Strahlenexposition

Strahlenexposition
natürliche und künstliche Strahlenbelastungen

Als Strahlenbelastung oder auch Strahlenexposition bezeichnet man die Einwirkung von ionisierender Strahlung auf Lebewesen. Im Gegensatz zum Begriff Strahlenexposition setzt Strahlenbelastung im Sprachgebrauch des Strahlenschutzes eine schädigende Wirkung voraus.

Inhaltsverzeichnis

Quantifizierung der Strahlenexposition

Zur Quantifizierung der Strahlenexposition verwendet man den Begriff der Strahlendosis.

Als Energiedosis bezeichnet man die Energiemenge, die von einer bestimmten Materiemenge durch Absorption der Strahlung aufgenommen wird. Maßeinheit ist das Gray (Abkürzung Gy), 1 Gray = 1 Joule pro Kilogramm. Wird von einem Organ mit einer Masse mT eine bestimmte Energie E absorbiert, so wird dies als Organenergiedosis DT,R bezeichnet.

Um die Wirkung der Strahlung auf den menschlichen Körper auszudrücken, reicht die Angabe der Energiedosis nicht aus, da die verschiedenen Strahlungsarten bei gleicher Energiemenge im Körpergewebe unterschiedliche biologische Wirkungen haben. Die biologischen Wirksamkeiten werden durch Strahlungswichtungsfaktoren berücksichtigt. Das Produkt aus Organenergiedosis und Wichtungsfaktor heißt Organdosis (früher Äquivalentdosis). Die Maßeinheit ist das Sievert, abgekürzt Sv. Anzumerken ist, dass die Wichtungsfaktoren (zum Beispiel für Belastung durch Neutronenstrahlung) nicht unumstritten sind.

Als dritter Schritt in diesem komplexen System von Begriffen und Maßeinheiten ist noch die unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit der Organe und Gewebe zu berücksichtigen. Die Haut des Menschen ist beispielsweise weit weniger empfindlich gegenüber einer Strahlenexposition als verschiedene innere Organe. Daher führt man den Begriff der effektiven Dosis ein, bei der durch organspezifische Faktoren deren Empfindlichkeiten Rechnung getragen wird. Die effektive Dosis ist die Summe der gewichteten Organdosen aller einzelnen Organe und ein Maß für das Risiko, das durch die Strahlung verursacht wird. Die Angabe einer Strahlendosis ohne genauere Bezeichnung bezieht sich meistens auf die effektive Dosis. Mit der effektiven Dosis wird das Auftreten von stochastischen Strahlenschäden quantifiziert.

Strahlenexposition durch natürliche Quellen

Strahlenexposition in Deutschland

Die gesamte Welt und damit auch die Menschen sind ständig ionisierender Strahlung ausgesetzt. Die Ursache dafür sind natürliche Strahlenquellen, die unabhängig vom Menschen entstanden sind und existieren.

Aus dem Weltall gelangt kosmische Strahlung auf die Erde. Aufgrund der schützenden Lufthülle ist die Stärke von der Höhenlage abhängig. Im Durchschnitt führt die kosmische Strahlung am Boden zu einer effektiven Dosis von etwa 0,3 mSv pro Jahr. Reist man mit einem Flugzeug, so reduziert sich die Schutzwirkung der Lufthülle, in Abhängigkeit von Flughöhe und geographischen Breite des Fluges. Bei einem Flug von Frankfurt nach Tokyo wird man dadurch einer Strahlenbelastung von etwa 0,05 mSv ausgesetzt.[1]

Eine weitere Strahlungsquelle sind die natürlichen Radionuklide in den Böden und Gesteinen der Erdkruste, die als terrestrische Strahlung bezeichnet wird. Ursache sind Radionuklide, die vor der Entstehung des Sonnensystems gebildet wurden und nun aufgrund ihrer langen Halbwertzeit noch übrig geblieben sind. Auffallend ist der hohe Gehalt von Uran und Thorium in Monazit. Der Mittelwert der effektiven Dosis beträgt ebenfalls etwa 0,3 mSv pro Jahr.

