Stefan George

Stefan George
Stefan George, 1910
Fotografie von Jacob Hilsdorf
Stefan George
Portrait von Reinhold Lepsius

Stefan Anton George (* 12. Juli 1868 in Büdesheim, heute Stadtteil von Bingen am Rhein; † 4. Dezember 1933 in Minusio bei Locarno) war ein deutscher Lyriker. Zunächst vor allem dem Symbolismus verpflichtet, wandte er sich seit dem Siebenten Ring (1907) vom reinen Ästhetizismus der zuvor in den Blättern für die Kunst propagierten „kunst für die kunst“ ab und dem seit etwa 1900 entstehenden, auf gemeinsamen ästhetischen, philosophischen und heilsgeschichtlichen Vorstellungen beruhenden George-Kreis zu.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Stefan George wurde als Sohn des Gastwirts und Weinhändlers Stephan George und dessen Frau Eva (geb. Schmitt) in Büdesheim (bei Bingen) geboren. George galt als verschlossenes, eigenbrötlerisches Kind und neigte gelegentlich zu Selbstherrlichkeit. Er besuchte ab 1882 das Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt. Währenddessen lernte er selbständig Italienisch, Hebräisch, Griechisch, Latein, Dänisch, Niederländisch, Polnisch, Englisch, Französisch und Norwegisch, um verschiedene Literatur im Original lesen zu können. Seine Sprachbegabung veranlasste ihn auch, mehrere Geheimsprachen zu entwickeln. In dieser Zeit entstanden erste Gedichte, die ab 1887 in der mit Schulfreunden gegründeten Zeitung Rosen und Disteln erschienen und in den 1901 veröffentlichten Band Die Fibel aufgenommen wurden. Nach seinem Abitur 1888 bereiste George die europäischen Metropolen London, Paris und Wien. In Wien lernte er Hugo von Hofmannsthal kennen. In der französischen Hauptstadt traf er auf den Symbolisten Stéphane Mallarmé und dessen Dichterkreis, der ihn nachhaltig beeinflussen sollte. Zu seinen näheren Kontaktpersonen gehörte auch Paul Verlaine. In diesem Kreis gewann er seine exklusive und elitäre Kunstauffassung des l'art pour l'art. Seine Dichtungen sollten sich jeglicher Zweckgebundenheit und Profanierung entziehen. Durch den Einfluss der Symbolisten entwickelte George eine Abneigung gegen die in Deutschland zu dieser Zeit sehr populären Literaturrichtungen des Realismus und des Naturalismus. Ab dem Jahr 1889 studierte er für drei Semester an der Universität Berlin an der Philosophischen Fakultät, brach sein Studium jedoch ab. Danach hatte er sein Leben lang keinen festen Wohnsitz, sondern wohnte bei Freunden und Verlegern (wie Georg Bondi in Berlin), auch wenn er sich zunächst noch relativ häufig in das Elternhaus in Bingen zurückzog. Zwar hatte er von seinen Eltern ein moderates Erbe erhalten, doch lebte er stets selbstgenügsam. Sein Freundeskreis beherbergte ihn zumeist wie einen fürstlichen Gast in Räumen, die ihm stets zur Verfügung standen. Er identifizierte sich mit Dante Alighieri und sah eine große Ähnlichkeit zwischen diesem und ihm, "die vor allem im Profil sichtbar" werde. Im Münchener Fasching trat er als Dante auf.

