Sternwarte Berlin

Sternwarte Berlin
Erste Berliner Sternwarte auf dem Marstall in Dorotheenstadt, Ansicht von Norden.
Neue Berliner Sternwarte, Ansicht von Osten, nach J. F. Encke, 1840.

Die Berliner Sternwarte war eine astronomische Forschungseinrichtung, die in Verbindung mit der Kurfürstlich-Brandenburgischen Societät der Wissenschaften gegründet und unter der nachfolgenden Königlich Preußischen Sozietät bzw. der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften als Königliche Sternwarte zu Berlin betrieben wurde.

Von dem ursprünglichen Standort der alten Sternwarte seit dem Jahr 1711 im Stadtviertel Berlin-Dorotheenstadt, im heutigen Berlin-Mitte, wurde sie als neue Berliner Sternwarte 1835 nach Berlin-Friedrichstadt im heutigen Berlin-Kreuzberg verlegt. Ein zweiter Umzug, aus dem weiter wachsenden Berlin, erfolgte 1913 in den Schlosspark Babelsberg im heutigen Potsdam. Als Hinweis auf ihre Herkunft nannte sich die Einrichtung Sternwarte Berlin-Babelsberg. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand Berlin aus dem Namen. Die Sternwarte Babelsberg wurde u.a. mit dem Astrophysikalischen Observatorium Potsdam und dem Sonnenobservatorium Einsteinturm zum Zentralinstitut für Astrophysik der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vereinigt. Nach der Wiedervereinigung gründet sich daraus das Astrophysikalische Institut Potsdam, als dessen Hauptstandort heute die Sternwarte Babelsberg dient.

An der vormals neuen Berliner Sternwarte arbeiteten bedeutende Astronomen, wie Johann Franz Encke, Friedrich Wilhelm Bessel und Johann Gottfried Galle. 1846 wurde von ihr aus der Planet Neptun entdeckt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Kopie des Kalenderpatents vom 10. Mai 1700, dem Ursprung der Berliner Sternwarte (siehe auch: Text in moderner Schrift[1]).

Im Zuge der Einführung des „Verbesserten Kalenders“ in den protestantischen deutschen Staaten wurde von Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, am 10. Mai 1700 für die noch zu gründende Berliner Sternwarte ein Kalenderpatent erlassen. Acht Tage später erfolgte die Berufung von Gottfried Kirch zum Direktor beziehungsweise ersten Astronomen („astronomo ordinario“) der Sternwarte. Am 11. Juli 1700 unterzeichnete der Kurfürst an seinem 43. Geburtstag den Stiftungsbrief einer Akademie und einer Sternwarte für Berlin. Die Stadt bekam so mit der Kurfürstlich-Brandenburgischen Societät der Wissenschaften nach Plänen von Gottfried Wilhelm Leibniz und deren Unterstützung durch die Kurfürstin Sophie Charlotte eine Akademie, wie sie London, Paris und Rom schon hatten. Leibniz wurde ihr erster Präsident. Die Gebühren für die Berechnung und Vertreibung des Grundkalenders durch die astronomische Einrichtung dienten nach Leibniz’ Konzept als Finanzierungshilfe für die Societät und waren für lange Zeit die nahezu einzige Einnahmequelle der Institution.[2] Da der Gesellschaft noch kein eigenes Observatorium zur Verfügung stand, führte Kirch seine Beobachtungen von verschiedenen Privathäusern aus durch, unter anderem ab 1905 an der Privatsternwarte des Geheimrats Bernhard Friedrich von Krosigk in der Wallstraße im Stadtviertel Neu-Cölln am Wasser. Kirchs Frau Maria Margaretha und Sohn Christfried halfen ihm dabei. Maria Margaretha Kirch entdeckte unter anderem den Kometen von 1702. Zum 1. Januar 1710 wurden die fünf bis dahin unabhängigen Städte Dorotheenstadt, Friedrichstadt, Friedrichswerder und die Doppelstadt Berlin-Cölln, einschließlich Neu-Cölln am Wasser, zur Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin vereinigt.

Alte Berliner Sternwarte

52° 31′ 8″ N, 13° 23′ 29″ O52.51888888888913.3913888888897

Der Königliche Stall und das Observatorium, Aquarell von L. L. Müller, 1824.

