Surfabilly

Surfabilly

Surf (engl., Wellenreiten). Die Surfmusik war eine in den frühen 1960er Jahren in Kalifornien entstandene, überwiegend instrumentale Variante des Rock ’n’ Roll. Weitere gebräuchliche Bezeichnungen waren Surf Sound, Surf Rock und Surf Music.[1] International populär wurde die Surfmusik vor allem durch die Beach Boys, die sich durch ihre charakteristischen, mehrstimmigen Gesangsharmonien von der instrumentalen Surfmusik unterschieden. Zu den bekannteren instrumentalen Interpreten zählten die Surfaris mit dem Stück Wipe Out (1963) oder die The Chantays mit Pipeline (1962). Das Gesangsduo Jan and Dean gelangte 1963 auf dem Höhepunkt der Surfmusik mit Surf City auf Platz 1 in den Charts. Bis auf die Beach Boys gelang es aber niemandem über den Status eines One-Hit-Wonders oder Lokalmatadoren hinaus zu wachsen, wie der Gitarrist Dick Dale und seiner Band den Del-Tones. Sein staccatohaftes Gitarrenspiel auf einer Fender Stratocaster fand einige Nachahmer, und ihm gelang mit den Stück Misirlou (1962) ein lokaler Hit. Eine einheitliche und typische Surfmusik gab es jedoch nicht.[1] Vielmehr diente die instrumentale oder vokale Musik als Grundgerüst das mit einer Vielzahl von populären Themen besetzt wurde. Der Erfolg der Beatles und die damit verbundene British Invasion verdrängte ab 1964 die Surfmusik.[2]

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge

Die Ursprünge der Surfmusik lagen im rein instrumentalen Rock ’n’ Roll der gegen Ende der 1950er Jahre in den USA immer populärer wurde. Zu den frühen Veröffentlichungen dieser Art zählten beispielsweise das Noveltystück Green Mosquito von den Tune Rockers[3], Link Wrays klassischer 12-Takt Blues Rumble, das Stück Rebel Rouser von Duane Eddy oder das mit lateinamerikanischen Rhythmen angehauchte Stück Tequila von den Champs aus dem Jahr 1958. Vor allem Duane Eddy spielte sehr erfolgreich ausschließlich instrumentalen Rock ’n’ Roll und etablierte den als Twang bezeichneten und viel kopierten Gitarrenklang mit Reverb- und Tremoloeffekten. Er erreichte mit Rebel Rouser im Juli 1958 Platz 6 in den amerikanischen Charts und bis 1962 sollten 15 weitere Top 40 Hits folgen.[4] Die instrumentale Musik war facettenreich. Es gab sowohl die Rhythm & Blues orientierten Bands wie die populären Johnny and the Hurricanes, Maurice Williams & The Zodiacs oder Booker T. & the M.G.’s und Interpreten wie Bill Black’s Combo, Floyd Cramer oder Chet Atkins, die in der Countrymusik verhaftet waren.[5] Andere Bands standen dem Rockabilly sehr nahe wie zum Beispiel die Rock-A-Teens oder die Fendermen.[3] Unterschiede gab es auch bei der Wahl des melodieführenden Instruments. Neben Saxophon und Tasteninstrumenten wie der Orgel dominierte jedoch die Gitarre. Seit dem Jahr 1959 war der instrumentale Rock ’n’ Roll ein neuer Trend der am stärksten Verbreitung fand.[3]

Dieser Trend breitete sich auch in Europa aus. Im Juli 1960 hatten die Shadows mit dem Stück Apache einen Hit in den britischen Charts. In den Vereinigten Staaten nahm niemand Notiz von den Briten. Allerdings erreichte der Däne Jørgen Ingmann mit einer Coverversion von Apache im Januar 1961 Platz 2 in Amerika. Im August 1962 schafften es die Tornados als erste britische Rock-’n’-Roll Band mit ihrem Welthit Telstar auf Platz 1 in Amerika.

