Summarik

Summarik

Arbeitsbewertung (als Teil des Arbeits- oder Tarifrechts) bezeichnet die Verfahren zur Bestimmung des Arbeitswertes einer Tätigkeit als primären Parameter zur Entgeltdifferenzierung (siehe: Arbeitsentgelt).

Mit der Arbeitsbewertung wird angestrebt, unterschiedliche Tätigkeiten mittels vergleichbarer Bewertungskriterien so zu klassifizieren, dass auf dieser Grundlage annähernde Entgelt-Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Hierzu werden die auszuführenden Tätigkeiten am betreffenden Arbeitsplatz erfasst, in einer Tätigkeitsbeschreibung dokumentiert und nach bestimmten Anforderungsarten bewertet. Die Systematik der Arbeitsbewertung ist grundlegender Bestandteil in Lohn- und Gehaltstarifverträgen. Eine allgemein anerkannte Grundlage zur Definition bewertbarer Arbeitsanforderungen ist bis heute das so genannte Genfer Schema.

In der Praxis haben sich zwei unterschiedliche Verfahrensansätze, die in vielen Tarfverträgen auch als Alternativen vorgesehen sind, bewährt: Die „summarische Methode“ und die „analytische Methode“ der Arbeitswertbestimmung. Im neuen ERA-TV werden beide Methoden der Reihe nach zur Anwendung gebracht.

Inhaltsverzeichnis

Verfahrensansätze zur Arbeitswertbestimmung

Summarische Arbeitsbewertung (Summarik)

Unter summarischer Arbeitsbewertung werden Methoden zur anforderungsabhängigen Grundlohndifferenzierung verstanden, bei denen die Anforderungen des Arbeitssystems an den Menschen als Ganzes erfasst werden

REFA[1]

Es wird zwischen Lohngruppenverfahren (auch Katalogverfahren) und Rangfolgeverfahren unterschieden.

Beim Rangfolgeverfahren werden alle Arbeitsplätze eines Analysebereiches durch Paarvergleiche gemäß ihrer Arbeitsschwierigkeit in eine Reihenfolge gebracht. Dies geschieht regelmäßig bei der Erarbeitung von Tarifverträgen für die jeweilige Branche, hierbei wird die Rangreihe als Grundlage für die Entgeltgruppendefinition herangezogen.

Das Lohngruppenverfahren als summarische Stufung ist die in der Praxis am häufigsten angewendete Methode der Arbeitsbewertung. Anhand von standardisierten Arbeitsbeschreibungen und Niveaubeispielen (früher Richtbeispiele) werden die Tätigkeiten direkt den Entgeltgruppen (früher Lohn- oder Gehaltsgruppen) zugeordnet[2]

Analytische Arbeitsbewertung (Analytik)

Unter analytischer Arbeitsbewertung werden Verfahren zur anforderungsabhängigen Entgeltdifferenzierung verstanden, bei denen die Anforderungen des Arbeitssystems an den Menschen mit Hilfe von Anforderungsarten ermittelt werden.

REFA[1]

Ein analytisches Verfahren muß Antworten geben auf Fragen nach

  • einem Merkmalskatalog,
  • deren Gewichtung,
  • Zuordnungs- und
  • Einordnungsvorschrift.

Für die Definition der Anforderungsmerkmale steht gewöhnlich das Genfer Schema Pate, die einzelnen Tarifverträge haben allerdings recht unterschiedliche Kataloge.

Bei der Gewichtung wird zwischen gebundener und offener unterschieden. Gebunden ist sie, wenn sich die Gewichtung bereits in der für das Anforderungsmerkmal maximal zu vergebenen Punktzahl widerspiegelt. Bei einer offenen Gewichtung sind die Skalen für die Anforderungsmerkmale gleich, die Gewichtung kommt erst nachher in Form eines Faktors hinzu.

Für die Einstufung werden das Rangreihenverfahren und das Stufenwertzahlverfahren unterschieden.

Im Rangreihenverfahren werden alle betrachteten Arbeitsplätze für jede der Anforderungsarten in eine Rangreihenfolge gebracht. Bei der gebundenen Bewertung ergibt sich aus dem Rangplatz ein Punktwert. Bei der offenen Bewertung muss der Rangplatz zunächst in einen Prozentwert umgerechnet werden. Dessen Multiplikation mit der Gewichtung bildet den Einzelwert des Anforderungsmerkmals. Offenes und gebundenes Verfahren führen durch die Summierung der Einzelwerte zum Arbeitswert des Arbeitsplatzes.

Beim Stufenwertzahlverfahren werden für die einzelnen Anforderungsarten Bewertungsstufen, die jeweils unterschiedliche Höhen der Anforderungen oder Belastungen ausdrücken, definiert. Die Wertzahlfolgen steigen dabei oft arithmetisch, es gibt aber auch progressive Folgen. Hier drückt sich die gebundene Gewichtung in der maximalen Anzahl der für eine Anforderungsart vergebbaren Punkte aus. Bei der offenen haben alle Merkmale die gleiche Punktespanne. Die Gewichtung kommt über den für jede Anforderungsart separat festgelegten Gewichtungsfaktor hinein.