Die erste Berliner Sternwarte stand auf dem Marstall in Dorotheenstadt. Der Marstall für 200 Pferde wurde Unter den Linden von 1687 bis 1688 nach Plänen des Architekten Johann Arnold Nering errichtet und von 1695 bis 1697 für die 1696 gegründete Academie der Mahler-, Bildhauer- und Architectur-Kunst um eine zweite Etage aufgestockt. Von 1696 bis 1700 erweiterte Martin Grünberg den Gebäudekomplex für die 1700 gegründete Societät der Wissenschaften auf den doppelten Umfang nach Norden bis zur Letzten Straße, der späteren Dorotheenstraße (von 1822 bis 1951 und seit 1995 Dorotheenstraße, dazwischen Clara-Zetkin-Straße[3]).[4] Von 1700 bis 1711 kam auf den Nordflügel der Anlage als Sternwartengebäude von Grünberg ein Turm mit drei zusätzlichen Geschossen hinzu. Der 27 Meter hohe Bau war eine der ersten Turmsternwarten des 18. Jahrhunderts.[5] 1706 wurde das Observatorium teilweise benutzbar und 1709 einigermaßen bezugsfertig.[6] Am 15. Januar 1711 hielt die ab 1701 Königlich Preußische Sozietät der Wissenschaften in dem Turm ihre erste Sitzung ab und vier Tage später, am 19. Januar 1711, ihre erste festliche Versammlung; auf der wurde das Observatorium feierlich übergeben.[7] Es wurde zum repräsentativen Mittelpunkt der Sozietät. Mit der Zeit wurden in seinen Räumen auch deren Bibliothek und das Naturalienkabinett untergebracht.[6] Die Gesellschaft wurde 1744 von Friedrich II. zur Königlichen Akademie der Wissenschaften reorganisiert und hatte dort ihren Sitz bis 1752.[8]

Gottfried Kirch starb 1710 ein Jahr vor der Eröffnung der Akademie und des Observatoriums. An seine Stelle des Leiters der Sternwarte rückte sein Assistent Johann Heinrich Hoffmann. Als Hoffmann 1716 starb, wurde Christfried Kirch sein Nachfolger – der Sohn von Gottfried Kirch. Er wurde in der Kalendererstellung von seiner Mutter Maria Margaretha Kirch und seiner Schwester Christine Kirch unterstützt, so wie einst er mit seiner Mutter dem Vater unter die Arme griff. Bei den praktischen Tätigkeiten half ihm von 1720 bis 1736 J. G. Schütz. Nach dem Tod von Christfried Kirch übernahm 1740 Johann Wilhelm Wagner das Amt des Direktors. Die Kalenderberechnung wurde in wesentlichen Teilen für viele Jahre von Christine Kirch fortgesetzt; sie war auch für die Berechnung der Einnahmen zuständig.[9] In den Jahren der „Alten Sternwarte“ setzten sich neben anderen auch Leonhard Euler, Joseph Louis Lagrange und Johann Heinrich Lambert in Berlin mit astronomischen Fragen auseinander. 1768 erhielt das Observatorium einen von John Bird gebauten Mauerquadranten und damit das erste bedeutende Beobachtungsinstrument. Das Messgerät kann heute in der Sternwarte Babelsberg besichtigt werden. Langjährige Direktoren des alten Observatoriums waren ab 1764 Johann III. Bernoulli und nach ihm seit 1787 Johann Elert Bode. Lambert holte Bode 1773 nach Berlin, um mit ihm ein Astronomisches Jahrbuch herauszugeben; nach Lamberts Tod wurde Bode alleiniger Herausgeber.[10] Bereits 1774 erschien der erste Jahrgang des Berliner Astronomischen Jahrbuchs für 1776 und eröffnete damit die bis in das Jahr 1959 reichende, längste Publikationsreihe in der Astronomie. Durch dieses internationale Dokumentationsmedium entwickelte sich die Berliner Sternwarte zu einem Nachrichtenzentrum von europäischem Rang.[11] Bode war ein Neffe von Christine Kirch und wurde ihr anfangs als Gehilfe bei der Kalenderarbeit zugeteilt.[9] Als Direktor der Einrichtung ab 1787 konnte Bode durch die Gunst von Friedrich II. die bis dahin eher drittklassige Sternwarte um ein drittes Beobachtungsstockwerk erweitern. 1797 kam Johann Georg von Soldner als Bodes Mitarbeiter nach Berlin; 1801 erschien im Astronomischen Jahrbuch für des Jahr 1804 Soldners Arbeit über die Schwere des Lichtes mit seiner Folgerung der Krümmung der Lichtstrahlen in einem Gravitationsfeld.[12] Bis 1811 finanzierte sich das astronomische Institut ausschließlich durch das Monopol der Kalenderberechnung, das der Akademie zu ihrer Gründung verliehen wurde; in diesem Jahr verlor die Akademie das Kalenderprivileg und wurde künftig über den Staatshaushalt zuzüglich von Stiftungen bestritten.