Vom Sport zur Musik

Im Januar 1960 erschien in Kalifornien die erste Zeitschrift die sich ausschließlich mit der Sportart des Wellenreitens beschäftigte. Der Herausgeber, Fotograf und Filmemacher John Severson nannte das Magazin The Surfer und bot alles über die neue Trendsportart die über Amerika hinwegfegte.[6] Die erste Ausgabe umfasste 32 Seiten, war komplett in Farbe und erschien in einer Auflage von 10.000 Exemplaren.[7] Die Zeitschrift war als Fotobuch konzipiert und enthielt Bilder aus Seversons ersten Film Surf, den er von 1958 bis 1959 an den Stränden von Hawaii gedreht hatte.[8] Severson war nicht der einzige der visuelle Medien nutzte und die Popularität des Surfens förderte. Der Dokumentarfilmer Bud Browne drehte seit seinem Erstlingswerk Hawaiian Surfing Movie von 1953 bis 1964 praktisch jedes Jahr einen neuen Film über das Surfen. Es gab weitere Dokumentarfilmer wie Bruce Brown. Er drehte Filme wie Slippery When Wet (1958), Barefoot Adventure (1961) und Endless Summer (1966). In den Filmstudios von Hollywood entstanden kommerziell erfolgreiche Spielfilme wie Gidget (1959), Where the Boys Are (1960), Beach Party (1963) oder Surf Party (1964) in denen „Strand, Sonne und Surfen“ als Rahmen für die Darsteller und dem romantischen Plot diente. Vor allem der Film Gidget hat mit zwei Fortsetzungen, einer Fernsehserie und einem Spin-off maßgeblich zur Popularisierung des Surfens beigetragen.

Ursprünglich bildeten die Surfer eine kleine Szene, die typische Begriffe und auch einen eigenen Modestil entwickelt hatte und zunehmend kommerzialisiert wurde. Sie bevorzugten Shirts von der Firma Pendleton Woolen Mills, weiße, ungekürzte Levi’s Jeans und trugen entweder von der Sonne oder chemisch gebleichte, kurze Haare.[9][10] Im Laufe der 1950er Jahre entwickelte sich das Surfen von einer Randerscheinung zur beliebtesten Wassersportart in Amerika. Jedes Wochenende tummelten sich bis zu 30.000 Surfer an den Stränden Südkaliforniens.[11] Durch die klimatischen und geografischen Bedingungen wurde Südkalifornien zum Mittelpunkt für Surfer die mehrheitlich aus der Region aber auch anderen Teilen der USA kamen. Dort waren Hits wie Bill Doggetts Honky Tonk (1956) und Arthur Smiths Guitar Boogie (1958) bis in die frühen 1960er Jahre auf Strandparties beliebt.[5] Letzteres Stück nahm die kalifornische Band The Virtues im Jahr 1959 als Guitar Boogie Shuffle neu auf und erreichte damit Platz 5 in den Billboard Charts. Weitere wichtige Aufnahmen für die Entwicklung der Musikszene in Kalifornien waren instrumentale Stücke regionaler Bands wie Moon Dawg (1960) von den Gamblers, Mr. Moto (1961) von den Belairs und Stick Shift (1961) von den Duals.[3] Von diesen Gruppen gelangten lediglich die Duals mit Stick Shift (engl., Gangschaltung) bis auf Platz 25 in die nationalen Billboard Carts. Das Stück sprach vor allem die Hot-Rod-Szene an.[12] Die Produzenten hatten Motorgeräusche zur Musik gemischt und am Ende die Sirene einer Polizeistreife eingefügt, was man als besonderen Clou betrachtete.[13]

Zu den ersten Titeln mit direktem Bezug zum Surfen zählten Surfer’s Stomp von den Marketts das 1961 zunächst auf dem Plattenlabel Union Records erschien und 1962 von Liberty Records neu aufgelegt wurde, sowie Surfin' von den Beach Boys, das im Dezember 1961 veröffentlicht wurde.[14][15]

