StGw

StGw
Sturmgewehr 44

Sturmgewehr ist eine Bezeichnung für relativ leichte und kompakte Mehrzweck-Militärgewehre. Es handelt sich dabei in der Regel um halb- und vollautomatisch repetierende Militärgewehre, in kleineren (4,5 mm) bis mittleren (7,62 mm) Kalibern. Diese Art Gewehre sind bei den meisten Streitkräften als Standardbewaffnung des Infanteriesoldaten eingeführt.

Der Begriff Sturmgewehr (StGw) entstand aus der suggestiven und propagandistischen Namensgebung des Dritten Reichs für eine Waffenart, die ursprünglich aus dem Maschinenkarabiner (MKb) der Jahre 1942 bis 1943 entwickelt wurde und sich hauptsächlich auf das Sturmgewehr 44 (StGw 44) bezog.

Das StG 44, das ab März 1944 als MP 44 in geringerem Umfang eingeführt wurde, erhielt erst im Dezember 1944 den Namen „Sturmgewehr“ und sollte die besondere Eignung dieser Waffe als Angriffswaffe für Sturmtruppen nahelegen.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Die Bezeichnung „Sturmgewehr“ eignet sich nicht, um eine Handfeuerwaffenkategorie nach technischen Gesichtspunkten klar zu definieren. Die meisten Armeen bezeichnen ihre Ordonnanzgewehre innerhalb ihrer Dienstvorschriften schlicht als Gewehr. Im deutschen Sprachgebrauch ist die nicht verbindliche Bezeichnung „Sturmgewehr“ mittlerweile zu einem Pseudonym für militärische Selbstladebüchsen geworden (so wie „Jeep“ für Geländewagen oder „Colt“ für Revolver). Ähnlich falsche Titulierungen kommen aber auch im englischen Sprachgebrauch für bestimmte Waffenartentypen vor (z. B. „Assault Rifle“ für Sturm- oder Angriffsgewehr), haben jedoch auch hier, nicht zuletzt wegen sprachlicher Bedeutungsverschiebungen, keinerlei Bezug zum Sprachgebrauch innerhalb waffentechnischer Entwicklungen. Der Begriff „Sturmgewehr“ wird, trotz seiner falschen Ableitung, heute nicht nur im deutschen Sprachgebrauch verwendet, sondern findet auch bei der Namensgebung moderner militärischer Selbstladebüchsen, wie z. B. bei dem STEYR AUG A3, StG 77, der Ordonnanzwaffe des österreichischen Heeres, Einzug in die offizielle Namensgebung.

Funktion

„Sturmgewehre“ sind heute bei den meisten Streitkräften als Standardbewaffnung des Infanteristen (Ordonnanzbewaffnung) eingeführt. Der Pistolengriff dient dem sicheren Halt der Waffe, insbesondere im Dauerfeuermodus. Dies ermöglicht auch das Feuern aus der Hüfte, wodurch die Schulterstütze nicht mehr zwingend notwendig ist. Daher lassen sich diese bei vielen Varianten durch Einschieben oder Anklappen noch weiter verkürzen. Ihre Handhabung soll auch für ungeübte Schützen einfach und schnell erlernbar sein, alle Bedienelemente sind bei modernen „Sturmgewehren“ für Rechts- und Linkshänder gleich gut erreichbar.

Hinsichtlich ihres Funktionsprinzips lassen sich „Sturmgewehre“ grob, wie alle Selbstladewaffen, in sogenannte Rückstoßlader und Gasdrucklader unterscheiden, wobei die Zahl der Gasdrucklader überwiegt. Im Gegensatz zu den militärisch verbreiteten Maschinenpistolen wie z. B. den mittlerweile veralteten Uzi oder Sten und den meisten Maschinengewehren haben Sturmgewehre üblicherweise aufschießende Systeme für eine höhere Zielsicherheit beim ersten oder beim Einzelschuss.