Aus dem Boden gelangen die natürlichen Radionuklide in Wasser, Pflanzen und Tiere und damit in die Nahrung des Menschen. Alle Nahrungsmittel und auch das Wasser enthalten geringe Konzentrationen natürlicher Radionuklide. Am häufigsten ist das radioaktive Element Kalium-40. Dies führt dazu, dass auch der Mensch selbst eine gewisse Menge natürlicher Radionuklide enthält. Im Mittel sind dies rund 9000 Becquerel (Bq).

Eine besondere Stellung unter den natürlichen Radionukliden nimmt das Radon ein. Radon-222 ist ein radioaktives Edelgas, das aus dem Boden stammt und in geringer Konzentration praktisch überall vorkommt. Es entsteht aus dem Zerfall von Uran und zerfällt selbst in eine Reihe weiterer Nuklide. Im Freien wird es rasch verdünnt, in Wohnungen kann es sich jedoch unter Umständen zu höheren Konzentrationen anreichern, insbesondere in einigen Gebieten Deutschlands, in denen besondere geologische Verhältnisse existieren. Die durchschnittliche Radonkonzentration in Wohnungen beträgt in Deutschland etwa 50 Bq/m³.

Insgesamt beträgt die effektive Dosis des Menschen durch natürliche Quellen etwa 2,4 mSv pro Jahr, etwa die Hälfte davon wird durch das Radon verursacht. Der Wert schwankt jedoch regional und liegt in Deutschland zwischen 1 und 5 mSv pro Jahr. In anderen Regionen der Welt kann er bei 100 mSv pro Jahr liegen.

Zunahme der Strahlenexposition durch kosmische Strahlung mit der Höhe, Abnahme des terrestrischen Anteils:

Höhe über dem Erdboden Effektive Dosis im Jahr
300 km (außerhalb des Space Shuttles) 400-500 mSv (bei ruhiger Sonne)
300 km (Space Shuttle) 100-200 mSv (bei ruhiger Sonne)
10 km (Flugzeug) 30 mSv
3800 m 1,8 mSv
3000 m 1 mSv
2000 m 0,6 mSv kosmisch + ~1 mSv terrestrisch
0 m 0,3 mSv kosmisch + 0,5-2 mSv terrestrisch

Geschätzte Strahlenexposition im Weltall:

Aufenthaltsort im All Effektive Dosis im Jahr
Interstellar 300-700 mSv
Interplanetar ~200 mSv (bei ruhiger Sonne)
Mond ~100 mSv (bei ruhiger Sonne)

Strahlenexposition durch künstliche Quellen

Mit der Entwicklung von Industrie, Forschung und Medizin hat sich der Mensch in zunehmendem Maße radioaktive Stoffe und ionisierende Strahlung nutzbar gemacht. Diese sind Ursache einer zusätzlichen, so genannten zivilisatorischen Strahlenexposition. Der weitaus größte Teil davon ist der Medizin zuzurechnen, vor allem der diagnostischen Anwendung der Röntgenstrahlung und in der Nuklearmedizin. Bei den meisten Untersuchungen treten Dosen auf, die mit jenen vergleichbar sind, die der Mensch seit je durch natürliche Strahlenquellen aufnimmt. Insgesamt beträgt die effektive Dosis durch medizinische Anwendungen im Durchschnitt etwa 1,9 mSv pro Jahr. Den höchsten Anteil an der medizinischen Strahlenexposition hat die Computertomographie (CT). 6,1% aller medizinischen Aufnahmen sind vom CT, der Anteil an der Strahlenexposition liegt aber bei 51,9%. Eine Computertomographie des Bauchraumes führt zu einmaligen Expositionsdosen von 10 - 25 mSv.

