- St. Marien (Mühlhausen)
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Die Marienkirche ist eine gotische Kirche in der thüringischen Stadt Mühlhausen. Sie gilt als Meisterwerk der Gotik und, nach dem Erfurter Dom, als zweitgrößte Kirche Thüringens. Errichtet wurde sie hauptsächlich im 14. Jahrhundert. Ihr 86,7 Meter hoher Mittelturm ist der höchste des Bundeslandes und prägt maßgeblich die Stadtsilhouette. Die Marienkirche war darüber hinaus ein Zentrum des Bauernkriegs um 1525, da der Revolutionsführer Thomas Müntzer hier als Pfarrer wirkte.
Inhaltsverzeichnis
Bauwerk
Bei der Kirche handelt es sich um eine fünfschiffige gotische Hallenkirche, die aus heimischem Travertin erbaut wurde. Das Mittelschiff ist doppelt so breit wie die Seitenschiffe. An ihrem westlichen Ende befinden sich zwei kleinere, etwa 42 Meter hohe Seitentürme und der 86,7 Meter hohe Mittelturm. Die Türme haben einen quadratischen Grundriss und Unterbau, auf den ein achteckiger Oberbau aufgesetzt ist. Auf der Ostseite befinden sich drei Chorräume, ein großer in der Mitte und zwei kleine zu beiden Seiten. Der Mittelchor wirkt dabei hoch und schlank, was typisch für die Gotik ist. Der nördliche Nebenchor war eine Nikolaikapelle und wurde für Taufen genutzt. Unter dem südlichen Nebenchor befindet sich die Sakristei der Kirche. Den Innenraum der Hallenkirche gliedern vier Reihen aus je fünf schlanken, hohen Säulen in 30 Rechtecke. Auf der Empore war im Mittelalter, wie in großen Kirchen damals üblich, eine Bibliothek untergebracht. Das Querhaus der Kirche ist genauso breit wie das Mittelschiff und tritt an seinen Enden nicht aus der Gesamtbreite der Kirche hervor.
Als Meisterwerk der Gotik gilt das Südportal des Querhauses, welches als Haupteingang der Kirche dient. Es ist reich gegliedert und verziert. Zwei Seitenpfeiler lassen das Portal optisch hervortreten und breiter wirken, obwohl es mit der Seitenwand der Kirche in einer Flucht steht. Auf dem Scheinaltan in der Mitte des Portals stehen vier Figuren, die auf den Platz vor der Kirche hinabblicken. Sie stellen Kaiser Karl IV., seine Gemahlin Elisabeth von Pommern, sowie eine Hofdame und einen Höfling dar. Die heute farblosen Figuren waren früher bemalt. Über dem Scheinaltan befindet sich ein Abbild von Jesus Christus als Weltenrichter. An der Kirchenpforte befinden sich zahlreiche Skulpturen. Sie wurden 1525 im Bauernkrieg zerstört und erst um 1900 wiederhergestellt. Dass das Südportal als Haupteingang dient, ist ein Novum im mittelalterlichen Kirchenbau und in Mühlhausen städtebaulich bedingt. Vorbild dieser Bauweise war der Veitsdom in Prag.
Ausstattung
Altäre
Der Hochaltar der Kirche stammt aus der Zeit nach 1525. Er ist der Gottesmutter Maria geweiht, die auch gleichzeitig Patronin der Kirche ist. Der Vorgänger des heutigen Hochaltars wurde 1525 bei den Bilderstürmen zerstört. Der jetzige ist der dritte Hochaltar der Kirche, da neben dem 1525 zerstörten Altar bereits 1391 ein erster verkauft wurde. Der Altar zeigt spätgotische Stilformen. Bei einem Umbau im Jahr 1608 wurde der Renaissance-Baldachin angefügt. Dargestellt ist eine Marienkrönung, die von Johannes dem Täufer und dem Evangelisten Johannes umrahmt wird. Auf den Seitentafeln sind in je zwei Reihen weitere Heilige dargestellt, so auf der linken Seite Jakobus der Ältere, Bischof Valentin, der Apostel Batholomäus, Laurentius von Rom, Nikolaus von Myra und der heilige Sebastian. Auf der rechten Tafel sind Paulus von Tarsus, Apostel Andreas, Bonifatius und der Apostel Thomas zu sehen.