Turm der alten Berliner Sternwarte zwischen 1832 und 1848, mit Signalmast der optischen Telegrafenstation. Ansicht von Westen, von F. W. Klose.

Als für die Leitungsposition Bodes aus Altersgründen ein Nachfolger gesucht wurde, lehnten Carl Friedrich Gauß und Friedrich Wilhelm Bessel ab.[13] Auf Empfehlung von Bessel wurde 1825 Johann Franz Encke,[14] seit 1822 Direktor der Sternwarte Gotha, von König Friedrich Wilhelm III. nach Berlin gerufen und zum Direktor der Berliner Sternwarte ernannt. Mit der Unterstützung von Alexander von Humboldt konnte Encke beim preußischen König den Bau einer neuen Sternwarte am damaligen Stadtrand erreichen. Dank Humboldts Einfluss konnten teure Geräte, wie ein 20.000 Taler teures Teleskop, angeschafft werden. Bedingung war, dass die Sternwarte an zwei Abenden in der Woche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Das neue Hauptinstrument seit 1829 war ein Refraktor aus der Münchener Werkstatt von Joseph von Fraunhofer mit einer Öffnung von 9 Zoll (24,4 cm) und einer Brennweite von 4,33 Metern. Das Teleskop befindet sich heute im Deutschen Museum in München.[15]

Zwischen 1832 und 1849 diente der Turm der alten Sternwarte als Telegraphenstation 1 von insgesamt bis zu 62 Stationen der königlich-preußischen optischen Telegraphenverbindung von Berlin über Köln nach Koblenz.[8] Das gesamte Areal des später abgerissenen Marstalls wird seit 1914 von der Berliner Staatsbibliothek eingenommen.

Neue Berliner Sternwarte

52° 30′ 12″ N, 13° 23′ 35″ O52.50333333333313.3930555555567

Die Neue Sternwarte in Berlin, Ölgemälde von C. D. Freydanck, 1838.
Grundriss der neuen Berliner Sternwarte von 1879
1896: Lage der neuen Berliner Sternwarte neben dem ehemaligen Areal der neueren Markthalle II

Die Errichtung der neuen Sternwarte erfolgte durch allerhöchste Kabinettsorder vom 10. November 1830. Mit der Bauplanung wurde der Architekt Karl Friedrich Schinkel beauftragt. Zum Preis von 15.000 Talern wurde ein zirka einen Hektar großes Grundstück in der Nähe des Halleschen Tores erworben, in Lage der spitzwinkligen Umfassung durch die Lindenstraße und die Friedrichstraße im heutigen Ortsteil Berlin-Kreuzberg. Am 22. Oktober 1832 erfolgte die Grundsteinlegung und 1835 wurde das Observatorium fertiggestellt, auf dem jetzigen Areal zwischen Encke-, Bessel- und Markgrafenstraße an der Lindenstraße. Der südliche Abschluss der Charlottenstraße und Vorläufer der Enckestraße hat später zu Ehren des damaligen Direktors den Namen Enckeplatz erhalten und die Sternwarte bekam die Adresse Enckeplatz 3 A.

