Sud Aviation SE.210

Sud Aviation SE.210
Sud Aviation Caravelle
Sud Aviation Caravelle der Finnair
Typ: Kurz- u. Mittelstrecken-Verkehrsflugzeug
Entwurfsland: Frankreich
Hersteller: Sud Aviation
Erstflug: 25. Mai 1955
Indienststellung: 6. Mai 1959
Produktionszeit: 1958 bis 1972
Stückzahl: 282
Blick ins Cockpit
Caravelle Yugoslav Airlines
1963 auf dem Rhein-Main-Flughafen Frankfurt – Flug nach Berlin

Die Caravelle der französischen Sud Aviation war eines der ersten strahlgetriebenen Kurz- und Mittelstrecken-Verkehrsflugzeuge der Welt. Der Tiefdecker mit Druckkabine nutzte Teile der früher entwickelten Comet, um die Entwicklung zu beschleunigen.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Das Konzept der Caravelle wurde von der französischen Luftfahrtbehörde SGACC (Secrétariat Général à l'Aviation Civile et Commerciale) im Jahre 1951 als Spezifikation den sechs bedeutendsten französischen Flugzeugherstellern unterbreitet. Ziel war es, ein konkurrenzfähiges Flugzeugmuster zur britischen Comet zu entwickeln. Die am 6. November 1951 veröffentlichte Spezifikation verlangte die Beförderung einer Nutzlast von 6 bis 7 Tonnen über eine Entfernung von mindestens 2.000 km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 700 km/h. Aus den vielen eingereichten Vorschlägen wählte die Entwicklungskommission im September 1952 schließlich den Entwurf X210 der staatlichen SNCASE aus. Dieses Unternehmen wurde 1957 mit der SNCASO zur Sud Aviation verschmolzen. Der erste Projektvorschlag sah die Verwendung von drei Atar-Triebwerken aus französischer Produktion vor, die am Rumpfheck angebracht werden sollten. Schließlich wurde aber das britische Rolls-Royce Avon-Triebwerk gewählt, weil es seine Zuverlässigkeit bereits unter Beweis gestellt hatte. Die Tatsache, dass das Avon wesentlich mehr Leistung brachte, führte zu einer zweistrahligen Auslegung des neuen Flugzeugmusters. So entstand die seinerzeit im Flugzeugbau revolutionäre Auslegung mit zwei Hecktriebwerken und einem sogenannten sauberen Flügel mit mäßiger Pfeilung. Das Höhenleitwerk wurde in die Seitenflosse integriert, und diese Anordnung trägt die Bezeichnung Kreuzleitwerk. Die Kabinenauslegung war für 52 Passagiere vorgesehen.

Die gesamten Entwicklungskosten dieses Flugzeugs wurden in voller Höhe von der französischen Regierung getragen, die am 3. Januar 1953 den Vertrag zum Bau von zwei Prototypen unterzeichnete. Hinzu kamen noch zwei Bruchzellen für den Festigkeitsnachweis. Die Projektbezeichnung wurde in SE.210 geändert, und als Projektnamen wählte man Caravelle.

Einsatz

Die Erstflüge der Prototypen fanden am 25. Mai 1955 und am 6. Mai 1956 statt. Während diese Maschinen von Triebwerken des Typs Avon RA.26 angetrieben wurden, erhielten die Serienflugzeuge die RA.29 Mk.522-Aggregate. Der erste Verkaufserfolg stellte sich am 16. November 1955 ein, als die staatliche Air France einen Auftrag über 12 Maschinen erteilte. Bald schon folgten andere europäische Fluggesellschaften, darunter auch SAS, die zu einem der größten Betreiber der Caravelle werden sollte.

Am 2. April 1958 erfolgte die Musterzulassung durch die französischen und sechs Tage später durch die amerikanischen Behörden. Am 18. Mai desselben Jahres startete bereits die erste Serienmaschine, die Caravelle I, zu ihrem ersten Flug. Die Lieferungen an Air France begannen am 19. März 1959, und am 6. Mai 1959 erfolgte die offizielle Einführung in den Liniendienst. Als erste ausländische Gesellschaft erhielt SAS am 15. Mai 1959 die Caravelle. Gegenüber dem Prototyp hatte die Caravelle I jetzt Avon RA.29 Mk.522 Triebwerke, einen um 1,5 m gestreckten Rumpf und eine länger auslaufende Seitenflosse, in der die HF-Antenne untergebracht war.

