Spurenfossilien

Spurenfossilien
Trittsiegel von Chirotherium. Diese von Archosauriern verursachte Bewegungsspur wurde 1833 entdeckt, 1834 beschrieben und 1835 benannt. Sie ist damit die erste wissenschaftlich untersuchte Fährtenform.[1]
Bewegungsspuren von Trilobiten
Asteriacites ist das bekannteste Beispiel einer Ruhespur[2]. Hier die von Schlangensternen verursachte A. lumbricalis als erhabenes Relief (Hyporelief) auf der Schichtunterseite der Hangendplatte
Replik der Fährte eines bipeden, dreizehigen Dinosauriers aus der spanischen Provinz La Rioja
Fossiles Blatt der Schneeballart Viburnum lesquereuxii mit Insektenfraß. Aus der kreidezeitlichen Dakota-Formation im Ellsworth County (USA)
Die Spurengattung Skolithos ist gekennzeichnet durch einfache, senkrechte Wohngänge (Domichnia)[3].

Die Palichnologie (gr.: palaios „alt“; íchnos „Fußtapfe, Spur“; logos „Kunde“) oder Paläoichnologie befasst sich als ein Teilgebiet der Paläontologie und zugleich der Ichnologie (Spurenkunde) mit den fossilen Lebensspuren (Spuren- oder Ichnofossilien, Ichnia (Sg. Ichnium)) der erdgeschichtlichen Vergangenheit.[4] Fossile Lebensspuren können, wie z. B. Trittsiegel (Fußspuren) und Fährten, die Sedimentoberfläche prägen oder, wie Grabgänge und Wohnbauten, oberflächennahe Horizonte tiefgehend durchdringen.

Der Begriff „Ichnologie“ wurde erstmals von William Buckland (1784–1856) um 1830 verwendet. Die Palichnologie wird der Neoichnologie gegenübergestellt, die sich mit rezenten Lebensspuren beschäftigt[4].

Inhaltsverzeichnis

Klassifikation fossiler Spuren

Die verhaltensbiologische Klassifikation ordnet Typen von Spurenfossilien einem bestimmten Verhalten zu. Demnach werden Ruhespuren (Cubichnia), Kriechspuren (Repichnia), Weidespuren (Pascichnia), Fressspuren (Fodichnia), Wohnspuren (Domichnia), Fallen und Kultivierungsspuren (Agrichnia), Raubspuren (Praedichnia), Ausgleichsspuren (Equilibrichnia), Fluchtspuren (Fugichnia), über dem Substrat angelegte Spuren (Aedificichnia) und Brutstrukturen (Calichnia) unterschieden, wobei es eine Anzahl von Spurenfossilien-Arten gibt, bei denen das Verhalten, das die Spuren erzeugte, in Diskussion ist.

In der Beschreibung von Spurenfossilien werden derzeit offiziell nur Ichnogenera (Spurengattungen) und Ichnospezies (Spurenarten) verwendet, es werden also entsprechende Formtaxa aufgestellt. Da unterschiedliche Organismengruppen Spuren des gleichen Typs erzeugen können und umgekehrt eine Art unterschiedliche Spuren hinterlässt, erfolgt die Klassifikation von Spurenfossilien gemäß der sogenannten Ichnotaxonomie, unabhängig von und ergänzend zu der sonstigen Taxonomie fossiler Organismen. Die Benennung von neuen Spurenarten oder -gattungen (Ichnotaxa) erfolgt auf der Grundlage der allgemeinen Form, bei Gängen nach der Wandungsstruktur, nach der Geometrie und Anordnung im Raum und nach der Sedimentfüllung.

Ein bekanntes und zugleich das wissenschaftsgeschichtlich älteste Beispiel für ein solches Ichnotaxon ist Chirotherium („Handtier“) aus der Untertrias (mittlerer Buntsandstein), dessen Verursacher heute unter den Archosauria angesiedelt wird. Johann Jakob Kaup veröffentlichte 1835 die wissenschaftliche Beschreibung dieser Bewegungsspur auf der Grundlage einer in Südthüringen bei Hildburghausen gefundenen Fährte auf einer Sandsteinplatte. Über den Verursacher der Spuren kam es jedoch zu einer langanhaltenden wissenschaftlichen Kontroverse[5].

