- Sumpf-Sitter
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Sumpf-Stendelwurz Systematik Familie: Orchideen (Orchidaceae) Unterfamilie: Epidendroideae Tribus: Neottieae Untertribus: Limodorinae Gattung: Stendelwurzen (Epipactis) Art: Sumpf-Stendelwurz Wissenschaftlicher Name Epipactis palustris (L.) Crantz Die Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris), die auch als Weiße Sumpfwurz, Echte Sumpfwurz oder Sumpf-Sitter bekannt ist, ist eine Art aus der Gattung der Stendelwurzen (Epipactis) aus der Familie der Orchideengewächse (Orchidaceae). Die Namen nehmen Bezug auf die von dieser Art bevorzugten feuchten Standorte.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Die Sumpf-Stendelwurz ist ein sommergrüner, ausdauernder, krautig wachsender Rhizomgeophyt mit kriechender Grundachse und abwärts gerichteten behaarten Wurzeln. Er bildet lange, stark verzweigte, waagrechte Rhizome als Überdauerungsorgane. Während der Wachstumszeit werden mehrere Neutriebe gebildet. So kommt es zu einer vegetativen Vermehrung.
Der aufrechte Stängel erreicht Wuchshöhen von 20 bis 50 Zentimeter. Besonders kräftige Exemplare können bis zu 80 Zentimeter hoch werden. Am seinem Grund sind zwei bis vier schuppenartige, grün oder violett überlaufene Blätter.
Die fünf bis acht zweizeilig angeordneten Laubblätter sind im unteren Drittel des Stängels lanzettlich bis eiförmig spitz geformt mit einer Länge von 5 bis 10 cm und einer Breite von 2 bis 4 cm. Darüber sind sie tragblattartig geformt mit einer Länge von 2 bis 4,5 cm.
Der Blütenstand ist 6 bis 15 cm lang und meist lockerblütig mit fünf bis zwanzig Blüten besetzt. Die Blüten sind einseitswendig angeordnet. Die Blütenhüllblätter des äußeren Kreis des Perigons sind lanzettlich geformt. Das obere Blütenhüllblatt ist 8 bis 12 mm lang und 3,5 bis 4 mm breit, die beiden seitlichen sind etwas länger. Sie sind meist grünlich gefärbt und rot-violett überlaufen. Selten sind sie vollständig grün oder kräftig violett gefärbt. Die beiden oberen Blütenblätter des inneren Kreises sind ellipsoid bis eiförmig, 8 bis 11 mm lang, etwa 4 mm breit und weiß bis hellrosa gefärbt mit violetten Linien entlang der Aderung. Die Lippe (Labellum) ist in zwei Glieder geteilt und 9 bis 13 mm lang. Der hintere Teil der Lippe (Hypochil) ist schüsselförmig, weißlich gefärbt mit rötlich-violetter Linienzeichnung. In der Mitte wird Nektar abgesondert. Der vordere Teil der Lippe (Epichil) ist rund, weiß gefärbt und am Rand gewellt. Er besitzt am Grund zwei deutliche Wülste, die von einer orangeroten Linie umgeben sind. Vorder- und Hinterlippe sind durch ein bewegliches Glied verbunden.
Die Blütezeit liegt zwischen Juni und August.
Genetik und Entwicklung
Die Sumpf-Stendelwurz hat einen Karyotyp von zwei Chromosomensätzen und jeweils 20 Chromosomen (Zytologie: 2n = 40).
Der Same dieser Orchidee enthält keinerlei Nährgewebe für den Keimling. Die Keimung erfolgt daher nur bei Infektion durch einen Wurzelpilz (Mykorrhiza).
Ökologie
Die Sumpf-Stendelwurz besiedelt bevorzugt kalkreiche Böden. Sie kommt zuweilen auch in kalkfreien Feuchtgebieten vor. Sie besiedelt nasse Dünentäler, Pfeifengraswiesen, Quell- und Niedermoore, sickernasse Hänge, Seeufer, wechselfeuchte Mulden in Flussauen und lichte Kiefern- und Pappelwälder. Sie ist lichtliebend und ist daher auf eine niedrige Vegetation oder auf Mahd angewiesen. Zu nährstoffreiche Böden werden gemieden, ebenso eine zu starke Beschattung. Selten wächst sie auf trockeneren Böden, zum Beispiel in Begleitung des Helm-Knabenkrauts.