Varianten

Aus dieser Grundversion heraus wurden anschließend verschiedene Varianten mit bis zu 99 Sitzen entwickelt. Den 20 Caravelle I folgten zwölf Caravelle IA (Erstflug 11. Februar 1960) mit Mk.526-Triebwerken, die dann später zu Caravelle III mit RA.29/3 Mk.527 umgerüstet wurden. Gegenüber den Vorgängern hatte diese Version ein größeres Startgewicht und erreichte eine höhere Reisegeschwindigkeit. Die Caravelle III, die am 30. Dezember 1960 erstmals flog, wurde zum Standardmodell, von dem 78 Exemplare gebaut wurden. Im Laufe des Jahres 1961 wurden die 23 bereits fertiggestellten Caravelle I/IA auf den Standard der Caravelle III gebracht. Die Bezeichnungen der nachfolgenden Varianten waren abhängig von den eingebauten Triebwerken, wobei die Abmessungen aber gleich blieben. Die mit Avon RA.29/6 Mk.531 ausgerüstete Caravelle VI hatte gegenüber der Caravelle III ein höheres Startgewicht und bessere Leistungen. Hierzu wurde der Mk.III-Prototyp zur Mk.VI modifiziert und flog als solcher erstmals am 10. September 1960. Als erste Fluggesellschaft stellte die SABENA diese Variante am 18. Februar 1961 in Dienst. Im Februar 1960 erteilte United Airlines als einzige US-Fluggesellschaft einen Auftrag über 20 Caravelle. Dies führte zur Entwicklung der Caravelle VI-R mit Avon 532R oder 533R mit Schubumkehr und weiteren Änderungen zur Erfüllung der US-Lufttüchtigkeitsanforderungen. Hierbei bezogen sich die größeren Modifikationen auf Störklappen und ein stärkeres Bremssystem (die frühen Modelle waren noch mit Bremsfallschirmen ausgerüstet). Die erste VI-R flog am 6. Februar 1961, und die Lieferungen an United begannen im Juni, die das Muster im darauffolgenden Monat in den Liniendienst stellte. Die Bezeichnung VI-N wurde kurz darauf eingeführt, um die früheren Flugzeuge von denen, die mit einer Schubumkehr ausgerüstet waren, zu unterscheiden. Insgesamt wurden von der VI-N 53 und von der VI-R 56 Exemplare hergestellt. Mit diesen Varianten wurde die von Avon-Triebwerken angetriebene Caravelle-Baureihe beendet.

Längere Zeit untersuchte Sud Aviation die Verwendbarkeit anderer Triebwerke. Anfang 1960 verkaufte die Firma eine Caravelle III an General Electric, die dort mit zwei Bläsertriebwerken vom Typ CJ805-23C ausgerüstet wurde. Der Erstflug der als Caravelle VII bezeichneten Maschine fand am 29. Dezember 1960 statt. Dieselben Triebwerke waren für das Projekt Caravelle 10 mit einem um einen Meter verlängerten Rumpf vorgesehen, ebenso für die Caravelle 10A mit den wechselnden Bezeichnungen Caravelle Horizon und Caravelle Super A. Die Super A sollte entsprechend einer Forderung der TWA einen breiteren Innenflügel, eine erhöhte Fensterreihe, Doppelspaltklappen und einen Leitwerksübergangstropfen haben. TWA bestellte 1961 zuerst 20 solcher Maschinen, doch die Order wurde im darauffolgenden Jahr annulliert. Inzwischen stand aber bereits ein entsprechender Prototyp in Produktion, welcher am 31. August 1962 seinen Erstflug absolvierte.

Zeitgleich entwickelte Sud Aviation die Caravelle 10B, die von Pratt & Whitney JT8D-1-Bläsertriebwerken von je 6.300 KP (62,2 kN) Standschub angetrieben wurde und ein Startgewicht von 52.000 kg aufwies. Der Prototyp dieses Loses von 22 Flugzeugen startete erstmals am 3. März 1964 und am 16. August desselben Jahres konnte das erste Exemplar an die Finnair übergeben werden. Am 23. Februar 1968 erhielt die dänische Charterfluggesellschaft Sterling Airways ihre erste Super B, auch Super Caravelle genannt. Diese auf der 10B basierende Version hatte ein Startgewicht von 54.000 kg. Bei den letzten an Sterling abgelieferten Maschinen wurde das Abfluggewicht nochmals um weitere 2.000 kg angehoben. Die wesentlichsten Änderungen gegenüber der Standardversion waren der um einen Meter verlängerte Rumpf, der maximal 105 Passagieren Platz bot, sowie das Höhenleitwerk, dessen Spannweite um 1,40 m vergrößert wurde. Die Tiefe des Flügels erfuhr an der Wurzel eine bedeutende Vergrößerung. Optional konnte zudem das Fassungsvermögen der Flügeltanks vergrößert werden, wodurch sich die maximale Reichweite auf 3.640 km erhöhte. Die Caravelle 10R, die am 18. Januar 1965 erstmals flog, war im Grunde eine Caravelle VI mit JT8D-7-Triebwerken und einer Kaskaden-Schubumkehrvorrichtung. Während die Passagierkapazität gegenüber der Version VI unverändert blieb, konnte das Nutzlast/Reichweite-Verhältnis deutlich verbessert werden. Die maximale Reisegeschwindigkeit stieg dank der neuen Triebwerke auf 820 km/h. Von der Caravelle 10R wurden 20 Exemplare gebaut, und als Erstkunde erhielt ALIA – Royal Jordanian Airlines am 31. Juli 1965 ihr erstes Flugzeug. Eng verwandt mit der 10R war die Caravelle 11R für den gemischten Passagier- und Frachtbetrieb, die hierfür ein großes Frachttor in der linken vorderen Rumpfhälfte hatte. Im Vergleich zur 10R erfuhr der Rumpf eine Streckung um 0,93 m. Der Prototyp der 11R absolvierte seinen Erstflug am 22. September 1967, und die ersten sechs Maschinen wurden ab dem 22. September 1967 an Air Afrique, Air Congo und Transeuropa ausgeliefert.