Hintergrund: Autos, Astronauten und Twist

Die Region Südkalifornies war eine Hochburg der White Anglo-Saxon Protestants, die eine breite, wohlhabende Mittelschicht bildeten.[16] Die gute wirtschaftliche Situation in den USA ließ in Südkalifornien, beinahe über Nacht, überall neue Vorstädte und Siedlungen entstehen.[3] Neben jedem Haus stand eine Garage und in jeder Garage stand ein Auto. Schon 1954 rollten von rund 100 Millionen Fahrzeugen weltweit die Hälfte allein auf amerikanischen Straßen. [17] Es entstand eine Wohlstandsgeneration in der Teenager zunehmend Geld und Zeit in ihre Freizeitgestaltung investierten und eine Industrie die davon profitierte. Eine Freizeitindustrie, die es verstand, immer neue Trends aufzugreifen. Der Übergang von den 1950er zu den 1960er Jahren war die Zeit der Tanzcombos.[3] Die bei Teenagern beliebte Fernsehshow American Bandstand, die seit 1957 von Dick Clark moderiert und seitdem landesweit ausgestrahlt wurde, präsentierte fast monatlich einen neuen Modetanz.[18] Die Tänze, die sich meist kaum unterschieden, hatten Namen wie The Hop, The Stroll, The Twist, Mashed Potatoes, The Stomp, The Watussi, The Chicken, The Dog oder The Bird.[19] Der vielleicht erfolgreichste Modetanz war der Twist, den Chubby Checker mit seinem Hit The Twist aus dem Jahr 1960 popularisierte und der ihn zum Weltstar machte. Schlagartig griffen andere Musiker den Trend auf: Sam Cooke sang Twistin’ the Night Away, die Isley Brothers Twist and Shout, Danny & The Juniors Twistin’ USA, die Marvelettes Dear Lady Twist und Gary U. S. Bonds Twistin’ Postman.

Ein anderer Trend waren die Car Songs (engl.: Autolieder). Schon Jackie Brenstons Stück Rocket 88 von 1951 befasste sich mit dem Oldsmobile 88, der einen „Rocket V8“-Motor hatte und von Oldsmobile mit dem Slogan Make a Date with a Rocket 88 beworben wurde.[20] Der Rock-’n’-Roll-Star Chuck Berry besang mit Maybellene (1955) eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund eines Autorennens. Es wurde populär, das sich Musikgruppen nach Autos benannten.[5] Es gab die Cadillacs (Cadillac), Edsels (Edsel), El Dorados (Cadillac Eldorado), die Fleetwoods (Cadillac Fleetwood), Impalas (Chevrolet Impala) oder die Valiants (Plymouth Valiant). Zeitgleich mit der Surfmusik wuchs auch die Anzahl der Titel über Autos, Rennen und Motorräder. Die Beach Boys stellten mit Little Deuce Coupe (1963) ein ganzes Album mit Hot-Rod-Musik zusammen, ebenso wie Dick Dale mit seinem Album Checkered Flag (1963). Im gleichen Jahr veröffentlichte eine Gruppe von Studiomusikern als The Deuce Coupes das Album Hot Rodder’s Choice, nur um aus der Hot-Rod-Mode Kapital zu schlagen.[21]

Revivals

Die Geschichte der instrumentalen Surfmusik wird häufig in Wellen eingeteilt. Bislang gibt es drei Wellen. Die erste Welle ging bis etwa 1965 und wurde geprägt durch Gruppen wie Dick Dale and his Del-Tones und The Surfaris. Die zweite Welle der instrumentalen Surfmusik kam in den 1980er Jahren auf. Bands wie Agent Orange mischten Surf mit Punk. Der Film Pulp Fiction von Quentin Tarantino markierte Mitte der 1990er Jahren den Anfang der aktuellen dritten Welle. Tarantino entdeckte viele Stücke der ersten Welle wieder, was eine ganze Generation von Bands dazu inspirierte, selbst solche Musik zu machen.

Während die Welle hauptsächlich die Zeit des Entstehens widerspiegelt, bezeichnen die Begriffe trad (von traditional) und modern den Klang der Musik. Traditionelle Bands versuchen dabei, mit authentischen Instrumenten den Klang der ersten Welle zu erzeugen, während moderne Bands auch neuere Technik einsetzen. Auch die Songstrukturen der zwei Arten von Bands unterscheiden sich maßgeblich. Ein traditioneller Song ist kaum je länger als zwei Minuten; ein moderner Song kann dagegen epische Längen annehmen. Beispiel für eine eine moderne Band ist die Gruppe The Mermen.