Das zweistöckige Bauwerk war ein Putzbau „in einfachen hellenischen Stilformen“ als Verbindung aus Moderne und Antike. Das Gebäude war in Kreuzform angelegt und mit seinem längsten Arm nach Osten ausgerichtet. Am Schnittpunkt der Kreuzarme befand sich die Eisenkonstruktion einer drehbaren Kuppel mit einem Durchmesser von 7,5 Metern. Es handelte sich um die erste Sternwartenkuppel in Preußen in Form einer Halbkugel mit Spaltverschluss und Drehmechanismus. Das Fundament des eigentlichen Observatoriums war vom übrigen Gebäude unabhängig, um die Übertragung von Schwingungen zu vermeiden. Unter der Kuppel befand sich die Bibliothek. Im Obergeschoss der Sternwarte waren weitere Beobachtungsräume sowie wissenschaftliche Arbeitszimmer eingerichtet. Der lange Ostflügel beherbergte im Erdgeschoss die Dienstwohnung des Direktors und war mit einer Tempelfront gestaltet, die als Hauptfront im Giebelrelief den Lichtgott Apollon mit Viergespann zeigte. An der Nordseite des Observatoriums wurde der Normalhöhenpunkt 1879 für das Königreich Preußen markiert. Östlich des Gebäudes stand ein kleines Haus mit der Dienstwohnung des Kastellans.

Unter den modernen Beobachtungsinstrumenten befand sich neben dem 9-Zoll-Refraktor von Fraunhofer unter anderem auch eine Pendeluhr von Friedrich Tiede. 1938 kam ein fertiggestellter Meridiankreis von Carl Philipp Heinrich Pistor hinzu.[16]

Am 24. April 1835 konnte Encke mit seinem neu eingestellten Mitarbeiter Johann Gottfried Galle in die neue Sternwarte einziehen. Galle hatte sich geraume Zeit vor ihrer Fertigstellung bei Encke als Assistent beworben.[17] Im Mai desselben Jahres bezog Friedrich Wilhelm Bessel, der aus Königsberg gerufen worden war, auf dem Gelände der Sternwarte vorübergehend das „Magnetische Häuschen“ (siehe in Freydancks Gemälde am linken Rand). 1837 entdeckte Encke mit dem Fraunhofer'schen Refraktor die nach ihm benannte Teilung des Saturnrings, und Galle 1838 einen weiteren dunklen Ring bei Saturn – den C-Ring. Am 23. September 1846 entdeckten Galle und der Astronomiestudent Heinrich Louis d’Arrest, seit 1845 Assistent an der Sternwarte, anhand von zugesandten Positionsberechnungen des Franzosen Urbain Le Verrier den Planeten Neptun. Nach anfänglicher Erfolglosigkeit verhalf ihnen dazu die von d’Arrest vorgeschlagene Hinzuziehung der kurz zuvor in Druck gegangenen „Berliner Akademischen Sternkarte“ von Carl Bremiker. Der Brief von Le Verrier hatte den mit ihm freundschaftlich verbundenen Galle am selben Tag erreicht, zufällig am 55. Geburtstag von Direktor Encke, der seine Erlaubnis zur Überprüfung der angegebenen Himmelsposition gab (siehe auch: Neptun/Entdeckung). An anderen Sternwarten zuvor war das Ansinnen des französischen Astronomen, anhand von Abweichungen zwischen der berechneten und der beobachteten Umlaufbahn des Planeten Uranus ganz gezielt einen bahnstörenden, weiteren großen Planeten ermitteln zu wollen, als nicht hinreichend Erfolg versprechend angesehen worden. So auch am Pariser Observatorium, dessen Direktor später Le Verrier wurde.[18] Durch die Entdeckung des Neptuns erlangte die Berliner Sternwarte weltweite Bekanntheit.

Darüber hinaus wurden an ihr viele Berechnungen der Bahnen von Kometen und Asteroiden durchgeführt. Galle wurde 1851 zum Direktor der Sternwarte in Breslau berufen. 1852 kam Karl Christian Bruhns als zweiter Assistent Enckes hinzu und wurde 1854 erster Assistent. 1855 bekam Wilhelm Foerster eine Anstellung als zweiter Assistent. Ab 1857 studierte an der Einrichtung zwei Jahre lang Giovanni Schiaparelli. Als Bruhns 1860 nach Leipzig wechselte, wurde Foerster sein Nachfolger als erster Assistent. Nach der Erkrankung von Encke wurde er 1863 dessen Stellvertreter und 1865, im Todesjahr von Encke, Direktor der Sternwarte.[19] Das Observatorium war zu dieser Zeit die bedeutendste astronomische Forschungs- und Lehrstätte in Deutschland.[20] Von 1866 bis 1900 erstellte Arthur Auwers in Berlin seinen Fundamentalkatalog, einen umfassenden Sternkatalog mit 170.000 Sternen.

