

Das Verhältnis von maximaler Spulenspannung und maximalem Spulenstrom beträgt bei sinusförmiger Anregung

\frac{U_0}{I_0} = \omega L.

Der Spule kann so ein komplexer Wechselstromwiderstand (Impedanz):  \underline {Z} = \mathrm{j} \omega L zugeordnet werden, der jedoch im Gegensatz zu einem ohmschen Widerstand keine Leistung in Wärme (Verlustleistung) umsetzt. Das rührt daher, dass während einer Viertelperiode von der Spule Energie aufgenommen und in der nächsten Viertelperiode wieder abgegeben wird. Dadurch pendelt die Energie nur hin und her, ohne verbraucht zu werden. Man nennt diese spezielle Form von Widerstand Blindwiderstand und den Strom Blindstrom.

Für eine Spule der Induktivität L und einen Wechselstrom der Frequenz f errechnet sich der Blindwiderstand (Reaktanz)

X = \Im{(\underline{Z})}

zu

X = 2 \pi f \cdot L = \omega \cdot L

mit der Dimension [V/A].

ω = 2πf nennt man die Winkelfrequenz oder auch Kreisfrequenz.

Der Blindwiderstand wächst mit steigender Frequenz, wobei der ohmsche Drahtwiderstand gleich bleibt. Daher hat eine für Wechselspannung konzipierte Spule an einer gleichgroßen Gleichspannung (f = 0 Hz) einen sehr viel geringeren Widerstand, da nur noch der Drahtwiderstand den Strom behindert.

Parasitärelemente

Reale Spulen zeigen im Wechselstromkreis ein Phänomen, das mit Hilfe des topologischen Zeigerdiagramms erklärt werden kann. Der äquivalente ohmsche Serienwiderstand (ESR), der als Kupferwiderstand mit Gleichstrom bestimmt werden kann, scheint im Wechselstrombetrieb höher zu sein. Gründe dafür sind bauart- und materialbedingte zusätzliche Verluste (Wirbelstrom- und Ummagnetisierungsverluste im Kern, Skineffekt und Proximity Effect). Sie führen dazu, dass eine geringere Veränderung der Phasenlage des Stromes bzw ein höherer Wirkanteil der elektrischen Leistung auftritt, als es aufgrund des Kupferwiderstandes zu erwarten wäre.

Scheinbar ändert sich demnach der ESR (der Realteil von Z) gegenüber dem mit Gleichstrom bestimmten Wert. Diese parasitären Komponenten können zum Beispiel mit einer Messbrücke nachgewiesen werden, die in der Lage ist, Real- und Imaginärteil getrennt zu messen.

Ein weiterer parasitärer Effekt sind die Kapazitäten zwischen den Wicklungen und Anschlüssen. Diese Parasitärkapazitäten der Spule führen bei Erhöhung der Frequenz zunächst zu einem steileren Anstieg des Scheinwiderstandes, als es aufgrund der Induktivität zu erwarten wäre. Bei der Eigenresonanzfrequenz erlangt er einen Maximalwert, um anschließend wieder zu sinken – nun zeigt die Spule kapazitives Verhalten.

Dieses Phänomen ist nachteilig bei Filter- und Entstöranwendungen, wo es erforderlich ist, dass auch sehr hohe Frequenzen durch die Spule noch ausreichend gedämpft werden. Man verringert den Effekt, indem man die Spule einlagig und langgestreckt oder kreuzlagig ausführt. Auch das verteilte Nacheinander-Bewickeln mehrerer Kammern ist üblich. Oft muss man bei Filteranwendungen (z. B. Netzfilter) verschiedene Spulenbauformen kombinieren, um einerseits hohe Induktivität und andererseits eine geringe parasitäre Kapazität zu erzielen.

Siehe auch: Blindleistungskompensation und komplexe Wechselstromrechnung

Zu- und Abschaltvorgänge bei Gleichspannung

Zu- und Abschaltvorgang an einer realen Spule (RDraht = 10 Ω) mit „idealer“ Freilaufdiode; oben: Selbstinduktionsspannung, Mitte: Strom, unten: Speisespannung; die Zeitachse ist in auf die Zeitkonstante normierten Einheiten skaliert

Schaltet man eine reale (d. h. verlustbehaftete) Spule an eine Gleichspannung, nimmt der Strom folgenden zeitlichen Verlauf:

i(t) = I_0 \cdot (1 - \mathrm{e}^{-{t \over \tau}})=\frac{U_0}{R} \cdot (1 - \mathrm{e}^{-{tR \over L}})

mit

\tau = \tfrac{L}{R} (Zeitkonstante)
  • L – Induktivität der Spule
  • t – Zeit
  • R – Kupferwiderstand der Spule
  • I_0 = \tfrac{U_0}{R}
  • U0 – Gleichspannung

Dieser Zusammenhang zeigt, dass sich der in einer Spule fließende Strom nicht sprunghaft ändern kann. Beim Einschalten eines Gleichstromkreises mit einer Spule verhindert die der Betriebsspannung entgegenwirkende Induktionsspannung einen raschen Stromanstieg. Dieser folgt den Gesetzen einer Exponentialfunktion. Wenn R einen hohen Wert annimmt, wird τ kleiner, somit ist der Stromanstieg auf den Endwert I0 eher abgeschlossen.

