Stamm (Grammatik)

Stamm (Grammatik)

Der Begriff Wortstamm oder kurz Stamm wird unterschiedlich verwendet. Gemeinsam ist den verschiedenen Verwendungsweisen, dass der Wortstamm der Bestandteil eines Wortes ist, auf den andere Wörter (oder Wortformen) bezogen werden können.

Inhaltsverzeichnis

Stamm als lexikalischer Kern

Mit 'Wortstamm' oder 'Stamm' (auch: Stammwort, Wurzelwort, Wurzel, Stamm-Morphem, Grundmorphem, lexikalisches Morphem) wird manchmal der lexikalische "Kern" eines Wortes bezeichnet. Es handelt sich dabei um den Bestandteil eines Wortes, der nicht weiter zerlegt werden kann (also ein Morphem) und der den Zusammenhang einer Wortfamilie konstituiert.

Beispiele:

  • {trink} ist Stamm-Morphem von tränken, Getränk, Umtrunk, trinkst, tranken, trinken, ertrinken
  • {haus} ist das Wurzelwort von Wohnhaus, häuslich, hausen, Haus, Haustür, behausen
  • {strick} ist das Stammwort von Stricknadel, Strickmuster, Strick, Galgenstrick, stricken, verstrickt, bestricken, umstrickend

Stamm als morphologische Basis

Mit 'Wortstamm' oder kurz 'Stamm' wird häufig auch die Form bezeichnet, die als Basis zur Bildung von flektierten Wortformen dient, typischerweise durch das Hinzufügen von Affixen. Ein Stamm kann dabei selber schon eine flektierte Wortform repräsentieren, z.B. Traum; durch Anhängen des Flexionsaffixes -es für Genitiv Singular an den Stamm entsteht Traumes.

Beispiele:

Im Unterschied zum 'Stamm' als lexikalischem Kern eines Wortes (siehe oben), können Stämme nach dieser Definition auch komplex sein (z.B. Kindheitstraum). Hier wird auch der Zusammenhang zu dem obigen Stamm-Begriff deutlich: Stämme als lexikalischer Kern eines Wortes sind immer einfache Stämme. Entsprechend werden bei Eisenberg (1998) einfache Stämme als 'Stamm' und komplexe Stämme als 'Stammgruppe' bezeichnet.

Ob bei Vokalwechsel (Apophonie, im Deutschen z.B. Ablaut und Umlaut) jeweils eigene Stammformen angenommen werden oder ob ein einziger Stamm angenommen wird, der durch eine morphologische Operation verändert wird, hängt von der verwendeten morphologischen Theorie ab. Wird z.B. angenommen, dass Plural durch Affigierung und Vokalwechsel markiert wird, so ist der Stamm der flektierten Wortform Träume (Nominativ Plural) dieselbe Form wie für den Singular, nämlich Traum. Wird hingegen angenommen, dass Wortformen nur aus einer Aneinanderkettung von Wortbestandteilen (genauer: Morphen) bestehen, so muss man in diesem Fall zwei Stämme annehmen, nämlich Traum und Träum.

Manchmal wird ein erweiterter Stammbegriff verwendet, um auch die verschiedenen Formen zu beschreiben, die bei Derivation und Komposition als Basis auftreten können. Demnach unterscheidet man nach Flexionsstämmen, Derivationsstämmen und Kompositionsstämmen eines Lexems. So wären Traum und Träum Flexionsstammformen, Träum die Derivationsstammform (etwa in Träumer oder verträumt) und Traum die Kompositionsstammform (etwa in Traumtänzer) des Lexems TRAUM. Kind ist Flexions- und Derivationsstammform, Kind, Kinds, Kindes und Kinder sind die Kompositionsstammformen (etwa in Kindfrau, Kindsmutter, Kindeskind und Kinderzimmer) des Lexems KIND.