kunst für die kunst

Das Jahr der Seele

Vor allem sein frühes Werk zeugt von dem Versuch, eine lyrische Erneuerung in Deutschland durchzuführen. 1892 gründete er zusammen mit Carl August Klein die Zeitschrift Blätter für die Kunst, die ganz im Geiste des l’art pour l’art Baudelaires, Verlaines und Mallarmés im Dienst „einer kunst für die kunst“ standen. George selbst begründete seine Einstellung so: „Jeden wahren Künstler hat einmal die Sehnsucht befallen, in einer Sprache sich auszudrücken, deren die unheilige Menge sich nie bedienen würde, oder die Worte so zu stellen, dass nur der Eingeweihte ihre hehre Bestimmung erkenne.“ In dieser Zeit entstanden die Gedichtbände Hymnen, Pilgerfahrten, Algabal, Die Bücher der Hirten und Preisgedichte, Das Jahr der Seele und Der Teppich des Lebens. Die „Blätter“ erschienen bis 1919 im Privatdruck in unregelmäßigen Abständen mit insgesamt 12 Folgen von jeweils 5 Heften à 32 Seiten, einige von ihnen als Doppelausgaben. Die Anfangsauflage betrug 100 Exemplare, die sich später bis auf 2000 steigerte. Auf dem Titelblatt wurde bis zuletzt die Exklusivität wie folgt hervorgehoben: „Diese zeitschrift im verlag des herausgebers hat einen geschlossenen von den mitgliedern geladenen leserkreis.“ Die ersten Auflagen lagen nur in drei ausgewählten Buchhandlungen in Berlin, Wien und Paris aus. Die Mitglieder waren namentlich im „Kreis der Blätter für die Kunst“ vertreten.

George trat in dieser Zeit vor ausgesuchtem Hörerkreis zu Lesungen auf. Während er in ein priesterliches Gewand gekleidet seine Verse verlas, lauschte das Publikum ergriffen. Anschließend empfing er einzelne Zuhörer zu Audienzen in einem Nebenzimmer. Seine Bücher waren auffällig gestaltet und zunächst nur in intellektuellen Kreisen vorhanden. Auffallend war das Schriftbild seiner Bücher. Die Texte sind in gemäßigter Kleinschreibung gehalten (Versalien für Versanfänge und teilweise Eigennamen und andere Betonungen). Ab 1904 erschienen Georges Drucke in einer eigenen Drucktype, der so genannten St.-G.-Schrift,[1] die vorgeblich auf Georges eigener „Handschrift“ basierte.

Georges Ausführungen über die Kunst fanden immer mehr Anklang im geisteswissenschaftlichen Raum. Dies lag vor allem daran, dass der Mitarbeiterkreis der Blätter für die Kunst Einfluss auf die Literaturwissenschaft des frühen 20. Jahrhunderts hatte. Der George nahestehende Friedrich Gundolf hatte beispielsweise den Lehrstuhl für Germanistik an der Universität Heidelberg inne und sorgte mit Abhandlungen über Johann Wolfgang von Goethe und Heinrich von Kleist für Aufsehen. Karl Wolfskehl hingegen leistete bedeutende Arbeit auf dem Gebiet der Übertragung alt- und mittelhochdeutscher Dichtung.

Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit war George als Übersetzer aktiv. Allerdings waren dies keine Übersetzungen im herkömmlichen Sinne, sondern Umdichtungen. Er versuchte, beim Übersetzen Sinn und Rhythmus der ursprünglichen Dichtung nachzuempfinden.

George-Kreis

Hugo von Hofmannsthal, 1893
mit 19 Jahren

Ab etwa 1892 versammelten sich gleichgesinnte Dichter um George, die sich mit ihm geistig verbunden fühlten. Maßgebend für die Anschauungen des sogenannten George-Kreises waren Georges Veröffentlichungen. Zunächst war es ein Bund Gleichgestellter, der sich um die Blätter für die Kunst scharte; zu ihnen gehörten Paul Gerardy, Karl Wolfskehl und Ludwig Klages. Zu diesem Zeitpunkt war der Bund zwar auf George hin ausgerichtet, aber die Struktur blieb lose. Nach 1900 änderte sich der Charakter des Kreises. Mit dem Beitritt neuer und jüngerer Mitglieder änderte sich auch das Verhältnis zum „Meister“. George fühlte sich als Bildner und Lehrmeister der Jugend. Vornehmlich Friedrich Gundolf, später auch die drei Brüder Stauffenberg folgten ihm wie Jünger.

Von 1897 bis 1903 gehörte auch Karl Gustav Vollmoeller sowohl zum George-Kreis als auch zum Mitarbeiterstab für die Blätter für die Kunst. 1901 wurde Vollmoeller eine große Ehrung durch George zuteil, als dieser rund die Hälfte von Vollmoellers im Entstehen begriffenen Versdrama „Catherina – Gräfin von Armagnac“ in den Blättern für die Kunst veröffentlichte, was schlagartig für Vollmoellers Durchbruch als Dichter sorgte. Obwohl sich Vollmoeller 1903 aus dem George-Kreis und damit aus der Bevormundung durch George zurückzog, blieb er gedanklich und emotional nicht nur George, sondern besonders auch Hofmannsthal, Melchior Lechter, Karl Wolfskehl und anderen Mitgliedern des Kreises verbunden.