Der Marienkrönungsaltar stammt aus der 1570 geschlossenen Wallfahrtskirche Eichen (seit 1582 ist dieses Dorf eine Wüstung) und zeigt wie der Hochaltar eine Marienkrönung. Auf den Seitenflügeln sind die vier Apostel Judas Thaddäus, Simon Petrus, Andreas und Bartholomäus zu sehen. Dieser Altar entstand um 1530.
Der Nikolausaltar steht an der Nordwand des Chores und besteht aus zwei Tafeln, auf denen zwölf Szenen aus dem Leben der Heiligen dargestellt werden. Er stammt aus der Zeit um 1485. Sein Vorgänger ist nicht mehr erhalten.
Inventar
In der Kirche sind zwei Kruzifixe vorhanden. Das kleine Vortragekreuz besteht aus Lindenholz und hängt im Chor. Es ist als Baum des Lebens in Form eines Weinstocks dargestellt und stammt aus dem späten 15. Jahrhundert. Das zweite ist das große Kreuz an der Ostwand des südlichen Querhauses. Es ist eine klassische Kreuzigungsdarstellung von 1520. Im Siebenjährigen Krieg wurde es 1761 durch französische Soldaten beschädigt und erst 1773 restauriert.
Zu den bedeutenden Plastiken der Kirche zählt die Sitzmadonna von 1430. Sie wurde ebenfalls 1761 zerstört und 1772 restauriert, allerdings fehlen bis heute der Kopf und ein Bein des Jesuskindes. Die Pfeilerfiguren im Ostquerhaus sind die Heiligen Drei Könige und Maria mit dem Jesuskind aus der Zeit um 1530.
Der Taufstein der Kirche ist neugotisch und stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die Kanzel von 1891 im Stil der Neorenaissance enthält noch die alten Figuren von 1610, die wieder eingefügt wurden. Das Chorgestühl stammt aus der Zeit um 1900.
Im Mittelturm hängen vier Glocken. Die größte Glocke ist die 5,2 Tonnen schwere Gertrud mit zwei Metern Durchmesser von 1481. Die Sonntagsglocke stammt aus dem Jahr 1701, hat einen Durchmesser von 1,71 Metern und wiegt 4,2 Tonnen. Die dritte ist eine kleine Glocke aus der Zeit nach 1945, die vierte, die Müntzerglocke wurde 1989 gegossen.
In der Kirche befinden sich einige historische Grabsteine, die bis etwa 1890 den Fußboden bedeckten und erst danach aufgestellt wurden. Der älteste zeigt das Ehepaar Swikker aus ritterlichem Stand und stammt aus dem Jahre 1341. Der Grabstein von 1382 des Baumeisters der Marienkirche, Heinrich von Sambach vom Deutschritterorden, ist ebenfalls erhalten. Ein besonders großer Grabstein (2,70 x 1,80 Meter) des Heinrich von Homberg und seiner Kinder Katharina und Conrad wurde auf das Jahr 1405 datiert. Sehr filigran ist der Grabstein von 1621 des Bürgermeisters Gregorius Fleischhauer, der seinerzeit an der Neuausstattung der Kirche beteiligt war.
Von 29 großen gotischen Spitzbogenfenstern der Kirche enthalten 14 farbige Malereien. Sie stammen zumeist aus der Zeit zwischen 1886 und 1903. Man geht davon aus, dass alle Fenster der Kirche ursprünglich bunt waren, jedoch im Laufe der Jahrhunderte verloren gingen. Heute sind nur noch die zwei Ostfenster des Chores, das Marien- und das Christusfenster, im Originalzustand erhalten. Ein drittes wurde um 1900 aus den gotischen Resten verschiedener anderer Fenster zusammengesetzt und befindet sich heute ebenfalls im Ostchor. Die drei älteren Fenster wurden 1975 versiegelt, da sie die zunehmende Korrosion zu zerstören drohte. Sie waren 1886 in einem derart schlechten Zustand, dass man eine Stiftung gründete, die bei Mühlhäuser Bürgern Geld sammelte. Auf diese Weise konnten bis 1903 zehn neue, farbige Fenster hergestellt und eingesetzt werden.
Orgel
Die erste Orgel wurde durch den Orgelbauer Justus Pape zwischen 1561 und 1564 im Stil der Renaissance auf der Westempore der Kirche errichtet. Das für damalige Zeiten große Instrument besaß ein Rückpositiv, also einen separaten Orgelkörper im Rücken des Spieltischs. Es wurde durch Spenden und durch den Verkauf kostbarer Ornate aus der römisch-katholischen Zeit der Kirche finanziert [1]. Die Orgel wurde im Jahr 1720 durch einen Brand nach einem Blitzeinschlag zerstört. Eine zweite, kleinere Orgel war bereits früher auf der Südempore hinzugefügt worden. Sie hatte sich vorher in der Jakobikirche befunden. 1703 wurde sie wieder entfernt.