Technik

Aus waffentechnischer Sicht handelt es sich bei einem „Sturmgewehr“ um eine Selbstladebüchse, die durch mehr oder minder umfangreiche Modifikationen für schnelle Einzel- und vollautomatische Schussfolgen optimiert wurde. Diese Modifikationen beinhalteten überwiegend (jedoch nicht zwingend):

  • Umschaltbare Abzugseinheit für halbautomatischen und vollautomatischen Feuermodus (in etlichen Ausführungen zusätzlich bzw. anstelle des vollautomatischen Feuermodus, einen Feuerstoß-Modus mit der gesteuerten Abgabe einer festen Schussanzahl – zumeist drei Schuss)
  • Wechselmagazin (mit beliebiger Munitionskapazität, typischerweise aber mindestens 20 und selten mehr als 30 Schuss)
  • Pistolengriffschaft (bei etlichen Modellen einklappbare oder verschiebbare Schulterstützen)
  • Verwendung leichter Gewehrmunition in den Kalibern von 5,45 mm bis zu den .30 Kalibern
  • Spezielle Laufschäftung zur optimierten Hitzeabfuhr sowie zur Verminderung der Hitzebelastung für die Hand des Schützen
  • Mündungskonstruktionen zur günstigen Beeinflussung des Mündungsblitzes und des Rückstoßes
  • Konstruktionsbedingte Robustheit der Ausführung in Ausstattung, Funktion und Gebrauch

Die genannten „Merkmale“ sind nicht ausschließliche Merkmale der sogenannten „Sturmgewehre“. Allein in ihrer Gesamtheit führen sie zu einem Erscheinungsbild, welches den landläufigen Sammelbegriff „Sturmgewehr“ geprägt hat. Es ist offensichtlich, dass es zu funktionellen Überschneidungen mit anderen Handfeuerwaffentypen kommt, bzw. dass mehrfache Typenbezeichnungen gleichartiger Handfeuerwaffen gebräuchlich sind, wie beispielsweise bei den Selbstladegewehren, Schnellfeuergewehren, Maschinenkarabinern, leichten Maschinengewehren.

Tatsächlich unterscheiden sich die technischen Selbstladeprinzipien eines vollautomatischen militärischen Sturmgewehrs und einer zivilen Selbstladebüchse nicht. In der Entwicklung der Selbstladewaffen wurden oft Selbstladebüchsen im „klassischen“ Design durch verhältnismäßig geringe Modifikationen zu Sturmgewehren/Maschinenkarabinern migriert (M1 Garand – M14). Und auch umgekehrt werden die meisten militärischen Sturmgewehre durch geringe technische Einschränkungen als halbautomatische Sportwaffen für den zivilen Absatzmarkt neu aufgelegt (z. B. AKM47/AK74 – Norinco Sporter).

Einsatzbereiche

Nach taktischen Gesichtspunkten ist das „Sturmgewehr“ eine Handfeuerwaffe, welche die Einsatzbereiche eines Gewehrs (Büchse), gegebenenfalls sogar eines Scharfschützengewehrs, und einer Maschinenpistole gleichermaßen abdecken soll.

  • Hohe Feuerdichte im Nahkampf

Dies korrespondiert mit dem Erscheinungsbild etlicher sogenannter „Sturmgewehre“, welche wie eine Kreuzung aus Gewehr und Maschinenpistole anmuten.

Geschichte

Das erste „Sturmgewehr“ im Sinne militärischer Überlegungen wurde im Jahre 1913 vom Waffenkonstrukteur Wladimir Fjodorow in Russland entwickelt. Er orientierte sich damals an der japanischen 6,5 mm-Gewehrpatrone des Arisaka-Karabiners. In diesem Sinne war seine Konstruktion, der Awtomat Fjodorowa, ein automatisches Gewehr, das Langpatronen verschoss. Die Kapazitäten der zaristischen Waffenindustrie reichten im Ersten Weltkrieg bei weitem nicht aus, um diese Waffe und dazugehörige Munition in nennenswerter Stückzahl herstellen zu können. Fehlende Einsicht seitens der Strategen in die Notwendigkeit einer solchen Waffe sowie mangelndes Vertrauen in den einfachen Soldaten, verantwortungsvoll mit dieser „Munition verschlingenden“ Waffe umzugehen, beschieden den ersten Selbstladegewehren schnell ein vorzeitiges Ende.