Das Grundentgelt kann idealerweise aus einem Eurobetrag pro Punkt ermittelt werden. Zur Verringerung der Spreizung ist aber meist ein Sockel definiert, auf den dann ein Betrag pro Punkt aufaddiert wird. Also beispielsweise ein Sockel von 7,5 € pro Stunde und 0,25 € pro Punkt und Stunde. Bei 20 Punkten ergibt sich dann ein Entgelt von 12,50 € pro Stunde.

Analytische Arbeitsbewertungsverfahren weisen eine hohe Beurteilungsschärfe auf, sind aber in der Anwendung auch sehr aufwändig. Die Praxis hat in den gängigen Anwendungen deswegen das Lohngruppenverfahen im Allgemeinen vorgezogen. In den neuen ERA-Tarifverträgen ist allerdings ein mehrstufiges Arbeitsbewertungsverfahren festgelegt, das mit einem Stufenwertzahlverfahren beginnt. Die so gefundenen Punkte werden bei einem Vergleich über die Niveaubeispiele abgesichert und danach in eine Entgeltgruppe überführt.

Hinweis: Wichtig ist es, zu beachten, dass es auch bei der Analytik noch um die Ermittlung des Grundentgeltes geht, es werden die Anforderungen des Arbeitsplatzes bewertet. Das Grundentgelt selbst kann in Abhängigkeit von der Leistung des einzelnen Beschäftigten noch um ein individuelles Leistungsentgelt aufgestockt werden. Bei den ERA-TV hat man zudem konsequenterweise Belastungen aus dem Anforderungskatalog gestrichen. Liegen außergewöhnliche Belastungen vor, werden sie separat bewertet und ebenfalls dem Grundentgelt zugeschlagen.


Gesellschaftlicher und rechtlicher Kontext

Zielsetzung einer diskriminierungsfreien Arbeitsbewertung

Eine gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit ist in Artikel 141 des Amsterdamer Vertrags, den Richtlinien 75/117/EWG („Entgeltgleichheits-Richtlinie“) und 97/80/EG („Beweislast-Richtlinie“) festgelegt und durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs bestätigt (Die genannten Richtlinien wurden am 15. August 2008 durch die Richtlinie 2006/54/EG ersetzt). Bei der Festlegung der Vergütung ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeitsbewertung eine gleiche Bewertung gleichwertiger Arbeit sicherstellt. So wurde kritisiert, dass traditionell überwiegend von Frauen geleistete Tätigkeiten im Vergleich zu traditionell überwiegend von Männern geleisteten Tätigkeiten geringer bewertet und niedriger bezahlt würden.[3][4] Diese Behauptung war für den Bundesangestelltentarif (BAT) wissenschaftlich belegt worden.[5] Bezüglich der Umsetzung der Arbeitsbewertung war festgestellt worden, dass es aufgrund der Verschiedenheit von Tarifverträgen oder Tarifvertragsteilen häufig vorkam, dass Arbeiter-Tätigkeiten mit anderen Kriterien oder Verfahren bewertet wurden als Angestellten-Tätigkeiten.[6] Allerdings wurde in den letzten Jahren die Trennung von Arbeitern und Angestellten weitgehend aufgehoben, etwa im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und im Entgeltrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie, ERA-TV. Ebenso entfielen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland weitgehend.

Nicht in allen Kollektiv- und Tarifverträgen beruhe aber, so die Aussage eines 2002 veröffentlichten Leitfadens, das Entgelt auf einer summarischen oder analytischen Arbeitsbewertung der jeweiligen Arbeitsbeschreibung anhand objektiver Kriterien.[7]

Für eine diskriminierungsfreien Entgeltstruktur sind insbesondere auch Kriterien der Eingruppierung wesentlich. Bei Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften wurde von Arbeitgeberseite eine Einstufung aufgrund dreier sogenannter Heraushebungsmerkmale vorgeschlagen: Schwierigkeit, Verantwortung und Bedeutung. Gewerkschaften fordern andere Heraushebungskriterien als Grundlage der Entgeltordnung, um wesentliche Anforderungen in sozialen Berufen und in Berufen der Bereiche Jugendhilfe und Schule zu berücksichtigen: zusätzliche Kenntnisse und Fertigkeiten, Komplexität der Tätigkeit, Verantwortung, soziale Kompetenz, Planen und Organisieren, physische und psychische Anforderungen und Belastungen.[8][9]

Gender Mainstreaming-Aspekte der Arbeitsbewertung

Unter dem Gesichtspunkt des Gender Mainstreaming ist bezüglich der Arbeitsbewertung Kritik geäußert worden, dass Anforderungen, die als männlich und weiblich aufgefasst würden, weitgehend getrennt betrachtet würden. So würden tendenziell in vorrangig „weiblich“ eingestuften Berufen und Tätigkeiten die „männlich“ konnotierten Anforderungen nur in geringem Maße in die Arbeitsbewertung eingehen und umgekehrt in vorrangig „männlich“ eingestuften Berufen und Tätigkeiten die „weiblich“ konnotierten Anforderungen nur in geringem Maße in die Arbeitsbewertung eingehen. So würden beispielsweise die in Pflegeberufen bestehenden Anforderungen an die Körperkraft systematisch ausgeblendet, ebenso wie die in technischen Berufen bestehenden Anforderungen an die soziale Kompetenz.[10] Ebenso wurde 1999 kritisiert, dass eine Verleugnung des Merkmals „Verantwortung“ im Tarifvertrag zu einer niedrigen Einstufung der Tätigkeit von Erzieherinnen führe.[11]