Zu seinen engen Vertrauten zählte der Wiener Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal (1874–1929), der sich ihm jedoch bald entzog. Die Beziehung war von Seiten Georges anfangs auch körperlich gewünscht, was Hofmannsthal jedoch nach kurzer Zeit im Dezember 1892 ablehnte. Der geistige Umgang dauerte fast 15 Jahre an, wobei George die Rolle eines bestimmenden älteren Freundes einnahm, gleichwohl wehrte sich Hofmannsthal, bei aller Hochschätzung der dichterischen Genialität Georges, gegen die persönliche Vereinnahmung durch ihn und seinen Kreis. Aus dieser Zeit stammt ein intensiver Briefwechsel. Hofmannsthal stellte in seinem „Gespräch über Gedichte“ (1903) das berühmte, aus dem „Jahr der Seele“ stammende Gedicht vor, mit dem George diesen Zyklus einleitet. Für viele zählt es zu den schönsten Zeugnissen lyrischer Landschaftsmalerei:

Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade.
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das tiefe gelb. Das weiche grau
Von birken und von buchs. Der wind ist lau.
Die späten rosen welkten noch nicht ganz.
Erlese küsse sie und flicht den kranz.
Vergiss auch diese lezten astern nicht.
Den purpur um die ranken wilder reben.
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

Es wurde immer klarer, dass die gegenseitigen Erwartungen enttäuscht wurden und ihre künstlerischen Vorstellungen immer weiter auseinander gingen. So konzentrierte sich George auf die Lyrik und verlangte Gefolgschaft, der sich Hofmannsthal allmählich entzog, zumal er sich auch dem Drama und anderen Formen gegenüber aufgeschlossen zeigte. Auf die Widmung seines Trauerspiels „Das gerettete Venedig“ von 1904 an George reagierte dieser ablehnend. Er bescheinigte Hofmannsthal, dass der Versuch, den „Anschluss an die große Form zu finden“, misslungen sei. Im März 1906 brachen sie den Kontakt ganz ab. Noch dramatischer erging es dem Heidelberger Professor Friedrich Gundolf, der sich in einem derartigen Hörigkeitsverhältnis zu ihm befand, dass er den Ausschluss aus dem George-Kreis (Grund war seine Heirat 1926 mit Elisabeth Salomon, die der eifersüchtige George nicht duldete) nicht verwand. 1927 erkrankte er an Krebs, an dem er 1931 starb.

George hatte auch persönlichen Einfluss auf die jungen Brüder Stauffenberg. Berthold Graf Schenk von Stauffenberg bestimmte er als seinen Nacherben nach Robert Boehringer.

Wandel zum pessimistischen Propheten

Stefan George 1910

Ab 1907 – George war fast 40 Jahre alt – ist eine Zäsur in Georges Vorstellung von der Kunst zu erkennen. Seine Werke gewannen zunehmend einen prophetischen und religiösen Charakter und verloren die Einschätzung der selbstgenügsamen Kunst. Fortan fungierte George zunehmend als ästhetischer Richter oder Ankläger, der gegen eine Zeit der Verflachung anzukämpfen versuchte. Anlass hierzu war vor allem das sogenannte Maximin-Kapitel. 1902 lernte George den vierzehnjährigen Maximilian Kronberger kennen. „Maximin“ (so nennt ihn George) wird vom zwanzig Jahre älteren George zum „wahrhaft Göttlichen“, der „in unsere Kreise getreten war“,[2]) hochstilisiert. Der engere George-Kreis folgte seinem Meister, so dass der sogenannte Maximin-Kult entstand, besonders wegen des frühen Todes Maximins im Jahre 1904.