Ein plötzliches Abschalten des Spulenstromes (-\mathrm{d}i/\mathrm{d}t \to \infty) ist nicht möglich. In der Realität entsteht beim Versuch, den Strom zu unterbrechen, eine Spannungsspitze umgekehrter Polarität, deren Höhe nur von der parasitären Kapazität der Spule und anderen spannungsbegrenzenden Effekten (elektrischer Durchbruch, Überschläge, Schaltlichtbogen) abhängt. Sie können Schäden durch Überspannung verursachen.

Mit Gleichstrom betriebene Spulen werden daher oft durch eine parallelgeschaltete Schutzdiode geschützt, die beim Abschalten des (Speise-)Stromes das Weiterfließen des (Spulen-)Stromes ermöglicht und die in der Spule gespeicherte magnetische Energie

W = \tfrac{1}{2} L \; I^2

größtenteils im Spulendraht und zu einem kleinen Teil in der Diode in Wärmeenergie umwandelt. Die hohe Spannungsspitze an den Anschlüssen der Spule wird damit verhindert, allerdings dauert es länger, bis der Strom auf geringe Werte abgesunken ist.

Für den Abschaltvorgang mit einer „idealen“ Schutzlaufdiode gilt:

i(t)=I_0 \cdot e^{-{t \over \tau}}

Die Zeitkonstante τ ist der Quotient aus Induktivität und Drahtwiderstand L/RL, sie kann bei großen Induktivitäten hoher Güte einige Sekunden betragen. Die Zeitkonstante gleicht derjenigen zu Beginn der Einschaltkurve und lässt sich durch eine an den Beginn des Strom/Zeitverlaufs angelegte Tangente bestimmen, bei der diese den Endwert I0 schneidet. Zu diesem Zeitpunkt t = τ beträgt der Wert der Stromanstiegskurve

I(t) = 0{,}6321 \cdot I_0

Die Steilheit der Tangente im Nullpunkt errechnet sich aus

\tan \alpha = \tfrac{1}{\tau} I_0 \ [A/s]

Diese Stromanstiegsgeschwindigkeit di/dt (oft angegeben in A/µs) ist ein wichtiger Wert für eine Vielzahl von Anwendungen, wie Thyristorschalter, Schaltnetzteile, Spannungswandler, Entstörglieder. Hier werden überall Spulen zur Energiespeicherung oder zur Begrenzung der Stromanstiegsgeschwindigkeit eingesetzt. Der Spulenstrom steigt in der Praxis aufgrund des meist relativ kleinen Realteiles der Spulenimpedanz zu Beginn fast linear mit der Zeit an. Theoretisch würde der Strom durch eine Spule an konstanter Spannung immer weiter steigen, die gespeicherte Energie würde immer schneller (proportional zum Quadrat der Zeit) größer werden. In der Praxis wird die Energie, die in einer Spule gespeichert werden kann, aus folgenden Gründen begrenzt:

  • Das gegebenenfalls vorhandene Kernmaterial gerät ab einer bestimmten Flussdichte in Sättigung, wodurch die Induktivität stark sinkt (das führt zu einem schnellen und starken Stromanstieg).
  • Mit steigender Stromstärke durch die Spule fällt am elektrische Widerstand R des Spulendrahtes schließlich die gesamte Spannung ab, der Strom kann sich nicht weiter erhöhen.

Es wird immer mehr elektrische Leistung in Wärmeleistung (I2·R) umgewandelt und es droht eine Überhitzung.

Aufgrund ihrer oben beschriebenen Eigenschaften können periodisch geschaltete Spulen zur Erzeugung von hohen Spannungen aus kleinen Spannungen benutzt werden (z. B. Zündspule, Spannungswandler, Funkeninduktor, Aufwärtswandler, Schaltregler).

Umgekehrt können sie zur Strombegrenzung in Wechselspannungskreisen (Vorschaltdrossel, Kommutatordrossel), und zur verlustarmen Herabsetzung von Spannungen (Abwärtswandler) und Glättung von Strömen (Siebdrossel) eingesetzt werden.

