- Straßenstrich
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Unter Straßenprostitution, Straßen- oder Autostrich versteht man eine Form der Prostitution, bei der Prostituierte am Straßenrand warten, um im Auto vorbeifahrenden, teils auch zu Fuß vorbeikommenden Freiern ihre sexuellen Dienste anzubieten. In der Prostitutionshierachie befinden sich die Frauen und Männer, die auf der Straße stehen, ganz unten. Straßenprostitution wird oft als Gelegenheitsprostitution ausgeübt, sowie auch als Beschaffungsprostitution (Drogenprostitution).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Begriff
Die Herkunft des Begriffes Strich ist nicht ganz geklärt: Eine Erklärung kommt aus der Prostitutionsverordnung Wiens zur Zeit der Jahrhundertwende, nach der die Straßendirnen sich nur innerhalb eines bestimmten Bereiches (hinter dem Strich) am Bordsteinrand aufhalten durften (daher wahrscheinlich auch der Begriff Bordsteinschwalben für Prostituierte vom Straßenstrich), um die herkömmlichen Passanten nicht zu behindern. Eine andere Erklärung kommt aus der Jägersprache: Als Strich wird zum einen eine gedachte Linie auf einer bestimmten Höhe bezeichnet, auf der die balzenden Waldschnepfen ihre Bahnen fliegen, um die Aufmerksamkeit der Weibchen auf sich zu ziehen. Zum anderen bezeichnet Strich die Blutspur, die verwundetes Wild während einer Treibjagd hinter sich herzieht, was somit wohl als pejorative Anlehnung an die weibliche Menstruation zu verstehen ist. In Hamburg gab es einen weißen Strich an den Anlegern der Schiffe. Weiter durften sich die Prostituierten den Schiffen nicht nähern. So standen die Damen "auf dem Strich" und warteten auf ihre ankommende Kundschaft.
Sperrbezirke
Der Straßenstrich ist in vielen Städten Deutschlands durch Sperrbezirksverordnungen mit allgemeinverbindlichem Satzungscharakter örtlich begrenzt. Viele Rotlichtviertel und Innenstädte werden so vom Straßenstrich freigehalten und Umfeldbeeinträchtigungen können so zumindest durch Ge- und Verbote eingeschränkt werden. Zur wirksamen Durchsetzung einer Sperrbezirksverordnung bedarf es neben dem grundlegenden Engagement seitens der städtischen Ordnungsämter vor allem institutioneller Kreativität bei der Auslotung von verhältnismäßigen Maßnahmen, um dem Anspruch einer hochqualitativen Bedürfnisbefriedigung aller Beteiligten gerecht zu werden und nicht zugleich einen sozialen Strafraum zu schaffen.
Verrichtungsort
Die sexuellen Handlungen selbst finden anschließend einerseits im Auto selbst statt, wobei zunächst in der Regel ein ruhiger Stellplatz, etwa ein wenig benutzter Parkplatz, mit dem Auto aufgesucht wird. Andererseits kann der sexuelle Kontakt auch auf dem Zimmer stattfinden, zum Beispiel in einem Stundenhotel oder, vor allem im Rahmen der organisierten Prostitution, in einem bordellartigen Gebäude. Da um die jeweiligen Straßenstriche oftmals nach städtischen Satzungen großzügig geschnittene Sperrbezirke das Ankobern - das Anlocken von Kunden - und die Verrichtung der Prostitution selbst verbieten, dieselbe aber natürlich dennoch in räumlicher Nähe zum Straßenstrich stattfinden muss, kann ein Straßenstrich auch zur Belastung für die Anwohner in der näheren Umgebung werden, wenn dann etwa ganze Etagen von Häusern in Wohngebieten mehr oder weniger offen aber widerrechtlich zum Verrichtungsort werden.
In Städten mit offener Straßenprostitution kann auch der Freiersuchverkehr der motorisierten Kundschaft in den Abendstunden für Ärger bei den Anwohnern sorgen. Hier bieten sich dann offene Gesprächsrunden zwischen den Trägern öffentlicher Belange und den Bürgern an, um die Probleme zu artikulieren und gleichzeitig Abhilfsmöglichkeiten – auch in Absprache mit den die Prostituierten betreuenden Sozialarbeitern – zu koordinieren.