- Pflanzengesellschaften:
- Verband Caricion davallianae (Kalk-Flachmoor, Kleinseggenriede)
- Verband Magnocaricion (Niedermoor-Großseggenriede)
- Verband Molinion caeruleae (Pfeifengraswiesen)
- Verband Calthion (Sumpfdotterblumenwiesen)
Aufschlüsselung siehe Pflanzensoziologische Einheiten nach Oberdorfer
Verbreitung
Die Verbreitung der Sumpf-Stendelwurz zieht sich durch die temperate und submeridionale Florenzone durch Europa bis Vorderasien, in Asien weiter bis Sibirien, Kaukasien und den Westen des Iran. Nach Norden dringt sie nur wenig in die boreale Zone nach Skandinavien vor, in der meridionalen Zone bis Italien, Griechenland und Anatolien.
In Nordamerika wurde sie im Jahr 2006 das erste Mal verwildert gefunden.[1]
- Deutschland
In Deutschland hatte die Sumpf-Stendelwurz einst eine weite Verbreitung. Die dichtesten Vorkommen liegen in Bayern in den Alpen und im Alpenvorland. In Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg gibt es ebenfalls noch in geringerem Maß mehrere aktuelle Nachweise. In den anderen Bundesländern sind die Vorkommen selten oder sehr selten geworden und weit verstreut.
- Schweiz
In der Schweiz liegen die meisten aktuellen Vorkommen in der Nordschweiz um den Sarnersee, Vierwaldstättersee und Zürichsee bis zum Rheintal. Die Vielzahl der Funde ist auf eine intensive Kartierung bis zum Jahr 2000 zurückzuführen. Weiterhin gibt es noch mehrere Vorkommen um den Lac de la Gruyère. In der restlichen Schweiz liegen die verbliebenen noch aktuellen Vorkommen ebenfalls zerstreut.
Naturschutz und Gefährdung
Wie alle in Europa vorkommenden Orchideenarten steht auch die Sumpf-Stendelwurz unter strengem Schutz europäischer und nationaler Gesetze.
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- Rote Liste Deutschland: 3+ (regional stärker gefährdet.
- Rote Liste Bundesländer:
- Baden-Württemberg: 3
- Bayern: 3
- Berlin: 2
- Brandenburg: 2
- Hamburg: 1
- Hessen: 2
- Mecklenburg-Vorpommern: 2
- Niedersachsen + Bremen: 2
- Nordrhein-Westfalen: 2
- Rheinland-Pfalz: 2
- Saarland: 2
- Sachsen-Anhalt: 2
- Sachsen: 2
- Schleswig-Holstein: 1
- Thüringen: 2
Die größten Gefahren sind seit geraumer Zeit Stickstoffeintrag durch Düngen und Trockenlegen der Standorte. Besonders die in früherer Zeit häufigen Streuwiesen waren von diesen Maßnahmen betroffen. Durch die spätere Blütezeit besteht eine Gefährdung durch zu frühe Mahd.
Um auf die Schutzwürdigkeit hinzuweisen, wurde im Jahr 1998 vom Arbeitskreis Heimischer Orchideen (AHO) in Deutschland die Sumpf-Stendelwurz zur "Orchidee des Jahres" erklärt.
Unterarten, Variabilität, Hybriden
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- Unterarten, Formen, Varietäten
Eine gedrungene, wenigblütige Form, die in Dünen und auf meist trockeneren Flächen wächst, ist als Epipactis palustris f. ericetorum beschrieben worden. Als Pflanze feuchter Standorte dürfte es sich hier um eine Anpassung auf die geringere Feuchtigkeit handeln.
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- Naturhybride
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- Epipactis × pupplingensis Bell 1968 - (Epipactis atrorubens × Epipactis palustris)
- Die Hybride zwischen Braunroter Stendelwurz und Sumpf-Stendelwurz wurde nach der Pupplinger Au benannt. Sie ist in der Regel gut zu bestimmen. Die Form der Blüte, besonders die der Vorderlippe, tendiert stark zur Sumpf-Stendelwurz, die meist dunkle Färbung vererbt die Braunrote Stendelwurz.
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- Künstlich erzeugte Hybriden
Die Sumpf-Stendelwurz hat sich als Nachzucht in Kultur nach einer Eingewöhnungsphase als relativ unempfindliche Pflanze erwiesen. Sie wurde daher gern als Kreuzungspartner für gärtnerische Hybriden verwendet.
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- Epipactis Alegria (Ep. palustris × thunbergii)
- Epipactis Baskerville (Ep. helleborine × palustris)
- Epipactis Colorado (Ep. atrorubens × palustris)
- Epipactis Passionata (Ep. palustris × royleana)
- Epipactis Renate (Ep. palustris × veratrifolia)
- Epipactis Sabine (Ep. gigantea × palustris)
- Epipactis Ventura (Ep. palustris × mairei)
Durch das geringe Interesse und die nicht sehr einfache Vermehrung werden diese Hybriden nur selten in spezialisierten Gärtnereien angeboten.