Ein weiterer, allerdings sehr geringer Teil der zivilisatorischen Strahlenexposition ist auf den Normalbetrieb von kerntechnischen Anlagen, beispielsweise Kernkraftwerken, zurückzuführen. Technisch bedingt gelangen beim Betrieb von Kernkraftwerken geringe Mengen radioaktiver Stoffe über den Kamin in die Luft oder werden über das Abwasser in die Umgebung abgegeben. Die daraus resultierende effektive Dosis liegt in der Praxis im Mittel unter 0,01 mSv, das heißt erheblich unterhalb der natürlichen Strahlenexposition.

Deutlich größer können die Belastungen bei gravierenden Unfällen sein. Für das erste Jahr nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl wurde eine zusätzliche durchschnittliche effektive Dosis von 1,0 mSv in Bayern und 0,1 mSv in Nordrhein-Westfalen errechnet. Die derzeitige zusätzliche Strahlenexposition in Deutschland durch den Reaktorunfall beträgt noch ca. 0,016 mSv/a. In unmittelbarer Nähe des brennenden Reaktors von Tschernobyl waren die Menschen höheren Strahlenbelastungen von bis zu 500 mSv ausgesetzt.

Von kerntechnischen Unfällen einmal abgesehen, ist die Strahlenbelastung des Menschen durch Gewinnung und Einsatz von Kohle deutlich höher als diejenige durch Kernkraftwerke. In Kohle sind Spuren verschiedener radioaktiver Substanzen enthalten, vor allem von Radon, Uran und Thorium. Bei der Kohleförderung, vor allem aus Tagebauen, über Abgase von Kraftwerken oder über die Kraftwerksasche werden diese Substanzen freigesetzt und tragen zur künstlichen Strahlenbelastung bei. Dabei ist vor allem die Bindung an Feinstaubpartikel besonders kritisch. In der Umgebung von Kohlekraftwerken können z.T. sogar höhere Belastungen gemessen werden als in der Nähe von Kernkraftwerken. Nach Schätzungen des Oak Ridge National Laboratory werden durch die Nutzung von Kohle zwischen 1940 bis 2040 weltweit 800.000 t Uran und 2 Mio. t Thorium freigesetzt werden.[2][3]

Eine weitere Strahlenquelle sind Zigaretten. Das Rauchen von täglich 20 Zigaretten führt laut einer Studie mit griechischen Tabakblättern zu einer mittleren jährlichen Strahlenbelastung in Höhe von 0,29 mSv durch Polonium (210Po) und radioaktives Blei (210Pb).[4] Andere Quellen sprechen von einer gesamten Strahlenbelastung in Höhe von 0,07 mSv pro Zigarette in der Partikelphase. Davon werden zwischen 40 und 70 % im Filter zurückgehalten.

Kernwaffentests fallen mittlerweile mit ca. 0,005 mSv (in Deutschland) nicht mehr stark ins Gewicht. In den 1960er Jahren dagegen war die Strahlenexposition für Mitteleuropäer höher als nach dem Unfall in Tschernobyl.

Schutz vor Ionisierender Strahlung

Da die Wirkungen auf rein statistischen Werten beruhen, kann man nur schwer Grenzwerte für die Normalbevölkerung festlegen. In der Praxis legt man dafür die Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenexposition zu Grunde. Jeder Grenzwert ist auch ein gesellschaftlich relevanter Wert. Das bedeutet, dass die gesetzlichen Werte nur so hoch sein können, wie sie die menschliche Gesellschaft akzeptiert.

Für den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor Strahlung aus der gezielten Nutzung von Radioaktivität ist folgender Grenzwert (effektive Dosis) in der europäischen Richtlinie 96/29/EURATOM und der deutschen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) festgelegt:

  • 1 mSv pro Jahr für die Bevölkerung

Für volljährige Personen (mit Ausnahme von schwangeren Frauen), die beruflich strahlenexponiert sind, gelten nach den o.g. Rechtsnormen folgende Grenzwerte (effektive Dosis):

  • 20 mSv pro Jahr
  • 50 mSv pro Jahr (Einzelfall)

Nach der österreichischen Strahlenschutzverordnung werden die beruflich strahlenexponierten Personen in zwei Kategorien eingeteilt:

  • Personen der Kategorie A: Sie dürfen eine maximale Jahresdosis von über 6 mSv erreichen, müssen aber jährliche ärztliche Untersuchungen durchführen lassen. Es ist jener Personenkreis, der sich regelmäßig in Kontrollbereichen aufhält.
  • Personen der Kategorie B dürfen maximal 6 mSv erhalten und müssen laufend dosimetriert werden. Sie dürfen sich maximal dauernd im Überwachungsbereich aufhalten.