1723 erhielt Johann Friedrich Wender den Auftrag, die fast vollkommen zerstörte Orgel wiederherzustellen. Der Bau war jedoch 1735, als sie Johann Sebastian Bach besichtigte, noch immer nicht abgeschlossen. Als Wender starb und sein Sohn Christian Friedrich nicht das gleiche Talent als Orgelbauer hatte, wurde Zacharias Hildebrandt, ein Orgelbaumeister aus Leipzig, mit der Vollendung der Orgel beauftragt. Spätestens 1738 war der Bau abgeschlossen. Die Orgel besaß 43 klingende Register, verteilt auf drei Werke. Dem Rückpositiv war das erste, dem Hauptwerk das zweite und dem Oberwerk das dritte Manual zugeordnet. Als Material für die Tasten wurden Elfenbein und Ebenholz verwendet. Darüber hinaus waren neun der Register für das Pedalwerk sowie die Nebenstimmen bestimmt. Von der alten Orgel wurden das gesamte Prinzipalregister in 8'-Lage übernommen, ebenso wie alle Register des Rückpositivs und einige andere Register übernommen. Diese Orgel wurde ab 1821 innerhalb von zwei Jahren durch Johann Friedrich Schulze renoviert. Obwohl die Verbesserungen unbefriedigend ausfielen, benutzte man die Orgel in diesem Zustand weitere fünfzig Jahre.
Während der umfangreichen Instandsetzung der Kirche um die Jahrhundertwende wurde die Orgel durch einen Neubau von Wilhelm Sauer ersetzt. Die bis heute genutzte Orgel wurde besonders auf romantische Musik ausgelegt und besitzt 61 Register und ein Schwellwerk.
Geschichte
Bereits 1180 wurde in Urkunden von einer Marienkirche an diesem Standort berichtet. 1243 wurde sie von Kaiser Konrad IV. dem Deutschritterorden übertragen und beim Stadtbrand von 1315 zerstört. Lediglich der 42 Meter hohe Nordturm sowie der geringfügig höhere frühgotische Südturm von etwa 1250 sind von dieser romanischen Kirche erhalten geblieben.
Die heutige Kirche wurde 1317 im gotischen Stil begonnen. Dies ist durch einen Ablassbrief von Erzbischof Peter von Mainz belegt. Die Kirche befand sich in der damaligen Neustadt Mühlhausens. Die Stadt war damals nach Erfurt die zweitgrößte in Thüringen mit etwa 8.000 bis 10.000 Einwohnern. Im 13./14. Jahrhundert blühte sie vor allem durch den Waidhandel auf, sodass man eine imposante, dem Erfurter Dom ebenbürtige Kirche errichten wollte. Mitte des 14. Jahrhunderts kam es zum Stillstand der Bauarbeiten, weil sich die Mühlhäuser Bürger und der Deutschritterorden zerstritten hatten. Erst in den 1360er-Jahren konnten die Arbeiten wieder aufgenommen werden. Beendet wurden sie wahrscheinlich erst im frühen 15. Jahrhundert.
Das Verhältnis der Proportionen zwischen dem mächtigen Schiff und den beiden kleinen Türmen wurde von Anfang an als ungünstig empfunden, weshalb man 1512 mit dem Bau eines mächtigen Mittelturmes begann, von dem allerdings nur der Unterbau fertiggestellt wurde, da nach 1517 die Reformation einsetzte. Bis zur Reformation war die Kirche katholisch geweiht, danach wurde sie in eine evangelisch-lutherische Kirche umgewandelt. Mühlhausen war im 16. Jahrhundert Zentrum des Bauernkriegs; Thomas Müntzer sprach auch in der Kirche zu den aufständischen Bauern.
Nach dem Bauernkrieg wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen und zunächst ein provisorischer Fachwerkturm auf den Unterbau des Mittelturmes aufgesetzt. Dieser fiel dem Stadtbrand von 1689 zum Opfer. Von 1690 bis 1694 wurde ein massiver Turmoberbau mit spanischer Haube errichtet. Er hatte in den folgenden 200 Jahren Bestand, wirkte aber im Vergleich zum Kirchenschiff immer noch recht klein. So wurde er abgetragen und 1898–1903 durch den heutigen, neogotischen, 86 Meter hohen Turm ersetzt. Er prägt das Stadtbild Mühlhausens wie kein anderes Gebäude und fügt sich, obwohl er über 500 Jahre jünger als die Kirche ist, gut in das Gesamtbild der Kirche ein.