Spurenfossilien-Vergesellschaftungen und Bioturbationsgrad

Die Gesamtheit aller Spuren eines bestimmtem Raums oder Gesteins wird als Ichnozönose (fossil auch Paläoichnozönose) bezeichnet[4]. Oftmals zeigen Spurenvergesellschaftungen aufgrund unterschiedlicher Lebensweisen und Gewohnheiten seiner Erzeuger eine horizontale Abfolge innerhalb des Sediments, d. h. einen Stockwerkbau. Eine horizontale Abfolge unterschiedlicher fossiler Spuren im Gestein kann jedoch auch Sukzessionen, also eine zeitliche Abfolge unterschiedlicher Spurenfossilien-Vergesellschaftungen, repräsentieren.

Spurenfossilgemeinschaften, die im Verlauf der Erdgeschichte immer wiederkehrend für einen bestimmten Ablagerungsraum typisch waren, werden als Ichnofazies bezeichnet. Eine charakteristische Spuren-Vergesellschaftung kann demnach wichtig für die Interpretation der Genese eines Sedimentgesteins sein. Aussagen zu Umweltfaktoren wie Sauerstoffgehalt, Salinität und Sedimentationsrate in einem marinen Ablagerungsraum lassen sich aus der Analyse von Spurenfossilien-Vergesellschaftungen ableiten.

Die Zerstörung ursprünglicher Sedimentmerkmale durch grabende Organismen wird als Bioturbation bezeichnet. So kann z. B. ein ehemals geschichteter Sand durch Bioturbation homogenisiert werden, so dass die Schichtung ausgelöscht wird. Der Bioturbationsgrad bezeichnet in einer Schicht den prozentualen Anteil des bioturbierten Sediments.

Biostratigraphie

Im Gegensatz zu Körperfossilien besitzen die meisten Spurenfossilien nur begrenztes Potenzial für biostratigraphische Anwendungen. Ichnia konservieren meist nicht die anatomisch eindeutigen Merkmale des Erzeugers, da die Morphologie von Spuren im Regelfall von der Ethologie und nicht von der Anatomie eines Tieres bestimmt wird. So können viele Wirbellosenspuren auf verschiedene Erzeuger zurückgeführt werden. Typische Spurenfossilien ohne biostratigraphische Signifikanz sind Palaeophycus oder Planolites, welche in fast allen Faziesbereichen und stratigraphischen Einheiten zu finden sind. Wahrscheinlicher Verursacher sind Würmer und Gliedertiere (Arthropoden).

Biostratigraphisch verwertbare Spurenfossilgruppen

Cruziana / Rusophycus

Diese, vornehmlich in Meeresablagerungen des Paläozoikums, verbreiteten Spuren werden auf die Tätigkeit von Trilobiten zurückgeführt. Vor allem Adolf Seilacher entwickelte eine weitgehend anerkannte Ichnostratigraphie für das Altpaläozoikum anhand von Trilobitenspuren [6]. Besonders in flachmarinen Siliziklastika, wo Körperfossilien taphonomisch bedingt selten auftreten, kann Cruziana wertvolle Anhaltspunkte liefern. Anders als bei den meisten Wirbellosen hat die Anatomie des Exoskeletts hier einen entscheidenden Einfluss auf die Morphologie des Spurenfossils. So ist es möglich, dass sich evolutive und damit zeitlich korrelierbare Entwicklung in der Organismengruppe auch in den Spurenfossilien abbilden.

Spuren von Wirbeltieren

Besonders in ansonsten fossilfreien Siliziklastika kontinentaler Sedimentationsräume sind Trittsiegel von Landwirbeltieren (Tetrapoda) oftmals gut dokumentiert. Aufgrund des Umstands, dass die Form der Lebensspuren im direkten Zusammenhang mit der Anatomie des Erzeugers steht, lassen sich evolutive Trends erkennen und zur zeitlichen Einordnung nutzen. Bekanntestes Beispiel für Tetrapodenspuren sind die Fährtenzüge aus dem Chiroterien-Sandstein des Buntsandsteins.