Als größte und leistungsstärkste Variante baute Sud Aviation die Caravelle 12, eine aus der Super B abgeleitete Version mit einem um 2,31 m verlängerten Rumpf und strukturellen Verstärkungen am Tragwerk. Das maximale Startgewicht wurde auf 58.000 kg gesteigert und in enger Bestuhlung konnten bis zu 140 Passagiere transportiert werden. Als Antrieb kamen verbesserte Triebwerke vom Typ JT8D-9 mit 6.533 KP (64,5 kN) Standschub zum Einbau. Die Caravelle 12 entstand auf Anregung der Sterling Airways, die sieben Exemplare bestellte und deren erstes Flugzeug am 29. Oktober 1970 erstmals flog. Als einziger weiterer Kunde kaufte die französische Inland-Fluglinie Air Inter fünf dieser Maschinen, die ihr letztes Exemplar 1972 erhielt. Danach wurde die Produktion nach dem Bau von insgesamt 282 Flugzeugen aller Versionen eingestellt.

Wichtigste Betreiber

Briefmarke 1980

Die wichtigsten Betreiber der Caravelle waren Air France (46), SAS und Alitalia (je 21), United Airlines und Sterling Airways (je 20), Iberia (19), Air Inter (14) und Finnair (12). Ab Mitte der siebziger Jahre wurde die Caravelle durch größere und modernere Flugzeugmuster von den meisten Hauptstrecken verdrängt, doch kam sie noch bis in die 80er Jahre hinein recht häufig im Charterverkehr zum Einsatz. Heute (2008) fliegen nur noch zwei Maschinen im Kongo.

Weitere Betreiber der Caravelle waren z. B. Aero Lloyd, Austrian Airlines, Hispania, Istanbul Airlines, LTU, SAT, Swissair, TAP Portugal, Sultan Air und Transwede.

Technische Daten

Caravelle VI:

  • Antrieb: zwei Rolls-Royce Avon 531R Strahltriebwerke, je 54,7 kN (5535 kp) Standschub.
  • Spannweite: 34,30 m; Länge: 32,01 m; Höhe 8,72 m
  • Startgewicht: max. 50.000 kg;
  • ökon. Reisegeschwindigkeit: 785 km/h;
  • Gipfelhöhe: 12.000 m;
  • Reichweite: 2650 km;
  • Besatzung: 5-7;
  • Passagiere: 64-99

Jungfernflüge und Dienstbeginn

  • 1955: Jungfernflug des Prototyps
  • 1958: Jungfernflug der ersten Serien-Caravelle
  • 1959: Aufnahme des Flugverkehrs mit Passagieren bei Air France

Versionen

  • Caravelle 1A
    • Erstflug: 28. Mai 1958
    • Reisegeschwindigkeit: 746 km/h
    • Passagiere: 60-80
    • Reichweite: 1500 km
  • Caravelle 3
    • Erstflug: 30. Dezember 1960
    • Reisegeschwindigkeit: 805 km/h
    • Passagiere: 64-80
    • Reichweite: 1700 km
  • Caravelle 6
    • Erstflug: 3. März 1964
    • Reisegeschwindigkeit: 825 km/h
    • Passagiere: 68-118
    • Reichweite: 2500 km
  • Caravelle 10R
    • Erstflug: 18. Januar 1965
    • Reisegeschwindigkeit: 800 km/h
    • Passagiere: 64-99
    • Reichweite: 2900 km
  • Caravelle Super 12
    • Erstflug: 1970
    • Reisegeschwindigkeit: 800 km/h
    • Passagiere: 128-139
    • Reichweite: 1600 km

Siehe auch: Liste der Flugzeugtypen

Weblinks


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