Bedruckung / Farbcodes

Um die Induktivität einer Spule anzugeben, werden manchmal Farbcodes nach folgendem Schema verwendet:

Farbcode für Spulen gemäß IEC 62-1974
Farbe Induktivität in µH Toleranz
1. Ring 2. Ring 3. Ring
(Multiplikator)
4. Ring
„keine“ × ±20 %
silber 1·10−2 = 0,01 ±10 %
gold 1·10−1 = 0,1 ±5 %
schwarz 0 0 1·100 = 1
braun 1 1 1·101 = 10
rot 2 2 1·102 = 100
orange 3 3 1·103 = 1.000
gelb 4 4 1·104 = 10.000
grün 5 5 1·105 = 100.000
blau 6 6 1·106 = 1.000.000
violett 7 7 1·107 = 10.000.000
grau 8 8 1·108 = 100.000.000
weiß 9 9 1·109 = 1.000.000.000
Farbe 1. Ring
(breit)
2. bis 4. Ring
Ziffer
5. Ring
Multiplikator
6. Ring
Toleranz
„keine“ ±20 %
silber Anfang ±10 %
gold Komma ±5 %
schwarz 0 100 µH
braun 1 101 µH ±1 %
rot 2 102 µH ±2 %
orange 3 103 µH
gelb 4 104 µH
grün 5 105 µH ±0,5 %
blau 6 106 µH
violett 7 107 µH
grau 8 108 µH
weiß 9 109 µH
Die 3. Ziffer ist optional.

Alternativ wird die Induktivität (vor allem bei höheren Werten) durch eine dreistellige Zahl angegeben. Dabei bedeuten

  • die ersten beiden Ziffern den Wert in µH
  • die dritte Ziffer die Anzahl der angehängten Nullen

Beispiel: Der Aufdruck „472“ bedeutet 4,7 mH.

Anwendungen

Spulen mit fester Induktivität

Spulen werden u. a. in Transformatoren, Elektromagneten, Dosierpumpen, Relais, Schaltschützen, elektrodynamischen und elektromagnetischen Lautsprechern, dynamischen Mikrofonen (Tauchspule), Stromwandlern, als Ablenkspule an Fernsehbildröhren, in Galvanometern, Drehspulmesswerken, Dreheisenmesswerken, Elektromotoren, Zündspulen und analoganzeigenden Quarzuhren eingesetzt. In elektronischen Schaltungen kommen sie u. a. als frequenzbestimmendes Element oder als Drossel (Elektrotechnik) zu Siebungszwecken zum Einsatz.

Gewundene elektrische Leiter in Drahtwiderständen, Wendelantennen, Spiralantennen, Wanderfeldröhren und Glühwendeln werden nicht als Spulen bezeichnet.

Im Kreis verlaufende Luftspulen werden nach dem mathematischen Körper auch als Toroid bezeichnet.

Veränderliche Induktivitäten

Variometer

UKW-Tuner mit Variometer-Abstimmung

Eine in der Messtechnik und historischen Funktechnik verwendete einstellbare Induktivität wird als Variometer bezeichnet und besteht in einer Ausführungsform aus zwei ineinander geschobenen und hintereinandergeschalteten kernlosen Spulen. Die innere Spule ist drehbar (oder entlang der Längsachse parallel verschiebbar) gelagert. Das Induktivitäts-Maximum wird erreicht, wenn die Windungsebenen parallel und gleichsinnig vom Strom durchflossen werden.

Eine weitere Bauform von Variometern beruht auf der Bewegung von Kernen im Inneren von Zylinderspulen. Diese Kerne können entweder aus hochpermeablem Material sein (Induktivität erhöht sich beim Hineinbewegen) oder aus gut leitendem Metall (Induktivität verringert sich beim Hineinbewegen durch Feldverdrängung). Die erste Variante wird im Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereich eingesetzt, die zweite im UKW-Bereich. In der 1960er und 1970er Jahren wurden auf diese Weise z. B. in Autoradios mechanische Senderspeicher mit mehreren Wahltasten realisiert.

Transduktoren

Transduktoren gestatten die Veränderung der Induktivität mittels eines durch eine zweite Wicklung fließenden Gleichstromes. Sie werden auch als Magnetverstärker bezeichnet und beruhen auf der Sättigung des Kernes durch die Vormagnetisierung aufgrund des steuernden Gleichstromes. Durch diese verringert sich die Permeabilität des Kernes und damit die Induktivität der Spule.