Ähnliche Kritik wurde auch bezüglich der Bewertung der Arbeitsbelastung geäußert. Aufgrund der „Entgeltgleichheits-Richtlinie“ 75/117/EWG ist es beispielsweise nicht zulässig, wenn in einem Altenheim die Tätigkeit eines Hausmeisters wie auch die eines Altenpflegers durch körperliche Belastungen geprägt sind, diese Belastungen aber nur bei der Bewertung der Tätigkeit des Hausmeisters bewertet werden.[12] Eine Belastungsanalyse dient nicht nur der Entgeltfestlegung, sondern auch einer besseren Arbeitsstrukturierung (siehe hierzu auch Auswertung der Belastungsstruktur in der Auslastungsanalyse).

Im ERA-TV geht die Bewertung von Belastungen getrennt von der Bewertung der Anforderungen in die Entgeltermittlung ein. So gliedert sich das Arbeitsentgelt in ein Grundentgelt (gemäß Arbeitsanforderungen), ein Belastungsentgelt und ein Leistungsentgelt, wobei nur Belastungen, die über eine mittlere Belastung hinausgehen, über die Belastungszulage abgegolten werden.[13] Bei der Anwendung soll durch eine gleiche Gewichtung von Belastungsarten, die für Männer- und Frauentätigkeiten als typisch gelten, eine mittelbare Diskriminierung verhindert werden.[14]

Einzelnachweise

  1. a b REFA Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e. V. (Hrsg.): Lexikon der Betriebsorganisation. München: Hanser, 1993 - ISBN 3-446-17523-7. S. 20.
  2. Scholz, Christian: Personalmanagement : Informationsorientierte und verhaltenstheoretische Grundlagen. München: Vahlen, 1989 - ISBN 3-8006-1326-3. S. 462.
  3. Bewertung und Vergütung von Arbeit. Abgerufen am 7. Juni 2008.
  4. Tondorf, Karin; Ranftl, Edeltraud: Leitfaden zur Anwendung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit. BMFSFJ, November 2002. Abgerufen am 7. Juni 2008. (PDF) S. 7.
  5. Winter, Regine; Krell, Gertraude: Aufwertung von Frauentätigkeiten : Ein Gutachten im Auftrag der Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr, Bundesfrauensekretariat der ÖTV (Hrsg.), Stuttgart, 1997. Zitiert nach: Bewertung und Vergütung von Arbeit. Abgerufen am 7. Juni 2008.
  6. Tondorf, Karin; Ranftl, Edeltraud: Leitfaden zur Anwendung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit. BMFSFJ, November 2002. Abgerufen am 7. Juni 2008. (PDF) S. 31, Abschnitt 2.
  7. Tondorf, Karin;Ranftl, Edeltraud: Leitfaden zur Anwendung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit. BMFSFJ, November 2002. Abgerufen am 7. Juni 2008. (PDF) S. 31, Abschnitt 1. und S. 32, Abschnitte 5 und 6.
  8. Erzieherinnen verdienen mehr. Expertise und Portraits zur Gleichwertigkeit der Tätigkeit von Erzieherinnen und Erziehern mit anderen Fachschulberufen. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Februar 2007. Abgerufen am 16. Oktober 2008. (PDF, ISBN 3-939470-02-3) S. 19
  9. GEW (Hrsg.), Die GEW diskutiert: Argumente zur Eingruppierung von sozialpädagogischen Berufen, 2006. Zitiert nach: Erzieherinnen verdienen mehr (s.o.)
  10. Stiegler, Barbara: Geschlechter in Verhältnissen : Denkanstöße für die Arbeit in Gender Mainstreaming Prozessen. Wirtschafts- und sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung, November 2004. Abgerufen am 6. Juni 2008. (ISBN 3-89892-211-1) S. 21.
  11. Stiegler, Barbara: Welcher Lohn für welche Arbeit? Über die Aufwertung der Frauenarbeit In: Expertisen zur Frauenforschung. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, Abt. Arbeit und Sozialpolitik, 1999. ISBN 3-86077-786-6
  12. Tondorf, Karin; Ranftl,Edeltraud: Leitfaden zur Anwendung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit. BMFSFJ, November 2002. Abgerufen am 7. Juni 2008. (PDF) S. 31, Abschnitte 3 und 4.
  13. Diskriminierung in den Tarifverträgen, Teil 6.2. In: ERA-Wissen 2004/08. IGM. Abgerufen am 7. Juni 2008. (PDF) S. 255.
  14. Diskriminierung in den Tarifverträgen, Teil 6.2. In: ERA-Wissen 2004/08. IGM. Abgerufen am 7. Juni 2008. (PDF) S. 257.

Weblinks


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