Technik

Instrumental Surf ist stark mit der kalifornischen Firma Fender verbunden. Zahlreiche Produkte dieser Firma waren von der Surfmusik inspiriert oder inspirierten wiederum diese. Die Fender-Gitarrenmodelle mit Vibratohebel (Stratocaster, Jazzmaster, Jaguar) sowie ein möglichst lauter Verstärker gehörten zu praktisch jeder Surfband.

Typisch sind laute E-Gitarren und, seit 1961 die „Fender Reverb Unit“ entwickelt wurde, der starke Einsatz von Nachhall (Reverb). Die Verstärker wurden meist bis zum Anschlag aufgedreht, was die Musik für damalige Verhältnisse sehr laut machte. Neben der Lautstärke und dem Reverb sind häufige Glissandi und das so genannte „Tremolo Picking“ (auch als „Double Picking“ bezeichnet), also ein schneller Wechselanschlag der Gitarrensaiten, charakteristisch.


Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Bernward Halbscheffel / Tibor Kneif: Sachlexikon Rockmusik, Rowohlt, Reinbek 1992, S. 375-376. ISBN 3-499-16334-9
  2. Wicke / Wieland / Ziegenrücker: Handbuch der populären Musik. Schott, Mainz 2007, S. 707. ISBN 978-3-7957-0571-8
  3. a b c d e f Greg Shaw: Die Geburt des Surf. In: Bernd Matheja (Hg.), Greg Shaw’s Bomp!, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek 1982, S. 22-24. ISBN 3-499-17659-9
  4. Rock and Roll Hall Of Fame: Duane Eddy. Gesichtet: 24. Februar 2009
  5. a b c Wolfgang Tilgner: Psalmen, Pop und Politik – Populäre Musik in den USA, Henschel Verlag GmbH, Berlin 1993, S. 308-309. ISBN 3-89487-184-9
  6. Johnny Black: Rock and Pop Timeline. Thunder Bay Press, San Diego, California 2003, S. 20. ISBN 1-59223-052-0
  7. Surfline: Surfing A to Z - Surfer Magazine. Gesichtet: 13. April 2009
  8. Surfline: Surfing A to Z - John Severson. Gesichtet: 13. April 2009
  9. Frank W. Hoffmann / Howard Ferstler: Encyclopedia of Recorded Sound, Routledge, New York 2005, S. 1082. ISBN 0-415-93835-X
  10. John Blair: Dick Dale – Der Mann der den Surf erfand. In: Bernd Matheja (Hg.), Greg Shaw’s Bomp!, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek 1982, S. 26-29. ISBN 3-499-17659-9
  11. Badman, Keith: The Beach Boys – The Definitive Diary of America’s Greatest Band on Stage and in the Studio, Backbeat Books by Outline Press Ltd., London 2004, S. 16. ISBN 978-0-87930-818-6
  12. BlackCat - Rockabilly Europe: This Is My Story: The Duals. Gesichtet: 14. April 2009
  13. Star Revue: The Duals Gesichtet: 14. April 2009
  14. Rock Museum: First Pressings. Gesichtet: 14. April 2009
  15. Badman, Keith: The Beach Boys – The Definitive Diary of America’s Greatest Band on Stage and in the Studio, Backbeat Books by Outline Press Ltd., London 2004, S. 17. ISBN 978-0-87930-818-6
  16. Badman, Keith: The Beach Boys – The Definitive Diary of America’s Greatest Band on Stage and in the Studio, Backbeat Books by Outline Press Ltd., London 2004, S. 16. ISBN 978-0-87930-818-6
  17. Deicke / Rausch: Die Rockjahre, Ullstein, Berlin 1987, S. 30
  18. Wolfgang Tilgner: Psalmen, Pop und Punk: die Populäre Musik in den USA. Henschel Verlag GmbH, Berlin 1993, S. 287
  19. Dance Crazes Gesichtet: 15. April 2009]
  20. Tony Barthel: Dick Croxall’s 1950 Oldsmobile Rocket 88, Curbside’s Publisher, 2008. Gesichtet: 23. April 2009
  21. allmusic: The Deuce Coupes. Gesichtet: 15. April 2009

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