Systematik
Carl von Linné beschrieb diese Art 1753 in seinem Werk „Species Plantarum“ als Serapias helleborine var. palustris: Der Name gilt heute als Basionym. Er stufte sie als Varietät von Serapias helleborine ein, der heutigen Epipactis helleborine. Crantz überführte sie 1769 in die von Johann Gottfried Zinn 1757 begründete Gattung Epipactis.
Thilo Irmisch unterteilte die Gattung 1842 mit ihren damals fünf bekannten Arten in zwei Sektionen. Die Sumpf-Stendelwurz gliederte er als einzige Art in die Sektion Arthrochilium.
Als Synonyme sind folgende Arten beschrieben:
- Serapias helleborine var. palustris L. 1753 (Basionym)
- Helleborine palustris (L.) Hill 1756
- Serapias longifolia L. 1763
- Serapias palustris (L.) Mill. 1768
- Epipactis longifolia (L.) All. 1785
- Serapias longiflora Asso 1779
- Helleborine longifolia (L.) Moench 1794
- Cymbidium palustre (L.) Sw. 1799
- Helleborine latifolia Moench 1802
- Helleborine palustris (L.) Schrank 1814
- Epipactis salina Schur 1866
- Epipactis palustris f. ochroleuca Barla 1868
- Arthrochilium palustre (L.) Beck 1890
- Limodorum palustre (L.) Kuntze 1891
- Calliphyllon palustre (L.) Bubani 1901
- Amesia palustris (L.) A. Nelson & J.F. Macbr. 1913
Bildergalerie
Am Standort im Virngrund
Blütenstand mit kräftig gefärbten Blüten in den Tannheimer Bergen
Blütenstand
(Vorkommen im
Müritzgebiet)Einzelblüte auf der Windischen Höhe in Kärnten
Quellen
- ↑ Anonymus: Epipactis palustris - Another European Visitor New to the North American Orchid Flora. In: North American Native Orchid Journal Volume 13(2) 2007, S. 112
Literatur
- Standardwerke
- AHO (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands. Verlag AHO Thüringen, Uhlstädt - Kirchhasel 2005, ISBN 3-00-014853-1.
- Karl-Peter Buttler: Orchideen, die wildwachsenden Arten und Unterarten Europas, Vorderasiens und Nordafrikas. Mosaik Verlag 1986, ISBN 3-5700-4403-3.
- Robert L. Dressler: Die Orchideen - Biologie und Systematik der Orchidaceae. (1996) - gutes Werk zum Thema Systematik [deutsch].
- Hans Sundermann: Europäische und mediterrane Orchideen. Brücke-Verlag, 2. Auflage: 1975, ISBN 3-871-05010-5.
- J. G. Williams: Orchideen Europas mit Nordafrika und Kleinasien. BLV Verlag, ISBN 3-405-11901-4.
- Spezielle Literatur
- Fritz Füller: Epipactis und Cephalanthera (Orchideen Mitteleuropas, 5. Teil). 4. Auflage (unveränderter Nachdruck der 3. Auflage von 1986). Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2005 (Die Neue Brehm-Bücherei, Band 329), ISBN 3-89432-310-8.
- Thilo Irmisch: Bemerkungen über die Epipactisarten der deutschen Flora. In: Linnaea 16 (1842), S. 417-462.
Weblinks
- Verbreitungskarten
- Regionales
- Die Orchideen der Rhön: Epipactis palustris, Sumpf-Stendelwurz
- AGEO (Schweiz): Epipactis palustris
- Die Orchideen Deutschlands: Epipactis palustris
- Den virtuella Floran (schwedisch) Epipactis palustris
- Siehe auch
Breitblättriges Knabenkraut (1989) | Pyramiden-Hundswurz (1990) | Kleines Knabenkraut (1991) | Großes Zweiblatt (1992) | Helm-Knabenkraut (1993) | Sumpf-Glanzkraut (1994) | Bienen-Ragwurz (1995) | Gelber Frauenschuh (1996) | Wanzen-Knabenkraut (1997) | Sumpf-Stendelwurz (1998) | Bocks-Riemenzunge (1999) | Rotes Waldvöglein (2000) | Herbst-Drehwurz (2001) | Vogel-Nestwurz (2002) | Fliegen-Ragwurz (2003) | Grüne Hohlzunge (2004) | Brand-Knabenkraut (2005) | Breitblättrige Stendelwurz (2006) | Gewöhnliches Kohlröschen (2007) | Übersehenes Knabenkraut (2008) | Männliches Knabenkraut (2009)
- Pflanzengesellschaften:
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