Auch in den 1930er Jahren und zu Beginn des Zweiten Weltkrieges produzierte die Sowjetunion voll- und halbautomatische Maschinenkarabiner (AWS-36, SWT-38 und SWT-40), deren Produktion aber zugunsten der taktisch höher bewerteten Maschinenpistolenproduktion in der zweiten Hälfte des Krieges eingeschränkt und schließlich ganz eingestellt wurde.

Ausschlaggebend für die deutschen Entwicklungen des Maschinenkarabiners (MKb) und später des „Sturmgewehrs“ (StG) war im Vorfeld die Suche nach einer neuen Mittelpatrone. Diese sollte deutlich wirksamer sein als die Pistolenmunition, die aus den Maschinenpistolen MP38/MP40 (9x19 mm Para) verschossen wurde, aber wesentlich rückstoßärmer als die vom Karabiner 98 verschossene Infanteriepatrone (7,92x57 mm / 8x57IS). Das führte zur Entwicklung der Patrone 7,92 x 33 mm, die die genannten Voraussetzungen erfüllte.

Als neuer Typ des Infanteriegewehrs wurden Maschinenkarabiner in der Endphase des Zweiten Weltkrieges in Deutschland konzipiert (Firma Walther und Firma C.G. Haenel, Zella Mehlis und Suhl in Thüringen).

Angesichts der immer deutlicher werdenden zahlenmäßigen Unterlegenheit der deutschen Wehrmacht, des rapiden Rückgangs der Zahl in Friedenszeiten sorgfältig ausgebildeter Soldaten und unter dem Eindruck der Feuerüberlegenheit der amerikanischen und sowjetischen Selbstladegewehre ersah man die kampftechnische Aufwertung des einzelnen Soldaten durch eine Selbstladewaffe als zwingend notwendig (Entwicklung des G41, forcierte Produktion der MP 40).

In Feuergefechten zeigte sich, dass zielgenaues Einzelfeuer bei Kampfentfernungen über 400 m selten effektiv war. Die bis dahin verwendete Gewehrpatrone 8x57IS („Infanterie Spitz“) war im dafür vorgesehenen Karabiner 98k mit einer Visierung bis zu 1.800 m somit völlig überdimensioniert. Die geringe Feuerrate wurde außerdem den Anforderungen für den Graben- und Häuserkampf nicht gerecht. In vollautomatischen Handfeuerwaffen (wie z. B. dem in nur geringen Stückzahlen hergestellten Fallschirmjägergewehr FG 42) eingesetzt, erwies sich der harte Rückstoß der Gewehrpatrone insbesondere für ungeübte Schützen als fatal für die Zielgenauigkeit. Die Maschinenpistole (z. B. MP 40) dagegen zeigte sich in Kampfentfernungen oberhalb von 100 m wegen ihrer typischen und relativ schwachen Pistolenmunition in 9 mm Parabellum ineffizient.

Letztlich litt die Ausrüstung der deutschen Wehrmacht unter der Rohstoffknappheit des Deutschen Reiches und benötigte zudem für eine schnelle Umbewaffnung des Heeres einen hohen monatlichen Waffenausstoß.

Die Summe aus den oben genannten Erkenntnissen, Erfahrungen und Anforderungen führten zur Entwicklung des überwiegend in günstiger Blechprägetechnik hergestellten Maschinenkarabiners 42 und 43 (MKb 42/MKb 43). Adolf Hitler hatte aber schon früh Vorbehalte gegen die Einführung einer neuen – zusätzlichen – Infanteriemunition und die Abschaffung der nominell weit reichenden 8x57IS („Nehmt der Infanterie nicht den langen Arm.“) und verbot zunächst weitere Entwicklungen an der sogenannten „Zwischenpatrone“. Um Hitler zu täuschen, wurde der MKb in MP43 umbenannt. So sollte Hitler annehmen, dass es sich um eine Maschinenpistole für die Verwendung der bereits vorhandenen 9 mm Parabellum handele; für Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet gab es offiziell keine Restriktionen. 1944 bekam die Waffe nach einigen Änderungen den Namen MP 44. Durch positive Berichte zur neuen Waffe von der Ostfront wurde die Produktion unter besondere Dringlichkeit gestellt und mit dem suggestiven Namen „Sturmgewehr“ versehen.