Foerster leitete die Sternwarte bis an sein Lebensende 1903. Auf seine Anregung geht die Errichtung des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam 1874 zur Sonnenbeobachtung auf dem Telegrafenberg im heutigen Potsdam-Babelsberg zurück. Auf dem Telegrafenberg stand vormals die Station 4 und gab ihm seinen Namen. Im selben Jahr gründete Foerster wegen des ständig wachsenden Umfangs der Berechnung der astronomischen Ephemeriden das Berliner Astronomische Rechen-Institut, das in der Lindenstraße 91, auf dem Gelände und in Verbindung mit der Sternwarte, als „Rechen-Institut zur Herausgabe des Berliner Astronomischen Jahrbuchs“ ein eigenes Gebäude bezog. Unter Foersters Oberaufsicht wurde das Rechen-Institut von dem „Dirigenten“[21] Friedrich Tietjen geleitet, der seit 1861 an der Sternwarte tätig war. Nach dem Tod Tietjens wurde 1896 Julius Bauschinger als dessen Nachfolger nach Berlin berufen. Er erreichte für das Institut in dem folgenden Jahr die volle Selbstständigkeit.[22] 1912 bezog es einen Neubau in Berlin-Lichterfelde, 1944 wurde es nach Sermuth in Sachsen und 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg größtenteils nach Heidelberg verlegt.[23]

Weil Foerster kein Mitglied der Akademie war, wurde die Königliche Sternwarte 1889 von der Akademie getrennt und der Friedrich-Wilhelm-Universität angeschlossen.[24] Die ursprüngliche Akademie-Sternwarte wurde schon seit der Gründung der Berliner Universität im Jahr 1809 von dieser mitbenutzt.[25] 1890 wurde Friedrich Simon Archenhold Mitarbeiter der Sternwarte und errichtete im Auftrag von Foerster am Halensee im Grunewald eine fotografische Außenstelle für Aufnahmen von kosmischen Nebeln.[26]

Ende des 19. Jahrhunderts führte das schnelle Wachstum des Berliner Ballungsraumes dazu, dass die einst nach über 120 Jahren am Rand der Stadt neu errichtete Sternwarte wiederum völlig umbaut wurde und damit eine den Ansprüchen der Forschung genügende Beobachtungstätigkeit kaum mehr möglich war. Mitte der 1890er Jahre schlug daher unter anderem Wilhelm Foerster den Neubau einer Sternwarte außerhalb des Ballungsraumes vor (der 1920 zu Groß-Berlin zusammengefasst wurde).

1904 nahm Hermann von Struve als Nachfolger Foersters das Amt des Direktors an. Unter seiner Leitung wurde die Forschungseinrichtung erheblich erweitert und das Projekt eines zweiten Umzugs nahm konkrete Formen an. Nach Probebeobachtungen im Umland ab Juni 1906 durch Paul Guthnick, der nach seiner Ausbildung zum Astronomen von 1901 bis 1903 an der Berliner Sternwarte als Gehilfe und seit seiner Rückkehr 1906 als Observator tätig war, fiel die Entscheidung des Kultusministeriums zugunsten seines vorgeschlagenen Standorts im damaligen Schlosspark Babelsberg bei Potsdam. Der aufgegebene Standort seit 1835 wird von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) unter dem Sternwarten-Code 548 geführt.

Sternwarte Berlin-Babelsberg

52° 24′ 18″ N, 13° 6′ 15″ O52.40513.1041666666677

Auf den Babelsberg verlegte Berliner Sternwarte als Hauptgebäude des Astrophysikalischen Instituts Potsdam.
Berliner Sternwarte (Berlin)
DMS
Position der Sternwarte Babelsberg wenige hundert Meter vor Berlin

Im Jahr 1913 wurde die Königliche Sternwarte schließlich nach 78 Jahren wieder verlegt. Das Objekt in Berlin wurde nach dem Umzug stillgelegt und 1915 abgerissen. Der Verkauf des Grundstücks deckte die Kosten der Errichtung neuer Gebäude in Höhe von 1,1 Millionen Goldmark und der Anschaffung neuer Instrumente in Höhe von 450.000 Goldmark. Das Grundstück auf dem Babelsberg im Schlosspark war für die königliche Einrichtung kostenlos.[27] Der für sein Umfeld namensgebende Berg befindet sich rund drei Kilometer nordöstlich des Telegrafenbergs.