Wohnwagenprostitution
Auch in ländlichen Gegenden gibt es Straßenstriche. Diese zielen hauptsächlich auf Fernfahrer als Kundschaft ab. In Deutschland kommt diese Form der Prostitution auf dem Lande allerdings selten vor (das Angebot umfasst eher feste Etablissements oder mobile Prostituierte, die ihre Dienste in Wohnmobilen auf Parkplätzen an der Autobahn offerieren); verbreiteter ist die ländliche Straßenprostitution jedoch in anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Italien, wo Bordelle verboten sind. Die dortigen Straßenprostituierten, meist schwarzafrikanischer oder osteuropäischer Herkunft mit in der Regel illegalem Aufenthaltsstatus, gehen dieser Aktivität daher sehr häufig – unfreiwillig und gezwungenermaßen – an Haupt- und Nebenverkehrsstraßen nach. Ein anderes Beispiel sind die grenznahen Regionen der östlich angrenzenden Nachbachländer.[1]
Bezeichnungen
Volkstümliche Bezeichnungen für einzelne Lokalitäten können sich von deren vorwiegendem Charakter ableiten. Beispiele für solche subjektiven Differenzierungen sind zum Beispiel Baby- und Kinderstrich oder Leichenstrich, dies, wenn an der Straße vorwiegend nur noch abgewrackte - d.h. von Drogen, Alkohol und Krankheit gezeichnete - Prostituierte stehen. Weitere Bezeichnungen sind: Hausfrauenstrich für ältere Prostituierte, Balkanstrich für Frauen aus dem Balkan. Teilweise erfolgt die Benennung eines Strichs auch nach dem jeweiligen Kundenkreis, was oft eine subjektive Kategorisierung schafft: Ganz unten stehen Orte, die häufig von Ausländern besucht werden; so werden mit Kanaken- oder Molukken-Strich meistens Straßenprostitutionsorte bezeichnet, an denen Frauen und Männer stehen, die ganz unten auf der Werteskala der örtlichen Respektshierarchie stehen, und mit Promi- oder Bankerstrich die Straßendamen und -herren der gehobeneren Klasse. Mit der Bezeichnung Abendstrich erfolgt eine weitere Differenzierung nach den Aktivitätszeiten in dem beschriebenen Gebiet.
Meistens sind die Straßen penibel unter den einzelnen Zielgruppen aufgeteilt. Es ist den dort tätigen Personen in der Regel nicht möglich, den zugewiesenen Arbeitsstandort zu wechseln, denn es ist in den meisten Fällen äußerst genau festgelegt, wo sie zu stehen und zu sitzen haben und wie weit sie gehen dürfen, um interessierte Kunden anzusprechen. Verstöße werden hart geahndet – sowohl von den Nachbarn, als auch von Zuhältern oder Straßen- und Platzmaklern.
Probleme
Auf vielen Straßenstrichen finden sich Prostituierte, die keine Möglichkeit zur legalen Arbeit in Bordellen, Bars usw. haben, etwa weil sie keine Aufenthalts- beziehungsweise Arbeitserlaubnis besitzen (vgl. Gelegenheitsprostitution). Bis zur Abschaffung des Bockscheins 2001 konnten auch solche Prostituierte nur auf dem Straßenstrich arbeiten, die als Drogenabhängige oder HIV-Infizierte nicht dieses notwendige Gesundheitszeugnis bekommen und vorlegen konnten (vgl. Beschaffungsprostitution, Drogenprostitution). Jedoch bieten aus der Not heraus nahezu ausschließlich gerade diese Hochrisikogruppen unter den Prostituierten in Deutschland bezahlten Sex ohne Kondom an, so dass der Freier, der es ohne Gummi verlangt, ein besonders hohes Risiko eingeht. Desweiteren ist die Kinderprostitution ist fast ausschließlich auf den Straßenstrich beschränkt.
Siehe auch
Literatur
- Stephan Dressler, Christoph Zink: Pschyrembel Wörterbuch Sexualität. Gruyter, Berlin u.a., 2003, ISBN 3-11-016965-7, Seite 524.
- Marcel Feige: Das Lexikon der Prostitution. Das ganze ABC der Ware Lust. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verl., Berlin, 2003, ISBN 3-89602-520-1.
- Elisabeth von Dücker (Hrsg.): Sexarbeit. Prostitution - Lebenswelten und Mythen. Ed. Temmen, Bremen, 2005, ISBN 3-86108-542-9.
Einzelnachweise
Weblinks
- Auszug aus der Untersuchung „Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes“. Abschlussbericht, 2005, erstellt durch: Sozialwissenschaftliches Frauenforschungsinstitut, Freiburg, im Auftrage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (als PDF-Datei)
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