Des Weiteren wurde der thematische Bruch Georges mit dessen Privatleben begründet. In dieser Zeit hatte er sich vom okkulten Kreis Ludwig Klages’ und Alfred Schulers abgewandt. Zudem brach der Kontakt zu Hugo von Hofmannsthal ab. Der Wegfall einiger Anhänger (u. a. Richard Mondt) und die Nachfolge durch jüngere Dichter sorgten für einen Wandel der Blätter für die Kunst. Die nun teilweise auch anonym veröffentlichten Gedichte rückten ins Metaphysische und behandelten mehrfach apokalyptische und expressionistische, sowie esoterisch-kosmische Themen. Auch der George-Kreis hatte sich dadurch verändert. War er zuvor eine Vereinigung Gleichgesinnter, wandelte er sich nun zu einem hierarchischen Bund aus Jüngern, die sich um ihren höhergestellten Meister George scharten.

Wichtige Arbeiten, die auf dieser Grundlage entstanden, waren die 1907 veröffentlichten Gedichtbände Maximin und Der siebente Ring. Den Höhepunkt erreichte er mit dem 1914 veröffentlichten Gedichtband Der Stern des Bundes.

Kriegsablehnung und Idol der Jugend

Kriegszerstörungen in einem Wald bei Ypern

George fiel nicht in die allgemeine Kriegseuphorie ein. Stattdessen prophezeite er einen für Deutschland düsteren Ausgang. So formulierte er in seinem zwischen 1914 und 1916 entstandenen Gedicht Der Krieg:

Zu jubeln ziemt nicht: kein triumf wird sein ·
Nur viele untergänge ohne würde..
Des schöpfers hand entwischt rast eigenmächtig
Unform von blei und blech · gestäng und rohr.
Der selbst lacht grimm wenn falsche heldenreden
Von vormals klingen der als brei und klumpen
Den bruder sinken sah · der in der schandbar
Zerwühlten erde hauste wie geziefer..
Der alte Gott der schlachten ist nicht mehr.
Erkrankte welten fiebern sich zu ende
In dem getob. Heilig sind nur die säfte
Noch makelfrei versprizt – ein ganzer strom.[3]

Das Kriegsende 1918 und die allgemeine Zerstörung und das Chaos empfand George als Bestätigung seiner Visionen. In der Weimarer Republik wurde er zum Idol einer idealistischen Jugend, und es formierten sich um ihn Jugendliche sowohl zionistischer als auch antisemitischer Prägung, ebenso wie nationalistisch und republikanisch eingestellte. Diesem Kreis gehörten auch der junge Claus Graf Schenk von Stauffenberg an. Klaus Mann erinnerte sich an seine Popularität später wie folgt: „Inmitten einer morschen und rohen Zivilisation verkündete, verkörperte er eine menschlich-künstlerische Würde, in der Zucht und Leidenschaft, Anmut und Majestät sich vereinen.“[4] George konnte den künstlerisch interessierten Jugendlichen offenbar mit seiner Person eine Stütze bieten, die dem Nihilismus der Zeit widersprach. George selbst stand der Republik skeptisch gegenüber. 1927 wurde ihm der erste Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main verliehen. George lehnte jedoch ab. Ab 1921 verbrachte George den Sommer in Königstein im Taunus. Umsorgt wurde er hier von seiner Schwester Anna, die sich 1918 in Königstein niedergelassen hatte.

Georges Wohnhaus in Königstein

 »Das neue Reich« 

Stefan Georges Grab in Minusio

Georges Spätwerk Das neue Reich wurde 1928 veröffentlicht. In „Das neue Reich“ verkündete George eine hierarchische Gesellschaftsreform auf der Grundlage einer neuen geistig-seelischen Aristokratie. Von dem Gedichtband ausgehend wollten die Nationalsozialisten George für ihre Zwecke einspannen. George verfolgte jedoch die Verwirklichung eines Reiches auf rein geistiger Ebene und wollte keine politische Verwirklichung eines hierarchischen und totalitären Systems, weswegen er die Gesuche der Nationalsozialisten ablehnte. Nach der Machtübernahme 1933 bot Reichspropagandaminister Joseph Goebbels ihm die Präsidentschaft einer neuen deutschen Akademie für Dichtung an. Dieses Angebot lehnte George ab. Auch der von Parteiseite pompös inszenierten Feier zu seinem 65. Geburtstag blieb er fern. Er begab sich schließlich, bereits schwer erkrankt, in die Schweiz, wo er am 4. Dezember im Krankenhaus in Locarno starb. Ob es sich bei der Reise in die Schweiz um ein Exil handelte oder nur um einen als vorübergehend geplanten Aufenthalt, ist nicht mehr festzustellen. George ist auf dem Friedhof von Minusio bestattet worden. An seinem Begräbnis nahmen auch die Brüder Berthold und Claus Schenk Graf von Stauffenberg teil.