Die Errichtung des Hauptgebäudes wurde von 1911 bis 1913 nach einem Entwurf von Thür und Brüstlein durch Mertins, W. Eggert, Beringer und E. Wagner ausgeführt.[28]

Struve blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1920 Direktor des Observatoriums – bis 1918 noch Königliche Sternwarte zu Berlin-Babelsberg (bzw. Berlin-Neubabelsberg) und von 1918 bis 1946 Universitätssternwarte zu Berlin-Babelsberg.[29] Nach Hermann Struve wurde 1921 Paul Guthnick die Leitung der Sternwarte übertragen und er blieb ihr langjähriger Direktor bis zum Jahr 1946. Neben dieser Tätigkeit waren die Schwerpunkte seines Schaffens die lichtelektrische Fotometrie von Sternen und die Erforschung veränderlicher Sterne mit einem neuen Fotometer.[30]

Der neue Standort im ursprünglichen Schlosspark gehörte zur Gemeinde Neubabelsberg. Die verwendete Bezeichnung „Sternwarte Berlin-Neubabelsberg“ sollte ein Hinweis darauf sein, dass es sich um die Berliner Sternwarte am neuen Ort handelt. Die Villensiedlung Neubabelsberg wurde 1938 mit der Stadt Nowawes zur Stadt Babelsberg vereinigt. 1939 wurde diese dann sogleich in Potsdam eingemeindet. Die Bezeichnung „Berlin-Babelsberg“ behielt die Sternwarte dennoch einige Jahre bei. Erst nach 1945 wurde Berlin im Namen nicht mehr verwendet.[31] Ihr IAU-Code ist 536.

Durch die Verstaatlichung der Sternwarte Sonneberg bekam die Universitätssternwarte Berlin-Babelsberg 1931 mit ihr als neue Abteilung eine Außenstelle im Land Thüringen.[32]

Direktoren und weitere Mitarbeiter

Die Direktoren der Berliner Sternwarte [33]
1. 1700–1710
Gottfried Kirch (1639–1710)
9. 1756–1758
Johann Jakob Huber (1733–1798)
2. 1710–1716
Johann Heinrich Hoffmann (1669–1716)
10. 1758
Johann Albert Euler (1734–1800)
3. 1716–1740
Christfried Kirch (1694–1740)
11. 1764–1787
Johann III. Bernoulli (1744–1807)
4. 1740–1745
Johann Wilhelm Wagner (1681–1745)
12. 1787–1825
Johann Elert Bode (1747–1826)
5. 1745–1749
Augustin Nathanael Grischow (1726–1760)
13. 1825–1863
Johann Franz Encke (1791–1865)
6. 1752
Joseph Jérôme Le Francais de Lalande (1732–1807)
14. 1865–1903
Wilhelm Julius Foerster (1832–1921)
7. 1754
Johann Kies (1713–1781)
15. 1904–1920
Karl Hermann von Struve (1854–1920)
8. 1755
Franz Ulrich Theodosius Aepinus (1724–1802)
16. 1921–1946
Paul Guthnick (1879–1947)

Weitere astronomisch Beschäftigte waren an der alten Berliner Sternwarte zum Beispiel Johann Castillon und Johann Friedrich Pfaff; und an der neuen Berliner Sternwarte beispielsweise Johann Heinrich von Mädler, Gustav Spörer, Franz Friedrich Ernst Brünnow, Robert Luther, Friedrich August Theodor Winnecke, Ernst Becker, Viktor Knorre, Wilhelm Oswald Lohse, Karl Friedrich Küstner, Adolf Marcuse, Eugen Goldstein, Erwin Freundlich und Georg von Struve.