Namen von Spulen

Wie bei vielen passiven Bauelementen tragen auch Spulen recht viele unterschiedliche Namen, die historisch gewachsen sind und sich auf die Bauform, den Erfinder, die Anwendung oder, das ist eine Besonderheit bei Spulen, als Halbfabrikat auf das damit hergestellte Bauelement zurückführen lassen. Darüber hinaus gibt es zwei relativ junge Bezeichnungen, die sich

Spulenbezeichnungen, die sich aus der Bauform ergeben

  • Bifilarspule (bifilar coil, [[1]] ) ist eine Spule mit zwei parallelen gegenläufig gewickelten Wicklungen
  • Chipinduktivität, Spule in SMD-Bauform für die Oberflächenmontage
  • Mikroinduktivität, Spule in besonders kleinen Abmessungen, meist für die automatische Bestückung geeignet
  • Solenoidspule ist eine Zylinderspule zum Erzeugen eines räumlich möglichst konstanten Magnetfeldes
  • Schwingspule (engl. Voice coil) ist die Antriebseinheit eines elektrodynamischen Schallwandlers , wie z. B. die eines Lautsprechers.
  • Tauchspulen sind in einem stationären Magnetfeld federnd aufgehängte Magnetspulen, die bei Stromdurchfluss durch die Lorentzkraft ausgelenkt werden.
  • Spiral-Flachspule, Spiralförmig gewickelte Wicklung eines Leiters, Vorbild für Spulen auf gedruckten Schaltungen

Spulenbezeichnungen, die sich aus dem Namen des Erfinders herleiten

  • Barker-Spule ist eine massive Helmholtz-Spule und wird in der Kernspinresonanzspektroskopie (auch NMR-Spektroskopie von engl. nuclear magnetic resonance) verwendet, siehe auch:[[2]]
  • Braunbeckspule dient in der Geomagnetischen Forschung zur Magnetfeldmessungen auf Raumfahrzeugen, siehe auch: [[3]]
  • Pupinspule, (loading coil, [[5]]) war eine Bespulte Leitung im Telefonnetz, bei der zur Verringerung der Dämpfung Spulen eingesetzt wurden.
  • Maxwellspule, (Maxwell coil , [[6]]) ist eine Spule mit einem konstanten Feldgradienten im Innern der Spule, siehe auch Helmholtzspule
  • Oudinspule, (Oudin coil, [[7]]) ist eine unterbrechende Entladespule zur Erzeugung von Funken mit hohen Frequenzen
  • Rogowskispule ist eine toroidförmige Luftspule und dient als Bestandteil elektrotechnischer Messgeräte zur Messung von Wechselstrom
  • Teslaspule, auch Tesla-Transformator bezeichnet, ist eigentlich keine Spule sondern ein ein Transformator zur Erzeugung hochfrequenter Wechselströme mit sehr hoher Spannung.

Spulenbezeichnungen, die sich aus der Anwendung ergeben

  • Drossel ist ein induktives Bauelement zur Drosselung, Dämpfung und Funkentstörung unerwünschter Frequenzen sowie zur Strombegrenzung oder zur Energiespeicherung eingesetzt wird.
  • Entmagnetisierungsspule dient zur Entmagnetisierung magnetisierbare Teile, z. B. Loch- bzw. Schlitzmaske einer Fernseh-Bildröhre.
  • Single Coil, ein Single-Coil-Pickup (englisch für Ein-Spulen-Tonabnehmer) ist eine Ein-Spulen-Anordnung pro Saite zur Detektierung der Saitenschwingung einer elektrischen Gitarre
  • Zündspule oder Induktionsspule, ist ein Bauteil der Zündanlage eines Ottomotors oder einer Gasfeuerungsanlage zur Erzeugung hoher Impulsspannung

Spulen als Halbfabrikate, deren Namen sich auf das damit hergestellte Bauelement zurückführen lassen

Ablenkspule, Lautsprecherspule, Motorspule, Relaisspule, Transformatorspule, Übertragerspule, und viele andere mehr sind Halbfabrikate (Wicklungen meist auf einem Wickelträger), die geeignet sind, ein Magnetfeld zu erzeugen oder zu detektieren und Teil einer technischen Induktivität sind, eines induktiven passiven Bauelementes wie z. B. eines Übertragers oder Transformators, Teil eines elektromechanischen Bauelementes wie z. B. eines Relais, Motors, Lautsprechers, Mikrofons oder Tonabnehmers oder Teil einer Bildröhre (Ablenkspule) sind.


Quellen

  • Handbuch der Elektronik, Franzis-Verlag München 1979, ISBN 3-7723-6251-6
  • Der Brockhaus, Naturwissenschaft + Technik, 2003, ISBN 3-7653-1060-3
  • Lexikon Elektronik und Mikroelektronik, VDI-Verlag, 1990, ISBN 3-18-400896-7
  • Werkbuch Elektronik, Dieter Nührmann, Franzis-Verlag, 1981, ISBN 3-7723-6543-4
  • Widerstände, Kondensatoren, Spulen und ihre Werkstoffe, Zinke, Seither, Springer-Verlag 1982, ISBN 3-540-11334-7

Einzelnachweise

  1. Das große Tafelwerk interaktiv. 1. Auflage. Cornelsen, Berlin 2003, ISBN 3-464-57143-2.  S. 110

Siehe auch

Weblinks


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