Spätere Konstruktionen, zum Beispiel das bekannte AK-47 (Automat Kalaschnikow) (Kaliber 7,62 x 39 mm), übernahmen bei eigener Technik das taktische Konzept, welches dem StGw 44 zugrundeliegt (siehe hierzu auch den Wiki-Beitrag zum StGw 44 und die dazugehörige Diskussion).

Mitte der 1950er Jahre wurde in der Bundeswehr das Gewehr G3 von Heckler & Koch eingeführt. Entsprechend der allgemeinen Tendenz der Nachkriegszeit war diese Waffe ein Rückstoßlader und verschoss keine Mittelpatrone, sondern wieder eine relativ starke Gewehrpatrone ( 7,62×51 mm NATO alias .308 Winchester). Wie das FN FAL von FN oder das amerikanische M14 und einige andere Gewehre dieses Kalibers (.30) wird es im englischsprachigen Raum als Battle Rifle im Gegensatz zu Assault Rifle bezeichnet.

In den 1960er Jahren wurde mit dem von Eugene Stoner entwickelten AR 15 (militärische Bezeichnung M16) in den USA und auch als Nato-Standardkaliber die kleinkalibrige Patrone 5,56x45mm (alias .223 Remington) eingeführt. Dieses Kaliber besaß gegenüber dem alten Kaliber (7,62x51mm) den Vorteil, dass es einerseits rückstoßärmer, die Waffe damit leichter zu beherrschen war und andererseits durch geringere Größe und Gewicht mehr Munition mitgeführt werden konnte. Der Nachteil dieser Munition ist der geringere Wirkungsgrad, bedingt durch eine stärker abnehmende Geschoßgeschwindigkeit als z. B. bei der 7,62 mm-Munition, und dem geringeren Geschoßgewicht, was zu einer geringeren zielballistischen Leistung führt. Auch die Tendenz zur Waffenverkleinerungen durch Laufkürzung wirkt sich negativ auf die ballistischen Eigenschaften des neuen Geschosses aus. Deshalb sind inzwischen neue Kaliber in einer Zwischengröße (~6,8 mm) in der Diskussion. Auch der Warschauer Pakt zog in den 1970er Jahren mit der AK 74 (Kaliber 5,45 x 39 mm) nach.

Ab 1996 löste das „Sturmgewehr“ HK50 (militärische Bezeichnung G36), wieder von Heckler & Koch, das G3 bei der Bundeswehr ab. Damit hat nun auch die Bundeswehr einen modernen Gasdrucklader, der das NATO-Standardkaliber (Kaliber 5,56×45 mm alias .223 Remington), denselben Munitionstyp wie das französische FAMAS und das amerikanische M16, verwendet.

Zukunft

Visierung über Gewehrkamera und Helmdisplay bei FAMAS-FELIN

Fortschreitende Verkürzung der Waffen – durchaus zu Lasten der Zielgenauigkeit – und komprimierte Verschachtelung der Komponenten wie z. B. im Bullpup-Design lassen kompaktere und leichtere Waffen zu. Blechprägeteile, die seit den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts Holzschäftungen und Vollmetallkörper ablösten, sind selbst schon überwiegend durch Kunststoffschäftungen oder kompletten Kunststoffrahmen ersetzt worden. Neue Kunststoffentwicklungen ermöglichen nun leichtere und robustere Waffen bei gleicher Zuverlässigkeit. Elektronik hält verstärkt Einzug in die Entwicklung der Zielsysteme und integrierte Kommunikationsmodule und ermöglicht z. B. die Einblendung relevanter Daten in die Optik (Freund/Feind-Erkennung) oder einer abgesetzten Visierdarstellung z. B. in einem Helmdisplay oder sogar dem weit entfernten Befehlsstand. Elektrische Servomotoren zur Ausführung des schnelleren und zuverlässigeren Ladevorganges sind bereits in experimentellen Prototypen integriert.

Siehe auch: HK XM29 des OICW-Programms.

Siehe auch

Literatur

  • Deutsche Sturmgewehre bis 1945. Motorbuch Verlag ISBN 3613018667

Weblinks


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