Andere Berliner Sternwarten

Vorrangig für die Öffentlichkeit bestimmt war die 1888 gegründete Urania, deren Bamberg-Refraktor nach der Zerstörung ihres Gebäudes im Zweiten Weltkrieg von der Invalidenstraße in Berlin-Mitte an den ersten Standort der Wilhelm-Foerster-Sternwarte in die Papestraße in Berlin-Schöneberg verlegt wurde. Neben dieser Volkssternwarte, die sich seit 1963 auf dem Insulaner befindet, gibt es in Berlin noch zwei weitere: Die Archenhold-Sternwarte seit der Gewerbeausstellung von 1896 in Berlin-Treptow und die Bruno-H.-Bürgel-Sternwarte seit 1982 in Berlin-Spandau.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. ARI: Text des Kalenderpatents (in moderner Schrift)
  2. Galerie des Universums: Thema 3. Die Gründung der Brandenburgischen Societät – der späteren Preußischen Akademie der Wissenschaften – und der ersten Berliner Sternwarte. Abgerufen am 10. Januar 2009.
  3. luise-berlin.de: Dorotheenstraße
  4. luise-berlin.de: Akademie der Wissenschaften
  5. TUB-newsportal: Die erste Sternwarte Berlins. Abgerufen am 13. April 2009.
  6. a b Monika Mommertz: Schattenökonomie der Wissenschaft (PDF)
  7. gerd-albrecht.de/ Berliner Geschichte von 1700 bis 1799
  8. a b optischertelegraph4.de: Station 1: Berlin-Mitte Alte Sternwarte
  9. a b Galerie des Universums: Thema 4. Die ersten Jahre der Sternwarte und die Leistungen der Astronomenfamilie Kirch. Abgerufen am 13. Januar 2009.
  10. Galerie des Universums: Thema 5. Der Aufschwung der Wissenschaften unter Friedrich dem Großen (1712–1786). Abgerufen am 18. Januar 2009.
  11. Wolfgang Kokott: Bodes Astronomisches Jahrbuch als internationales Archivjournal. Abgerufen am 1. Januar 2009.
  12. Galerie des Universums: Thema 6. Johann Georg Soldner und die Krümmung der Lichtstrahlen. Abgerufen am 20. Januar 2009.
  13. friedensblitz.de: Johann Franz Encke. Abgerufen am 7. Januar 2009.
  14. knerger.de: Encke, Johann Franz. Abgerufen am 7. Januar 2009.
  15. Deutsches Museum: Der Refraktor von Joseph von Fraunhofer
  16. Galerie des Universums: Thema 7. Der Bau der neuen Berliner Sternwarte und das Wirken von Johann Franz Encke und Alexander von Humboldt. Abgerufen am 14. Januar 2009.
  17. Galerie des Universums: Johann Gottfried Galle (1812–1910)
  18. Christian Pinter: Pariser Himmelsmechaniker
  19. Astronomische Nachrichten Nr. 5088: J. Bauschinger: Wilhelm Foerster †
  20. Eine Rezension von Bertram Winde: Wie die Berliner in die Röhre guckten
  21. ARI: Trennung des Astronomischen Rechen-Instituts von der Berliner Sternwarte. Abgerufen am 16. Januar 2009.
  22. Galerie des Universums: Thema 12. Das Astronomische Recheninstitut. Abgerufen am 17. Januar 2009.
  23. ARI: Zur Geschichte des Astronomischen Rechen-Instituts. Abgerufen am 15. Januar 2009.
  24. Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 121: Marita Baumgarten: Professoren und Universitäten im 19. Jahrhundert
  25. HiN: Zur Wahl Alexander von Humboldts in die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin vor 200 Jahren
  26. nordkurier.de: Haus mit „Himmelskanone“. Abgerufen am 24. April 2009.
  27. AIP: Geschichte der Potsdamer Astrophysik
  28. potsdam-chronik.de: 1900–1920. Abgerufen am 22. April 2009.
  29. AIP: Institute: Portraits
  30. H. Schmidt: Prof. Dr. Paul Guthnick – ein Pionier der lichtelektrischen Photometrie (PDF)
  31. astro.uni-bonn.de: 300 Jahre Astronomie in Berlin und Potsdam. Vorwort.
  32. 4pisysteme.de: Abteilung Sonneberg der Universitäts-Sternwarte Berlin-Babelsberg. Abgerufen am 26. April 2009.
  33. ARI: Direktoren des Astronomischen Rechen-Instituts (bis 1874 der Berliner Sternwarte)

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