Ab 1846 begann ein Sanierungsprogramm für die Kirche unter der Leitung des preußischen Hofbaumeisters Friedrich August Stüler, dem Sohn eines Pfarrers der Marienkirche. Sein Konzept konnte jedoch erst ab 1884 umgesetzt werden und wurde 1903 mit der Fertigstellung des Mittelturmes abgeschlossen.
Wirkungsstätte Thomas Müntzers
Die Marienkirche war zur Zeit des Deutschen Bauernkrieges eine Wirkungsstätte des Revolutionärs Thomas Müntzer. Im Jahr 1523 war Mühlhausen mit knapp 10.000 Einwohnern nach Erfurt die zweitgrößte Stadt Thüringens. Es bildete sich eine Bürgerbewegung, die am 3. Juli 1523 erstmals zu einem offenen Aufstand gegen den Stadtrat entschloss. Bereits ein Jahr zuvor hatte Pfarrer Mattheus Hisolidus gegen die Obrigkeit gepredigt. Im August 1524 trat Thomas Müntzer zum ersten Mal in das revolutionäre Geschehen in der Stadt ein. Er befand sich auf der Flucht und kam aus Allstedt bei Sangerhausen in die Stadt. Bei einem Bildersturm am Dreikönigstag des Jahres 1525 wurden der Altar und die Portalfiguren vernichtet und das Kircheninventar beschädigt. Kurz darauf, im Februar 1525, wurde Thomas Müntzer Pfarrer der Marienkirche. Sein erstes Ziel war die Einführung des deutschsprachigen Gottesdienstes.
Die revolutionäre Situation verschärfte sich, nachdem Müntzer am 17. März 1525 den Ewigen Rat in der Kirche gegründet und weitere Aufständische um sich zu scharen begonnen hatte. Als genügend Bauern versammelt waren und man sich für eine Schlacht gegen die Fürsten gewappnet fühlte, zog Müntzer mit seinem Bauernheer gen Frankenhausen, wo es am 15. Mai 1525 zur Schlacht kam, die mit einer Niederlage der Bauern endete. Dies war auch das Ende des Bauernkrieges und Thomas Müntzers, der am 27. Mai unweit von Mühlhausen hingerichtet wurde. Jedoch wurde die Reformation dadurch nicht aufgehalten und 1557 in der Marienkirche durchgesetzt.
Seit 1975 ist die Marienkirche eine Müntzergedenkstätte. Die Stadt Mühlhausen trug zwischen 1975 und 1991 den amtlichen Namen Mühlhausen Thomas-Müntzer-Stadt. Die DDR stilisierte Müntzer als frühbürgerlichen Reformator hoch, der sich gemeinsam mit den Bauern gegen die Obrigkeit erhoben und für ein freies Bauertum gekämpft habe. Nach 1990 ließ die Verehrung Thomas Müntzers und damit auch das Interesse an seinem Leben und Werk nach.
Heutige Nutzung
Die Marienkirche ist seit 1975 keine Pfarrkirche mehr, sondern ein Museum. Sie gehört zu den Mühlhäuser Museen, stellt das Leben und Wirken Thomas Müntzers dar und wird daneben für Wechselausstellungen und Orgelkonzerte genutzt. Regelmäßige Gottesdienste finden nicht mehr statt.
Sonstiges
- Die Marienkirche ziert ein 5-Mark-Stück der DDR von 1989, welches zum 500. Geburtstag Thomas Müntzers herausgegeben wurde. Es wurde in einer Auflage von 500.000 Stück geprägt, wovon jedoch nach der Währungsunion 1990 100.000 Stück wieder eingeschmolzen wurden.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Kreisarchiv Mühlhausen (Hrsg.): Bestand der Stadt Mühlhausen. Mühlhausen 30. Januar 2000, S. 235.
Literatur
- Christa Richter: Die Marienkirche zu Mühlhausen. Mühlhausen 1990 (Mühlhäuser Beiträge, Sonderheft 7).
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Thüringen. Deutscher Kunstverlag, München 2003, ISBN 3-422-03095-6.
Weblinks
51.21027777777810.455Koordinaten: 51° 12′ 37″ N, 10° 27′ 18″ O
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