Treptichnus pedum

Obwohl dieses Spurenfossil keine wesentlichen Veränderung durch die geologische Zeitskala zeigt und lediglich ein schwach spezialisiertes Fressverhalten von Wirbellosen dokumentiert, wird dieser Struktur eine große Bedeutung beigemessen. Treptichnus pedum ist das Leitfossil für die Präkambrium/Kambrium-Grenze und dokumentiert die wohl bedeutendste Veränderung in der Geschichte des Lebens. An der Basis des Phanerozoikums vollzog sich ein Prozess, der gemeinhin als Kambrische Explosion bekannt ist: innerhalb geologisch kurzer Zeit entstanden fast alle Baupläne der heutigen Organismengruppen. Da insbesondere im untersten Kambrium Körperfossilien selten und schwer stratigraphisch korrelierbar sind, wurde das FAD (Engl.: First Appearance Datum, Dt.: Erstauftreten) von Treptichnus pedum zur Definition dieser entscheidenden geologischen Grenze herangezogen, da diese Struktur ein spezialisiertes Fressverhalten darstellt, welches auf die Tätigkeit von komplex gebauten mehrzelligen Tieren (Metazoa) zurückgeführt werden kann. Trotzdem ist die Eignung als Leitfossil umstritten. So wird argumentiert, dass Treptichnus pedum lediglich unterseitiges Abweiden von Algenmatten („undermatmining“) darstellt, eine Fraßtechnik, der sich auch niedere Organismen bedienten und die bereits im oberen Präkambrium weit verbreitet war. Darüber hinaus ist Treptichnus pedum, wie die meisten Spurenfossilien, stark faziesabhängig, eine Eigenschaft, die bei Leitfossilien unerwünscht ist.

Belege zur Stammesgeschichte des Menschen

Bei Laetoli in Tansania wurden 1978 fossile Fährten von aufrecht gehenden, frühen Vorfahren des Menschen entdeckt, die Australopithecus afarensis zugeschrieben werden und deren Alter auf ca. 3,6 Millionen Jahre datiert wurde.[7] Es sind dies die ältesten Spuren der Hominini. In der gleichen Region wurden später 1,51 bis 1,53 Millionen Jahre alte Fußabdrücke von Homo erectus freigelegt. Dessen Fährten belegen, dass der Bau seiner Füße im Wesentlichen dem modernen Menschen entsprach und dass er eine vergleichbare Form der aufrechten, zweibeinigen Fortbewegungsweise besaß.[8]

Einzelnachweise

  1. Hartmut Haubold Saurierfährten. Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 479. – A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt, 1984. ISBN 3-89432-401-5
  2. Andreas E. Richter: Handbuch des Fossiliensammlers. S. 405. Weltbild Verlag, Augsburg, 1999. ISBN 3-440-05004-1
  3. Einführung in die Palichnologie am Beispiel des Ostseebeckens
  4. a b c Ulrich Lehmann: Paläontologisches Wörterbuch. 4. Auflage. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, 1996. ISBN 3-432-83573-6
  5. Martin Lockley: Auf den Spuren der Dinosaurier. Dinosaurierfährten – Eine Expedition in die Vergangenheit. S. 7. Birkhäuser Verlag. Basel, Boston, Berlin, 1993. ISBN 978-3-7643-2774-3
  6. Adolf Seilacher: Cruziana stratigraphy of “non-fossiliferous” Paleozoic sandstones. in Crimes, T.P., Harper, J.C., (Editor): Trace Fossils. Geological Journal, 3, pp 447–476. 1970. ISBN 0-902354-09-4
  7. Mary Leakey et. al.: Pliocene footprints in the Laetoli beds at Laetoli, northern Tanzania. Nature, Band 278, 1979, S. 317–323; doi:10.1038/278317a0
  8. „The Ileret prints show that by 1.5 Ma, hominins had evolved an essentially modern human foot function and style of bipedal locomotion.“ Matthew R. Bennett et. al.: Early Hominin Foot Morphology Based on 1.5-Million-Year-Old Footprints from Ileret, Kenya. Science, Band 323, 2009, S. 1197 – 1201; doi:10.1126/science.1168132 10.1126/science.1168132

Literatur

  • R.G. Bromley (1999): Spurenfossilien: Biologie, Taphonomie und Anwendungen. – Springer, Berlin/ Heidelberg, 347 S. ISBN 978-3-540-62944-3
  • W. Miller, ed. (2006): Trace Fossils: Concepts Problems Prospects. Elsevier. 632 S. ISBN 978-0-444-52949-7
  • A. Seilacher (2007): Trace Fossils Analysis. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 226 S. ISBN 978-3-540-47225-4
  • A.A. Ekdale et al. (1984): Ichnology: trace fossils in sedimentology and stratigraphy. – Society of Economic Paleontologists and Mineralogists, Short Course Notes, No. 15, 317 S.; Tulsa. ISBN 978-0-918985-42-2

Weblinks


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