Stammeln

Stammeln
Dieser Artikel behandelt Stammeln (Sprache). Für weitere Erklärungen siehe Stammeln (Begriffsklärung)

Stammeln ist die frühere und heute nicht mehr allgemein gebräuchliche Bezeichnung für Auffälligkeiten der Aussprache. Der heutige gängige Sammelbegriff lautet Dyslalie.

Dyslalien werden in zwei Bereiche gegliedert: Störungen des phonetischen Bereichs sowie Störungen des phonologischen Bereichs.

Unter dem phonetischen Aspekt werden Lautbildungsstörungen verstanden. Laute können aufgrund von artikulationsmotorischen Schwierigkeiten nicht korrekt gebildet werden; es handelt sich also um eine Sprechstörung. Das gängigste Beispiel für eine solche Störung des phonetischen Bereichs ist der Sigmatismus ("Lispeln"), bei dem S-Laute und -Silbianten fehlerhaft gebildet werden.

Der phonologische Aspekt betrifft Lautverwendungsstörungen: Laute können zwar korrekt gebildet, aber nicht gemäß der sprachsystematischen Regeln angewandt werden. Häufig werden sie durch andere, muttersprachliche Laute ersetzt oder ausgelassen. Es handelt sich hierbei also um eine Sprachstörung. Seltener tritt auch eine Mischform beider Störungen auf, die als phonetisch-phonologische Störung bezeichnet wird. Bei dieser Form bedingen sich Lautbildungs- und Lautverwendungsstörungen gegenseitig.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Ursachen von Dyslalien sind in den meisten Fällen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen im auditiven und visuellen Bereich, sowie Störungen der Sprechwerkzeuge (meist im Bereich der Mundmuskulatur). Oft haben sie auch genetisch oder familiär bedingte Ursachen.

Therapiemethoden

Da es sich bei Störungen im phonetischen und im phonologischen Bereich um zwei verschiedene Formen von Dyslalien handelt, sind auch unterschiedliche Therapiemethoden zu empfehlen. Dabei gibt es nie "die" Therapieform, die rezeptartig angewandt wird; vielmehr werden in der logopädischen Praxis jeweils Therapiekonzepte entwickelt, die auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sind und aus vorhandenen Therapiebausteinen sowie neuen, eigenen Ideen bestehen. Den Therapien geht ein Anamnesegespräch sowie eine ausführliche Diagnose voraus, sowie ggf. andere therapeutische Maßnahmen, wie zahnärztliche oder ohrenärztliche Behandlungen.

Grundlage der Therapie der phonetischen Störungen ist die "klassische Artikulationstherapie" von Charles VanRiper. Sie besteht aus den drei Teilaspekten der Übungen zur Fremd- und Eigenwahrnehmung, der Korrekturphase sowie der Stabilisierungsphase. Die Therapie geht davon aus, dass ein fehlerhaftes Lautmuster nur dann verändert werden kann, wenn dem Sprecher seine Fehler bewusst sind.

In der phonologische Therapien ist das "Metaphonkonzept" die gängigste Therapiegrundlage. Vereinzelt gibt es zudem auch die so genannte "Minimalpaartherapie" und die "Phonologische Therapie" (ins Deutsche übertragen von Anette Fox). Therapien phonologischer Störungen sind in den meisten Fällen langwieriger, da die Problematiken oft tiefgreifender sind als bei phonetischen Störungen.

Kinder, die eine phonologische Störung hatten und nicht adäquat behandelt wurden, sind zudem einem noch höheren Risiko einer Schriftspracherwerbstörung ausgesetzt.

Stammelfehler

Neben dem Sigmatismus gibt es noch mehrere andere Stammelfehler, deren Namen sich aus dem griechischen/hebräischen Buchstaben des nicht korrekt gesprochenen Lautes und der Nachsilbe -zismus oder -tismus ergeben:

Stammelfehler
Buchstabe Name Artikulationsstörung
Β βῆτα Betazismus fehlerhafte Aussprache des Lautes b
Γ γάμμα Gammazismus fehlerhafte Aussprache des Lautes g
Δ δέλτα Deltazismus fehlerhafte Aussprache des Lautes d
Κ κάππα Kappazismus fehlerhafte Aussprache des Lautes k
Λ λάμβδα Lambdazismus fehlerhafte Aussprache des Lautes l
Χ χῖ Chitismus fehlerhafte Aussprache des Lautes ch
Ρ ῥῶ Rhotazismus fehlerhafte Aussprache des Lautes r
Σ σίγμα Sigmatismus fehlerhafte Aussprache des Lautes s
ש שין Schetismus fehlerhafte Aussprache des Lautes sch
Τ ταῦ Tauzismus fehlerhafte Aussprache des Lautes t

Wird der Laut durch einen vollständig anderen ersetzt, dann erhält der Fehler noch die Vorsilbe Para-, beispielsweise bei Ersetzung des s-Lauts durch einen t-Laut nennt man diese Störung Parasigmatismus.

Literatur

  • Ulrike Franke, Barbara Lleras, Susanne Lutz: Artikulationstherapie bei Vorschulkindern. Diagnostik und Didaktik. Reinhardt, München 2001, ISBN 978-3-497-01402-6
  • Josefine Kramer: Der Sigmatismus. Universitätsverlag, Freiburg 1967, ISBN 978-3727804557
  • Josefine Kramer: Wenn Kinder stammeln. Walter, 1945.
  • Martina Weinrich, Heidrun Zehner: Phonetische und Phonologische Störungen bei Kindern. Springer, Heidelberg 2005, ISBN 3-540-23041-6

Weblinks


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