Bedeutung

Bronze-Denkmal
in der Fußgängerzone von Bingen

Literarisch

Georges Lyrik grenzt sich bewusst von der Sprache des Alltags und der von Medien geprägten Wortwahl durch hohe stilistische und formale Strenge ab. Viele seiner Gedichte sind exemplarisch selbstreflexive Lyrik. Dramatik und Prosa galten ihm als weniger wertvolle literarische Gattungen, obwohl das Drama in seinem Kreis (beispielsweise von Henry von Heiseler) durchaus gepflegt wurde. Themen seines Frühwerks waren Tod, unerfüllte tragische Liebe und Hingezogenheit zur Natur. Georges Ziel in seinem Spätwerk war die Erschaffung eines neuen, schönen Menschen. Grundlage sollten Männlichkeit, Zucht, Sitte und Dichtkunst sein. Einige Texte wurden auch als Grundlage zu musikalischen Werken verwendet, so zum Beispiel von Richard Mondt (1873–1959), Arnold Schönberg (1874–1951), Anton von Webern (1883–1945), Gerhard Frommel (1906–1984), Theo Fischer (1926), Gerhard Fischer-Münster (1952) und Wolfgang Rihm (1952).

Neben der eigenen Dichtertätigkeit und ausgedehnten Reisen durch ganz Europa war George außerdem noch Übersetzer von Dante, Shakespeares Sonetten, Charles BaudelaireDie Blumen des Bösen – Umdichtungen“, Émile Verhaeren und vielen anderen.

Stefan George hatte durch seine zahlreichen Kontakte zu bekannten deutschen Hochschulprofessoren wie z. B. Friedrich Gundolf großen Einfluss auf das deutsche Universitätswesen, vor allem in den Geisteswissenschaften.

Gottfried Benn urteilt: „George war das großartigste Durchkreuzungs- und Ausstrahlungsphänomen, das die deutsche Geistesgeschichte je gesehen hat.“[5]

Politisch

Georges Spätwerk Das neue Reich sah vor, sich auf rein geistiger Ebene zu verwirklichen. Dem nahenden Dritten Reich stand der Dichter kritisch gegenüber. „[Er] verurteilte die Ausschreitungen, war abgestoßen vom plebejisch Massenhaften der Bewegung, aber begrüßte doch die Veränderung als solche“[6]. Das angebliche Bekenntnis, George habe sich als „Ahnherr der neuen nationalsozialistischen Bewegung“[7] bezeichnet, stufte Kurt Hildebrandt als Verfälschung des NS-Kultusministeriums ein. Tatsächlich schrieb George, als er den ihm angetragenen Ehrenposten als Präsident der von den Nationalsozialisten neugegründeten Dichterakademie ablehnte: „Zwar bin ich der Ahnherr jeder nationalen Bewegung – wie aber der Geist in die Politik kommen soll – das kann ich ihnen nicht sagen.“[8]

Der Vertreter des George-Kreises, der zu größtem Ruhm gelangte, war Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Der Georgeschen Vorstellung eines nicht nationalen, sondern „Heiligen Deutschland“ verpflichtet, wandte sich Stauffenberg unter Einsatz seines Lebens gegen das Unrechtsregime und unternahm am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Adolf Hitler. Stauffenberg soll noch unmittelbar vor seiner Erschießung „Es lebe das geheime Deutschland“ gerufen haben (eine andere Version besagt, er habe gerufen: „Es lebe das heilige Deutschland“). Der Ausdruck geheimes Deutschland ist eine Reminiszenz an Georges gleichnamiges Spät-Gedicht „Geheimes Deutschland“.[9]

Werke

Werkausgaben

  • Gesamt-Ausgabe der Werke. Endgültige Fassung. Berlin 1927–1934.
  • Sämtliche Werke. Herausgegeben von der Stefan George-Stiftung. Bearbeitet von Georg Peter Landmann und Ute Oelmann, Stuttgart 1981ff.