Wichtig sind aber auch Grenzwerte, die für Hilfsdienste festgelegt werden, da diese naturgemäß höher sein müssen, wenn es um die Rettung von Menschenleben oder besondere Sachwerte geht. So wurden in Österreich nach dem Strahlenschutzgesetz für Einsatzkräfte bzw. in Deutschland nach der Strahlenschutzverordnung bei Personengefährdung und Hilfeleistung folgende Grenzwerte festgelegt und u. a. vom Bundesfeuerwehrverband übernommen:

  • 15 mSv im normalen Feuerwehreinsatz (Einsatzdosis) in Österreich
  • 100 mSv zur Lebensrettung - dieser Wert darf einmal pro Jahr aufgenommen werden (Lebensrettungsdosis)
  • 250 mSv im Katastrophenfall, diese darf nur einmal im Leben aufgenommen werden (Katastrophendosis).

Die Berufslebensdosis für strahlenexponierte Personen soll 400mSv, für Astronauten 1000-4000mSv nicht überschreiten.

Tabellen

Die folgende Tabelle zeigt Art und Ausmaß verschiedener Arten von Strahlenexpositionen. Bei den Zahlenangaben handelt es sich um Mittelwerte. Abweichungen nach oben und unten sind je nach Wohnort, Tätigkeit etc. möglich. Für die Bundesrepublik Deutschland werden diese Werte in einem jährlichen Parlamentsbericht veröffentlicht.

Art der Strahlenquelle Effektive Dosis im Jahr
Natürliche Strahlenquellen
Kosmische Strahlung
(auf Meeresniveau)

0,3 mSv
Terrestrische Strahlung

Äußerliche Bestrahlung
Einatmen von Radon
sonstige innere Strahlung


0,4 mSv
1,1 mSv
0,3 mSv

Summe natürliche Strahlenquellen ~2 mSv
Künstliche Strahlenquellen
Medizinische Anwendungen 1,9 mSv
Kernkraftwerke (Normalbetrieb) <0,01 mSv
Folgen des Tschernobyl-Unfalls <0,016 mSv
Atombombenversuche <0,01 mSv
Sonstige künstliche Strahlung <0,02 mSv
Summe künstliche Strahlenquellen ~2 mSv
Summe nat. + künstl. Strahlenquellen ~4 mSv

Beispiele für Einzeldosen:

Art Äquivalentdosis (mSv)
Strahlentherapie (Krebsherd, lokale Dosis) 30000-70000 *
Schwellendosis für akute Strahlenschäden 250
Strahlentherapie (Äquivalentdosis) 30-70
Computertomographie (Brustkorb) 20
Flugzeugreise (8 Std., 12000 m) 0,2
Röntgenaufnahme (Schädel) 0,1

* Lokale Dosis in mGy

Quellen

  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung
  • Bundesamt für Strahlenschutz: Strahlung und Strahlenschutz (Informationsbroschüre, 1998)
  • Physik für Gymnasien; Berlin, 1991. Siehe unter Strahlenbelastung (S. 434)
  • Microsoft Encarta '99, Stichwort: Strahlenwirkungen, biologische

Einzelnachweise

  1. http://www.nirs.go.jp/research/jiscard/index.shtml
  2. [1] bund-nrw.de
  3. [2] bund-nrw.de
  4. Concentration levels of 210Pb and 210Po in dry tobacco leaves in Greece

Siehe auch

Weblinks


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