Literatur

  • Laurie Bauer: Introducing Linguistic Morphology. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2003.
  • Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner, 2002.
  • Peter Eisenberg: Grundriss der Deutschen Grammatik. Band 1: Das Wort. Stuttgart/Weimar: Metzler, 2006. ISBN 3-476-02160-2
  • Helmut Glück (Hsg): Metzler Lexikon Sprache. Unter Mitarb. von Friederike Schmöe. 3., neubearb. Aufl. Metzler, Stuttgart [u.a.] 2005. ISBN 3-476-02056-8
  • Joachim Mugdan: Morphological Units. In: R.E. Asher (ed.): The Encyclopedia of Language and Linguistics. Oxford (u.a.): Pergamon Press, 1994.

Siehe auch


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Stamm — Stamm, in der Botanik im weitesten Sinne soviel wie Sproßachse (s. Sproß); im engern Sinne die verholzende Achse (truncus). Über S. in der Zoologie s. Rumpf; in der Viehzucht s. d. – Ferner versteht man unter S. Menschen oder Familien und… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Grammatik der Japanischen Sprache — Die Grammatik der Japanischen Sprache hat folgende charakteristische Eigenschaften: Es ist eine agglutinierende Sprache, Affixe werden in Hiragana separat geschrieben und als Partikel bezeichnet. Die Satzstellung ist SOP (Subjekt …   Deutsch Wikipedia

  • Grammatik der japanischen Sprache — Die Grammatik der Japanischen Sprache hat folgende charakteristische Eigenschaften: Es ist eine agglutinierende Sprache, Affixe werden in Hiragana separat geschrieben und als Partikel bezeichnet. Die Satzstellung ist SOP (Subjekt …   Deutsch Wikipedia

  • Grammatik des Japanischen — Die Grammatik der Japanischen Sprache hat folgende charakteristische Eigenschaften: Es ist eine agglutinierende Sprache, Affixe werden in Hiragana separat geschrieben und als Partikel bezeichnet. Die Satzstellung ist SOP (Subjekt …   Deutsch Wikipedia

  • Grammatik der litauischen Sprache — Die Grammatik der litauischen Sprache ist insbesondere durch Flexion gekennzeichnet und darin dem Lateinischen, dem Altgriechischen oder dem Sanskrit ähnlich, insbesondere in seiner Fixierung auf die Endungen zur Angabe des Kasus und in der… …   Deutsch Wikipedia

  • Grammatik des Neugriechischen — Die Neugriechische Sprache ist in einer kontinuierlichen Entwicklung aus dem Altgriechischen hervorgegangen und bildet einen eigenen Zweig der Indogermanischen Sprachfamilie. Sie hat grammatisch einige ursprüngliche Merkmale dieser Sprachfamilie… …   Deutsch Wikipedia

  • Grammatik der russischen Sprache — Wie die meisten slawischen Sprachen ist auch das Russische stark flektierend. Es kennt drei grammatische Geschlechter und sechs Fälle (Kasus). Es existiert eine Kategorie der Belebtheit, d. h. innerhalb der grammatischen Geschlechter wird… …   Deutsch Wikipedia

  • Grammatik der neugriechischen Sprache — Die neugriechische Sprache ist in einer kontinuierlichen Entwicklung aus dem Altgriechischen hervorgegangen und bildet (zusammen mit ihren Vorstufen) einen eigenen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie. Sie hat im Bereich der Grammatik eine… …   Deutsch Wikipedia

  • Grammatik des Lateinischen — Die lateinische Sprache lässt sich dem italischen Zweig des Indogermanischen zuordnen und ihre Grammatik zeigt viele Ähnlichkeiten mit modernen und historischen Sprachen dieser Familie. Sie ist darüber hinaus die Grundlage der romanischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Stamm-Morphem — Der Begriff Wortstamm oder kurz Stamm wird unterschiedlich verwendet. Gemeinsam ist den verschiedenen Verwendungsweisen, dass der Wortstamm der Bestandteil eines Wortes ist, auf den andere Wörter (oder Wortformen) bezogen werden können.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”