Gedichtbände

  • Die Fibel (frühe Gedichte, erst 1901 veröffentlicht)
  • Hymnen (1890)
  • Pilgerfahrten (1891)
  • Algabal (1892) (der Name bezieht sich auf den römischen Kaiser Elagabal)
  • Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten (1895)
  • Das Jahr der Seele (1897; Text beim Projekt Gutenberg)
  • Der Teppich des Lebens und die Lieder von Traum und Tod mit einem Vorspiel (1900; Text beim Projekt Gutenberg
  • Baudelaire. Blumen des Bösen. Umdichtungen (1901)
  • Tage und Taten (1903)
  • Zeitgenössische Dichter. Umdichtungen. 2 Bände (1905)
  • Maximin. Ein Gedenkbuch (1906) (v. George herausgegeben, enth. auch Gedichte anderer)
  • Der siebente Ring (1907)
  • Dante. Stellen aus der Göttlichen Komödie (1909)
  • Shakespeare Sonnette. Umdichtungen (1909) ISBN 978-3-608-95117-2
  • Dante. Göttliche Komödie (Öffentliche Ausgabe. 1912)
  • Der Stern des Bundes (1914; Text beim Projekt Gutenberg)
  • Der Krieg (1917)
  • Drei Gesaenge: An die Toten, Der Dichter in Zeiten der Wirren, Einem jungen Führer im Ersten Weltkrieg (1921)
  • Das neue Reich (1928)

Briefwechsel

  • Briefwechsel zwischen George und Hofmannsthal. Hrsg. von Robert Boehringer (1938)
  • Stefan George / Friedrich Wolters: Briefwechsel 1904–1930. Herausgegeben von Michael Philipp. Castrum Peregrini Presse, Amsterdam 1998 (= Castrum Peregrini 233–235)
  • Briefe. Melchior Lechter und Stefan George. Hrsg. von Günter Heintz. Hauswedell, Stuttgart 1991. ISBN 3-7762-0318-8
  • Briefwechsel. Stefan George und Ida Coblenz. Hrsg. von Georg Peter Landmann und Elisabeth Höpker-Herberg. Klett-Cotta Stuttgart, 1983. ISBN 3-608-95174-1

Literatur

George-Kreis
Erinnerungsliteratur
  • Robert Boehringer: Mein Bild von Stefan George. 2 Bände (Bild- und Textband), Helmut Küpper vormals Georg Bondi, Düsseldorf/München 1951 (2. Auflage 1968).
  • Edith Landmann: Gespräche mit Stefan George. Düsseldorf und München 1963.
  • Sabine Lepsius: Stefan George. Geschichte einer Freundschaft. Stuttgart 1935
  • Ludwig Thormaehlen: Erinnerungen an Stefan George , Dr. Ernst Hauswedell & Co Verlag Hamburg 1962
Sekundärliteratur
  • Wolfgang Braungart: Ästhetischer Katholizismus. Stefan Georges Rituale der Literatur. Niemeyer, Tübingen 1997, ISBN 3-484-63015-9 (Communicatio, Band 15).
  • Stefan Breuer: Ästhetischer Fundamentalismus. Stefan George und der deutsche Antimodernismus. Primus, Darmstadt 1996. ISBN 3-89678-003-4
  • Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Stefan George. text + kritik. Band 168. München 2005. ISBN 3-88377-815-X
  • Wolfgang Braungart, Ute Oelmann, Bernhard Böschenstein (Hrsg.): Stefan George: Werk und Wirkung seit dem ‚Siebenten Ring‘. Niemeyer, Tübingen 2001, ISBN 978-3-484-10834-9,
  • Ulrich K. Goldsmith: Stefan George: A study of his early work. Boulder: University of Colorado Press (University of Colorado Studies Series in Language and Literature 7), 1959.
  • Ulrich K. Goldsmith: Stefan George. New York: Columbia University Press (Essays on Modern Writers), 1970.
  • Stefan-George-Bibliographie 1976-1997. Mit Nachträgen bis 1976. Auf der Grundlage der Bestände des Stefan-George-Archivs in der Württembergischen Landesbibliothek, bearb. von Lore Frank und Sabine Ribbeck. Niemeyer, Tübingen 2000. ISBN 3-484-10823-1
  • Günter Heintz: Stefan George. Studien zu seiner künstlerischen Wirkung. Schriften zur Literatur- und Geistesgeschichte. Bd 2. Hauswedell, Stuttgart 1986. ISBN 3-7762-0249-1
  • Thomas Karlauf: Stefan George. Die Entdeckung des Charisma. Blessing, München 2007. ISBN 978-3-89667-151-6 (Rezension FAZ.net, Rezension Tagesspiegel)
  • Karlhans Kluncker: „Das geheime Deutschland“. Über Stefan George und seinen Kreis. Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft. Bd 355. Bouvier, Bonn 1985. ISBN 3-416-01858-3
  • Rainer Kolk: Literarische Gruppenbildung. Am Beispiel des George-Kreises 1890-1945. Niemeyer, Tübingen 1998. ISBN 3-484-63017-5
  • Maximilian Nutz: Werte und Wertungen im George-Kreis. Zur Soziologie literarischer Kritik. Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft. Bd 199. Bouvier, Bonn 1976. ISBN 3-416-01217-8
  • Ernst Osterkamp: Poesie der leeren Mitte. Stefan Georges Neues Reich. Carl Hanser Verlag, München 2010, ISBN 978-3-446-23500-7.
  • Wolfgang Osthoff: Stefan George und „Les deux musiques“ Tönende und vertonte Dichtung im Einklang und Widerstreit. Stuttgart 1989. ISBN 3-515-05238-0
  • Michael Petrow: Der Dichter als Führer? Zur Wirkung Stefan Georges im „Dritten Reich“. Tectum-Verlag, Marburg 1995. ISBN 3-929019-69-8
  • Ulrich Raulff: Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben, C. H. Beck, München 2009.
  • Martin Roos: Stefan Georges Rhetorik der Selbstinszenierung. Grupello, Düsseldorf 2000. ISBN 3-933749-39-5
  • Armin Schäfer: Die Intensität der Form. Stefan Georges Lyrik. Böhlau, Köln u.a. 2005. ISBN 3-412-19005-5
  • Franz Schonauer: Stefan George. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlts Monographien. Bd 44. Rowohlt, Reinbek 2000. (10. Aufl.) ISBN 3-499-50044-2
  • Werner Strodthoff: Stefan George. Zivilisationskritik und Eskapismus. Studien zur Literatur der Moderne. Bd 1. Bouvier, Bonn 1976. ISBN 3-416-01281-X
  • Bodo Würffel: Wirkungswille und Prophetie. Studien zu Werk und Wirkung Stefan Georges. Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft. Bd 249. Bouvier, Bonn 1978. ISBN 3-416-01384-0

Weblinks

 Wikisource: Stefan George – Quellen und Volltexte
 Commons: Stefan George – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Biografien
Aufsätze und Artikel

Anmerkungen

  1. Stephan Kurz: »George-Schriften«. In: Institut für Textkritik. 18. Januar 2007, abgerufen am 3. August 2007.
  2. Stefan George: Vorrede zu Maximin. In: Ders.: Gesamtausgabe der Werke Digitale Bibliothek, S. 1.917.
  3. Stefan George: Der Krieg [1917]. In: Stefan George: Das neue Reich. Herausgegeben von Ute Oelmann. Klett-Cotta, Stuttgart 2001 (= Sämtliche Werke in 18 Bänden, Band IX), S. 21–26, hier S. 24.
  4. Biographie Georges, androphile.org
  5. Gottfried Benn, Rede auf Stefan George (1934), in: Gottfried Benn, Gesammelte Werke, Bd. 1, Klett-Cotta, Stuttgart 1997 (9. Aufl.), S. 466
  6. Michael Landmann, zitiert in Robert E. Norton, Wozu George in heutiger Zeit?, Frankfurter Rundschau, 5. Juli 2010
  7. vgl. den Text des Beileidstelegramms, das am 4. Dezember 1933 von der NS-Regierung an Georges Schwester gesandt wurde, abgedruckt in: Margarete Klein: Stefan George als heldischer Dichter unserer Zeit, Heidelberg 1938, S. 100
  8. Martin A. Siemoneit: Politische Interpretationen von Stefan Georges Dichtung, 1978, S. 61
  9. Manfred Riedel: Geheimes Deutschland‎, Böhlau Verlag, Köln 2006

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